Finanzierung. 2. Die Finanzierung der Staatstätigkeit. Grundlagen der Besteuerung



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Transkript:

Finanzierung 2. Die Finanzierung der Staatstätigkeit Grundlagen der Besteuerung 0

Grundlagen der Besteuerung - Steuern sind Zwangsabgaben, da - alle besser gestellt werden können, wenn sie übereinkommen, gemeinsam (über Steuern) öffentliche Güter zu finanzieren - die Finanzierung öffentlicher Güter auf freiwilliger Basis aufgrund des Schwarzfahrerproblems kaum möglich ist. 1

Grundlagen der Besteuerung Historisch gibt es Steuern seit es staatsähnliche Gemeinschaften gibt (Bibel, Heraklit, Revolutionen). Bezahlung früher in Realgütern, heute monetarisiert (einfachere Verwaltung). Unterschied zwischen Zwangsabgaben in feudalen Verhältnissen und modernen Steuern: - Leibeigene waren ortsgebunden heute sind wir mobil - früher Pflicht zur Arbeit heute freiere Wahl des Arbeitseinsatzes 2

Grundbegriffe Steuerobjekt eine Sache, wirtschaftliche Handlung, Geldsumme oder rechtlich-ökonomische Transaktion, an die das Gesetz die Steuerpflicht knüpft (z. B. Halten eines KFZ ) Steuerbemessungsgrundlage (B) mengen- oder wertmäßige Quantifizierung des Steuerobjekts (z. B. Hubraum, PS-Zahl) Steuersubjekt (Steuerschuldner) derjenige, an den sich der Staat zwecks Zahlung der Steuer rechtsverbindlich wenden kann (z.b. Halter des KFZ) 3

Grundbegriffe Steuerzahler die Person, die entrichtungspflichtig ist. Z.B. ist bei der Lohnsteuer der Arbeitgeber Steuerzahler, Steuerschuldner ist jedoch der Arbeitnehmer Steuerträger derjenige, dessen Einkommen oder Vermögen durch die Besteuerung gekürzt wird (der die Last trägt) Steuerdestinatar der vom Gesetzgeber vorgesehene Steuerträger. Durch Steuerüberwälzung fallen Steuerdestinatar (z.b. Unternehmen) und Steuerträger (z.b. Konsument) nicht immer zusammen. Steuerschuld Höhe der zu entrichtenden Steuer 4

Grundbegriffe Mengensteuer Steuersatz als EUR pro Mengeneinheit (z.b. 10 Cent je Flasche Bier) Wertsteuer Prozentsatz (z.b. 1% vom Wert des steuerpflichtigen Einkommens) Steuertarif Zusammenhang zwischen Steuerbetrag (T) und Steuerbemessungsgrundlage (B) Durchschnittssteuersatz Betrag/Bemessungsgrundlage (T/B) Grenzsteuersatz marginale Steuerbelastung (dt/db) 5

Grundbegriffe Wir unterscheiden: Proportionale, progressive und regressive Tarife (dargestellt mit Hilfe des Durchschnittssteuersatzes (T/B)) T B Progressive Tarife verzögert linear beschleunigt Regressive Tarife Proportionale Tarife 0 B 6

Grundbegriffe Achtung! Von einem regressiven Tarif ist die regressive Steuerbelastung zu trennen. Diese tritt auf, wenn die Relation zwischen Gesamtsteuerbelastung und Einkommen mit wachsendem Einkommen sinkt. Dies ist möglich, selbst wenn der Steuersatz zur Bemessungsgrundlage proportional ist, weil die durchschnittliche Konsumquote mit steigendem Einkommen sinkt. 7

Grundbegriffe Weitere Unterscheidungen: Besitzsteuern (vom Einkommen, Ertrag oder Vermögen) Verkehrssteuern (knüpfen an Vorgänge des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs an) Verbrauchsteuern (belasten den Verbrauch von Gütern; sind Teil der Verkehrssteuern) 8

Grundbegriffe Besitzsteuern: Einkommensteuer (einschließlich Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer) Körperschaftsteuer Solidaritätszuschlag Gewerbesteuer (teilweise) Vermögensteuern: Erbschaftsteuer, Grundsteuer, Allg. Vermögenssteuer Verkehrssteuern: Umsatzsteuer (ohne Einfuhrumsatzsteuer) Grunderwerbsteuer Kraftfahrzeugsteuer Versicherungsteuer 9

Grundbegriffe Weitere Unterscheidungen: Direkte Steuern (setzen an der Einkommensentstehung an, berücksichtigen persönliche Merkmale der Steuerpflichtigen) Indirekte Steuern (setzen bei Einkommensverwendung an; werden grundsätzlich bei Unternehmen erhoben) Der Nachteil der indirekten Steuern ist deren regressive Wirkung (Verteilungsargument), dagegen gelten direkte Steuern als leistungshemmend (Effizienzargument). 10

Fünf Kriterien Fünf Kriterien, die ein Steuersystem erfüllen sollte: 1. Wirtschaftliche Effizienz 2. Geringer Erhebungsaufwand 3. Flexibilität 4. Transparenz 5. Gerechtigkeit 11

1. Wirtschaftliche Effizienz Besteuerung hat Auswirkungen auf das Verhalten der Wirtschaftssubjekte: - bestimmt Entscheidungen über Arbeit, Ersparnis, Ausbildung und Konsum - beeinflusst Entscheidung zu heiraten oder nicht - beeinflusst Bereitschaft zur Risikoübernahme Beispiel: Einkommen- und Lohnsteuer beeinflussen - Ertrag der Ausbildung nach Steuern - Berufswahl - Anzahl der Arbeitsstunden - Entscheidung über Zweitberuf - Art der Ersparnisbildung - Renteneintritt und Berufstätigkeit in der Rente 12

1. Wirtschaftliche Effizienz Auswirkungen der Besteuerung auf Finanzierungsentscheidungen: - Einfluss auf die Form der Transaktionen (Lohnzahlung vs. Beitrag zur Vermögensbildung) - Zusammensetzung von Unternehmenskapital (unterschiedliche Besteuerung von Dividenden, Zinsen, Wertzuwächsen, ); hat Auswirkungen auf Investitions- und Expansionsentscheidungen der Unternehmen 13

1. Wirtschaftliche Effizienz Verzerrende Wirkungen - Steuersysteme beeinflussen das Verhalten von Wirtschaftssubjekten (siehe oben) - Steuer ist nicht verzerrend, wenn ein Steuerpflichtiger seine Steuerschuld nicht beeinflussen kann => Pauschalsteuern, z.b. Kopfsteuer) - Verbrauchsteuern sind verzerrend => Steuerschuld durch weniger Konsum verringerbar - Einkommen- und Besitzsteuern sind verzerrend => Steuerschuld durch weniger Arbeit oder Verkauf von Besitz verringerbar 14

1. Wirtschaftliche Effizienz Steuern zum Lenken (Pigou-Steuern) - Steuern werden eingesetzt, um Marktversagen (v.a. externe Effekte) zu korrigieren - Pigou-Steuern liefern Steueraufkommen und erhöhen Effizienz der Ressourcenallokation (z.b. Mineralölsteuer: CO 2 -Reduktion; Kyoto-Ziele) 15

1. Wirtschaftliche Effizienz Wirkungen im allgemeinen Gleichgewicht Steuern ändern das Gleichgewicht der Wirtschaft Beispiel: Zinsensteuer (KESt) reduziert Netto-Sparerträge => es wird (möglicherweise!) weniger gespart => Zinsen steigen => weniger Investitionen => geringerer Kapitalstock => geringere Arbeitsproduktivität => geringere Löhne => weniger Kaufkraft => geringere gesamtwirtschaftliche Nachfrage => geringeres Wirtschaftswachstum => geringere Beschäftigung. ) 16

1. Wirtschaftliche Effizienz Ankündigungseffekte - Wirkungen von Steuern können vor Einführung oder Aufhebung wirksam werden - Erhebliche Gerechtigkeitsprobleme und starke Verzerrungen möglich - Preis geht bei Einführung von Besteuerung vorzeitig zurück (Beispiel: Abzugsfähigkeit der Schuldzinsen bei Krediten für die Anschaffung von Wohnraum wird eingeschränkt => Häuserpreise sinken) => Alte Regel: Alte Steuern sind gute Steuern 17

2. Geringer Erhebungsaufwand Erhebung von Steuern verursacht Kosten; unterscheide zwischen -direktenkosten (Verwaltungskosten z. B. des Finanzamts) und - indirekten Kosten (Kosten des Steuerzahlers, z.b. Aufzeichnungen, Steuerberatung, etc.) Die Kosten hängen eng mit der Komplexität des Steuerrechts zusammen. Sonderbestimmungen, differenzierte Steuersätze, Abzugsfähigkeiten bestimmter Ausgabenarten verursachen erhöhte Kosten. 18

3. Flexibilität Reaktionen auf Veränderungen der wirtschaftlichen Lage sollen möglich sein Veränderungen der wirtschaftlichen Lage erfordern Änderungen der (effektiven) Steuersätze. Systemeigenschaften, politische Konstellationen sind relevant 19

3. Flexibilität Automatische Stabilisierung: - Rezession (bei konstanten Preisen) => Einkommen gehen zurück => Besteuerung des Einkommens sinkt (progressiver Tarif) => Konjunktur erhält Auftrieb - Bei Stagflation funktioniert automatische Stabilisierung nicht: Aufgrund der Inflation steigt der Durchschnittssteuersatz => Netto-Realeinkommen sinkt => schwieriger die Rezession zu überwinden 20

3. Flexibilität Politische Schwierigkeiten einer Steuerreform: - Welche Steuern ändern? - Zu wessen Lasten oder Nutzen ändern? - Um gleiche absolute Beträge oder um gleiche Prozentsätze ändern? - Grenzsteuersätze oder Durchschnittssteuersätze beachten? Kompromisse zwischen Interessengruppen brauchen Zeit! 21

3. Flexibilität Anpassungsgeschwindigkeit - Bei verschiedenen Steuern zeitverzögertes Aufkommen. - Zeitverzögerung verhindert schnelles Übertauchen von Einkommenstiefs, da die zu zahlenden Steuern immer noch hoch sind, wird die Konjunktur weiter geschwächt. Beispiel: Einkommensteuer 22

4. Transparenz Aus demokratiepolitischen Akzeptanzgründen sollten Bürger das Steuersystem durchschauen können - Wie viele verschiedene Steuern gibt es? - Wer trägt jeweils die Steuerlast? (Steuerinzidenz) Steuern, bei denen die Lasttragung offensichtlich ist, sind zu bevorzugen. Oftmals wird tatsächliche Belastung verwaschen dargestellt (für Staat attraktiv: viele Einzelbesteuerungen lassen gesamte Steuerlast insgesamt niedriger erscheinen) 23

4. Transparenz Beispiele für mangelnde Transparenz: Beisp. 1: Sozialversicherung: Arbeitgeberbeitrag, Arbeitnehmerbeitrag; Wer trägt die Last? Beisp. 2: Bei progressiven Steuersystemen erfolgt bei Inflation eine reale Erhöhung der Steuerbelastung; oft nicht sichtbar, aufgrund fehlender Transparenz ( kalte Progression ). 24

5. Gerechtigkeit Gerechtigkeit nicht eindeutig definiert verschiedene Konzepte: - Horizontale Gerechtigkeit - Vertikale Gerechtigkeit - Äquivalenzprinzip - Soziale Wohlfahrtsfunktion 25

5. Gerechtigkeit Horizontale Gerechtigkeit Prinzip: Menschen in ähnlicher oder gleicher wirtschaftlicher Lage sollten ungefähr gleich hohe Steuern zahlen Problem I: Was bedeutet gleich sein? Welche Unterschiede sind tolerierbar, welche nicht? Realität: Individuen mit unterschiedlichem Geschmack werden nicht gleich besteuert; Beispiel: Zwillinge Joe (Weintrinker) und Jim (Biertrinker). Grenze zw. Gleich und Ungleich muss gezogen werden (Welche Kriterien? Alter?, Familienstand?, Geschlecht? ) Problem II: Was heißt gleich behandeln? Z. B. Rente: Gleiche Monatsrente, oder gleicher Erwartungswert 26 der Gesamtrente bei Männern und Frauen?

5. Gerechtigkeit Vertikale Gerechtigkeit Individuen, die mehr zahlen können, sollen mehr Steuern zahlen (Leistungsfähigkeit maßgeblich). Wie misst man die Fähigkeit zum Steuerzahlen? Steuerliche Leistungsfähigkeit vs. Wirtschaftlicher Wohlstand (Messen an Einkommen, potentiellem Einkommen (Stundenlohn), Konsum?) Beispiel: Die Zwillinge Joe (Hausmeister) und Jim (Wirtschaftsberater); gleicher Haushalt, gleiche Fähigkeiten, gleiche Ausbildung 27

5. Gerechtigkeit Konsum als Steuergegenstand? Prinzip: wer konsumiert, wer also mehr aus dem System herauszieht, soll mehr zahlen entspricht der Steuerfreistellung der Ersparnisse (Zinsen, Dividenden, Wertzuwächse) Identität: C + S = Y => C = Y - S Beispiel: Die Zwillinge Sam (spart 20%) und Jack (spart nicht) 28

5. Gerechtigkeit Äquivalenzprinzip Besteuerung der Individuen nach deren Nutzen aus den Steuern, d.h. danach, wie sie staatliche Dienste beanspruchen (= Nutzenäquivalenz). Besteuerung der Individuen nach den Kosten, die sie beim Gebrauch staatlicher Dienste verursachen (= Kostenäquivalenz). Verwirklicht in Form von Erhebung von Gebühren für öffentliche Güter (Mautkosten, Grundstückserschließung, Müllabfuhren, Ambulanzgebühren, Mineralölsteuer etc.). Problem: - Größe der Nutzen oft nicht messbar oder nicht zurechenbar (Landesverteidigung, generell reine 29 öffentliche Güter).

5. Gerechtigkeit Pareto-effiziente Besteuerung und soziale Wohlfahrtsfunktion Versuch, die Konstruktion eines Steuersystems im Rahmen der Wohlfahrtsökonomik zu lösen Ansatz: Suche pareto-effiziente Steuersysteme; anschließend Auswahl eines Systems unter Verwendung einer sozialen Wohlfahrtsfunktion = > Werturteil treffen => Scheinbarer methodischer Vorteil: Werturteil und Effizienzerwägung werden getrennt behandelt. Zwei Typen von sozialen Wohlfahrtsfunktionen: - Utilitaristische - Rawlsianische 30

5. Gerechtigkeit Utilitaristische soziale Wohlfahrtsfunktion: Die soziale Wohlfahrt entspricht der Summe der Nutzen der Individuen. Im Optimum ist der Grenznutzen (Veränderung des Nutzens / Veränderung des Steueraufkommens) bei allen Individuen gleich wenn der Grenznutzen bei einem Individuum größer ist als bei einem anderen, ist es wünschenswert, die Steuerschuld des Individuums mit höherem Grenznutzen zu Lasten des anderen zu senken führt tendenziell zu progressiver Besteuerung. 31

5. Gerechtigkeit Rawlsianische soziale Wohlfahrtsfunktion: Kritik von Rawls: Utilitarismus berücksichtigt Gleichheitsideal zu wenig. Steuersystem sollte so ausgerichtet sein, dass das ärmste Individuum möglichst gut gestellt wird. Steuersätze der Wohlhabenderen werden solange erhöht, bis höchstmögliches Steueraufkommen erreicht wird. 32