Zum Entwurf der Erbrechtsverordnung: Testamentsvollstreckung, Erbverträgen und ähnlichen Instrumenten aus deutscher Sicht



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Transkript:

Zum Entwurf der Erbrechtsverordnung: Testamentsvollstreckung, Erbverträgen und ähnlichen Instrumenten aus deutscher Sicht Dr. Daniel Lehmann Rechtsanwalt Präsident STEP Deutschland Mitglied des Erbrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins Testamentsvollstreckung Nach dem deutschen Erbrecht treten die Erben sofort, automatisch, direkt und unmittelbar mit dem Tod des Erblassers in seine Rechtsposition ein, ohne dass es einer Mitwirkung oder gesonderten Rechtsübertragung, etwa durch einen Verwalter, bedarf, 1922 BGB. Es obliegt den Erben, die Nachlassgegenstände in Besitz zu nehmen und den Nachlass selbst abzuwickeln. Der Erblasser kann durch Testament oder Erbvertrag eine Testamentsvollstreckung anordnen, 2197 BGB. Der Testamentsvollstrecker wird durch das Nachlassgericht ernannt, 2200 BGB. Die Testamentsvollstreckung bezieht sich grundsätzlich auf den gesamten Nachlass, kann aber sächlich auf bestimmte Nachlassgegenstände, oder persönlich auf einzelne Erbteile oder Vermächtnisse beschränkt werden. Die Testamentsvollstreckung ändert nichts daran, dass die Erben mit dem Tod des Erblassers Eigentümer der Nachlassgegenstände werden. Soweit die Testamentsvollstreckung reicht, sind aber grundsätzlich nicht die Erben, sondern allein der Testamentsvollstrecker zur Verfügung über Nachlassgegenstände, etwa die Übertragung ihres Eigentums, befugt, 2205 BGB. Das deutsche Erbrecht kennt die Testamentsvollstreckung nicht nur als sog. Abwicklungsvollstreckung. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass der Testamentsvollstrecker den Nachlass entsprechend den letztwilligen Anordnungen des Erblassers in Besitz nimmt, ordnet und auf die Begünstigten überträgt. Damit endet die Abwicklungsvollstreckung. Große Bedeutung hat vielmehr auch die sog. Dauervollstreckung gemäß 2209 BGB, in deren Rahmen der Testamentsvollstrecker vom Erblasser beauftragt wird, den Nachlass dauerhaft zu verwalten. Die Dauervollstreckung kann generell für bis zu 30 Jahre nach dem Tod des Erblassers angeordnet werden, 2210 S. 1 BGB. Eine längere Dauervollstreckung wird vom Gesetz zugelassen, soweit sie auf die Lebenszeit eines Erben oder des oder der Testamentsvollstrecker befristet ist, 2210 S. 2 BGB. Die Dauervollstreckung ist ein wirkungsvolles und übliches Gestaltungsmittel, besonders dann, wenn Minderjährige oder geistig behinderte Personen als Erben oder Vermächtnisnehmer eingesetzt werden sollen. Beispiel 1: Die Eheleute Christian und Bettina Merkel setzen sich gegenseitig zu Alleinerben ein. Nach dem Tod des Längerlebenden von ihnen sollen ihre drei Kinder (1, 3 und 5 Jahre) ihr Vermögen erben. Sterben die beiden Eltern bei einem Autounfall, fällt das Vermögen den Minderjährigen zu. Für diese wird ein Vormund vom Gericht bestellt,

der das Vermögen aber nur bis zu ihrer Volljährigkeit (18 Jahre) verwaltet. Soll verhindert werden, dass die Kinder mit 18 Jahren vollen Zugriff auf das ererbte Vermögen nehmen können (und diese Aussicht etwa ihren Schuleifer schon in den Jahren zuvor beeinträchtigt), bietet sich insbesondere die Dauervollstreckung an. Sie kann etwa bis zum 28. Lebensjahr des Kindes befristet werden oder mit erfolgreichem Abschluss eines Studiums oder einer Handwerksmeisterprüfung enden. Beispiel 2: Eines der Kinder der Eheleute Merkel ist geistig behindert und wird voraussichtlich ein Leben lang nicht selbst für seine eigenen Vermögensangelegenheiten sorgen können. Die Eltern werden in diesem Fall die Dauervollstreckung auf Lebenszeit des Kindes anordnen wollen. Es ist zu begrüßen, dass der Änderungsantrag 108 vorsieht, das Nachlasszeugnis nicht wie im ursprünglichen Verordnungsentwurf vorgesehen auf drei Monate zu befristen, sondern die Frist zu verlängern. Zu begrüßen ist auch, dass nun vorgeschlagen wird, das Gericht in begründeten Fällen zur Festlegung einer längeren Frist zu ermächtigen. Soll die im Einzelfall auf mehrere Jahrzehnte angelegte deutsche Dauervollstreckung praktisch effektiv umsetzbar sein, bedarf es eines Nachlasszeugnisses, das seine Gültigkeit nicht nach wenigen Monaten verliert. Der Aufwand und die vermutlich am Nachlasswert orientierten Gebühren für ein neues Nachlasszeugnis würden zumindest bei großen Nachlassswerten die Dauervollstreckung als Gestaltungsmittel weitgehend entwerten, wenn regelmäßig neue Nachlasszeugnisse beantragt werden müssen. Da das deutsche System einer auf Jahrzehnte hin angelegten Dauervollstreckung im Vergleich der europäischen Erbrechtsordnungen außergewöhnlich ist, könnte es erforderlich sein, ausdrücklich in der Verordnung klarzustellen, dass die zuständige Stelle die Gültigkeit des Nachlasszeugnisses im Fall der Dauervollstreckung auf Jahre oder Jahrzehnte vorsehen kann. Erbverträge und gemeinschaftliche Testamente Im deutschen Erbrecht sind Erbverträge ( 2274 ff. BGB) und gemeinschaftliche (Ehegatten- oder Lebenspartner-) Testamente ( 2265 ff BGB, 10 Abs. 4 Lebenspartnerschaftsgesetz) vorgesehen. Erbverträge müssen notariell beurkundet werden, wohingegen gemeinschaftliche Testamente handschriftlich errichtet werden können, indem ein Partner das Testament vollständig von Hand schreibt und unterschreibt und der andere dies zumindest mit seiner Namensunterschrift bestätigt, 2276, 2267 BGB. Erbverträge müssen mindestens eine grundsätzlich sofort bindende Erb- oder Vermächtniseinsetzung oder Auflage enthalten, 2278 BGB. An diese ist der Erblasser gebunden und kann sie nur mit Zustimmung des anderen Vertragschließenden wieder aufheben. Eine spätere letztwillige Verfügung, die gegen die vertragsmäßige Verfügung verstößt, ist unwirksam.

Beispiel 3: Angela Wulff schließt mit ihrem Sohn Oskar einen Erbvertrag, mit dem er sich verpflichtet, sie im Alter zu pflegen. Im Gegenzug setzt sie zu seinen Gunsten ein Vermächtnis über ihren Bauernhof aus. Errichtet sie später ein Testament, mit dem sie den Bauernhof ihrer Tochter vermacht, ist dieses Vermächtnis unwirksam, 2289 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Bindungswirkung gemeinschaftlicher Testamente ist im deutschen BGB differenzierter ausgestaltet: Sind Verfügungen zweier Testierender in einem gemeinschaftlichen Testament wechselbezüglich, wurde die eine also nur wegen der anderen getroffen, 2270 BGB, so sind beide Testierende nicht gehindert, zu Lebzeiten ihres Partners abweichend neu zu testieren. Allerdings ist die neue Verfügung nur wirksam, wenn sie in notarieller Form errichtet und dem anderen Partner mitgeteilt wird, 2271 Abs. 1 BGB. Dieser erhält hierdurch die Gelegenheit, auch sein Testament zu ändern. Beispiel 4: Die Eheleute Christian und Sabine Köhler setzen sich gegenseitig in einem gemeinschaftlichen Testament zu Alleinerben ein. Nach einigen Jahren errichtet Christian Köhler ein neues Testament, mit dem er seine Sekretärin zur Alleinerbin einsetzt. Diese Erbeinsetzung ist unwirksam, wenn sie nicht notariell beurkundet und Sabine Köhler mitgeteilt wird. Nach dem Tod des ersten Ehe- oder Lebenspartners kann der Überlebende wechselbezügliche Verfügungen nicht mehr ändern, 2271 Abs. 2 BGB. Er ist also an sie in der gleichen Weise wie an erbvertragsmäßige Verfügungen bebunden. Der Änderungsantrag Nr. 62, wonach in Artikel 18 ein Absatz 4a aufgenommen werden soll, wonach die Regelungen zu Erbverträgen entsprechend auf gemeinschaftliche Testamente anzuwenden ist, ist zu begrüßen. Es könnte allerdings erforderlich sein, den Anwendungsbereich der Artikel 16 (und 17) einerseits und 18 des Verordnungsentwurfs andererseits klarer voneinander abzugrenzen: Beispiel 5: Der schwedische Staatsangehörige Gustav Reinfeldt ist IT-Spezialist und arbeitet bei ESA in Darmstadt. Er lebt gemeinsam mit der deutschen Christiane Schröder. Beide haben vier gemeinsame Kinder. Sie schließen vor einem deutschen Notar einen Erbvertrag, wonach Gustav Christiane zu seiner Alleinerbin einsetzt; ihre gemeinsamen Kinder werden Ersatzerben. Zwei Jahre später übernimmt Gustav den Geschäftsführerposten eines schwedischen Unternehmens in Göteborg. Christiane bleibt mit den Kindern zunächst in Darmstadt, damit diese die Schule abschließen können. Anschließend will sie nach Schweden nachkommen.

In Schweden errichtet Gustav ein neues Testament, mit dem er seine schwedische Sekretärin zur Alleinerbin einsetzt. Kurz darauf verstirbt er bei einem Autounfall. Nach dem Verordnungsentwurf stellt sich die Frage, ob Gustavs schwedisches Testament wirksam wäre. Käme deutsches Erbrecht zur Anwendung, wäre dies nicht der Fall, weil das Testament gegen die vertragsmäßige Erbeinsetzung zugunsten von Christiane verstößt, 2289 Abs. 1 BGB. Das deutsche Erbrecht kommt dann unproblematisch zur Anwendung, wenn er zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung in Schweden seinen gewöhnlichen Aufenthalt noch in Deutschland behalten hat. In diesem Fall ergibt sich die Anwendung des deutschen Erbrechts aus Artikel 16 des Verordnungsentwurfs. Sollte sein gewöhnlicher Aufenthalt zu diesem Zeitpunkt aber bereits in Schweden gewesen sein, ist zu klären, in welchem Verhältnis die allgemeine Regel der Artikel 16 und 17 (Anwendung des Rechts am letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort auf den Nachlass bzw. Rechtswahl) einerseits zu der Vorschrift des Artikel 18 Absatz 1 Satz 1 des Verordnungsentwurfs andererseits steht. Nach dieser Regelung unterliegt ein Erbvertrag (nicht: der Nachlass) dem Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort zum Zeitpunkt des Erbvertragsschlusses (sog. hypothetisches Erbstatut ). Kollisionsrechtlich sind zumindest drei mögliche Herangehensweisen theoretisch denkbar: Die Aufgabe der Sonderanknüpfung des Artikels 18 und Anwendung der allgemeinen Anknüpfung des Artikels 16 (letzter gewöhnlicher Aufenthalt) kommt im Ergebnis nicht ernsthaft in Betracht. Sie hätte die weitgehende Aushöhlung der Bindungswirkung von Erbverträgen und gemeinschaftlichen Testamenten zur Folge. Der erbrechtlich gebundene künftige Erblasser könnte durch Rechtswahl zugunsten eines fremden Rechts oder Verlegung seines gewöhnlichen Aufenthalts eine eingetretene Bindung umgehen. Denkbar wäre indes, dass die Sonderanknüpfung nach Artikel 18 zugunsten des hypothetischen Erbstatuts inhaltlich eingeschränkt wird auf Fragen der Zulässigkeit erbvertraglicher Regelungen und der Zulässigkeit ihres Widerrufs, dass es im Übrigen aber bei der allgemeinen Anknüpfung des Artikel 16 (letzter gewöhnlicher Aufenthalt) bleibt. Dies hätte allerdings zur Folge, dass verschiedene Erbrechtsordnungen gleichzeitig auf denselben Nachlass anzuwenden wären, woraus sich Abgrenzungsprobleme ergeben würden, etwa dann, wenn aus einem deutschen Erbvertrag ein Vermächtnis (nach deutschem Erbrecht) auf einen im Übrigen dem italienischen Recht unterliegenden Nachlass anzuwenden wäre: Wären die deutschen oder die italienischen Vermächtnisvorschriften anzuwenden? Denkbar wäre außerdem, den Nachlass nach Artikel 18 insgesamt dem Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort zum Zeitpunkt der Erbvertragserrichtung zu unterstellen, hier also dem deutschen Recht. Die materiell-rechtliche Bindungswirkung würde damit geschützt und Abgrenzungsprobleme vermieden. Der Erbvertrag hätte allerdings letztlich eine Versteinerung der kollisionsrechtlichen Anknüpfung zur Folge.

Ergänzende Erwägungen Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts Das obige Beispiel 5 verdeutlicht, dass eine Definition oder wenigstens genauere Beschreibung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts die Rechtssicherheit erhöhen würde. Insofern ist die in Änderungsantrag 6 vorgeschlagene Aufnahme einer Erwägung 12a zu diesem Begriff zu begrüßen. Die Rechtssicherheit könnte weiter erhöht werden, wenn eine Festlegung über die Gewichtung insbesondere im Verhältnis zwischen dem beruflichen und dem privaten Lebensmittelpunkt des Erblassers getroffen würde. Im Beispiel 5 eines Grenzpendlers zwischen Deutschland und Schweden liegt der berufliche Lebensmittelpunkt von Gustav Reinfeldt in Schweden, sein privater Lebensmittelpunkt aufgrund der Ansässigkeit seiner Frau und Kinder in Deutschland. In der kollisionsrechtlichen Literatur wird ein Vorrang der privaten Sphere angenommen: Entscheidend sei, wo jemand zur Ruhe kommt, wo er schläft, bei Wochenendpendlern am Wochenende (Soergel/Kegel, Art. 5 EGBGB Rn. 44; Baetge, Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR, S. 115; Waters, Report of the Spezial Commission 28). Der EuGH hatte in der Rechtssache Ryborg (Rs. C-297/89, Slg. 1991, I-1943 Rn. 19) eine rein quantitative Wertung anhand der Anzahl der Nächte abgelehnt, aber auch kein anderes eindeutiges Kriterium genannt. Auch die erste zum zivilkollisionsrechtlichen Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ergangene Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Perusturvalautakunta (Rs. C-523/07, Abl. EU 2009 C-141/14) enthält hierzu keine Festlegung. Pflichtteilsergänzung Eine weitere Frage der Rechtssicherheit ergibt sich im Zusammenhang mit den verschiedenen nationalen Regelungen zur Pflichtteilsergänzung. Nach deutschem Erbrecht etwa begründen Schenkungen, die der Erblasser in den letzten zehn Jahren vor seinem Tod gemacht hat, Pflichtteilsergänzungsansprüchen, 2325 BGB. Einige europäische Rechtsordnungen sehen deutlich längere Zeiträume vor. Unter den engen Voraussetzungen des 2329 BGB richten sich diese Ansprüche gegen den Beschenkten, nicht gegen den Erben. Für den Beschenkten ist wichtig, wann er nicht mehr mit Rückgriffsansprüchen rechnen muss. Der Verordnungsentwurf sieht hierzu keine besondere Regelung vor. Danach ergeben sich die Pflichtteilsergänzungsansprüche aus dem allgemein auf den Nachlass anwendbaren Erbstatut. Damit entscheiden sich die Voraussetzungen und der Umfang möglicher Ansprüche erst beim Tod des Erblassers. Wechselt dieser nach der Schenkung seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder trifft hiernach eine abweichende Rechtswahl, kann dies zur für den Beschenkten nicht im Vorfeld überschaubaren Folgen führen. Im Interesse der Rechtssicherheit des Beschenkten könnte es sich anbieten, die Pflichtteilsansprüche an das hypothetische Erbstatut zum Zeitpunkt der Schenkung (gewöhnlicher Aufenthalt oder Rechtswahl zu dieser Zeit) zu knüpfen. 10. Juni 2011