SCM1 Kombinatorische Chemie Einleitung Ziel: Synthese von vielen Molekülen in kurzer Zeit Gründe Moleküle für Screening vor allem für Pharmaforschung, Pflanzenschutz, bedingt für Materialwissenschaft Literatur Kombinatorische Chemie, N.K. Terrett (Autor), D. Brendel (Übersetzer), 264 Seiten, Springer-Verlag; 1. Auflage (2000), ISBN 978-3540668251 Hinweis die Wünsche haben sich nicht ganz erfüllt geblieben sind Automatisierung und Datenverarbeitung Wintersemester 2012/2013 Prinzip der kombinatorischen Chemie Klassische Synthese Darstellung einer einzelnen, wohldefinierten Struktur zu einer Zeit dem geht die sorgfältige Auswahl der zu synthetisierenden Verbindung voraus Kombinatorische Synthese Sets von Bausteinen (building blocks) (A i, B j ) werden kombinatorisch miteinander umgesetzt es entstehen sogenannte Verbindungsbibliotheken oder Kollektionen Synthesen können in Lösung oder an fester Phase (an einem Harz) durchgeführt werden.................. 1
Prinzipielle Verfahren Parallelsynthesen pro Verbindung ein Gefäß, Spritze, Pin, T-Bag oder Reaktor für kleinere Kollektionen sinnvoller sowohl in Lösung als auch am Harz möglich es können beliebige Mengen pro Stoff produziert werden häufig: 96-, 384-er Platten (8 12 = 96) (16 24 = 384) Runde 1: Aufteilung von A (jedes A in 18 / 3 = 6 Reaktoren) Parallelsynthese Runde 2: Aufteilung von B (jedes B in 18 / 2 = 9 Reaktoren) Runde 3: Aufteilung von C (jedes C in 18 / 3 = 6 Reaktoren) 2
Split and Mix Solid Phase Synthesis Prinzip Möglichst viele Moleküle mit wenig Aufwand erfordert Synthese am Harz Harzkugel quasi als Mini-Reaktionsgefäß Vorgehensweise Mix, Split, React Harz aufteilen (Zahl der Portionen = Zahl der Reaktanden im betreffenden Schritt) Reaktanden zugeben Ende der Synthese Portionen vereinigen N = n 1 n 2 n 3 n i n i = Zahl der Reaktanden pro Cyclus Welches Molekül ist auf einer Harzkugel? Tagging (Markierungen, die mittels GC eine Zuordnung der eingesetzten Reaktanden erlauben) Acc. Chem. Res. 1996, 29, 155 Grundlagen Festphasensynthese Prinzip Ausgangsstoffe werden an einem quellbaren, unlöslichen Polymer über einen Linker gebunden und dann umgesetzt Erfinder: Bruce Merrifield (1921-2006), Nobelpreis 1984 Anwendung ursprünglich in Peptid- und ligonucleotid-synthese Vorteile Reinigung (Abtrennung von Salzen, Überschuss an Reagenzien etc.) durch simple Filtration Überschuss an Reagenzien kann die Kupplungsschritte praktisch quantitativ gestalten, wichtig bei Mehrstufensynthesen leichter automatisierbar (Technologie wurde bereits bei Peptid- und ligonucleotid-synthesen genutzt) Harzkugel Y Y Y Y Y X X Y Y X X 1. Umsetzung 2. Filtration X Y X Y X Y X Y im einfachsten Fall: Plastikspritze mit Fritte 3
Polymere Träger Polystyrol (Polystyrene) Harze Polystyrol/DVB copolymer (0.5-5% cross-linking, typisch 1 od. 2% cross-linking) DVB = Divinylbenzol günstig, thermisch belastbar bis 130 C Funktionelle Gruppen können recht gut am Harz eingeführt werden + radikal. Polymerisation Ph Ph via: In benzyl. Radikale Funktionalisierung Elektrophile aromatische Substitution Friedel-Crafts-Alkylierung Bromierung, dann Halogen-Metallaustausch od. auch Kreuzkupplungen JACS 1963, 85, 2149 Review: Tetrahedron 1981, 37, 663 4
Weitere Harze Polyamid-Harz: Pepsyn = Copolymer aus Acrylamid, einem Cross-linker und einem funktionalisierten Acrylamid sehr polares Harz, quellt gut in H 2, DMF, schlecht dagegen in CH 2 Cl 2 Polyethylenglykol-haltige Harze Polyethylenglykol wird auf Polystyrol/DVB-Harz aufgepfropft (z.b. aus Ethylenoxid + BF 3 Et 2 ) geringere mechanische Stabilität Harze quellen in praktisch allen LM sehr gut (außer Hexan und ähnl. LM) Rapp-Polymere, Tübingen (Tentagele) weitere Träger Cellulose (Synthese auf Papier), Glas (CPG, controlled pore glas), Keramik Parameter Art der Anknüpfung (sollte die Synthese überleben und zum Schluss spaltbar sein) Beladung Größe der Harz-Kugeln (große Kugeln, Diffusion der Reagenzien in die Hohlräume weniger effizient) 5
Linker Kette od. Molekülteil zwischen Harz und funktioneller Gruppe am Ende um Anknüpfung von Substraten zu ermöglichen gewährleisten ferner einen gewissen Abstand zum Harz Säurelabile Linker enthalten oft elektronenreiche Aromaten mit benzylischen Gruppen (mit Säuren bilden sich leicht Benzylkationen) Cl para-alkoxybenzylalkohol Cl H Chlortrityl-Linker Wang-Harz bzw. Linker Amino-Harze Anbindung von Säuren, Ketonen Abspaltung in der Regel ebenfalls im Sauren (benzylische Aminofunktion) Übersicht: Früchtel, J. S.; Jung, G.: rganic Chemistry on solid Supports. Angew. Chem. 1996, 108, 19-46; Angew. Chem. Int. Ed. Engl. 1996, 35, 17-42. 6
Safety-catch Linker Prinzip stabile Anknüpfung wird vor der Spaltung derivatisiert und aktiviert unerwünschte Spaltung während einer Synthesesequenz wird damit vermieden Immobilisierung am Harz Amidbindung Linker-Terminus: Benzylether (saure Abspaltung) Bsp.: Benzodiazepin-Kollektion Plunkett, M. J.; Ellman, J. A.: Solid-Phase Synthesis of Structurally Diverse 1,4-Benzodiazepine Derivatives Using the Stille Coupling Reaction. J. Am. Chem. Soc. 1995, 117, 3306-3307. Bunin, B. A.; Plunkett, M. J.; Ellman, J. A.: The combinatorial synthesis and chemical and biological evaluation of a 1,4- benzodiazepine library. Proc. Natl. Acad. Sci., USA 1994, 91, 4708-4712. 7
Stille-Kupplung zum α-aminophenon dann Anknüpfung einer Aminosäure Bsp.: Benzodiazepin-Kollektion Ringschluss zum 7-Ring dann Alkylierung der N-H-Funktion Abspaltung vom Harz mit Trifluoressigsäure Bsp.: Benzodiazepin-Kollektion Benzodiazepine Einige Benzodiazepine finden in der Medizin Verwendung als angstlösende, zentral muskelrelaxierende, und schlaffördernd wirkende Arzneistoffe, sogenannte Tranquilizer Andere Benzodiazepine zeigen auch antikonvulsive Eigenschaften und dienen als Antiepileptika Benzodiazepine binden an GABA-Rezeptoren, die wichtigsten inhibitorischen Rezeptoren im zentralen Nervensystem Entdeckung: Leo Sternbach, Hoffmann-La Roche, 1960, Handelsname Librium 8
Microarrays Bsp.: Aufbau eines Assays Zweck: Screening vieler Moleküle Immobilisierung der Moleküle auf einem Träger (Glass od. ähnliches) oder in Mikrotiterplatten Workflow Synthese und Assay von Kollektionen Programm Synthese oder Kauf einer Kollektion möglichst diverser Moleküle Assay ne Bead - ne Compound Synthese an Makrobeads Abspaltung vom Harz ergibt eine Stammlösung Verwendung in Screening-Kampagnen 9
Bsp. für Small Molecule Microarray 1. Synthese von Molekülen am Harz Ziel: Pro Harzkugel eine Substanz in ausreichender Menge (50 nmol) Bsp.: MG = 400: 50 nmol = 0.02 mg (20 μg) gelöst in 10 μl DMS: 5 mm Lösung (Stammlösung, stock solution) Prinzipieller Aufbau eines Harzes Synthese eines Linkers (Brücke zwischen Harz und Molekül) Linker FG Cl H Li MgCl THF, 0 C (92%) THF, -78 C (94%) Me Me CH 2 Cl 2, 0 C H Cl N Cl N N Me Cl 9-BBN, THF Cl B Me Me Shair, M. D.; Schreiber, S. L. et al.: An Alkylsilyl-Tethered, High-Capacity Solid Support Amenable to Diversity-riented Synthesis for ne-bead, ne-stock Solution Chemical Genetics. J. Comb. Chem. 2001, 3, 312-318. Immobilisierung am Harz Moleküle (Grundbausteine) werden als lylether am Harz gebunden Voraussetzung: Es muss eine Alkoholfunktion vorliegen Verbindung mit dem Harz über Suzuki-Kreuzkupplung 2 mequiv/g Br Pd(PPh 3 ) 4, NaH THF, reflux TfH (6 equiv) Ipso-Substitution am Aromat Me Tf R-H, 2,6-lutidine immobilisierter Alkohol R 10
Split and Mix Solid Phase Synthesis Prinzip Möglichst viele Moleküle mit wenig Aufwand Harzkugel quasi als Mini-Reaktionsgefäß Vorgehensweise Mix, Split, React Harz aufteilen (Zahl der Portionen = Zahl der Reaktanden im betreffenden Schritt) Reaktanden zugeben Ende der Synthese Portionen vereinigen N = n 1 n 2 n 3 n i n i = Zahl der Reaktanden pro Cyclus Welches Molekül ist auf einer Harzkugel? Tagging (Markierungen, die mittels GC eine Zuordnung der eingesetzten Reaktanden erlauben) Acc. Chem. Res. 1996, 29, 155 Konkretes Beispiel Schlüsselreaktion Hetero-Diels-Alder-Reaktion von Enolethern mit α,β-ungesättigten Carbonylverbindungen Carboxylgruppe am Heterocyclus wird mit Aminen derivatisiert Et ipr ipr R 1 + 8 Enolether ipr ipr R 1 R 2 Allyl R 2 10 Heterodiene Cu +2 cat. Hetero-Diels-Alder mit inversem Elektronenbedarf (mit S- und R-Katalysatoren) 1. Pd(0), Thiosalicylsäure ipr ipr R 1 C 2 Allyl 2. HNR 3 R 4, PyBP 25 Amine 11
Konkretes Beispiel Größe der Bibliothek: 4320 Verbindungen Erwartet: 8 10 2 25 = 4000 Hinzukommen 4 80 Vbg = 320 (80 Cycloaddukte, 80 Carbonsäuren, jeweils aus der S- und R-Serie) E/Z am Enolether beide Enantiomere wurden jeweils dargestellt 54 Portionen an Macrobeads wurden produziert (25 S, 25 R, dann die 4 Pools, die im Zuge der Synthese herausgenommen wurden. R 2 ipr ipr R 2 R 1 R 3 N R 4 divide resin in 8 portions load with 8 vinyl ethers encode resin pool divide into 20 portions (10 Heterodiene, enantiomere Katalysatoren, 8 10 2) perform HDA encode resin pool the reactions with the same catalyst (2 pools) set aside a portion of each (cycloadducts) cleave ester set aside a portion of each (acids) divide each pool into 25 portions perform amide bond formation (50 portions) 1. HF/Pyr 2. TMSMe H R 1 R 3 N R 4 Hetero-Diels-Alder mit inversem Elektronenbedarf S. L. Schreiber, Chem. Biol. 2001, 8, 1167-1182; 1183-1195. Microarrays Glasoberfläche wird chloriert Immobilisierung von Alkoholen als lylether Spotdurchmesser: 300 μm (ca. 1 nl) Nachteil: alle zu untersuchenden Moleküle müssen eine Alkoholfunktion aufweisen ziemlich aufwändig, erfordert viel Technologie (Roboter etc.) S H H N H Haptamide B Inhibitor eines Transkriptionsfaktors Assay mit Hap3p-GST-Fusionsprotein GST = detektierbar mit fluoreszenzmarkiertem Antikörper JACS 2003, 125, 8420 12
Zusammenfassung / Lernziele Ziel: möglichst viele Moleküle in kurzer Zeit herzustellen zwei Prinzipien Parallelsynthese Split-Mix-Synthese Synthesen am Harz haben gewisse Vorteile Überschuss an Reaktanden und Reagenzien ist gut möglich Abtrennung durch simple Filtration für Automation geeignet (klassische Bsp.: Peptid- und ligonucleotid-synthese) wichtiges Harz Polystyrol, quervernetzt mit DVB Modifikation: Tentagel, aufgepropftes Polyethylenglykol (gut für polare LM) Funktionalisierung von Polystyrol Bsp.: Friedel-Crafts-Alkylierung, Bromierung, dann Metallierung Linker: Säurelabil, photochemisch labil, Safety-Catch-Linker (Wang, Rink-Linker) Benzodiazepin-Kollektion durch Parallelsynthese Microarrays Dihydropyran-Kollektion durch Split-Mix-Synthese (one bead, one compound) Linker für Immobilisierung von Alkoholen (RiPr 2 -X Rest am Polystyrol) 13