Neuregelung der landesplanerischen Erfordernisse zu Einzelhandelsgroßprojekten

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Transkript:

Neuregelung der landesplanerischen Erfordernisse zu Einzelhandelsgroßprojekten Aspekte eines Positionspapiers des LRV zur Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms Bayern Im Zuge der Fortschreibung des LEP Bayern 2006 gelang es nicht, das bisher gültige Ziel zu Einzelhandelsgroßprojekten, das bei der Sonderfortschreibung 2002 entstanden ist, zu ändern. Dies bedeutet, dass das Ziel auch weiterhin wie bislang im LEP 2003, B II 1.2.1.5, sowie nun im LEP 2006, B II 1.2.1.2, formuliert umzusetzen ist. Allerdings hat der Bayerische Ministerrat bei der Billigung des LEP 2006 beschlossen, dass dieses Ziel zeitnah geändert werden müsse. Das Unbehagen, das viele Verbandsvertreter, Bürgermeister und auch Landesplaner empfinden, wenn Entscheidungen auf der Basis dieses Ziels getroffen werden, basiert auf sehr unterschiedlichen Gründen, die wesentlich mit den heterogenen Interessenslagen dieser Gruppen zu tun haben. Während viele Bürgermeister das Einzelhandelsgroßprojekt als Aushängeschild und Trumpf im kommunalen Wettstreit mit den Nachbarkommunen sehen, beklagen sich die mittelständischen, meist noch selbstständigen Händler im Ortszentrum über die Konkurrenz der Filialisten auf der Grünen Wiese. Verkompliziert wird die Lage dadurch, dass die Gräben auch mitten durch die Akteursgruppen verlaufen: große Städte haben dabei andere Interessen als kleinere, Großbetriebe des Einzelhandels argumentieren gegen den Mittelstand, Kommunalpolitiker streiten mit Abgeordneten des Landtages. Ein wie auch immer geartetes, neues Ziel wird wegen dieser Ausgangslage nur dann effektiv umgesetzt werden können, wenn es gelingt, einen glaubhaften, nachvollziehbaren und offenen Weg bei der Entstehung dieses Zieles zu beschreiten. Zudem muss das neue Ziel auf einem überzeugenden Leitbild basieren, das eine möglichst ausgewogene und flächendeckende Verteilung von Einzelhandelseinrichtungen in allen Landesteilen anstrebt. Wenn dann von politischer Seite die Gedanken dieses Leitbilds noch offensiv vertreten und von der Verwaltung die entsprechenden Ziele konsequent umgesetzt werden, besteht die Hoffnung, dass sich die bayerische Landesplanung bei diesem Thema aus ihrer derzeit defensiven Position befreien kann. Eine lediglich kosmetische Korrektur des bisherigen Ziels wird dies nicht leisten können. Im Einzelnen sind für den LRV bei der Entstehung und Formulierung des Ziels folgende Punkte von wesentlicher Bedeutung:

2 1. Analyse der (räumlichen) Situation des Einzelhandels in Bayern Eines der Probleme, die in den meisten Diskussionen zum Einzelhandelsthema auftauchen, stellt das Informationsdefizit über die räumliche Verteilung von Verkaufsflächen dar. Da es eine aussagekräftige Handelsstatistik in Bayern nicht mehr gibt, lässt sich für die letzten 10 20 Jahre kaum sagen, welche Betriebsformen, welche Branchen und welche Betriebsgrößen an den unterschiedlichen Makro- (verschiedene Zentralitätsstufen, nicht zentrale Orte) und Mikrostandorten (Stadtrand, Innenstadt, Grüne Wiese ) entstanden oder verschwunden sind. Zwar sind allgemeine Trends bekannt (z.b. Aussterben der Tante-Emma-Läden, Zunahme von Fachmärkten), genauere Informationen über die Entwicklung und Verteilung insbesondere großflächiger Handelsformen sind flächendeckend nicht verfügbar. Eine solche grundlegende Bestandserhebung stellt nach unserer Auffassung eine wesentliche Voraussetzung für die künftige Diskussion über das Einzelhandelsziel dar. Nur wer weiß, wie der heutige Status-quo tatsächlich aussieht und wie er entstanden ist, kann sich ernsthaft darüber Gedanken machen, welche Gesichtspunkte dieser Ist-Situation er für zufrieden stellend oder für verbesserungswürdig erachtet. Ein Gutachten, in dem vermeintlich der bisherige Beitrag der Landesplanung zur Einzelhandelsentwicklung in Bayern gemessen wird, kann dies nicht leisten. Hierzu ist eine umfassende, gutachtliche Betrachtung aller Determinanten der räumlichen Veränderungen im Einzelhandel notwendig. 2. Bewertung der räumlichen Situation des Einzelhandels in Bayern Wer nicht für sich entscheidet, welche Aspekte des Status-quo gut oder schlecht sind, wird diesen Zustand nicht überzeugend ändern können. Insbesondere das restriktive Handeln der Landesplanung rechtfertigt sich allein dadurch, dass ein Missstand in der räumlichen Entwicklung erkannt und auch als solcher benannt wird. Die politische Bewertung der räumlichen Situation ist die wesentlichste Grundlage für die nachfolgenden Schritte der Leitbild- und Zielfindung. Eine frühzeitige Bewertung und Diskussion des Status-quo im politischen Raum ist auch deshalb besonders wichtig, weil es den teilweise schmerzhaften Prozess einer (politischen) Konsensfindung nach vorne verlagert und damit weg von dem landesplanerischen Ziel. Erst wenn es gelingt, auf politischer Ebene durchaus im Dialog mit den betroffenen Interessensverbänden einen Grundkonsens darüber herzustellen, ob und ggf. was an der räumlichen Verteilung des Einzelhandels in Bayern zu kritisieren ist, kann der nachfolgende Schritt erfolgen.

3 3. Formulierung eines Leitbildes für die räumliche Entwicklung des Einzelhandels Die Formulierung eines Leitbildes für die künftige räumliche Entwicklung des Einzelhandels muss konsequenterweise auf der vorangegangenen Bewertung basieren. Ausgehend von einem weitgehenden Konsens über Stärken und Schwächen sollten nun Leitlinien einer Politik entwickelt werden, die diese Stärken erhält und die Schwächen abstellt. Wenn beispielsweise Defizite bei der Versorgung oder bei der Funktionsfähigkeit der zentralen Orte festgestellt werden, dann sollte im Leitbild der politische Wille zum Ausdruck gebracht werden, diese Defizite zu beheben (z.b. Verbesserung der Grundversorgung in nicht-zentralen Orten, keine Umnutzung von nicht-innenstadtrelevanten Sortimenten zu innenstadtrelevanten Sortimenten an peripheren Standorten). Die Formulierung eines Leitbildes, das evtl. bereits zugeschnitten auf spezifische Sortimentsgruppen und/oder Gebietskategorien Handlungsfelder einer ausgewogenen Einzelhandelspolitik bezeichnet, wird nur dann erfolgreich sein können, wenn die ersten beiden Schritte gründlich begangen wurden. Eckpunkte dieses Leitbildes könnten u.a. auch Eingang finden in die Grundsätze des LEP Bayern, ersetzen jedoch nicht die Formulierung von konkreteren Zielen, mit denen die gewünschte Entwicklung bei Bedarf - gesteuert werden muss. 4. Aufstellung von Zielen der Raumordnung Basierend auf dem Leitbild, das im Übrigen Auswirkungen auch auf andere Politikbereiche haben müsste (z.b. Städtebauförderung, Stadtplanung, Fiskal- und Ordnungspolitik), muss die Landesplanung nun versuchen, hinreichend konkrete Ziele der Raumordnung zu formulieren. Dabei kann es wie bisher - nicht darum gehen, eine Feinsteuerung im Sinne einer Optimierung der räumlichen Einzelhandelsversorgung zu erreichen; möglich wäre es jedoch, Mindeststandards für die Versorgungsqualität (z.b. eine bestimmte Verkaufsflächendichte für die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs) oder für die Funktionsfähigkeit zentraler Orte zu formulieren. Je nach den Ergebnissen der Leitbilddiskussion wären diese Mindeststandards entweder streng oder großzügig, immer jedoch möglichst konkret zu formulieren. Auch hinsichtlich der langsamen Agglomeration nichtgroßflächiger Einzelhandelsbetriebe an wenig oder nicht geeigneten Standorten besteht Regelungsbedarf, da die diesbezüglichen Ausführungen in den Handlungsanleitungen keine effektiven Möglichkeiten einer Steuerung gegeben haben und geben. Konkretere Ziele im Einzelhandelsbereich erscheinen dann legitim, wenn der Normgeber begründen kann, dass diese Ziele im Hinblick auf das gewünschte Leitbild erforderlich sind. Um den Zielcharakter auch nach den Maßstäben des ROG nicht zu gefährden, sollte versucht werden, bestimmte allgemeine, durchaus bewährte Ziele (z.b. der Erhalt der Funktionsfähigkeit zentraler Orte sowie der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich von geplanten Einzelhandelsgroßprojekten) wie bereits oben dargestellt konkreter zu formu-

4 lieren oder zumindest in der Begründung mit messbaren und nachvollziehbaren Standards zu versehen. 5. Prüfkriterien und Instrumente Beim Einsatz der Prüfkriterien in einem Raumordnungs- oder Bauleitplanverfahren kommt es darauf an, dass deren Anwendung zu einer möglichst genauen Umsetzung der Ziele der Raumordnung führt. Ist dies nicht der Fall, wird das Zielabweichungsverfahren zum permanenten Regulativ für die Erreichung der formulierten landesplanerischen Ziele, was letztlich jedoch zu einer faktischen Aushöhlung des Ziels selbst führt. Insofern wäre es unabhängig vom formulierten Leitbild und den daraus entwickelten Zielen ein wesentlicher Schritt, die eigentlichen Ziele wieder von den Prüfkriterien (z.b. der Kaufkraftabschöpfungsquote) zu trennen. Die potentielle Kaufkraftabschöpfung eines geplanten Projektes als wesentliches Kriterium für die landesplanerische Unbedenklichkeit eines Vorhabens hat sich grundsätzlich bewährt und ist in diesem Zusammenhang vom BayVGH auch als geeignetes Instrument anerkannt worden ( Globus-Entscheidung, Forchheim). Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass es sich bei der potentiellen Kaufkraftabschöpfung um ein Modell im wissenschaftstheoretischen Sinne handelt: eine stark vereinfachende, abstrakte Annahme mit dem Anspruch, einen Teil der Realität abzubilden. Nimmt man also die Kaufkraftabschöpfung als vereinfachendes Modell dafür her, zu entscheiden, ob ein Projekt zu einer Gefährdung der flächendeckenden Versorgung führt, dann hängt der Wert dieses Modells allein von den Ergebnissen ab, nicht jedoch davon, ob die Rahmenbedingungen der Annahme realitätsnah sind. Wesentlich ist allein, dass ein Modell gut geeicht ist und Ergebnisse liefert, die eine verlässliche Prognose der zukünftigen Situation ermöglichen. Die Einführung des Verflechtungsbereichs des innerstädtischen Einzelhandels hat zwar vordergründig die Realitätsnähe des Modells erhöht, nicht jedoch zu einer ausgewogeneren Handelsentwicklung geführt. Es steht zu befürchten, dass durch diesen Paradigmenwechsel eine Zunahme der Handelskonzentration in den größeren zentralen Orten zulasten kleinerer zentraler und nicht-zentraler Orte eingetreten ist. Dieses Ergebnis war und ist sicherlich nicht erwünscht. Will man die potentielle Kaufkraftabschöpfung als Prüfmaßstab erhalten und hierfür spricht vieles -, so sollte man zum einen zum sozioökonomisch begründeten Mittelbereich zurückkehren und zum anderen die max. zulässigen Kaufkraftabschöpfungsquoten je nach zentralörtlicher Einstufung des zentralen Ortes sowie des jeweiligen Sortiments differenzieren. Entsprechende Vorschläge des LRV hierzu wurden im Zuge der letzten LEP-Fortschreibungen der Obersten Landesplanungsbehörde vorgelegt. Diese Vorschläge müssten jedoch ebenso wie alle anderen Vorschläge zur Veränderung der Kaufkraftabschöpfungsquoten - anhand von ausführlichen Modellrechnungen im Hinblick auf den jeweiligen Zielerreichungsgrad noch geeicht und getestet werden.

5 Wichtig wäre auch, dass Möglichkeiten geschaffen werden, die aktuelle Versorgungssituation an einem Standort bei der Frage der Ansiedlung neuer Betriebe verstärkt zu berücksichtigen. Bislang spielt die Einzelhandelsausstattung an einem Makrostandort keine Rolle bei einer landesplanerischen Abstimmung für ein neues Einzelhandelsgroßprojekt. Ob Prüfkriterien und Instrumente künftig eher in der Begründung zu den Zielen oder in einer Handlungsanleitung festgelegt werden sollten, ist in diesem Zusammenhang nicht von entscheidender Bedeutung. Wichtig wäre jedoch, dass die Landesplanung künftig zunehmend auch weitere, innovative Instrumente wie den raumordnerischen oder städtebaulichen Vertrag, regionale Einzelhandelskonzepte oder neu - Verkaufsflächenzuschläge für besonders gut geeignete Mikrostandorte einsetzt, um die erarbeiteten Ziele zu erreichen. 6. Öffentlichkeitsarbeit Es ist davon auszugehen, dass die o.g. schrittweise und begründete Entwicklung von Zielen der Raumordnung und Landesplanung zu einer maßgeblichen Erhöhung der Akzeptanz führen wird. Zusätzlich wird es jedoch erforderlich sein, diesen Teil der Landesentwicklungspolitik deutlich offensiver als bislang zu kommunizieren. Dies ist eine Aufgabe, der sich Politik und Verwaltung gleichermaßen zu stellen haben. Insbesondere dann, wenn die neuen Ziele zu einer spürbaren Beschneidung der kommunalen Planungshoheit oder unternehmerischer Entscheidungen führen sollten, ist eine entsprechende Kampagne, die den Sinn und die Vorteile dieser Spielregeln erklärt, von elementarer Bedeutung. Je offensiver und überzeugter man für eine Sache eintritt, desto eher wird man in der Lage sein, auch auf den ersten Blick unliebsame Entscheidungen glaubwürdig zu erklären. 7. Fazit Die anstehende Fortschreibung des LEP Bayern zum Einzelhandelsziel sollte zum Anlass genommen werden, eine grundlegende Analyse und Bewertung der Einzelhandelssituation in Bayern vorzunehmen. Das mittlerweile vom StMWIVT in Auftrag gegebene Gutachten hat eine andere Zielrichtung und wird dies nicht leisten können. Ohne eine umfassende Auseinandersetzung mit der Ist-Situation und einer darauf aufbauenden Leitbilddiskussion wird es aber angesichts der divergierenden Interessenslagen keine zufrieden stellenden Ergebnisse bei der Formulierung eines neuen Ziel(system)s geben. Dieser sicherlich kosten-, zeit- und arbeitsintensive Weg erscheint aus unserer Sicht in weiten Teilen ohne Alternative, wenn die Landesplanung auch weiterhin ihren Beitrag zu einer nachhaltigen räumlichen Entwicklung in allen Landesteilen leisten will.