Aktuelle Beiträge zum Bau-, Architekten- und Vergaberecht

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Transkript:

GESELLSCHAFT FÜR FORTBILDUNG IM BAU- UND ARCHITEKTENRECHT Newsletter Ausgabe März/2012 Aktuelle Beiträge zum Bau-, Architekten- und Vergaberecht Schadensersatzanspruch gegenüber Auftragnehmer - Wann ist Fristsetzung entbehrlich? BGH, Urteil v. 08.12.2011 VII ZR 198/10 Ein Unternehmer ist damit beauftragt, nach einem Wasserschaden in einem Gebäude den Fußbodenaufbau (schwimmender Estrich auf Betondecken) zu trocknen. Er wählt dabei eine Trocknungsmethode, die zu größeren Schäden am Gebäude als erforderlich führt. Er schneidet nämlich in den gefliesten Bädern die Silikonfugen und die dahinter befindliche Dichtungsschicht zwischen Fußboden und aufgehenden Wänden auf, was nicht erforderlich gewesen wäre. Der Auftraggeber macht Schadensersatz geltend, der Unternehmer verteidigt sich damit, dass ihm keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt wurde. Der BGH führt aus, dass ein Schadensersatzanspruch des Auftraggebers auch ohne vorherige Fristsetzung besteht. Durch eine Nacherfüllung könne nämlich der Schaden, den der Auftragnehmer durch seine Vorgehensweise verursacht hat, nicht mehr beseitigt werden. Die Pflichtverletzung des Unternehmers bestehe in der Wahl einer die Bausubstanz mehr als notwendig schädigenden Trocknungsmaßnahme. Sie könne nicht dadurch ungeschehen gemacht und der entstandene Schaden beseitigt werden, dass die an sich ordnungsgemäße Erfüllungsleistung (das Öffnen des Bodens in den vier Ecken des Raumes) nachgeholt wird. Bei einer derartigen Sachlage bedürfe es also keiner Fristsetzung zur Nacherfüllung. Der geschädigte Auftraggeber kann gleich Schadensersatz geltend machen. Ersatz der Mangelbeseitigungskosten vor der Abnahme Wann beginnt die Verjährung zu laufen? BGH, Urteil v. 12.01.2012 VII ZR 76/11 Der BGH befasst sich in dieser Entscheidung mit einer bis dahin noch nicht höchstrichterlich entschiedenen Frage zur Verjährung. Bei einem VOB/B-Vertrag hat der Auftraggeber im Stadium vor der Abnahme bei nicht beseitigten Mängeln Anspruch auf Zahlung der Ersatzvornahmekosten, wenn der Auftraggeber gemäß 4 Abs. 7 S. 3 i.v.m. 8 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 VOB/B eine Frist zur Mängelbeseitigung unter Androhung des Auftragsentzugs gesetzt und dann auch den Auftrag entzogen hat. Fraglich ist, wann die Verjährung dieses Anspruchs zu laufen beginnt. In der vorliegenden Entscheidung führt der BGH aus, dass die Verjährung dieses Anspruchs grundsätzlich erst mit der Abnahme beginnt.

2 Mängelansprüche des Auftraggebers beginnen danach also grundsätzlich mit der Abnahme zu laufen, unabhängig davon, ob die Mängelansprüche vor, bei oder nach der Abnahme entstanden sind. Ist keine andere Frist vereinbart, verjähren also die Mängelansprüche beim VOB/B- Vertrag in der Regelfrist von 4 Jahren. Abrechnung von Null-Positionen beim Einheitspreisvertrag BGH, Urteil v. 16.01.2012 - VII ZR 19/11 Entfällt eine Leistungsposition eines VOB-Einheitspreisvertrages ganz, kann dies verschiedene Gründe haben. Je nachdem unterschiedlich ist dann auch die Rechtsfolge im Hinblick auf die Abrechnung. Der Entfall kann darauf beruhen, dass der Auftraggeber selbst die Leistung übernimmt, dann kommt 2 Abs. 4 VOB/B zur Anwendung, der auf 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B verweist (Vergütung nach Kündigung = vereinbarte Vergütung abzgl. ersparter Aufwendungen). Der Entfall kann darauf beruhen, dass der Auftraggeber die Teilleistung kündigt, dann kommt ebenfalls 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B zur Anwendung. Der Entfall kann aber auch darauf beruhen, dass der Auftraggeber eine Leistungsänderung anordnet, dann kommt 2 Abs. 5 VOB/B zur Anwendung, der Auftragnehmer erhält für die geänderte Leistung eine geänderte Vergütung, die unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu berechnen ist. Strittig war bisher, welche Auswirkungen es auf die Vergütung hat, wenn eine Leistung gänzlich entfällt, ohne dass dies auf eine Anordnung, Kündigung oder Selbstübernahme des Auftraggebers zurückzuführen ist, wenn also die Leistungsposition schlichtweg nicht benötigt wird, also ersatzlos entfällt. Der BGH hat nun entschieden, dass die Vergütungsfolge in analoger Anwendung des 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B gehandhabt wird (also Massenminderung auf Null). Das bedeutet, dass der Auftragnehmer einen Anspruch auf Vergütung für die entfallene Position insoweit hat, als eine mögliche Unterdeckung der Baustelleneinrichtungs- und Baustellengemeinkosten sowie der allgemeinen Geschäftskosten und des kalkulierten Gewinnanteils vorliegt. Bei dieser Ausgleichsberechnung muss aber natürlich wie dies 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B vorsieht berücksichtigt werden, inwieweit der Auftragnehmer durch die Erhöhung der Mengen bei anderen Positionen oder in anderer Weise (Beispiel: Vergütungsansprüche über 2 Abs. 5 oder 2 Abs. 6 VOB/B) einen Ausgleich erhält. Aufforderung zur Mangelbeseitigung Ein vergütungspflichtiger Auftrag? Fordert der Auftraggeber den Auftragnehmer auf eine mangelhafte Leistung zu reparieren, so kann dies aus Sicht des Auftragnehmers nicht dahingehend verstanden werden, dass der Auftraggeber die Reparatur bezahlen will. Dies hat das OLG Celle mit Urteil vom 06.01.2011 6 U 122/10 entschieden, die Ent-

3 scheidung wurde erst veröffentlicht (IBR 2012, 129). In dem entschiedenen Fall forderte der Auftraggeber den Auftragnehmer zur Mangelbeseitigung auf. Daraufhin gab der Auftragnehmer ein Angebot zur entgeltlichen Reparatur ab. Der Auftraggeber erklärte, die Arbeiten sollten ausgeführt werden, der Auftrag entbinde den Auftragnehmer nicht von seinen Gewährleistungspflichten aus dem Hauptauftrag. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass diese Erklärung nur so zu verstehen ist, dass der AG nur dann zur Bezahlung bereit ist, wenn der Mangel nicht in den Verantwortungsbereich des Auftragnehmers fällt. Hinweis: Einen Anspruch auf eine derartige Erklärung hat der Auftragnehmer im Übrigen nicht. So kann der Auftragnehmer vom Auftraggeber nicht die Zusage verlangen, dass dieser die Nacherfüllungskosten trägt, wenn sich herausstellt, dass der Auftragnehmer nicht verantwortlich ist (BGH, Urteil v. 02.09.2010 VII ZR 110/09). Vorsicht Verjährungsfalle! Bürgschaftsforderung kann vor der Hauptsacheforderung verjähren. Der Auftragnehmer übergibt dem Auftraggeber zur Ablösung des Sicherheitseinbehalts eine Gewährleistungsbürgschaft. Der Auftraggeber ist der Meinung, dass er nun eine Sicherheit in Händen hat, auf die er im Falle der Insolvenz des Auftragnehmers während der Gewährleistungszeit zurückgreifen kann. Dies kann ein folgenschwerer Irrtum sein. Die Bürgschaftsforderung wird nämlich nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil v. 29.01.2008 XI ZR 160/07) gleichzeitig mit der Hauptschuld fällig und ist nicht von einer Leistungsaufforderung des Gläubigers gegenüber dem Bürgen abhängig. Die Verjährungsfrist für Bürgschaftsforderungen beträgt 3 Jahre, beginnend am Ende des Jahres, in dem der Anspruch fällig geworden ist. Dies kann zu folgenden Konsequenzen führen: Im ersten Jahr nach der Abnahme fordert der Auftraggeber den Auftragnehmer zur Beseitigung eines Mangels unter Fristsetzung auf. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist hat der Auftraggeber einen Anspruch auf Zahlung der Kosten, die er für die Mangelbeseitigung bei Einsatz eines Drittunternehmers aufzuwenden hat. Gleichzeitig wird die Bürgschaftsforderung fällig. Die Verjährung der Forderung aus der Bürgschaft beginnt am Ende des Jahres und dauert 3 Jahre. Danach ist die Bürgschaftsforderung verjährt. Obwohl der Auftraggeber also noch einen rechtlich durchsetzbaren Anspruch gegen den Auftragnehmer hat, kann der Bürge ihm die Verjährung entgegenhalten. Gelöst werden kann dieses Problem nur dadurch, dass im Vertrag zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer die Stellung einer Bürgschaft verlangt wird mit dem Inhalt, dass die Bürgschaftsforderung nicht vor der Hauptforderung verjährt. Natürlich muss der Auftraggeber darauf achten, dass ihm der Auftragnehmer auch eine solche vertragsgerechte Bürgschaft zur Ablösung des Gewährleistungseinbehalts stellt.

4 Urteil des BGH zur Honorierung der Brandschutzplanung BGH, Urteil v. 26.01.2012 VII ZR 128/11 Die Frage, ob bzw. inwieweit ein Architekt Planungsleistungen im Hinblick auf den vorbeugenden Brandschutz schuldet und ob der Architekt ggf. für diese Leistungen einen zusätzlichen Honoraranspruch hat, wird seit langem teils kontrovers diskutiert. Der BGH hat sich in dieser Entscheidung soweit ersichtlich erstmals mit dieser Problematik auseinandergesetzt. Der BGH stellt zunächst klar, dass jeder ein Gebäude planende Architekt in der konstruktiven Gebäudeplanung die Anforderungen an den Brandschutz berücksichtigen muss, damit eine genehmigungsfähige Planung erstellt werden kann. Vergleichsweise einfache Planungsleistungen für den Brandschutz sind deshalb jedenfalls von den Grundleistungen des 15 Abs. 2 HOAI (nach HOAI 2009 33 Satz 3 i.v.m. Anlage 11) erfasst. Es gehe allein darum, ob bestimmte Leistungen zum Brandschutz, zu denen zum Beispiel das Erarbeiten und Erstellen von besonderen bauordnungsrechtlichen Nachweisen für den vorbeugenden und organisatorischen Brandschutz bei baulichen Anlagen besonderer Art und Nutzung gehören, solches Spezialwissen erfordern, dass sie nicht in das Leistungsbild der Objektplanung oder anderer Leistungsbilder der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure eingeordnet werden können. Dabei handelt es sich um Leistungen, deren Erbringung besondere fachübergreifende Kenntnisse des baulichen, anlagetechnischen und betrieblich-organisatorischen Brandschutzes und zum Teil auch eine besondere Qualifikation oder Nachweisberechtigung erfordern. Nur insoweit würde sich die Frage stellen, ob sich ein eigenständiges Leistungsbild eines Fachplaners entwickelt hat und wie das honorarrechtlich zu beurteilen ist, etwa als Besondere Leistung oder als isolierte Besondere Leistung. Wenn besondere Anforderungen an die Planung gestellt würden, also eine weitergehende Planung als sie im Allgemeinen bei einem konkreten Projekt erforderlich sei, käme eine Einordnung als isolierte Besondere Leistung in Betracht. Besondere Leistungen können zu den Grundleistungen hinzutreten, wenn besondere Anforderungen an die Ausführung eines Auftrags gestellt werden, die über die allgemeinen Leistungen hinausgehen. Auch Leistungen im Zusammenhang mit dem Brandschutz kämen hierfür grundsätzlich in Betracht. Nachdem nach der HOAI 2009 für die Honorierung Besonderer Leistungen keine schriftliche Vereinbarung mehr Voraussetzung ist, bedeutet dies, dass ein Architekt, der im Rahmen des vorbeugenden Brandschutzes weitergehende Planungen als im Allgemeinen erforderlich zu erbringen hat, einen Anspruch auf über die Vergütung der Grundleistungen hinausgehende zusätzliche Vergütung hat - auch wenn diesbezüglich nichts schriftlich vereinbart wurde. Wann liegt eine Mindestsatzunterschreitung vor? BGH, Urteil v. 09.02.2012 VII ZR 31/11 Eine Mindestsatzunterschreitung liegt dann vor, wenn das für die vertraglichen Leistungen insgesamt ver-

5 einbarte Honorar unterhalb des nach den Mindestsätzen der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure ermittelten Honorars liegt. Eine isolierte Prüfung, ob einzelne in der Honorarordnung vorgesehene Abrechnungseinheiten unterhalb der Mindestsätze honoriert werden, ist nicht zulässig. Wenn also beispielsweise wie in dem entschiedenen Fall eine Abrechnung nach Honorarzone II Mitte vereinbart wurde, die Leistung jedoch der Honorarzone III zuzuordnen ist, bedeutet dies noch nicht automatisch eine unzulässige Mindestsatzunterschreitung. Ob eine Honorarvereinbarung wegen Mindestsatzunterschreitung unwirksam ist, wird durch einen Vergleich des für einen Auftrag vereinbarten Honorars mit dem sich aus der Honorarordnung ergebenden Honorars ermittelt. Maßgebend ist allein das Ergebnis dieses Vergleichs. Liegt das für einen Auftrag bei Auftragserteilung schriftlich vereinbarte Honorar in dem Rahmen, der sich unter Zugrundelegung der Mindest- und Höchstsätze aus der Honorarordnung ergibt, so ist die Vereinbarung auch dann wirksam, wenn von den Honorarbemessungsgrundlagen der HOAI abgewichen wird oder diese ganz außer Kraft gesetzt werden. Der BGH betont, dass die HOAI nicht den Zweck hat, ein Mindesthonorar für einzelne Teilleistungen zu garantieren. Vielmehr soll die HOAI gewährleisten, dass der Architekt/Ingenieur keinem ruinösen Preiswettbewerb ausgesetzt ist und für die beauftragten Leistungen insgesamt ein auskömmliches Honorar erhält. Neue EU-Schwellenwerte sind in Kraft Am 21.03.2012 wurde im BGBl. I, S. 488 (siehe www.bundesgesetzblatt.de), die Fünfte Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge veröffentlicht. Damit sind die neuen EU-Schwellenwerte seit 22.03.2012 in Kraft. Danach betragen nun die neuen Schwellenwerte ab 23.03.2012: für Bauaufträge: 5.000.000,00 für Liefer- und Dienstleistungsaufträge: 200.000,00 für Aufträge aus dem Sektorenbereich: 400.000,00 (galt schon ab 01.01.2012!) für Oberste oder Obere Bundesbehörden sowie vergleichbare Bundeseinrichtungen bei Lieferund Dienstleistungsaufträgen: 130.000,00 Damit wird die EU-Verordnung Nr. 1251/2011 vom 30.11.2011, ABl. L 319/43 umgesetzt. ACHTUNG: Aus haushaltsrechtlichen und/oder förderrechtlichen Vorschriften können sich strengere Vorschriften/abweichende Schwellenwerte ergeben! Hintergrund: Die EU-Kommission setzt im 2- jährigen Turnus die Schwellenwerte unter Berücksichtigung des Verhältnisses zwischen Euro und den Dollar-basierten Sonderziehungsrechten neu fest.

6 In Deutschland galten die neuen Schwellenwerte nur für Aufträge aus dem Sektorenbereich (400.000,00 ) bereits ab 01.01.2012, da dort eine direkte Verweisung auf die EU- Regelungen galt. In allen anderen Bereichen dagegen ergaben sich die Schwellenwerte aus der deutschen VgV alter Fassung. Da diese nicht gegen EU-Recht verstieß, galten bis 21.03.2012 im Nicht- Sektorenbereich noch die niedrigeren Werte der alten VgV. VOF-Verfahren Der Wert von Einzelaufträgen ist für die Schwellenwertberechnung zu addieren. Werden die Planungsleistungen für die Sanierung eines Gebäudes in drei einzelne Verträge aufgeteilt, so ist der Gesamtwert dieser Verträge maßgeblich für die Frage, ob die Aufträge öffentlich europaweit ausgeschrieben werden müssen. 104.000,00, für 2009 mit 89.000,00 und für 2010 mit 70.000,00 geschätzt. Die Gemeinde schloss nun im Jahr 2008 für die erste Sanierungsphase einen Architektenvertrag, im Jahr 2009 für die zweite Phase und im Jahr 2010 für die dritte Phase. Immer wurde dasselbe Architekturbüro beauftragt. Die Aufteilung in einzelne Sanierungsphasen rechtfertigte die Gemeinde mit haushalterischen Gründen. Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass eine europaweite Ausschreibung hätte stattfinden müssen, der Auftragswert aller Aufträge hätte addiert werden müssen. Es handle sich um einen Auftrag über Architektenleistungen, die von einem einzigen Auftraggeber vergeben worden sind und ein Gesamtsanierungsprojekt für ein und dasselbe öffentliche Gebäude betreffen. Haushaltsrechtliche Erwägungen dürfen bei der Frage, ob europaweit ausgeschrieben werden muss, keine Rolle spielen. EuGH, Urteil v. 15.03.2012 RS.C-574/10 Es handelte sich um ein Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland. Eine Gemeinde hatte Architektenleistungen betreffend die Sanierung eines im Gemeindegebiet liegenden öffentlichen Gebäudes ohne europaweites Vergabeverfahren vergeben. Die Gesamtkosten der Sanierungsmaßnahmen wurden mit 1,95 Mio. netto veranschlagt, die gesamten Honorarkosten für die Architektenleistungen mit über 273.000,00 netto. Die Gemeinde hatte die abschnittsweise Sanierung beabsichtigt, die Sanierung sollte sich über 3 Jahre hinziehen, von 2008 bis 2010. Die Honorarkosten für die Architektenleistungen 2008 wurden mit ca. VOF-Verfahren Übertriebene Anforderungen zu stellen, ist unzulässig! Fordert der Auftraggeber als Nachweis der Fachkunde die Vorlage von Referenzobjekten, ist, je enger der Kreis der zugelassenen Referenzobjekte gezogen wird, der damit bewirkte Eingriff in den freien Wettbewerb umso intensiver. VK Lüneburg, Beschluss v. 18.11.2011 VgK 50/2011 Die Vergabestelle schreibt Planungsleistungen für eine Feuer- und Rettungswache europaweit aus. Es waren Referenzobjekte gefordert, neben der architektonischen Qualität der

7 Referenzobjekte und dem Nachweis von Wettbewerbserfolgen und sonstigen Auszeichnungen sollte insbesondere die Vorlage von bis zu 3 Referenzprojekten im Feuerwachenbau innerhalb der letzten 10 Jahren entscheidend sein. Nach dem Urteil der Vergabekammer war dies unzulässig. Nach 5 Abs. 1 S. 1 VOF dürfen zum Nachweis der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit (Eignung) nur Unterlagen und Angaben gefordert werden, die durch den Gegenstand des Auftrags gerechtfertigt sind. Um eine Feuerwache planen zu können, ist es nicht erforderlich, über Erfahrungen bei der Planung von bis zu 3 Feuerwachen innerhalb der letzten 10 Jahre zu verfügen. Der Auftraggeber hat es hier also übertrieben. Regensburg, März 2012 Prof. Dr. Bernhard Rauch Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

8 Informationen zur Veranstaltung Zahlung von Abschlags- und Schlussrechnungen 20.04.2012, 13:00 Uhr bis 17:00 Uhr in Regensburg (Hoppestr. 7) Referent: Prof. Dr. Bernhard Rauch Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Themen: Ausgleich und Bezahlung von Rechnungen Abschlagszahlung Vorauszahlung Schlusszahlung Einbehalte Sicherheitsverlangen Verzinsung Vorbehalte Aufmaß-, Rechen-Übertragungsfehler Zahlung auf Teilschlussrechnungen Abzüge Zahlung an Dritte Auswirkungen von Mängeln Zahlungsabwicklung Fälligkeit Verzug mögliche Einwendungen gegen Rechnungen Ein Anmeldeformular können Sie sich unter http://www.gesellschaft-bauarchitektenrecht.de/?page_id=7 (am Ende der Seite) herunterladen.