Skript zu den wichtigsten Themen des Bereicherungsrechts



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Transkript:

Prof. Dr. Jürgen Oechsler Johannes Gutenberg-Universität Mainz Skript zu den wichtigsten Themen des Bereicherungsrechts Häufig zitierte Materialien (Es handelt sich um Grundlagenwerke, die trotz älteren Datums den Diskussionsstand bis heute prägen): Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, 13. Aufl. 1994; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983. Empfehlenswert auch: Lieb, in: Münchener Kommentar, 4. Aufl., 812 ff. A. Die Leistungskondiktion ( 812 Abs. 1 Satz 1 erster Fall BGB) 1. Leistungsbegriff der h.m. a) Zur klausurtechnischen Seite Übliche Definition: Leistung ist die bewusste zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens. Das Tatbestandsmerkmal zweckgerichtet bedeutet, dass die Vermehrung fremden Vermögens auf die Erfüllung einer Verbindlichkeit zielt (Erklärung sogleich). Diese Verbindlichkeit kann durch Rechtsgeschäft (z.b. 433 Abs. 2 BGB) oder kraft Gesetzes ( 823 Abs. 1 BGB) entstanden sein. Sie soll durch die Leistung erfüllt werden nach 362 Abs. 1 BGB (Normwortlaut lesen!). Die Leistung besteht danach aus zwei Elementen: (1) Der Zuwendung des Vermögensgegenstandes: Die Art und Weise der Zuwendung erfolgt nach den Regeln des Sachenrechts. Handelt es sich etwa um eine bewegliche Sache, muss eine Übereignung nach 929 Satz 1 BGB stattfinden. (2) Im Regelfall genügt die Zuwendung nach (1) für die Erfüllung (Theorie von der realen Leistungsbewirkung; Beispiel: Der Friseur erfüllt den Werkvertrag nach 631 BGB durch Vollendung des Haarschnitts; eine Willenserklärung muss er dabei nicht abgeben). Ist allerdings die Zuordnung einer Leistung zu einer bestimmten Schuld nicht offensichtlich, muss der Schuldner eine Entscheidung darüber treffen, welche Schuld genau die Zuwendung erfüllen soll. Dazu gibt er eine Willenserklärung ab, durch die bestimmt wird, welche Verbindlichkeit die Zuwendung erfüllen soll. Diese Willenserklärung heißt Tilgungs- oder Zweckbestimmung. Sie ist in 366 Abs. 1 BGB (lesen!) ausdrücklich vorgesehen. Der Inhalt dieser Willenserklärung wird durch Auslegung nach 133, 157 BGB vor dem objektiven Horizont des Empfängers ermittelt

(Lehre vom objektiven Empfängerhorizont); dieselbe Methode gilt auch bei der Beurteilung der Frage, ob eine Tilgungsbestimmung überhaupt abgegeben worden ist oder nicht. Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen für den Anspruch aus Leistungskondiktion ( 812 Abs. 1 Satz 1 erster Fall BGB): (1) Der Anspruch aus 812 Abs. 1 Satz 1 erster Fall BGB steht nur dem Leistenden selbst zu. Schuldner des Anspruchs ist wiederum nur die Person, an die geleistet wurde. Deshalb kommt es bei jeder Prüfung darauf an, ob der Anspruchsinhaber gerade an den Anspruchsgegner geleistet hat. (2) Ob der Bereicherungsgläubiger (BG) an den Bereicherungsschuldner (BS) geleistet hat, hängt davon ab, ob der BG gegenüber dem BS eine Tilgungsbestimmung abgegeben hat. Durch die Tilgungsbestimmung wird klarstellt, dass der BG mit der Zuwendung gerade eine Verbindlichkeit gegenüber dem BS erfüllen will. Ob eine Tilgungsbestimmung abgegeben wurde und welchen Inhalt sie hat, bestimmt sich wie bei jeder anderen Willenserklärung nach der Lehre vom objektiven Empfängerhorizont nach 133, 157 BGB. Es kommt darauf an, dass ein objektiver Beobachter in der Position des Anspruchsgegners aus 812 Abs. 1 Satz 1 erster Fall BGB das tatsächliche Verhalten des Anspruchsstellers so verstehen muss, dass eine Tilgungsbestimmung abgegeben wurde. Hinzu tritt eine weitere Schwierigkeit: In der Lebenswirklichkeit geben die Beteiligten selten ausdrückliche Tilgungsbestimmungen ab. Es ist vielmehr die Aufgabe des Rechtsanwenders herauszufinden, ob anlässlich des tatsächlichen Geschehens eine Seite der anderen gegenüber auf ihre laienhafte Weise etwas zum Ausdruck gebracht hat, das in den Kategorien des Rechts als Tilgungsbestimmung ausgelegt werden kann. So kommt es auch aus Sicht des objektiven Empfängers nicht darauf an, dass die andere Seite ausdrücklich eine Tilgungsbestimmung abgegeben hat, sondern ganz einfach darauf, ob sie durch ihr tatsächliches Verhalten zum Ausdruck gebracht hat, dass sie mit der Zuwendung des Vermögensgegenstand eine ganz bestimmte Schuld gegenüber dem Empfänger begleichen will (d.h. ihre Verbindlichkeit nach 362 Abs. 1 BGB erfüllen will). (3) Das Verständnis des objektiven Beobachters ist aber nicht allein maßgeblich. Es ist nach h.m. (vor allem auch nach der BGH-Rechtsprechung) dann unbeachtlich, wenn ein Fehlverständnis des Empfängers dem vermeintlich Leistenden nicht zugerechnet werden kann, weil er es nicht veranlasst hat (Veranlassungsprinzip). Nur derjenige wird als Leistender behandelt, der den Leistungsvorgang willentlich (nicht schuldhaft!) in Gang gesetzt hat. Beachten Sie bitte: Das Veranlassungsprinzip stammt nicht aus der Rechtsgeschäftslehre (Lehre von den Willenserklärungen), sondern trägt besonderen bereicherungsrechtlichen Problemen Rechnung. Die Kritik an der h.m. knüpft an diesen Umstand an und bemängelt, dass die Lehre vom objektiven Empfängerhorizont, die ja auf die Kategorien der Rechtsgeschäftslehre zurückgreift, insgesamt nicht 2 Oechsler, Skript Bereicherungsrecht, Univ. Mainz

zur Lösung der bereicherungsrechtlichen Fälle geeignet sei. Dagegen spricht jedoch, dass die h.m. auf der Grundlage dieser einen Ergänzung zur Rechtsgeschäftslehre alle schweren bereicherungsrechtlichen Fälle in den Griff bekommt. (4) Liegt eine Leistung an den Empfänger vor und besteht für diese ein Rechtsgrund, scheitert ein Anspruch aus Leistungskondiktion. Es wäre nun widersinnig, wenn der Leistende deshalb den Leistungsempfänger in sonstiger Weise, also etwa nach 812 Abs. 1 Satz 1 zweiter Fall BGB in Anspruch nehmen könnte. Dann würde der Tatbestand der Leistungskondiktion nämlich umgangen, und die ihm zugrunde liegenden Wertungen erwiesen sich als gegenstandslos. Deshalb gilt folgender weiterer Grundsatz: Die Nichtleistungskondiktionen in 812 Abs. 1 Satz 1 zweiter Fall BGB (insbesondere die Abschöpfungskondiktion) sind gegenüber der Leistungskondiktion subsidiär (Subsidiaritätsprinzip). Gegenstand des Subsidiaritätsprinzips ist folgender Grundsatz: Was man durch Leistung erlangt hat, braucht man nicht im Wege der Nichtleistungskondiktion herauszugeben. Beachten Sie bitte bereits jetzt: Das Subsidiaritätsprinzip ist in den Fällen der fehlerhaften Anweisung überaus leistungsfähig. Es taugt jedoch nicht in den sog. Einbaufällen (S. 28) zur Begrenzung der Eingriffskondiktion. Hier gilt nach h.m. die speziellere Wertung des 816 Abs. 1 BGB (Rechtsfortwirkungsprinzip, S. 26). Unter Beachtung dieser vier Grundsätze, kommt man bei der Prüfung einer Leistung zu folgender praktischer Vorgehensweise in der Klausur: 1. Frage, ob A an B geleistet hat. 2. Definition der Leistung als bewusste, zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens: Herstellung der gedanklichen Verbindung zwischen der Zweckrichtung und der Willenserklärung nach 366 Abs. 1 BGB. Hinweis auf das Erfordernis ihrer Auslegung nach 133, 157 BGB. 3. Auslegung des Verhaltens von A vor dem Horizont eines objektiven Empfängers in der Position des B im Hinblick auf die Frage, ob eine Tilgungsbestimmung abgegeben wurde. 4. Bei Bejahen von 3) Prüfung, ob A den Vorgang auch veranlasst hat. 5. Überprüfung dieses Ergebnisses anhand von Wertungsüberlegungen (dazu im Anschluss b). Grundsätzliche Alternativen zum Leistungsbegriff diskutieren Canaris und Lieb. b) Was steht hinter diesen drei Prinzipien? Die zugrunde liegenden Wertungen Wer einen Vertrag schließt, trifft eine Risikoentscheidung: Er lässt sich auf einen Vertragspartner mit allen in dessen Person liegenden Risiken (Unzuverlässigkeit, Zahlungsunfähigkeit usw.) ein. Allerdings beschränkt sich dieses Risiko auch nur auf die Person des ausgewählten Vertragspartners und erfasst nicht etwa auch Dritte. Der Vertrag ist also ein Instrument der Risikosteuerung: Kontrahiert demnach A mit B, muss A die Risiken, die in der Person des B liegen, tragen (Unzuverlässigkeit, Vermögenslosigkeit usw.); denn A hat sich B zum Vertragspartner ausgesucht. A muss aber wegen dieser Oechsler, Skript Bereicherungsrecht, Univ. Mainz 3

Entscheidung niemals ähnliche Risiken tragen, die in der Person des X liegen, der mit seinem Vertrag nichts zu tun hat. Dieser Gedanke drückt sich im Prinzip der Relativität der Schuldverhältnisse aus: Verträge gelten nur zwischen den Parteien (inter partes). Dieses zentrale Prinzip muss auch bei der Rückabwicklung über die Leistungskondiktion beachtet werden und führt dazu, dass im Rahmen der Leistungskondiktion folgende Grundsätze zu beachten sind (Canaris S. 204 f.): 1. Ein Vertragspartner soll nur das Insolvenzrisiko (Insolvenzrisiko = Risiko der Nichtleistung infolge Vermögensverfalls) der von ihm ausgesuchten Vertragsgegenseite tragen; insbesondere darf ihm kein fremdes Insolvenzrisiko aufgebürdet werden. 2. Ein Vertragspartner soll die Einwendungen, die ihm aus dem Vertrag zu dem von ihm ausgesuchten Vertragspartner zustehen, möglichst behalten. Typische Einwendungen sind die Nichtigkeit aus 125, 134, 138 BGB, die Verjährung aus 214 BGB, aber auch Einwendungen nach dem Prinzip von Treu und Glauben. 3. Ein Vertragspartner soll nicht neuen Einwendungen ausgesetzt sein, die in seinem Vertragsverhältnis keine Grundlage haben. 4. Ein Vertragspartner soll sich auch vor Gericht nur mit der anderen Seite auseinandersetzen müssen; hier geht es um die Verteilung der Prozessrolle. 3. Die einzelnen Fallgruppen LK bedeutet im folgenden Anspruch aus 812 Abs. 1 Satz 1 erster Fall BGB (Leistungskondiktion); die Prüfung erfolgt aus Gründen der Übersichtlichkeit mit Abkürzungen. NK bedeutet Anspruch aus 812 Abs. 1 Satz 1 zweiter Fall BGB (Nichtleistungskondiktion). a) Die Lieferkette Fall 1: V verkauft an K seinen Gebrauchtwagen durch Abschluss eines Kaufvertrages nach 433 BGB. Im Anschluss daran übereignet V dem K das Fahrzeug nach 929 Satz 1 BGB. K verkauft das Fahrzeug an D nach 433 BGB weiter; anschließt übereignet K das Fahrzeug an D nach 929 Satz 1 BGB. Nachträglich stellt sich heraus, dass der Vertrag zwischen V und K wegen Geschäftsunfähigkeit des K nichtig ist; beim Vertragsschluss mit D hatte K seine Geschäftsfähigkeit indes wieder erlangt. Nun verlangt V von D die Sache heraus. 1. Vertragliche Ansprüche zwischen V und D kommen nicht in Betracht. 4 Oechsler, Skript Bereicherungsrecht, Univ. Mainz

2. LK des V gegen D. Erlangt hat D das Eigentum am Fahrzeug. Durch Leistung des V? Aus Sicht eines objektiven Empfängers in der Position des D hat K gegenüber D eine eigene Tilgungsbestimmung abgegeben. Nach 133, 157 BGB erfolgte die Übereignung also in Erfüllung einer Verbindlichkeit des K gegenüber D aus 433 Abs. 1 Satz 1 BGB. Deshalb ist für D Leistender nur K nicht aber V. V kann deshalb gegenüber D nicht im Wege der Leistungskondiktion vorgehen. Für dieses Ergebnis sprechen folgende Wertüberlegungen: D hat sich den K als Vertragspartner ausgesucht und braucht sich nur mit diesem über den Behalt der Sache auseinanderzusetzen. Die vertragsfremden Rechte des V gehen ihn nichts an. Umgekehrt trägt es auch den Interessen des V Rechnung, wenn dieser bereicherungsrechtlich nur mit K rückabwickeln muss (K schuldet dann nicht die Sache selbst, aber Wertersatz für diese nach 818 Abs. 2 BGB, sofern er nicht nach 818 Abs. 3 BGB entreichert ist!). 3. NK des V gegen D. Sie ist wegen des Subsidiaritätsprinzips ausgeschlossen: Weil D das Fahrzeug durch Leistung des K erlangt hat, braucht er es an V nicht im Wege der Nichtleistungskondiktion herauszugeben. b) Die abgekürzte Lieferung Fall 2: V verkauft an den Zwischenhändler K ein Kfz. K hat dieses bereits vor Abschluss des Kaufvertrags mit V an D (weiter)verkauft. Um Transport- und Überführungskosten zu sparen, bittet K den V, den Wagen sofort bei D anzuliefern. V ist einverstanden und übergibt, nachdem K den D über die anstehende Lieferung informiert hat, das Fahrzeug dem D. Nachträglich ficht V den Vertrag mit dem K wegen Inhaltsirrtums nach 119 Abs. 1 BGB erfolgreich an. Kann V von D Herausgabe des Wagens verlangen? 1. Vertragliche Ansprüche des V gegenüber D scheiden aus. 2. LK D hat das Eigentum am Kfz als vermögenswertes Etwas erworben (sachenrechtlich findet hier ein sog. doppelter Geheißerwerb statt). Oechsler, Skript Bereicherungsrecht, Univ. Mainz 5

Problem: Hat V an D geleistet? Dies hängt davon ab, ob V gegenüber D eine Tilgungsbestimmung abgegeben hat. Maßgeblich ist nach 133, 157 BGB der objektive Empfängerhorizont des D. Auch wenn V die Sache tatsächlich und direkt bei D abgeliefert hat, konnte ein objektiver Empfänger dies nicht in dem Sinne verstehen, dass V eine eigene Schuld gegenüber D begleichen wollte. Denn eine solche bestand überhaupt nicht. Vielmehr erschien V dem D wie ein Bote des K (arg. e 120 BGB), der eine Tilgungsbestimmung des K an ihn überbrachte: Durch diese wurde klargestellt, dass das Fahrzeug die Schuld des K gegenüber D aus 433 Abs. 1 Satz 1 BGB tilgen sollte. Eine Leistung des V an D liegt also nicht vor. Dafür spricht wie im Fall der Lieferkette, dass D sich nicht mit den für ihn vertragsfremden Rechten des V auseinandersetzen muss und V bereicherungsrechtlich allein das Insolvenzrisiko des K, nicht aber das des D tragen muss, den er nicht als Vertragspartner ausgewählt hat. 3. NK: ist wegen des Subsidiaritätsprinzips ausgeschlossen: Weil D das Fahrzeug durch Leistung (des K) erlangt hat, braucht er es an V nicht im Wege der Nichtleistungskondiktion herauszugeben. c) Störungen in den Leistungsverhältnissen bei einer Anweisungskonstellation Anweisung im Rahmen der Leistungskondiktion bedeutet nicht dasselbe wie in den 783 ff. BGB, sondern es geht um einen tatsächlichen Veranlassungsakt: Der Gläubiger veranlasst seinen Schuldner, die geschuldete Leistungshandlung direkt bei einem Dritten zu erbringen. B A C B weist seinen Schuldner A an, die Leistung gegenüber C zu erbringen. Diese Anweisung ist durch das Schuldverhältnis zwischen A und B gedeckt (Deckungsverhältnis). Bsp: Schuldet A dem B aus 433 Abs. 1 Satz 1 BGB eine Kaufsache, dann liegt darin die Deckung, wenn B den A anweist, die Kaufsache an C zu liefern. Das Verhältnis zwischen B und C bezeichnet man hingegen als (Valutaverhältnis). Dort wird die zwischen A und B gedeckte Leistung als Wert zur Erfüllung eingesetzt (valutiert). Schuldet A dem B die Kaufsache aus 433 Abs. 1 Satz 1 BGB und zugleich B dem C aus 433 Abs. 1 Satz 1 BGB, so bewirkt die Lieferung der Sache von A an C eine simultane Erfüllung beider Schulden nach 362 Abs. 1 BGB. Dies wird rechtlich möglich durch zwei von B erteilte Ermächtigungen nach 185 Abs. 1 BGB: 6 Oechsler, Skript Bereicherungsrecht, Univ. Mainz

1. B ermächtigt den A nach 362 Abs. 2, 185 Abs. 1 BGB, seine Schuld dadurch zu erfüllen, dass er an C liefert. 2. B ermächtigt den C, die Lieferung des A als die von ihm geschuldete Sache anzunehmen. Hinweis: Einige der nachfolgenden Fälle betreffen Girokonten. Hierzu sollte man nur Folgendes wissen: 1. Das Girokonto beruht auf einem Zahlungsdienstevertrag nach 675f BGB. Am bedeutendsten ist dabei der Verweis auf die Normen des Auftragsrechts im Wortlaut des 675c Abs. 1 BGB. Daraus resultieren folgende Ansprüche: 2. Der Kunde kann einen ihm auf dem Konto gutgeschriebenen Betrag abheben, weil die 675c Abs. 1, 667 BGB ihm einen Anspruch auf Herausgabe gegenüber der Bank geben. 3. In verschiedener Weise autorisiert der Kunde die Bank nach 675j Abs. 1 Satz 1 BGB, dass sie seine Weisungen richtig ausführt, also einen Zahlungsvorgang einleitet. In dieser Autorisierung (= Willenserklärung) liegt die bereicherungsrechtliche Anweisung! 4. Die Bank hat einen Anspruch auf Vorschuss ( 675c Abs. 1, 669 BGB) bzw. Aufwendungsersatz ( 675c Abs. 1, 670 BGB), wenn sie den Auftrag des Kunden durchführt. Mit dem daraus resultierenden Betrag belastet sie das Konto des Kunden. 5. Die Bank muss Kontoauszüge gewähren und Buchungen auf dem Konto richtig vornehmen; diesbezüglich besteht ein Anspruch aus 675c Abs. 1, 666 BGB, der durch die Spezialnorm des 675t BGB näher ausgestaltet ist. (1) Unterfallgruppe: Störungen im sog. Deckungsverhältnis Fall 3: B hat eine Sache von C gekauft und schuldet ihm deshalb 2.000. Durch Überweisungsträger weist er seine Bank A an, die Summe auf das Konto des C zu transferieren. A nimmt die Überweisung vor. Erst nachträglich bemerkt A, dass das Konto des B gar keine Deckung mehr für diese Überweisung aufweist und deshalb von A bereits wirksam fristlos gekündigt war. B ist aber mittlerweile insolvent. Nun verlangt A den Betrag von C heraus. Zu Recht? I. Vertragliche Ansprüche zwischen A und C scheiden aus. II. LK: Erlangt hat C einen Anspruch auf 2.000, Durch Leistung der A? Aus Sicht eines objektiven Empfängers in der Position des C nach 133, 157 BGB hat B die 2.000 auf eine Forderung gemäß 433 Abs. 2 BGB geleistet und nicht A. Deshalb kann A keine Ansprüche aus LK geltend machen. Oechsler, Skript Bereicherungsrecht, Univ. Mainz 7

III. NK: Ihr steht das Subsidiaritätsprinzip entgegen. Dieses Ergebnis entspricht den zugrunde liegenden Wertungsüberlegungen, denn 1. A muss das Insolvenzrisiko des B aus dem Girovertrag tragen; dieses darf sie nicht auf C abwälzen, der keine Partei des Girovertrages ist. Ginge die LK durch, könnte C jedoch nicht mehr auf B zurückgreifen, weil dieser vermögenslos ist. 2. C muss sich nicht mit den Rechten Dritter auseinandersetzen, die nicht Vertragspartei sind. C hat sich B als Vertragspartner ausgesucht und ist die in dessen Person liegenden Risiken eingegangen. Deshalb erscheint das Vertrauen des C schützenswert, den Kaufpreis von B zu verlangen und sobald er geflossen ist auch zu behalten. C braucht sich darüberhinaus keine Sorgen darüber machen muss, wie B den Transfer des A an ihn finanziert und ob sein Konto bei A gedeckt ist. Konsequenz: Störungen im Deckungsverhältnis müssen auch im Deckungsverhältnis rückabgewickelt werden: Dies geschieht entweder nach den Regeln des Leistungsstörungsrechts (Haftung für Unmnöglichkeit, Verzug, Mängel bzw. Nebenpflichtverletzungen), wenn ein Rechtsgrund vorhanden ist. Denn i.d.r. ist ein vertraglicher Rechtsgrund Grundlage für ein vertragliches Leistungsstörungsrecht. Fehlt der Rechtsgrund muss die Rückabwicklung über die LK erfolgen. Das Valutaverhältnis bleibt unberührt. (2) Unterfallgruppe: Störung im Valutaverhältnis Fall 4: B hat eine Sache von C gekauft und schuldet ihm deshalb 2.000. Durch Überweisungsträger weist er seine Bank A an, die Summe auf das Konto des C zu transferieren. A nimmt die Überweisung vor. Erst nachträglich bemerkt B, dass der Kaufvertrag mit C nichtig war. Da C vermögenslos ist, will B von A das Geld heraus. Zu Recht? I. Ansprüche auf Schadensersatz aus 280 Abs. 1 Satz 1, 675c Abs. 1 BGB bestehen nicht: Denn A hat keine Pflicht aus dem Kontovertrag verletzt. B hat A eine Weisung nach 675j Abs. 1 Satz 1 BGB erteilt. Zu deren Erfüllung hat A einen Anspruch auf Aufwendungsersatz aus 675c Abs. 1, 670 BGB. Nach 675j Abs. 2 BGB kann die Autorisierung nicht mehr widerrufen werden ( 675p Abs. 1 BGB). Der Aufwendungsersatzanspruch ist daher begründet und das Konto darf in entsprechender Höhe belastet werden. II. LK des A gegen C? Aus Sicht eines objektiven Beobachters in der Position des C liegt in der Zahlung der 2.000 eine Leistung des B und nicht der A. Eine LK der A scheidet daher aus. 8 Oechsler, Skript Bereicherungsrecht, Univ. Mainz

Auf der Wertungsebene spricht für dieses Ergebnis, dass A nicht in den Rechtsstreit um die Nichtigkeit des Kaufvertrages zwischen B und C hineingezogen werden darf. A hat hier keine eigenen Kenntnisse und könnte keine Beweis führen. Vor den für sie vertragsfremden Einwendungen muss sie geschützt werden. Im Übrigen ist das Risiko der Vermögenslosigkeit, das sich in der Person des C realisiert hat, zuvor nicht eingegangen. Ihr Vertrags- und Risikopartner ist allein B. III. Die NK der A gegen C scheitert am Subsidiaritätsprinzip bzw. am Rechtsfortwirkungsprinzip (S. 26). IV. In Betracht kommt nur eine LK des B gegen C, weil ohne Rechtsgrund geleistet wurde. (3) Unterfallgruppe: Doppelmangel Fall 6: B hat eine Sache von C gekauft und schuldet ihm deshalb 2.000. Durch Überweisungsträger weist er seine Bank A an, die Summe auf das Konto des C zu transferieren. A nimmt die Überweisung vor. Erst nachträglich bemerkt A, dass der Zahlungsdienstevertrag über das Konto des B nichtig war. Ferner bemerkt B, dass der Kaufvertrag mit C nichtig war. Nun verlangt A den Betrag von C heraus. Zu Recht? Beachte: Hier sind sowohl das Deckungs- als auch das Valutaverhältnis fehlerhaft. Kann deshalb A einfach gegenüber C durchgreifen? Dies wurde früher vertreten (vor allem von Esser): Danach kann A zunächst im Wege der LK gegen B vorgehen. Im Vermögen des B findet er die LK des B gegen C. Entweder tritt nun B dem A die LK B- C ab oder A lässt sich diese Forderung nach 835 Abs. 1 ZPO im Wege der Zwangsvollstreckung überweisen. Anschließend geht A aus der LK B-C als neuer Gläubiger dieser Kondiktionsforderung gegen C vor (sog. Kondiktion der Kondiktion). Diese Lehre wird heute von der h.m. zu Recht abgelehnt, weil sie den bereicherungsrechtlichen Wertungen widerspricht. Denn dadurch würde dem C, der bereits sein Geld empfangen hat, das Insolvenzrisiko des B aus dem Girovertrag noch nachträglich aufgebürdet: A könnte sich nämlich an C schadlos halten. C aber könnte von B nicht die diesem gewährte Kaufsache herausverlangen, da dieser insolvent ist. Zu den Hintergründen: Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, kann C seine Forderung nur zur Insolvenztabelle anmelden; sie wird dann nicht in natura befriedigt, sondern C erhält Wertersatz ( 45 Satz 1 InsO). Allerdings werden die Forderungen in den meisten Insolvenzverfahren nicht in voller Höhe befriedigt, sondern nur zu einer Erfüllungsquote von erfahrungsgemäß 5%, weil das Vermögen des Insolvenzschuldners oft nicht ausreicht. Muss C die 2.000 nicht an A herausgeben, darf er sie zwar nicht behalten, sondern muss sie u.u. an den Insolvenzverwalter des B herausgeben (vgl. dazu 103 Oechsler, Skript Bereicherungsrecht, Univ. Mainz 9

InsO). Gegen diesen Herausgabeanspruch kann er jedoch mit seinem eigenen Anspruch aus LK i.v.m. 818 Abs. 2 BGB aufrechnen, und zwar nach 94 ff. InsO. Im Ergebnis darf er daher einen wesentlichen Teil der Summe behalten. Dieses Wissen wird in der Abschlussklausur nicht vorausgesetzt. Sie sollten nur das Insolvenzrisiko kennen, und zwar als das Risiko des Gläubigers, einen Zahlungsausfall wegen Vermögensverfalls des Schuldners zu erleiden. Deshalb ist eine Kondiktion A gegen C schon aus wertenden Überlegungen heraus unzulässig. Dies gilt auch in anderen Fällen aus Sicht des A: A muss nicht das Insolvenzrisiko des ihm unbekannten C übernehmen, indem er gegenüber diesem aus LK vorgehen muss. Vielmehr darf er sich weiterhin an seinen Vertragspartner B halten. Diesen Überlegungen trägt die Dogmatik Rechnung: I. Vertragliche Ansprüche zwischen A und C kommen nicht in Betracht. II. LK: Leistung der A an C? Nicht aus Sicht eines objektiven Beobachters in der Position des C. Dieser geht davon aus, dass B geleistet hat und nicht A. III. NK scheitert am Subsidiaritätsprinzip. 3. Die fehlerhafte Anweisung B ist ein Internetversandhändler. Er hat C einen Fernseher (Curved OLED 65 Zoll) der Marke A vor Weihnachten verkauft. B weist den Hersteller A an, ein Fernsehgerät dieses Typs an C zu liefern. Dem C gegenüber kündigt B per E-Mail eine Lieferung in drei Tagen an. Vor Weihnachten kommt es jedoch zu Lieferengpässen. Deshalb storniert B die Weisung gegenüber A später noch einmal. Denn das letzte verbliebene Gerät soll an den Großkunden X geliefert werden. Im Weihnachtstrubel wird diese Stornierung jedoch von A nicht beachtet. A liefert daher das Gerät an C. Dort geht es drei Tage nach der Bestellung ein. Muss C das Fernsehgerät an B oder an A herausgeben? I. Ansprüche des B gegenüber C. 1. Vertragliche Ansprüche. Aus dem Vertrag hat B gegenüber C keine Ansprüche auf Herausgabe des Fernsehgeräts. 2. LK: (a) C hat vorliegend das Fernsehgerät erlangt. (b) Durch Leistung des B? 10 Oechsler, Skript Bereicherungsrecht, Univ. Mainz

- Aus Sicht eines objektiven Beobachters in der Person des C nach 133, 157 BGB stellt sich die Lieferung des A als Leistung des B auf eine Verbindlichkeit gegenüber C nach 433 Abs. 1 Satz 1 BGB dar. Dafür spricht vor allem auch, dass diese Lieferung genau den von B angekündigten Lieferbedingungen (angekündigter Liefertag) entspricht. - Problematisch ist jedoch, dass B und A diese Lieferung storniert haben. Die Anweisung des B an A ist daher als Willenserklärung untergegangen. Dabei spielt es keine Rolle, ob Die Anweisung durch einen Aufhebungsvertrag zwischen B und A untergegangen ist oder durch einseitigen Widerruf nach 183 BGB. Aus Sicht des objektiven Empfängers in der Position des C besteht daher nur der falsche Schein einer Tilgungsbestimmung (Willenserklärung) nach 366 Abs. 1 BGB! Der objektive Beobachter kann den Unterschied zwischen einer echten Willenserklärung und dem Rechtsschein einer Willenserklärung nicht erkennen. Auf sein Verständnis allein kommt es allerdings nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob B am Rechtsschein einer Tilgungsbestimmung ebenso festgehalten werden kann wie an einer echten Tilgungsbestimmung. Dies wiederum hängt nach h.m. davon ab, ob B die Leistung veranlasst hat. Veranlassung bedeutet, dass B durch seine Handlung die Gefahr eines Missverständnisses bei einem objektiven Beobachter in der Position des C begründet bzw. in spezifischer Weise erhöht hat. Fraglich ist, ob noch von einer selbstbestimmten Hanldung des B die Rede sein kann. Denn B hatte die Anweisung ja nachträglich storniert. Hier greift jedoch die Lehre von der fehlerhaften Anweisung: Durch seine Anweisung gegenüber A hat B die Personen A und C sowie sich selbst in einem Leistungsdreieck zusammengebracht. Dadurch hat er in spezifischer Weise die Gefahr erhöht, dass C eine Lieferung des A als Leistung des B an ihn (C) missverstehen konnte. Kann er die Anweisung nur rechtlich, nicht aber in ihren Auswirkungen auf das Verständnis des objektiven Beobachters nachträglich beseitigen, trägt er (und nicht etwa C) die Gefahr des Missverständnisses. Dann muss B für den von ihm veranlassten Rechtsschein einer Tilgungsbestimmung gegenüber C ebenso einstehen wie er für eine echte Tilgungsbestimmung gegenüber C hätte Verantwortung tragen müssen. So liegt der Fall vorliegend: B hat durch seine Anweisung an A ein Leistungsdreieck initiiert. Nachträglich ist es ihm nicht mehr gelungen, den dadurch bei C entstandenen falschen Eindruck zu beseitigen. Dass dabei ein Verschulden auf Seiten des A eine Rolle gespielt hat, ist unerheblich, da es für das Veranlassungsprinzip nicht auf Verschuldenselemente ankommt, sondern nur auf eine angemessene Risikoverteilung zwischen Leistendem und Leistungsempfänger. Eine Veranlassung von Seiten des B liegt daher vor. Insgesamt ist von einer Leistung des B an C auszugehen Auf der Wertungsebene spricht für dieses Ergebnis, dass B die Beteiligten in zu einem Leistungsdreieck zusammengebracht hat. Er trägt deshalb auch das Insolvenzrisiko des C. C hingegen wird in seinem guten Glauben geschützt, mit B, seinem Vertragspartner, allein abrechnen Oechsler, Skript Bereicherungsrecht, Univ. Mainz 11

zu müssen. A verdient wegen seines Fehlers eigentlich weniger Schutz, ist aber ohnehin wohl einem Anspruch des B gegen ihn aus 280 Abs. 1 Satz 1, 241 Abs. 2 BGB ausgesetzt. (c) Ohne Rechtsgrund? Im Kaufvertrag zwischen B und C liegt gerade ein Rechtsgrund. Die Lieferung ist daher nicht rechtsgrundlos Ergebnis: Die LK scheitert. 3. NK: Hier greift das Subsidiaritätsprinzip. II. Ansprüche des A gegen C kommen nur aus NK in Betracht. Diese scheitern aber am Subsidiaritätsprinzip. Denn was C von B durch Leistung erworben hat (Fernseher), braucht er nicht an A im Wege der Nichtleistungskondiktion herauszugeben. Beachte noch zum Veranlassungsprinzip: Dieses setzt kein Verschulden isd. 276 BGB voraus, sondern beruht auf dem Gedanken der Risikoerhöhung. Wenn B durch eine ihm zurechenbare Handlung A, B und C zu einem Leistungsdreieck zusammenbringt, hat er das Risiko eines einschlägigen Fehlverständnisses des C in spezifischer Weise erhöht, also veranlasst. Das Veranlassungsprinzip reicht in komplizierteren Fällen (vgl. den Fall des gutgläubigen Erwerbs unten S. 26) noch weiter: Immer, wenn einer der drei Beteiligten bereicherungsrechtlich haften soll, weil sein Verhalten von einem anderen falsch verstanden wird, kommt eine Haftung nur in Betracht, wenn der Inanspruchgenommene dieses Fehlverständnis im dargestellten Sinne veranlasst hat. Beachte aber: In einer aktuellen Entscheidung aus dem Jahre 2015 hat der BGH die Lehre von der fehlerhaften Anweidung für den Zahlungsverkehr aufgegeben! BGH, 16.6.2015 XI ZR 243/13, BB 2015, 2065, Rn. 17 ff.: B schuldet dem C noch 2.000 aus 433 Abs. 2 BGB und weist seine Bank A zur Zahlung an C an. Kurze Zeit später jedoch, bevor diese Anweisung ausgeführt worden ist, einigen sich B und A darüber, dass der Zahlungsvorgang unterbleiben soll. Aufgrund eines Versehenes eines Angestellten der A transferiert die A dennoch 2.000 an C. Von wem muss B sein Geld zurückverlangen? I. Ansprüche des B gegenüber C. 1. Vertragliche Ansprüche (-) 2. LK: C hat vorliegend einen Anspruch auf 2.000 erlangt. Durch Leistung des B? - Aus Sicht eines objektiven Beobachters in der Person des C nach 133, 157 BGB stellt sich der tatsächliche Zahlungstransfer der A als Leistung des B auf eine Verbindlichkeit gegenüber C nach 433 Abs. 2 BGB dar. 12 Oechsler, Skript Bereicherungsrecht, Univ. Mainz

- Diese Sichtweise ist aber nicht allein maßgeblich. Entscheidend kommt es darauf an, ob B die Leistung veranlasst hat. Hier nun folgt der BGH (Rn. 17 ff.) für die Autorisierung nach 675j Abs. 1 Satz 1 BGB einem europarechtlichen Rechtsgedanken: 675j Abs. 1 Satz 1 BGB geht auf die Zahlungsdiensterichtlinie 1 (RL 2006/60/EG) zurück. Der Richtlinie liegt aber das Prinzip zugrunde, dass dem Zahlenden ohne Autorisierung nach 675 Abs. 1 Satz 1 BGB der Zahlungsvorgang nicht zurechenbar ist. Man erkennt dieses Prinzip an 675u BGB: Die Bank hat bei fehlender Autorisierung keinen Anspruch auf Aufwendungsersatz (Satz 1), der Zahler aber einen Anspruch auf Berichtigung seines Kontos, soweit dies wegen des Zahlungsvorgangs belastet wurde (Satz 2). An dieses Prinzip sieht sich der BGH in richtlinienkonformer Anwendung des 812 BGB gebunden. Wurde die Autorisierung nachträglich wirksam widerrufen (dies ist in der Praxis wegen 675p BGB nur in seltenen Ausnahmefällen möglich; vgl. deshalb den komplizierten SV der Entscheidung des BGH!), liegt keine Veranlassung und daher keine Leistung von B an C vor. Es liegt daher der Fall einer fehlenden Anweisung vor (unten 4). Ergebnis: Eine LK des B gegenüber C besteht nicht. 3. NK des B gegenüber C (a) Erlangt hat C die 2.000 (b) Die 2.000 wurden nicht durch Leistung des B oder eines Dritten erlangt (+) (c) Dies müsste auf Kosten des B geschehen sein (Unmittelbarkeitsprinzip). Die 2.000 müssten unmittelbar aus dem Vermögen des B geflossen sein. Dies ist jedoch nicht der Fall. Nach 675u Satz 2 BGB kann B von seiner Bank (A) Stornierung der Kontobelastung verlangen, weil er nicht autorisiert hat. Die wirtschaftlichen Lasten aus der Fehlüberweisung trägt daher A. Ergebnis: Der Anspruch besteht nicht. 4. NK von A gegen C (a) Erlangt hat C die 2.000 (b) Diese wurden nicht durch Leistung eines Dritten erlangt. (c) Wegen 675u Satz 2 BGB sind sie ferner unmittelbar aus dem Vermögen von A erlangt worden. (d) Einen Rechtsgrund besteht dafür im Verhältnis A-C nicht. Ergebnis: Der Anspruch besteht. II. B gegenüber A (Hinweis: wird in der Abschlussklausur nicht vorausgesetzt) Oechsler, Skript Bereicherungsrecht, Univ. Mainz 13

Hier kommt vor allem der verschuldensunabhängige Ersatzanspruch nach 675u Satz 2 BGB in Betracht. Daneben kann der Anspruch aus 280 Abs. 1 Satz 1, 241 Abs. 2, 675c Abs. 1, 675f, 675 Abs. 1 BGB treten (freie Konkurrenz, aber unpraktisch, da Vertretenmüssen vorausgesetzt wird). 4. Die fehlende Anweisung Fall 8: B weist seine Bank A zur Zahlung an X an. Tatsächlich zahlt die A aufgrund eines Übertragungsfehlers in ihrer Software an C. C erkennt B als Absender auf seinem Kontoauszug und ist im Übrigen insolvent. Wie ist die Rechtslage? I. Ansprüche der A gegen B wegen der Zahlung 1. Aus Vertrag: 675c Abs. 1, 670, 675u Satz 1 BGB. Ein Zahlungsdienstevertrag nach 675f, 675c Abs. 1 BGB ist zwischen den Parteien geschlossen worden. Einen Anspruch auf Aufwendungsersatz hat A nach 670 BGB nur, wenn zum Zweck der Ausführung eines Auftrags des B gehandelt hat. B hat die A jedoch nach 675j Abs. 1 Satz 1 BGB autorisiert, d.h. angewiesen, an X und nicht an C zu zahlen. A hat nicht in Ausführung eines Auftrags des B gehandelt. Ein vertraglicher Anspruch besteht nach 675u Satz 1 BGB nicht. 2. LK: a. B hat durch das Vorgehen nichts erlangt. b. Aus Sicht eines objektiven Beobachters in der Person B hat A durch die Zahlung an C auch keine Leistung gegenüber B erbracht, weil B nur zur Zahlung an X, nicht aber zur Zahlung an C angewiesen hat. Die LK scheidet daher aus. 3. NK: B hat aus der Zahlung der A an C nichts erlangt. II. B gegenüber C 1. Vertragliche Ansprüche bestehen nicht. 2. LK: Zweifelhaft ist schon, ob ein objektiver Empfänger in der Position des C von einer Leistung des B an C ausgeht, denn zwischen beiden besteht keine zu tilgende Schuld. In jedem Fall hat B diese Leistung nicht veranlasst. Der Irrtum der A ist gegenüber der Anweisung des B eine 14 Oechsler, Skript Bereicherungsrecht, Univ. Mainz

ganz eigenständige Schadensursache, die B nicht zugerechnet werden kann. Daher keine Leistung. 3. NK: Es ist nicht ersichtlich, wie C auf Kosten des B etwas erlangt haben soll, da die Zahlung an C den B nicht belastet ( 675u Satz 2 BGB!). Daher kein Anspruch. III. A gegen C So genannte Abschöpfungskondiktion (teilweise auch einfach als Nichtleistungskondiktion bezeichnet) nach 812 Abs. 1 Satz 1 zweiter Fall BGB. (1) C hat die 2.000 erlangt (2) Nicht durch Leistung von A oder einer anderen Person (s. oben). (3) Auf Kosten des A? Ja, denn A haftet nach 675u Satz 2 BGB gegenüber B auf die mit der fehllaufenden Überweisung verbundenen Kosten. (4) Ohne Rechtsgrund: Zwischen A und C existiert kein Rechtsgrund, nach dem A die 2.000 behalten dürfte. Das Ergebnis überzeugt auch auf der Wertungsebene: A hat durch seinen Fehler die drei Beteiligten (A, B und C) zu einem Leistungsdreieck zusammengebracht. Eine Anweisung des B war dafür nicht verantwortlich. Konsequenterweise trägt daher A das Insolvenzrisiko des C. C aber hat die 2.000 durch einen Zufall (Fehler des A) erlangt. Er kann daher nicht darauf vertrauen, die Summe dauerhaft zu behalten. 5. Die Leistung auf eine Drittschuld Für den Schuldner kann auf der Grundlage des 267 BGB auch ein Dritter die Leistung erbringen. Hier sind zwei Fälle zu unterscheiden: 1. Weist der Schuldner den Dritten zur Leistung an, liegt ein bloßer Anweisungsfall vor (oben Fallgruppen 2 bis 3) und es ergibt sich nichts Neues. 2. Hat der Schuldner den Dritten nicht zur Leistung veranlasst, treten einige Sonderprobleme auf. Fall 9: D will sich endlich an S rächen. Deshalb bezahlt er die Darlehensschuld des S gegenüber G am 1. 10. 2004. G hatte die Forderung dem S bis zum 1. 4. 2005 gestundet. D verlangt jedoch sofort Zahlung. Zu Recht? 1. Ansprüche des D gegenüber S aus 488 Abs. 1 Satz 2 BGB (Darlehen). Oechsler, Skript Bereicherungsrecht, Univ. Mainz 15

Setzt voraus, dass (a) die Darlehensforderung wirksam entstanden ist und (b) auf D übergegangen ist. a) Eine Forderung aus 488 Abs. 1 Satz 2 BGB setzt voraus, dass ein Darlehensvertrag zwischen den Beteiligten geschlossen wurde (aa), das Darlehen an den Darlehensschuldner ausgezahlt wurde (bb) und (cc) die Rückzahlung des Darlehens fällt ist. aa) Ein Darlehensvertrag wurde zwischen G und S vereinbart. bb) G hat das Darlehen auch an S isd. 488 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Verfügung gestellt. cc) Das Darlehen ist allerdings noch nicht fällig isd. 271 Abs. 1 BGB, sondern kann erst ab 1.4.2005 geltend gemacht werden. b) Fraglich ist, ob G seine Forderung an D zediert hat. Davon ist nicht auszugehen, da der SV nur von einer Zahlung auf die Schuld und nicht etwa von einem Forderungskauf ( 453 BGB) spricht. c) Auch eine Legalzession nach 268 Abs. 3 Satz 1 BGB scheidet aus, weil D kein Ablösungsrecht nach 268 Abs. 1 BGB hatte. d) Ein Anspruch des D gegenüber S aus 488 Abs. 1 Satz 2 BGB kommt nicht in Betracht. 2. Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag nach 677, 683, 670 BGB (kommt in der Vorlesung später): Nach 683 Satz 1 BGB nur, wenn die Ablösung dem Willen des S entsprach (-). 3. 684 ivm 812 BGB (Unechte Geschäftsführung ohne Auftrag: Die Ablösung entspricht nicht dem Willen des S nach 683 BGB; Rechtsfolgenverweisung auf die 812 ff. BGB). Problem: Ist S entreichert, weil ihm die von D geltend gemachte Bereicherung aufgedrängt worden ist (Problem der aufgedrängten Bereicherung). Nein, aber S ist schutzbedürftig davor, dass die Ablösung der Schuld durch D seine Rechtslage verschlechtert. Deshalb wendet die h.m. auf den Anspruch aus 684 Satz 1, 818 BGB die 404 ff BGB analog an: Damit kann S alle früheren Einwendungen gegenüber G nunmehr auch gegenüber D geltend machen, ganz so, als wäre die Forderung von G an D nach 398 BGB abgetreten worden. Da der Schuldner an der Abtretung nicht mitwirken muss ( 398 BGB), wird er vom Gesetz dadurch geschützt, dass er sämtliche Gegenrechte gegen die alte Forderung auch gegenüber dem neuen Gläubiger geltend machen kann ( 404 BGB). Wendet man diese Norm analog auf den Anspruch aus 684 Satz 1, 818 BGB an, droht dem Schuldner kein Unrecht gegenüber dem Fall der Abtretung. Bei einer Abtretung hätte S sich gegenüber D nach 404 BGB auf die noch nicht eingetretene Leistungszeit (= fehlende Fälligkeit) berufen können. Dies kann er nun nach 404 BGB analog auch gegenüber dem Anspruch des D aus 684 Satz 1, 818 BGB. Ergebnis: Der Anspruch besteht, ist aber nach 404 analog, 271 Abs. 1 BGB einredebehaftet. 4. 812 Abs. 1 Satz 1 zweiter Fall 2. Alternative BGB (Rückgriffskondiktion). Tatbestand: Der Gläubiger muss eine Schuld des Schuldners abgelöst haben, ohne dass eine besondere Verpflichtung dazu bestand. Auch hier werden die 404 ff. BGB zum Schutz des Schuldners analog angewendet. 16 Oechsler, Skript Bereicherungsrecht, Univ. Mainz

Beachte: Es ist umstritten, ob neben 684 Satz 1 BGB noch eine eigene Rückgriffskondiktion anzunehmen ist, weil keine Lücke mehr besteht, die durch einen neuen Typus der Nichtleistungskondiktion geschlossen werden müsste. Die Rückgriffskondiktion entfaltet daher vor allem Bedeutung in den Fällen des 685 BGB und vor allem des 687 Abs. 1 BGB (kein Fremdgeschäftsführungswille = nachträgliche Abänderung der Tilgungsbestimmung, vgl. Vorlesung). 6. Der Vertrag zugunsten Dritter G = Gläubiger; S = Schuldner; D = Dritter. Problem: Hier hat der Dritte immer ein eigenes Forderungsrecht aus 328 BGB. Nach ganz h.m. sind die Fälle dennoch so zu behandeln wie die Anweisungsfälle: Es muss das Deckungsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner scharf vom Valutaverhältnis zwischen Schuldner und Drittem unterschieden werden. Besonderheiten treten nur in den sog. Versorgungsfällen auf: Fall 10: G hat bei S eine Lebensversicherung zugunsten von Ehefrau D abgeschlossen. G täuscht seinen Tod vor; S zahlt daraufhin an D 1.000.000. Später wird das Täuschungsmanöver entdeckt. Von wem kann S die Summe kondizieren? Abschöpfungskondiktion (Nichtleistungskondiktion) der S gegenüber D aus 812 Abs. 1 Satz 1 zweiter Fall BGB? Erlangt: D hat von S einen Vermögenswert ohne Rechtsgrund empfangen. Problem: Greift hier nicht das Subsidiaritätsprinzip: Wenn D das Geld aufgrund Leistung des G empfangen hat, braucht sie es nicht an S im Wege der Nichtleistungskondiktion herauszugeben. Dies verneint die ganz h.m in den sog. Versorgungsfällen: G wollte D für den Todesfall versorgen; dazu bestand aber keine Verpflichtung des G gegenüber D, so dass die Zuwendung des G an D (das aufschiebend bedingte Versicherungsversprechen der S) nicht in Erfüllung einer Verbindlichkeit erfolgte und daher nicht zweckgerichtet war. Deshalb hat D das Versicherungsversprechen von G nicht als Leistung erlangt und muss es an S unmittelbar herausgeben. (Nach der Lehre vom Rechtsfortwirkungsprinzip, S. 26, hat D die Leistung unentgeltlich erworben und muss sie arg. e 816 Abs. 1 Satz 2, 822 BGB an S herausgeben). Hinweis: Vertretbar ist hier auch eine Leistungskondiktion der S gegenüber D aus 812 Abs. 1 Satz 1 erster Fall BGB. Oechsler, Skript Bereicherungsrecht, Univ. Mainz 17

Denn ein objektiver Beobachter könnte nachdem eine Leistung des G an D ausscheidet - davon ausgehen, dass S ihre eigene Schuld gegenüber D (nämlich aus 328 Abs. 1 BGB) durch die Auszahlung erfüllen wollte. Die daraus resultierende Frage, ob hier S eine Abschöpfungskondiktion (wegen Nichtanwendbarkeit des Subsidiaritätsprinzips) oder eine Leistungskondiktion gegenüber D hat, ist wegen des identischen Ergebnisses ohne praktische Bedeutung. Die Funktion des Leistungsbegriffs liegt hier (wie in den übrigen Fällen) allein in der Klärung der Frage, ob D mit S abrechnen muss oder D sich auf ihr Verhältnis zu G berufen und aus diesem Grund einen Anspruch des D abwenden kann. Letzteres kommt aber nicht in Betracht. Wenn diese Frage entschieden ist (hier im ersten Sinne), kommt es auf die genaue Einordnung der Kondiktion S-D aus Sicht der Praxis nicht mehr an. Beachte schließlich noch den schwierigen Courtageklausel-Fall (BGHZ 58, 184 = NJW 1972, 864, etwas vereinfacht und leicht abgewandelt), der hier zur Übung ausformuliert eingeschoben wird. S will von G eine Eigentumswohnung nach 433 Abs. 1, 311b Abs. 1 Satz 1 BGB erwerben. Die Vertragsverhandlungen führt dabei auf Seiten des G der unabhängige Makler D. D erstellt jeweils drei Ausfertigungen des sog. Kaufanwärtervertrags über die Wohnung. In jeweils zwei Exemplaren, die an S und ihn selbst (D) gehen, nimmt er eine Verpflichtung des S auf, an ihn (D) 3 % Maklerprovision (Courtage) auf den in einem späteren Hauptvertrag vereinbarten Kaufpreis zu zahlen. Im dritten, an G ausgereichten Exemplar fehlt diese Bestimmung jedoch. S überweist später die Courtage auf das angegebene Konto des D. Nachträglich stellt sich die wahre Sachlage heraus. G wusste allerdings von dem Provisionsversprechen nichts. Kann bzw. muss hier S gegen D vorgehen? In Betracht kommt ein Anspruch des S gegen D aus 812 Abs. 1 Satz 1 erster Fall BGB (Leistungskondiktion) gerichtet auf Herausgabe der empfangenen Provisionszahlungen (1) Erlangt hat D die Zahlung durch S. (2) Fraglich ist, ob dies durch eine Leistung des S an D erfolgte. Leistung ist die bewusste und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens. Die Zweckrichtung folgt aus dem Umstand, dass der Leistende mit einer Vermögenszuwendung eine Schuld isd. 362 Abs. 1 BGB tilgen will. Deshalb gibt er eine Zweck- oder Tilgungsbestimmung isd. 366 Abs. 1 ab, deren Inhalt sich aus Sicht eines objektiven Beobachters in der Position des Empfängers bestimmt. (BGH NJW 1972, 864, 865). Nach Auffassung des BGH erwirbt der Dritte (D) vorliegend einen Anspruch aus 328 Abs. 1 BGB aus dem Kaufanwärtervertrag (S. 865). Nach seiner Vorstellung leistet deshalb S an D. Die Kritik (Canaris NJW 1972, 1196) wendet hingegen zu Recht ein, dass gar kein Vertrag zugunsten Dritter zustandegekommen ist. Denn der Vertragschluss setzt im Falle des 328 Abs. 1 BGB Antrag und Annahme von Gläubiger und Schuldner zugunsten des Dritten voraus. Fraglich ist jedoch, ob G und S sich isd. 328 Abs. 1 BGB zugunsten des D geeinigt haben. Dies bestimmt sich im Wege der 18 Oechsler, Skript Bereicherungsrecht, Univ. Mainz

Auslegung nach 133, 157 BGB nicht zuletzt aus Sicht eines objektiven Beobachters in der Position des G. Ein objektiver Empfänger in der Position des G konnte aber nicht erkennen, dass S ihm gegenüber ein Versprechen zugunsten des D nach 328 Abs. 1 abgeben wollte. Denn G lag ein Vertragsexemplar ohne ein Leistungsversprechen des S an D vor; sonstige Erkenntnismöglichkeiten hinsichtlich des Provisionsversprechens des S hatte der objektive Beobachter ebenfalls nicht. Er musste davon ausgehen, dass S sich gegenüber D nicht verpflichten wollte. Deshalb kam mit S keine Einigung über einen Vertrag zugusnten Dritter zustande. Beachte noch einmal das Zusammenspiel von Deckungs- und Valutaverhältnis beim Vertrag zugunsten Dritter: Damit im Valutaverhältnis (D-S) ein Anspruch aus 328 Abs. 1 BGB zustandekommt, bedarf es eines Vertragssschlusses im Deckungsverhältnis (G-S). Weil vorliegend im Deckungsverhältnis aber kein Vertragsschluss zustandekam, hat D im Valutaverhältnis keine Forderung gegen S aus 328 Abs. 1 BGB erworben. Fraglich ist allerdings, ob es auf einen wirksamen Vertragsschluss für eine Leistung isd. 812 Abs. 1 Satz 1 erster Fall BGB (Leistungskondiktion) überhaupt ankommt. Dagegen könnte sprechen, dass mit dem Leistungsbegriff Schutzzwecke verfolgt werden, die unabhängig von dem Umstand greifen, ob vorliegend ein echter Vertrag zugunsten Dritter zustandekam. Denn der Leistungsbegriff dient der hm. in erster Linie dazu, die Risiken im Leistungsdreieck so zu verteilen, wie es den ursprünglichen vertraglichen Vereinbarungen entsprach. Dabei soll eine Seite Insolvenzrisiken nur gegenüber demjenigen Partner tragen, gegenüber dem sie diese ursprünglich auch eingegangen ist; gleichzeitig soll der Leistungsempfänger nur mit seinem ursprünglichen (Vertrags-)Partner abrechnen und braucht keine vertragsfremden Einwendungen Dritter gegen sich gelten zu lassen. Geht man von dieser Schutzzwecksetzung aus, dann ist der Fall zumindest im Verhältnis zwischen S und D so anzusehen, als sei ein Vertrag zugunsten Dritter geschlossen worden. Denn ein objektiver Beobachter in der Position des D durchschaute den von D begangenen Betrug. Er musste daher erkennen, dass S seine vermeintliche Pflicht aus 328 Abs. 1 BGB durch Leistung erfüllen wollte, obwohl tatsächlich keine Schuld bestand. Wie in den Versorgungsfällen musste dem objektiven Beobachter in der Position des D zugleich klar sein, dass G ihm (dem D) nichts schuldete, sondern dass die Leistung allein von S kam. Nach der Lehre vom objektiven Empfängerhorizont muss D sich daher entgegenhalten lassen, dass allein S, und nicht etwa G, an ihn geleistet hat. Dann muss D es auch hinnehmen, dass S den gezahlten Betrag von ihm auch wieder zurückverlangt. Fraglich ist, ob die Rückabwicklung gegenüber D dem S auch zumutbar ist, wenn man die vorgestellten Wertungsüberlegungen zugrundelegt. Dagegen könnte sprechen, dass S das Insolvenzrisiko des D zu tragen hat. Ist D mit anderen Worten vermögenslos, erlangt S den Betrag nicht zurück. Aller- Oechsler, Skript Bereicherungsrecht, Univ. Mainz 19

dings kann S den Betrag kaum von G zurückverlangen und anschließend diesen auf einen Bereicherungsanspruch gegenüber D verweisen. Denn G hat das Verhalten des D gegenüber S nicht veranlasst. Das Verhalten des D ist dem G nicht nach 278 Satz 1 BGB zurechenbar, weil D ein unabhängiger Makler war. Hinweis: Dies ist im Originalfall anders, weswegen mglw. eine Fehlentscheidung vorliegt. Auch ansonsten war G das Provisionsversprechen des S nicht bekannt. Aus Sicht des G handelt es sich also um den Fall einer fehlenden Anweisung (BGH NJW 1972, 864, 865). Deshalb ist G in die Rückabwicklung zwischen S und D nicht involviert. Als Opfer des Betrügers D muss sich vielmehr S an diesen halten und von diesem den Betrag zurückverlangen. Diese Überlegungen rechtfertigen es, von einer Leistung des S an D auszugehen. Hinweis: Aus diesem Fall wird heute im Schrifttum der Schluss gezogen, dass beim Vertrag zugunsten Dritter die Kondiktion des Versprechenden immer gegenüber demjenigen erfolgt, der in der engeren Verbindung zu dem mit der Leistung verfolgten Zweck steht (Medicus/Petersen BR Rn. 683). (3) Ohne Rechtsgrund Die Leistung des S an D erfolgte schließlich ohne Rechtsgrund. Als Rechtsgrund zugunsten des D kam nämlich nur ein Leistungsversprechen nach 328 Abs. 1 BGB zwischen G und S in Betracht. Dieses kam jedoch nicht zustande (s.oben). (4) Ergebnis D schuldet dem S den gezahlten Betra aus 812 Abs. 1 Satz 1 erster Fall BGB (Leistungskondiktion). 7. Die Zession G = Gläubiger; S=Schuldner; Z=Zessionar, Forderungserwerber Fall 11: G schließt mit S eine Feuerversicherung über ein Warenlager in Höhe von 4,5 Millionen ab. Die Halle brennt ab. Der Versicherungsschaden beträgt 2 Millionen. Den Auszahlungsanspruch tritt G zwecks Tilgung einer Warenlieferung an Z ab. Nachträglich stellt sich heraus, dass G den Brand selbst gelegt hat und damit überhaupt kein Versicherungsfall vorliegt. Kann S die 2 Millionen von Z herausverlangen? I. S könnte gegenüber Z einen Anspruch aus 812 Abs. 1 Satz 1 BGB 1. Fall (Leistungskondiktion) zustehen. (1) Z hat als vermögenswertes Etwas einen Anspruch auf 2 Millionen erlangt. 20 Oechsler, Skript Bereicherungsrecht, Univ. Mainz

(2) Fraglich ist, ob dies durch Leistung des S geschehen ist. Nach der im Bereicherungsrecht herrschenden Lehre vom objektiven Empfängerhorizont kommt es auf das Verständnis eines objektiven Beobachters in der Person des Z gem. 133, 157 BGB an. Dafür, dass dieser von einer Leistung ausgehen musste, spricht, dass Z neuer Gläubiger der scheinbar bestehenden Forderung geworden war und deshalb davon ausgehen musste, dass S durch die Zuwendung diese zum Erlöschen bringen wollte (so im Ergebnis auch eine MM., Reuter/Martinek). Gegen diese Betrachtungsweise wendet die h.m. jedoch den Vergleich dieser Konstellation mit den Anweisungsfällen ein: -) Erstens bezieht sich die Leistung des S auf sein Schuldverhältnis zu G, auch wenn daraus eine Forderung an Z abgetreten worden ist. -) Zweitens erfolgt auch im Verhältnis zwischen G und Z die Zession häufig nur erfüllungshalber (vgl. 364 Abs. 2 BGB!), so dass auch hier Erfüllung nur eintritt, wenn S an Z gezahlt hat. Die Zahlung des S hat also eine Doppelwirkung wie bei der Anweisung. Der Fall unterscheidet sich von einer Anweisungskonstellation nur durch die Art und Weise, wie die Tilgungsbestimmung abgegeben wird: In den Anweisungskonstellationen liegt die Abgabe der Tilgungsbestimmung in der Anweisung an den eigenen Schuldner an den Dritten zu leisten. Bei der Zession erfolgt die Tilgungsbestimmung anlässlich der Anzeige der Zession gegenüber dem Schuldner. Für dieses Ergebnis sprechen auch zentrale schuldrechtliche Wertungen: Leistungsstörungen im Verhältnis zwischen S und G, wie sie gerade vorliegend zu besorgen sind, müssen auch in diesem Verhältnis abgewickelt werden, während es aus Sicht des Z für das Behalten des Geldes allein auf sein Vertragsverhältnis mit G ankommen muss. Andernfalls würde S im Wege der Leistungskondiktion das Insolvenzrisiko des Z aufgebürdet, obwohl er sich diesen nicht als Vertragspartner ausgesucht hat. Folglich hat S nicht an Z geleistet, und eine Leistungskondiktion scheidet aus. II. Eine Eingriffskondiktion des S gegen Z scheidet aus, weil Z das Geld durch Leistung des G erlangt hat und es deshalb nach dem Subsidiaritätsprinzip nicht an Z im Wege der Nichtleistungskondiktion herausgeben muss. Konsequenzen der hm => (1) Besteht die abgetretene Forderung nicht, findet eine Leistungskondiktion im Verhältnis Altgläubiger (G) und Schuldner (S) statt, wenn der Schuldner an den Zessionar (Z) geleistet hat. Oechsler, Skript Bereicherungsrecht, Univ. Mainz 21