Krankenhausrecht Vorlesung an der Universität Augsburg am 16.10.2015. Dr. Thomas Vollmöller vollmoeller@seufert-law.de



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Transkript:

Krankenhausrecht Vorlesung an der Universität Augsburg am 16.10.2015 Dr. Thomas Vollmöller vollmoeller@seufert-law.de

I. Das Krankenhausrecht als Rechtsgebiet (1) Das Krankenhausrecht ist eine Querschnittsmaterie und berührt als solche alle Rechtskreise: Zivilrecht: Patientenaufnahmevertrag im Krankenhaus, Arzthaftungsrecht bei Kunstfehlern, Kooperationsverträge, Wahlleistungsvereinbarung und persönliche Leistungserbringung. Öffentliches Recht: Krankenhausplan, Konkurrentenklage, Gewerbekonzession für Privatkliniken, Abrechnungsstreitigkeiten vor dem Sozialgericht, Arzneimittelrecht, Apothekenrecht. Strafrecht: Körperverletzung, Abrechnungsbetrug. Im Fokus der Vorlesung steht vor allem das öffentliche Krankenhausrecht. Folie 2

I. Das Krankenhausrecht als Rechtsgebiet (2) Wichtige Gesetze des öffentlichen Krankenhausrechts sind: das Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) das Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) das Sozialgesetzbuch V (SGB V) das Bayerische Krankenhausgesetz (BayKrG) Wichtige Regelungen enthalten ferner: Vereinbarungen der Selbstverwaltung auf Bundesebene (z. B. AOP-Vertrag nach 115b SGB V) Vereinbarungen der Selbstverwaltung auf Landesebene (z. B. Vereinbarung des Landesbasisfallwerts nach 10 KHEntgG) Richtlinien und Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) nach 91 SGB V Folie 3

I. Das Krankenhausrecht als Rechtsgebiet (3) In prozessualer Hinsicht sind sowohl die Verwaltungs- als auch die Sozialgerichte für bestimmte Streitgegenstände zuständig: Verwaltungsgerichte: Krankenhausplanung Krankenhausförderung Krankenhausvergütung (Budgetebene) => Anwendung der VwGO Sozialgerichte: Verträge mit den Sozialleistungsträgern Abrechnungsstreitigkeiten (Abrechnungsebene) Zulassungen zur ambulanten Versorgung => Anwendung des SGG Folie 4

I. Krankenhausrecht als Rechtsgebiet (4) Literatur zum Einstieg: dtv-gesetzestexte, SGB V. Öffentliches Gesundheitswesen, 18. A. (2014) Quaas/Zuck, Medizinrecht, 3. Aufl. (2014), 25-27 (beck-online) Huster/Kaltenborn, Handbuch des Krankenhausrechts, 2010 (beck-online). Dettling/Gerlach, Krankenhausrecht, 2014 Folie 5

II. Grundbegriffe des Krankenhausrechts (1) 1. Begriff des Krankenhauses >P: Abgrenzung zur Reha-Einrichtung; 107 Abs. 1 SGB V: Krankenhäuser im Sinne dieses Gesetzbuchs sind Einrichtungen, die 1. der Krankenhausbehandlung oder Geburtshilfe dienen, 2. fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen, über ausreichende, ihrem Versorgungsauftrag entsprechende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten verfügen und nach wissenschaftlich anerkannten Methoden arbeiten, 3. mit Hilfe von jederzeit verfügbarem ärztlichem, Pflege-, Funktions- und medizinisch-technischem Personal darauf eingerichtet sind, vorwiegend durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten der Patienten zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten, Krankheitsbeschwerden zu lindern oder Geburtshilfe zu leisten, und in denen 4. die Patienten untergebracht und verpflegt werden können. => vorwiegend durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung 2. Grundsatz der dualen Krankenhausfinanzierung, 4 KHG Investitionskosten: Bundesländer, 4 Nr. 1 KHG Betriebskosten: Krankenkassen, 4 Nr. 2 KHG Folie 6

II. Grundbegriffe des Krankenhausrechts (2) 3. Zulassung von Krankenhäusern zur GKV-Versorgung, 108 SGB V Hochschulkliniken: Anerkennung kraft Landesrecht Plankrankenhäuser: Aufnahme in den Krankenhausplan ( 8 KHG) Vertragskrankenhäuser: VersorgungsV, 109 Abs. 1 Satz 1 SGB V Davon abzugrenzen: Reine Privatkliniken, die keine GKV-Patienten behandeln. 4. Grundsatz der Sektorentrennung: Die ambulante Versorgung GKV-Versicherter erfolgt grundsätzlich durch zugelassene Vertragsärzte, Medizinische Versorgungszentren (MVZ) und ermächtigte Ärzte/Einrichtungen ( 95 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Hingegen erfolgt die stationäre Versorgung durch zugelassene Krankenhäuser ( 39 Abs. 1, 108 SGB V). Folie 7

II. Grundbegriffe des Krankenhausrechts (3) 5. Abgrenzung stationäre und ambulante Behandlung Nach 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V wird die Krankenhausbehandlung vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär ( 115a) sowie ambulant ( 115b) erbracht. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt eine (voll-)stationäre Behandlung vor, wenn nach dem Behandlungsplan des Krankenhauses eine physische und organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses gegeben ist, die sich zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstreckt (BSG, Urt. v. 4.3.2004 B 3 KR 4/04 R, GesR 2004, S. 382). Achtung: Für den Bereich des ambulanten Operierens nach 115b SGB V liegt abweichend von der allgemeinen Begriffsbestimmung eine konkrete Regelung durch AOP-Vertrag vor. Folie 8

III. Verfassungsrechtliche Grundlagen (1) 1. Gesetzgebungskompetenzen Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes gem. Art. 72 Abs. 1 und 2 i. V. m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG: => wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser (KHG) => Regelung der Krankenhauspflegesätze (KHEntgG) Art. 72 Abs. 2 GG (Erforderlichkeit) verbietet umfassende Normierung der Krankenhausplanung. Deshalb sind unterschiedliche Arten der Krankenhausplanung möglich. Bundesrechtlich vorgegeben ist aber die Aufnahme durch Feststellungsbescheid gem. 8 Abs. 1 Satz 3 KHG (= Verwaltungsakt isv 35 S. 1 VwVfG). Vgl. zum Ganzen: Kaltenborn, in Huster/ders., KrankenhausR, 2010, 2 Rn. 2 ff. Folie 9

III. Verfassungsrechtliche Grundlagen (2) 2. Grundrechte Staatl. Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 i.v.m. Art. 20 Abs. 1 GG: Letztverantwortung des Staates für eine erfolgreiche stationäre Patientenversorgung (Burgi, in: Ministerium für Gesundheit etc. NRW (Hrsg.), Krankenhausrecht in Wissenschaft und Praxis, 2004, S. 19 (27 f.) Grundrechte der privaten Krankenhausträger aus Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 14 GG und Art. 3 Abs. 1 GG => Bedeutung vor allem für Auswahlentscheidungen. (siehe insbesondere BVerfGE 82, 209 (228 ff.); BVerfG, NJW 2004, 1648 (1649 ff.) Kommunale Selbstverwaltungsgarantie gem. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. Folie 10