Prof. Dr. Stefan König & Elke Weyermann, M. Sc. Forschung im Nachwuchsleistungssport: Bilaterales Training" Forschungsbericht beim DHB-Hochschulsymposium am 14.01.2019 in München München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König Folie 1
Die Idee München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 2
Agenda Das Forschungsprojekt Bericht über bisherige Erkenntnisse Empfehlungen für die Praxis Zusammenfassung & Ausblick München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 3
Das Forschungsprojekt München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 4
Theoretischer Rahmen Sportwissenschaft im DHB Forschungsgebiet Training im Nachwuchsleistungssport Forschungsprogramm NLS-DHB Forschungsprojekt Bilaterales Training München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 5
Forschungsprogramme (Herrmann, 1994) Forschungsprogramme sind übergreifende Forschungskonzeptionen, die es erlauben, eine Vielzahl bislang unverbundener Einzelbefunde aufeinander zu beziehen und miteinander zu verknüpfen (Herrmann, 1994; Thienes, 2013). Forschungsprogramme (FP) Grundlagenwissenschaftliche FP Technologische FP Sachproblem- Programme Theorie- Programme Techniken- Programm Interventionsforschung München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 6
Forschungsprogramme (Herrmann, 1994) Grundlagenwissenschaftliche Forschungsprogramme Sachproblem-Programme beschreiben und erklären Forschungsthemen in konkreten Settings. Theorie-Programme zielen auf eine fortgesetzte Theorieentwicklung ab. Technologische Forschungsprogramme Techniken-Programme zielen darauf ab, Trainingsverfahren zu entwerfen und für die Anwendung in der Praxis zu überprüfen. Wissens-Programme entwickeln Hintergrundwissen für praktisches Handeln. München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 7
Ansatz: Praxis Theorie Praxis Technologisches Forschungsprogramm München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 8
Forschungsprojekt Bilaterales Training Studie 1: Muskuläre Asymmetrien Studie 2: Technikqualität Vorstudie: Wurfgeschwindigkeit + Technikqualität Studie 3: Technisch-taktische Variabilität München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 9
Bericht über bisherige Erkenntnisse München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 10
Studie 1 Muskuläre Asymmetrien München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 11
Ausgangspunkt Handball ist eine Sportart mit funktioneller Dominanz, was zu muskulären Asymmetrien (muskuläre Dominanz der rechten oder linken Körperseite) führen kann. Solche Rechts-Links-Asymmetrien wirken sich auf das multifaktorielle Zusammenspiel des Bewegungssystems aus. Bereits mikroskopische Muskelveränderungen können die Muskel- Gelenk-Beziehungen beeinträchtigen und unterschiedlich stark ausgeprägte Fehlstellungen in verschiedenen Gelenksystemen entwickeln. Das kann wiederum zu vermehrt akuten Verletzungen (vor allem der Muskulatur) und chronischen Langzeitschäden (vor allem im Gelenkknorpel) führen. Besonders im Jugendalter (Knochenwachstum!) muss dies beachtet und in der Trainingsplanung berücksichtigt werden. München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 12
Handballtraining und seine Folgen Einseitiges Trainieren mit der dominanten Hand/Arm kann muskuläre Dysbalancen, Rechts-Links-Asymmetrien und funktionelle Einschränkungen hinsichtlich Mobilität und Stabilität hervorrufen. München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 13
Theoretische Annahmen Bilaterales Training, also der wiederholte Einsatz beider Körperhälften, führt in solchen Sportarten, in denen eine funktionelle Dominanz einer Körperseite vorherrscht, zu einer Reduktion der beschriebenen Phänomene, einer harmonischen Entwicklung und Steigerung der Trainingsmotivation. Bilaterales Training hat folglich im Nachwuchsbereich eine wichtige Funktion. Die Struktur des Nachwuchstrainings (Trainingsziele, Rahmenbedingungen, Spielsportarten) erfordert aus motivationalen und organisatorischen Gründen seine Integration in den normalen Trainingsbetrieb. München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 14
Cross-over Studiendesign Zielgruppe: Jugendliche Leistungshandballer der Jahrgänge 2003 und 2004 durchgeführt (n = 78). Hoher Drop-out! Cluster-Randomisierung: Eine Hälfte der Gruppe mit der nichtdominanten Seite, die andere Hälfte mit der dominanten Seite. Wechsel nach ca. 13 Wochen. Gesamtdauer: 2 x 12 bis 14 Wochen => 3 MZP Datenerhebung: Sportmotorische Testbatterie, bestehend aus Functional Movement Screen (FMS), Y-Balance-Test, Landing Error Scoring System (LESS) und Bildanalysen. Treatment: Ein handballspezifisches Koordinationstraining und Balltechnikprogramm wurde zweimal pro Woche ausgeübt. Das Trainingsprogramm beinhaltete einfache Aufwärm- und Werfübungen sowie komplexere Pass-Rückpass Übungen mit Torwürfen. München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 15
Stichprobe (1) München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 16
Stichprobe (2) München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 17
YBT (Y-Balance Test) FMS (Functional Movement Screen) LESS (Landing Error Scoring System) Statistische Modellbildung: LGCM München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 18
Ergebnisse YBT München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 19
Y-Balance Test Ziel: Messung von Asymmetrien Fähigkeit: Funktionelle Bewegungsfähigkeit des Sportlers in vier Quadranten (Goniometrie) Instrument: Y-Balance Test-Kit, Y-Balance Matte München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 20
Ergebnisse YBT (1): ranova CSLower Dominant Nicht-dominant F p η 2 F p η 2 Haupteffekt 6,132.004.191 2,514.091.091 Interaktionseffekt 8,153.001.239 4,856.012.163 Zwischensubjektfaktor 1,076.309.040 2,206.150.081 München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 21
Ergebnisse YBT (2): ranova CSUpper Dominant Nicht-dominant F p η 2 F p η 2 Haupteffekt 7,295.002.226 9,929.000.284 Interaktionseffekt 1,197.311.046 1,157.323.044 Zwischensubjektfaktor.009.926.000 0,023.881.001 München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 22
Zusammenfassung & Interpretation Die Eingangswerte belegen Handlungsbedarf, d. h., wir haben bereits im Alter 13/14 eine Vielzahl an muskulären Asymmetrien. Die Intervention führte zu eher unklaren Ergebnissen: CS_lower: MZP 1 zu MZP 2: Rückgang MZP 2 zu MZP 3: Eindeutige Vorteile nd d CS_upper MZP 1 zu MZP 2: Rückgang MZP 2 zu MZP 3: Verbesserung ohne Gruppeneffekt Interpretation: Verletzungen, MZP 2 (Messzeit), Trainingsumfang, Konsequenz der Umsetzung, Interventionslänge, Trainingsalter. München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 23
Ergebnisse FMS München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 24
Functional Movement Screen (FMS) Der FMS zeigt Dysfunktionen innerhalb grundlegender Bewegungsmuster auf und ermöglicht, Haltung, Statik, Bewegungsamplitude und Stabilität eines Sportlers in Zeitlupe zu untersuchen. Testitems (4 von 7): Deep Squat [1], Active Straight-Leg Raise [2], Shoulder-Mobility [3], Hurdle Step [4] Generiert den FMS-Score (Maximal 12 Punkte) 1 2 3 4 München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 25
Ergebnisse FMS (Gesamtscore) FMS-Score F p η 2 Haupteffekt FMS ges 7.42.001.216 Interaktionseffekt FMS * Gruppe.761.472. 027 Zwischensubjektfaktor.002.966.000 München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 26
4x2x3 MANOVA: 4 Testitems (SM, ASLR, HS, DS) x 2 Gruppen(d-nd vs. nd-d) x 3 MZP (MZP_1, MZP_2, MZP_3) F p η 2 Haupteffekt 7.427.002.216 Interaktionseffekt Zeit*Gruppe.761.472.027 Items 13.23 <.001.329 Items*Gruppe.475.654.017 Zeit*Items.697.634.025 Zeit*Items*Gruppe 1.963.084.068 München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 27
Ergebnisse LESS München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 28
Landing Error Scoring System (LESS) Biomechanische Bewertung der Positionierung des Rumpfes und der unteren Extremitäten in verschiedenen Stadien der Drop- Vertical-Jump-Bewegung. Sprung von 30 cm hohem Kasten in ein markiertes Quadrat (½ Körperlänge vom Kasten entfernt) mit anschließendem senkrechten Sprung nach oben. Der Drop Jump wird in der sagittalen und frontalen Ebene videodokumentiert. Auswertung anhand von 10 Bewertungskriterien Frontal Ebene Spurbreite Fußrotation Fußkontakt Knievalgus Lateralflexion Rumpf Sagittal Ebene Gesamteindruck Gesamtverlagerung der Gelenke Fußlandung Kniebeugung Rumpfbeugung München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 29
LESS frontal München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 30
LESS sagittal München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 31
Statistische Modellbildung: LGCM München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 32
Ziel der Datenauswertung: LFGCM München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 33
Studie 2 Qualität Schlagwurf München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 34
Wurfgeschwindigkeit Wurfgeschwindigkeitsmessung mittels Sport Pocket Radar Traffic Advisor TM 3 Messungen pro Wurfseite Ermittlung der Vmax bei Torwurf Technikqualität Beurteilungsbogen: Technikbewertung für den Schlagwurf mit Stemmschritt der Forschungsgruppe Handball DHB (Büsch & Wilhelm, 2018) Beurteilung der 4 Phasen des Schlagwurfs mit Stemmschritt: 1. Anlaufbewegung (2 Items) 2. Wurfauslage (6 Items) 3. Wurfbewegung (6 Items) 4. Ausklang (1 Item) Insgesamt 15 Items Bewertung erfüllt/ nicht erfüllt München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 35
Item 1: Wurfgeschwindigkeit Dominant Nicht-dominant F p η 2 F p η 2 Haupteffekt 12.550 <.001.317 10.077 <.001.279 Interaktionseffekt.478.576.017.057.945.002 Zwischensubjektfaktor 2.410.132.082 2.755.109.096 München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 36
Item 2 Technikqualität Dominant Nicht-dominant F p η 2 F p η 2 Haupteffekt 22.867 <.001.459 9.932 <.001.276 Interaktionseffekt 1.751.183.061 1.293.283.047 Zwischensubjektfaktor.006.937.000.141.710.005 München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 37
Empfehlungen für die Praxis München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 38
Eine Integration bilateraler Trainingselemente ist aus unserer Sicht empfehlenswert. Hierfür sprechen folgende Gründe: Die insgesamt schlechten funktionellen Parameter. Eine teilweise schlechte technische Qualität. Die Ergebnisse aus einer (qualitativ angelegten) Akzeptanzstudie. Zu überlegen sind allerdings folgende Aspekte: Inhalte früher, d. h. ab der E-Jugend, systematisch in den Trainingsprozess einbauen. Verhältnis TI mit dominanter und nicht-dominanter Seite anschauen. München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 39
Zusammenfassung & Ausblick München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 40
Ausgangspunkt Handball ist eine Sportart mit funktioneller Dominanz, was zu muskulären Asymmetrien (muskuläre Dominanz der rechten oder linken Körperseite) führen kann. Solche Rechts-Links-Asymmetrien wirken sich auf das multifaktorielle Zusammenspiel des Bewegungssystems aus. Bereits mikroskopische Muskelveränderungen können die Muskel- Gelenk-Beziehungen beeinträchtigen und unterschiedlich stark ausgeprägte Fehlstellungen in verschiedenen Gelenksystemen entwickeln. Das kann wiederum zu vermehrt akuten Verletzungen (vor allem der Muskulatur) und chronischen Langzeitschäden (vor allem im Gelenkknorpel) führen. Besonders im Jugendalter (Knochenwachstum!) muss dies beachtet und in der Trainingsplanung berücksichtigt werden. München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 41
Zusammenfassung Bilaterales Training im Handball wurde hinsichtlich folgender Annahmen geprüft: Handball als eine Sportart mit funktioneller Dominanz legt die Vermutung nahe, dass aufgrund muskulärer Asymmetrien vermehrt Verletzungen und Langzeitschäden auftreten => Kann ein spezifisches Trainingsprogramm hier gegensteuern? Aus der Lateralitätsforschung ist bekannt, dass bilaterales Training zu motorischen Effekten führen kann => Kann ein entsprechendes Trainingsprogramm zur Verbesserung von Wurfgeschwindigkeit und Technikqualität beitragen? Die Ergebnisse erlauben derzeit (a) noch keinen klaren Schluss und (b) keinen Rückschluss auf eine Verbesserung der Spielfähigkeit. München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 42
Ausblick: Forschungsprogramm NLS Forschungsprogramme sind übergreifende Forschungskonzeptionen, die es erlauben, eine Vielzahl bislang unverbundener Einzelbefunde aufeinander zu beziehen und miteinander zu verknüpfen (Herrmann, 1994; Thienes, 2013). Forschungsprogramm NLSP Grundlagenwissenschaftliche FP Technologische FP Sachproblem- Programme Theorie- Programme Techniken- Programm Interventionsforschung München, den 14.01.2019 Prof. Dr. Stefan König 43
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