November 2013, Kalkscheune Berlin Warum Studien für uns Patienten so wichtig sind

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Transkript:

21.-22. November 2013, Kalkscheune Berlin Warum Studien für uns Patienten so wichtig sind Jan Geißler EUPATI / Leukämie-Online / LeukaNET / CML Advocates Network Leukemia Patient Advocates Foundation jan@leukaemie-online.de

Überleben Hoffnung oder nur Hype: Es gibt wenig Zaubermunition Erfolgsgeschichten bisher für wenige Erkrankungen, oft für Patienten im guten Alter 230 Krebsarten, davon 200 selten, aber 25% aller Neuerkrankungen! 5-Jahres-Überleben für seltene und häufige Krebserkrankungen in EU27 nach Altersgruppen Häufig Selten Quelle: RareCare-Projekt (Gatta et al, 2012) Alter Alle Altersgruppen

Informationsbedürfnisse nach Diagnose oder Krankheitsfortschritt 1. Erkrankung verstehen 2. Erfahrenen Arzt finden 3. Andere Patienten mit ähnlicher Erfahrung sprechen 4. Studien: Existenz kennen, Teilnahme erwägen 5. Therapieentscheidung treffen 6. Bewusstsein entwickeln zu Wechselwirkungen, Therapietreue, Komplementärmedizin

Vertrauenssache? Nur 6-12% der Krebspatienten nehmen überhaupt an klinischen Studien teil 18.2.2013 Öffentliches Misstrauen = verzögerter Erkenntnisgewinn = langsamerem Fortschritt, was gut und was schlecht funktioniert = Forschung USA, Indien, China; spät oder gar nicht in Europa

Barrieren zur Studienteilnahme sind wissenschaftlich gut dokumentiert 1 Unsicherheit: Erprobtes vs. Experimentelles Informations/Wissensmangel ( uninformierte Einwilligung ) Therapie-Präferenzen, Angst vor Randomisierungszufall Auswirkung auf Lebensqualität, überbordende Diagnostik Zeitpunkt der Rekrutierung durchkreuzt Lebenspläne des Patienten (Familienplanung, Kinder, Arbeiten, Anfahrt)? 1 Fayter, D. et al. (2006): Systematic Review of barriers, modifiers and benefits involved in participation in cancer clinical trials.

Null Risiko in Krebsstudien wäre optimal, aber keine Therapieoptionen sind potentiell noch gefährlicher.

Risiko/Nutzen einer Studie: Potentielle Vorteile aus Patientensicht Altruistische Gründe: Zukünftigen Patienten zu helfen treibt viele Patienten an. Persönliche Vorteile können sein: Zugang zu neuesten Therapien (Hoffnung auf bessere Therapie oder Letztes Mittel" nach Krankheitsfortschritt) Engere oder bessere Verlaufskontrolle Team auf neuestem Wissensstand

Einfluss der studienzentrenbedingten Qualitätssicherung und Forschung auf Behandlungsqualität Beispiel Qualitätssicherungsprogramm QIII 2001 AG Gynäkologische Onkologie (AGO) OVAR, Ovarialkarzinom, Standardtherapie in FIGO I-IIA Studienzentrum (n=56pts) Klinik ohne Studien (n=68) 52 % 48 % Standard Suboptimale Therapie 75 % 25 % Jalid Sehouli (Charité), nach: QS-Programm der AGO Organkommission OVAR, Zentralbl Gynakol 2005; A. du Bois DOI 10.1055/s-2005-836289

Forschung erfordert Sicherheit, viel Kommunikation und Patientenfokus nicht als Lippenbekenntnis und wir sind doch alle Patienten, sondern durch Einbeziehung des Patienten von Forschungsdesign bis Versorgung.

Wichtige Faktoren bei der Versorgung von Krebspatienten Zugang zu Informationen und Expertise statt Odyssee, die Spezialisierung des Onkologen dessen Zusammenarbeit mit Expertenzentren, dessen Nähe zu klinischen Studien, das Befolgen von Leitlinien oder evidenzbasierter Gründe, davon abzuweichen, qualitativ gute Diagnostik zur richtigen Zeit, Langzeitdaten (speziell bei Target therapies ), Transparenz statt Geheimhaltung.

Forschung nützt nur, wenn Studie und Ergebnisse beim Patienten ankommen Hätte ich nur von der Studie gewusst / sie verstanden (Die meisten Patienten werden über die Existenz von Studien nicht aufgeklärt, oder es bleibt kaum Zeit für die Aufklärung. Patientenorganisationen sind oft Navigator.) Was war das Ergebnis meiner Studie? (90% der Probanden wollen die Ergebnisse ihrer Studie 1, 93% erhalten niemals die Ergebnisse der Studie von Studienärzten oder Sponsor 2, 98% der Studienärzte würden Studienergebnisse gerne teilen 3 ) Nur was publiziert wird, wird auch gelesen (32% aller Industriestudien und 18% der akademischen Studien sind 5 Jahre nach Abschluss nicht publiziert, BMJ @ 585 Studien mit >500 Teilnehmern 4 ) 1. Shalowitz, D. and Miller, F. 2008. PLoS Medicine. 5: 714-720. 2. Sood, A. et al. 2009. Mayo Clinic Proceedings. 84(3): 243-247. 3. Dixon-Woods, M. et al. 2006. BMJ. 332: 206-210. 4. Jones, C et al, BMJ 2013;347:f6104

Patienten(organisationen) haben komplementäre Rolle bei Studien Erwartungsmanagement (hope/hype) Optimiertes Studiendesign (Aufnahmekriterien, unnötige Diagnostik, Risiko/Nutzen-Dilemmas, Ethik, patientenrelevante Endpunkte) Aufklärung nach den ersten 12 Minuten beim Arzt Kommunikation von Studien an Patienten ( make or break trials ) Verbesserung der Patienteninformation zur Studienteilnahme Transport von Studienergebnissen in die Praxis

Patienten als Forschungspartner Es muss mehr getan werden: Seltene Krebserkrankungen werden nie Priorität haben, bevor Patienten sie nicht dazu machen: Patienten müssen daher eine stärkere Rolle beim Vorantreiben der Suche nach neuen Therapien haben. Patienten sehen Zusammenhänge, die Wissenschaftlern entgangen sind.

Europäische Patientenakademie EUPATI EUPATI etwickelt objektive, qualitätsgeprüfte, laienverständliche Trainings und Materialien zur Arzneimittel-Forschung und -Entwicklung Kompetenzaufbau bei Patientenvertretern für kompetente Mitwirkung in Forschung & Behörden Mit internetgestützten Trainings, öffentlicher Bibliothek & Info-Werkzeugkasten solide Informationsbasis für Patientenvertreter und Patienten schaffen Nicht: Indikations-/produktspezifische Informationen entwickeln http://www.patientsacademy.eu

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