61 SGB XII. 61 Leistungsberechtigte und Leistungen

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Transkript:

61 Leistungsberechtigte und Leistungen 61 SGB XII (1) Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen, ist Hilfe zur Pflege zu leisten. Hilfe zur Pflege ist auch Kranken und behinderten Menschen zu leisten, die voraussichtlich für weniger als sechs Monate der Pflege bedürfen oder einen geringeren Bedarf als nach Satz 1 haben oder die der Hilfe für andere Verrichtungen als nach Absatz 5 bedürfen; für Leistungen für eine stationäre oder teilstationäre Einrichtung gilt dies nur, wenn es nach der Besonderheit des Einzelfalles erforderlich ist, insbesondere ambulante oder teilstationäre Leistungen nicht zumutbar sind oder nicht ausreichen. (2) Die Hilfe zur Pflege umfasst häusliche Pflege, Hilfsmittel, teilstationäre Pflege, Kurzzeitpflege und stationäre Pflege. Der Inhalt der Leistungen nach Satz 1 bestimmt sich nach den Regelungen der Pflegeversicherung für die in 28 Abs. 1 Nr. 1, 5 bis 8 des Elften Buches aufgeführten Leistungen; 28 Abs. 4 des Elften Buches gilt entsprechend. Die Hilfe zur Pflege kann auf Antrag auch als Teil eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets erbracht werden. 17 Abs. 2 bis 4 des Neunten Buches in Verbindung mit der Budgetverordnung und 159 des Neunten Buches sind insoweit anzuwenden. (3) Krankheiten oder Behinderungen im Sinne des Absatzes 1 sind: Verluste, Lähmungen oder andere Funktionsstörungen am Stütz- und Bewegungsapparat, Funktionsstörungen der inneren Organe oder der Sinnesorgane, Störungen des Zentralnervensystems wie Antriebs-, Gedächtnis- oder Orientierungsstörungen sowie endogene Psychosen, Neurosen oder geistige Behinderungen, andere Krankheiten oder Behinderungen, infolge derer Personen pflegebedürftig im Sinne des Absatzes 1 sind. (4) Der Bedarf des Absatzes 1 besteht in der Unterstützung, in der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens oder in Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen. (5) Gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im Sinne des Absatzes 1 sind: im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung, im Bereich der Mobilität das selbstständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung, im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung und das Beheizen. (6) Die Verordnung nach 16 des Elften Buches, die Richtlinien der Pflegekassen nach 17 des Elften Buches, die Verordnung nach 30 des Elften Buches, die Rahmenverträge und Bundesempfehlungen über die pflegerische Versorgung nach 75 des Elften Buches und die Vereinbarungen über die Qualitätssicherung nach 113 des Elften Buches finden zur näheren Bestimmung des Begriffs der Pflegebedürftigkeit, des Inhalts der Pflegeleistung, der Unterkunft und Verpflegung und zur Abgrenzung, Höhe und Anpassung der Pflegegelder nach 64 entsprechende Anwendung. Stand 01.2013 1

Inhaltsverzeichnis 1. Allgemeines... 3 1.1 Personenkreis... 3 1.2 Ziele und Hilfearten... 3 2. Abgrenzung zu anderen Hilfearten / Nachrang... 4 3. Persönliche Voraussetzungen für Leistungen der Pflegeversicherung... 5 4. Leistungen zur Pflege nach anderen Rechtsvorschriften... 5 4.1 Leistungen nach dem Pflegeleistungsergänzungsgesetz (PflEG) / 45 a, b, SGB XI... 5 4.2 Leistungen nach dem Pflegeneuausrichtungsgesetz (PNG neu ab 01.01.2013)... 6 5. Feststellung der Pflegebedürftigkeit... 7 6. Wirtschaftliche Voraussetzungen... 7 7. Bewilligungsbescheid... 8 Stand 01.2013 2

1. Allgemeines 1.1 Personenkreis Die Bestimmungen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII und der Sozialen Pflegeversicherung - SGB XI sind eng verzahnt. Die maßgeblichen Krankheiten oder Behinderungen in Folge derer Personen nach den sozialhilferechtlichen Bestimmungen pflegebedürftig sind, werden in 61 Abs. 3 SGB XII aufgezählt. Die Aufzählung stimmt zwar mit der in 14 Abs. 2 SGB XI überein, enthält aber eine zusätzliche Nr. 4, wonach die Pflegebedürftigkeit auch ganz allgemein auf anderen Krankheiten oder Behinderungen beruhen kann. Der Hilfebedarf muss sich auf die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens beziehen. Dies ist ein Schlüsselbegriff der sozialen Pflegeversicherung. Der Pflegebedarf, der sich nicht auf diese Verrichtungen bezieht, ist zwar in der Pflegeversicherung irrelevant, in der Sozialhilfe ist er dagegen zu berücksichtigen. Die Sozialhilfe enthält gegenüber den Regelungen der Pflegeversicherung auch noch weitere Öffnungen, d.h. Sozialhilfeleistungen können u.a. dann zum Tragen kommen, wenn bei Pflegeversicherten die Leistungen der Pflegekasse nicht ausreichen. Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII können damit folgende Personen erhalten: Pflegebedürftige, die zwar Leistungen der Pflegeversicherung erhalten, die jedoch wegen der gesetzlich begrenzten Leistungsbeträge der Pflegeversicherung den individuellen Pflegebedarf nicht abdecken, Pflegebedürftige, die Hilfen im Sinne der anderen Verrichtungen benötigen ( 61 Abs. 1, S. 2 SGB XII), Pflegebedürftige, die nicht pflegebedürftig im Sinne der Pflegeversicherung sind ( Hilfebedarf unterhalb Pflegestufe I sogenannte Pflegestufe 0) oder deren Pflegebedürftigkeit vor Ablauf von sechs Monaten überwunden sein wird), Pflegebedürftige, wenn der Hilfebedarf in größeren Zeitabständen zwar immer wieder in Schüben, aber nicht kontinuierlich auftritt (in der Pflegeversicherung ist ein derartiger Hilfebedarf nicht berücksichtigt, denn aus 15 Abs. 3 SGB XI ergibt sich, dass der Bedarf wenigstens einmal die Woche bestehen muss), Pflegebedürftige, die zwar pflegeversichert sind, jedoch die Vorversicherungszeiten des SGB XI nicht erfüllen (siehe Pkt. 3) Pflegebedürftige die nicht pflegeversichert sind (i.d.r. nach 264 SGB V betreute Personen). 1.2 Ziele und Hilfearten Die Leistungen zur Pflege nach dem SGB XI und XII sollen vorrangig die häusliche Pflege und die Pflegebereitschaft der Angehörigen und Nachbarn unterstützen. Den pflegebedürftigen Menschen soll trotz ihres Hilfebedarfs ein möglichst selbständiges und selbstbestimmtes, der Würde des Menschen entsprechendes Leben in der eigenen häuslichen Umgebung ermöglicht werden (Grundsatz: ambulant vor stationär). Die Aktivierung der Pflegebedürftigen zum Zweck des Erhalts und der Steigerung ihrer vorhandenen Fähigkeiten und die Aufrechterhaltung ihrer sozialen Beziehungen soll hierbei im Mittelpunkt Stand 01.2013 3

stehen, um eine weitgehende Unabhängigkeit von Pflegeleistungen nach den Umständen des Einzelfalls zu erreichen. Zur Dienstleistung des Sozialhilfeträgers gehören insbesondere die Beratung in Fragen der Sozialhilfe und die Beratung und Unterstützung in sonstigen sozialen Angelegenheiten ( 10 Abs. 2 SGB XII). Beratung im Zusammenhang mit der Pflege bieten auch die Wohnberatung, die Pflegeberatung und ab dem 01.11.2009 die sogenannten Pflegestützpunkte an. Zur Zielerreichung und zur Vermeidung einer vollstationären Pflege sollen geeignete Maßnahmen wie die Gewährung von Pflegegeld, Pflegesachleistungen, Kombinationsleistung aus den beiden o.g. Leistungen, Pflegehilfsmitteln o. Wohnumfeldverbesserungsmaßnahmen, Tages-, Nacht- oder Kurzzeitpflege sowie Beihilfen und die Erstattung von Aufwendungen der pflegenden Personen (siehe Hinweis zu 63 häuslicher Pflege/andere Verrichtungen). Der/die Leistungsberechtigte hat einen Rechtsanspruch auf Gewährung der Hilfe zur Pflege als laufende Leistung in Form eines (trägerübergreifenden) persönlichen Budgets. Hierzu ist jedoch ein Antrag erforderlich. Umfassende Informationen zu den aufgezählten Leistungen sind den jeweiligen gesonderten Hinweisen zu entnehmen, die soweit noch nicht vorhanden in Kürze erstellt werden. Soweit eine häusliche Versorgung nicht (mehr) möglich und eine stationäre Hilfe zumutbar ist, werden Pflegebedürftige in stationären Pflegeeinrichtungen betreut. Der Vorrang der ambulanten Pflege gilt nicht, wenn eine geeignete stationäre Hilfe zumutbar und eine ambulante Pflege mit unverhältnismäßigen Mehrkosten in der Sozialhilfe verbunden ist. Ob entstehende Mehrkosten unverhältnismäßig sind, ist in jedem Einzelfall zu prüfen und zu bewerten. Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass Mehrkosten, die durch die ambulante oder teilstationäre statt der stationären Pflege entstehen, unverhältnismäßig sind, wenn die Kosten einer vergleichbaren stationären Pflege durch die ambulanten Pflegekosten um 50% und mehr überschritten werden. Dies gilt aber nur, wenn die Hilfen im stationären Bereich auch deckungsgleich erbracht werden können und eine stationäre Unterbringung im Einzelfall zumutbar ist (siehe auch 13 Abs.1 SGB XII). 2. Abgrenzung zu anderen Hilfearten / Nachrang Für die Gewährung von Leistungen der ambulanten Pflege sowie der teilstationären/vollstationären Pflege und Kurzzeitpflege nach dem SGB XII gilt der Grundsatz der Nachrangigkeit gegenüber allen gleichartigen Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften (z.b. SGB XI, BVG oder LAG). Insbesondere die Leistungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz, Maßnahmen der vorbeugenden Gesundheitshilfe (z.b. Kuren) und Krankenhilfe nach dem SGB V oder dem 5.Kapitel SGB XII haben Vorrang vor der Inanspruchnahme der Hilfe zur Pflege, soweit hierdurch langfristige Pflegebedürftigkeit vermeidbar ist. Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem sechsten Kapitel SGB XII bleiben von den Leistungen des SGB XI (Pflegeversicherung) unberührt, d.h., dass SGB XI-Leistungen nicht auf die Eingliederungshilfe angerechnet werden. Erhält eine Person Pflegegeld von der Pflegeversicherung oder von anderen Trägern, wird dieses im vollen Umfang auf das Pflegegeld nach 64 SGB XII angerechnet, d.h. es wird in aller Regel sofern kein anderer Bedarf im Sinne von 61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII vorliegt - keine weitere Hilfe zur Pflege erbracht. Sachleistungen im Rahmen der Hilfe zur Pflege ( 65 Abs. 1 SGB XII) werden nicht gewährt, wenn der pflegebedürftige Mensch in der Lage ist, zweckentsprechende Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften, i.d.r. nach dem Pflegeversicherungsgesetz, in Anspruch zu nehmen; in diesen Fällen besteht jedoch daneben grundsätzlich noch Anspruch auf das nacht Stand 01.2013 4

pflichtgemäßem Ermessen gekürzte - Pflegegeld nach 66 Abs. 2 SGB XII. Bei teilstationärer, pflegerischer Betreuung kann das Pflegegeld ebenfalls angemessen gekürzt werden. Erhält der pflegebedürftige Mensch Blindengeld (nach 72 SGB XII oder z.b. nach dem Blindengeldgesetz), ist dieses mit 70% auf das Pflegegeld der Sozialhilfe anzurechnen, also das Pflegegeld ist um diesen Betrag zu kürzen. Eine parallele Gewährung von häuslicher Pflege nach 61 ff SGB XII und von Leistungen nach 28 SGB XII (als Mehrbedarf für die selben Aufwendungen) oder 70 SGB XII (Hilfe zur Weiterführung des Haushalts), 71 SGB XII (Altenhilfe) kommt in der Regel nicht in Betracht. Näheres dazu ist dem Hinweise zu 63 SGB XII häusliche Pflege/andere Verrichtungen zu entnehmen. 3. Persönliche Voraussetzungen für Leistungen der Pflegeversicherung Ist eine pflegebedürftige Person in der gesetzlichen Pflegeversicherung versichert, bedeutet dies nicht automatisch, dass sie auch ab Beginn der Versicherungen Leistungen in Anspruch neben kann. Vielmehr gelten Mindest-/Vorversicherungszeiten und erst nach deren Erfüllung besteht Anspruch auf Hilfen der gesetzlichen Pflegeversicherung. Für einen nach dem 01.07.08 geltend gemachten Leistungsanspruch muss in einem Zeitraum von 10 Jahren vor Antragstellung für mindestens 2 Jahre eine Pflicht- oder Familienversicherung in der Pflegeversicherung bestanden haben. Maßgeblich ist, dass für mindestens 24 Monate, die nicht zwingend zusammenhängen müssen, im 10 Jahreszeitraum vor Antragstellung eine Pflegeversicherung bestanden hat (für Leistungszeiträume vor dem 01.07.08 gelten andere Vorversicherungszeiten, siehe 33 SGB XII). Müssen Leistungen nach dem SGB XII gewährt werden, weil die vorgenannten Mindest-/Vorversicherungszeiten noch nicht erfüllt sind, ist sicherzustellen, dass der Termin, ab dem ein Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung besteht, beachtet wird, Grundsätzlich werden die Leistungen der Pflegeversicherung ab Antragstellung gewährt. War der Versicherte schon vor der Antragstellung pflegebedürftig und wird der Antrag erst später als einen Monat nach dem Eintritt der Pflegebedürftigkeit gestellt, so beginnen die Leistungen am Anfang des Antragsmonats. Der Anspruch auf Leistungen besteht grundsätzlich nicht während eines Auslandsaufenthaltes (Ausnahme Pflegegeld: es wird für die ersten 6 Wochen im Ausland weitergezahlt). Für die ersten 4 Wochen eines Krankenhaus- oder stationären Reha-Aufenthaltes wird Pflegegeld oder Kombipflegegeld ebenfalls weitergezahlt ( 34 SGB XI i.d.f. ab 01.08.09). Beachte: Bei nicht pflegeversicherten Personen, die Pflegegeld nach 64 o. 66 Abs. 2 SGB XII erhalten, wird das Pflegegeld mit dem ersten Tag des stationären Aufenthaltes gekürzt. Die Leistungen der Pflegeversicherung sind in der Höhe gedeckelt, so dass ggf. ergänzende Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII in Betracht kommen können, näheres ergibt sich aus den gesonderten Hinweisen zu 61 66 SGB XII. 4. Leistungen zur Pflege nach anderen Rechtsvorschriften 4.1 Leistungen nach dem Pflegeleistungsergänzungsgesetz (PflEG) / 45 a, b, SGB XI Mit dem PflEG haben Leistungsverbesserungen in der Pflegeversicherung im Bereich der häuslichen Pflege stattgefunden. Dies betrifft Pflegebedürftige mit erheblichem allgemeinem Betreuungsbedarf mit Einschränkungen der Alltagskompetenz z.b. bei Demenz. Pflegebedürftige der Pflegestufen I III oder Personen, die einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung haben, der nicht das Ausmaß der Pflegestufe I erreicht, Stand 01.2013 5

mit demenzbedingten Funktionsstörungen, oder geistiger Behinderung oder psychischen Erkrankungen, bei denen eine dauerhafte erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz festgestellt worden ist, können neben Leistungen der ambulanten und teilstationären Pflege zusätzliche Betreuungsleistungen nach dem 45 a und b SGB XI in Anspruch nehmen. Sie erhalten einen zusätzlichen Betreuungsbetrag i.h. von mtl. 100 (bzw. 200 bei erhöhtem Bedarf). Die Leistungen sind zweckgebunden einzusetzen für qualitätsgesicherte, niedrigschwellige Betreuung in der Tages- oder Nachtpflege oder der Kurzzeitpflege von zugelassenen Pflegedienste mit besonderen Angeboten der allgemeinen Anleitung und Betreuung. Der Bedarf kann als Jahresbedarf geltend gemacht werden, nicht verbrauchte Beträge des Vorjahres können auf das Folgejahr übertragen werden. Pflegende Angehörige sollen damit zusätzliche Möglichkeiten der Entlastung erhalten. Abgrenzung PflEG/SGB XII: In der Gesetzesbegründung zu 45 b SGB XI heißt es: Dieser Zuschuss ist als eine neue Hilfe/Leistung im Recht der Pflegeversicherung definiert, die neben der Pflegeleistung gewährt wird. Bei den Leistungen nach 45b handelt es sich nicht um gleichartige Leistungen im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII, insofern kann auch keine Leistungskonkurrenz zwischen der neuen Leistung nach 45b der Pflegeversicherung und den Leistungen nach dem SGB XII bestehen. Nach 13 Abs. 3 SGB XI finden die Leistungen nach 45 b SGB XI bei den Fürsorgeleistungen zur Pflege keine Berücksichtigung. Damit ist der zusätzliche Betreuungsbetrag nach 45 b SGB XI weder auf die Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII anzurechnen noch im Rahmen der Sozialhilfe aufzustocken. Sofern sich bei nicht pflegeversicherten Personen aus den o.g. Erkrankungen ein pflegerischer Bedarf ergibt, ist dieser allein aus den Bestimmungen des 63-66 SGB XII zu decken. 4.2 Leistungen nach dem Pflegeneuausrichtungsgesetz (PNG neu ab 01.01.2013) Nach dem PNG erhalten Demenzkranke mit Pflegestufe 0 erstmals Geld- oder Sachleistungen der Pflegekasse. Die Leistungen der Pflegestufen I oder II werden für an Demenz erkrankte Menschen erhöht, die Leistungen der Pflegestufe III bleiben dagegen unverändert. Folgende Leistungen können nach dem PNG bewilligt werden: Pflegegeld Pflegestufe bisher PNG-Leistung ab 01.01.13 Sachleistungen gesamt bisher PNG-Leistung ab 01.01.13 gesamt 0 0,00 120,00 120,00 0,00 225,00 225,00 1 235,00 70,00 305,00 450,00 215,00 665,00 2 440,00 85,00 525,00 1.100,00 150,00 1.250,00 Ggf. bewilligte Leistungen nach dem PflEG (Betreuungsgeld 100 bzw. 200 - siehe Punkt 4.1) werden weiterhin in unveränderter Höhe neben den Leistungen nach dem SGB XII und PNG gewährt. Leistungen nach dem PNG können nur Personen erhalten, die Mitglied in einer Pflegekasse sind. Personen, die hinsichtlich Krankheit bzw. Pflegebedürftigkeit anderweitig abgesichert sind (z.b. SGB XII i.v. mit 264 SGB V), haben keinen Anspruch auf diese Leistungen durch den Sozialleistungsträger. Abgrenzung PNG/SGB XII: Die Leistungen nach dem PNG sollen den besonderen Bedarf von Demenzkranken decken, für den es bisher weder von der Pflegekasse noch vom Sozialhilfeträger Leistungen gab und decken damit grundsätzlich nicht die bisherigen Bedarfe der Hilfe zur Pflege und Eingliederungshilfe nach dem SGB XII. Stand 01.2013 6

Ob und inwieweit sich die PNG-Leistungen insbesondere auf die Pflegesachleistungen und die Eingliederungshilfe nach dem SGB XII tatsächlich auswirken, kann zur Zeit noch nicht abschließend beurteilt werden. Dieser Hinweis wird diesbezüglich so bald wie möglich ergänzt. Bis dahin sind eventuell zu treffende Entscheidungen mit 201.21 abzusprechen. Sofern durch den Sozialhilfeträger ein anteiliges Pflegegeld zu gewähren ist, bleiben die Leistungen nach dem PNG unberücksichtigt, d.h., die Höhe des anteiligen Pflegegeldes bezieht sich auf das Pflegegeld ohne die Aufstockung nach dem PNG. 5. Feststellung der Pflegebedürftigkeit Die Pflegekasse entscheidet durch ein Gutachten des medizinischen Dienstes der Kassen (MDK) über alle Anträge pflegeversicherter Personen. Das Ergebnis der Begutachtung durch den MDK ist hinsichtlich der Pflegestufe verbindlich für den Sozialhilfeträger ( 62 SGB XII), d.h. Leistungen des Sozialhilfeträgers sind nur innerhalb der festgestellten Pflegestufen zu gewähren. Die Pflegefachkräfte von der Fachstelle Hilfe zur Pflege treffen u.u zusätzlich zum MDK insbesondere in den folgenden Fällen die Feststellungen zum erforderlichen Umfang der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII: wenn der MDK keine Pflegebedürftigkeit feststellt, der Antragsteller jedoch einen geringeren Hilfebedarf nach 61 Abs.1, Satz 2 SGB XII ("Pflegestufe 0") geltend macht, wenn ein ergänzender Hilfebedarf besteht, weil die Sachleistungen der Pflegeversicherung wegen der begrenzten Leistungsbeträge nicht ausreichen, wenn gegen die Einstufung bzw. Nichteinstufung der pflegebedürftigen Person durch den MDK in eine Pflegestufe Widerspruch einzulegen ist (ggf. zur Unterstützung bei der Begründung des Widerspruchs), wenn Pflegebedarf bei nicht pflegeversicherten Personen festzustellen ist, wenn zu prüfen ist, ob nach den Kriterien des 13 Abs. 1 SGB XII ein Wechsel in die stationäre Pflege erfolgen kann oder wenn ein Hilfeplan für schwerstbehinderte Menschen im Rahmen der Gewährung von einem persönlichen Budgets erstellt werden soll. Für die Anfragen an die Fachstelle Hilfe zur Pflege ist das entsprechende Formular zu verwenden. Eingereichte Gutachten des medizinischen Dienstes der Pflegekassen (MDK) oder Atteste sind, sofern in der Akte vorhanden, in Kopie beizufügen. Sofern im MDK Gutachten Pflegestufe 0 ausgewiesen ist, ist dies im Regelfall nur bedingt zur Feststellung des notwendigen ergänzenden Bedarfs geeignet; die vom MDK getroffenen Feststellungen können dann aber Anhaltspunkte für detaillierte Ermittlungen bei der Fachstelle Hilfe zur Pflege liefern. 6. Wirtschaftliche Voraussetzungen Für den Bezug vom Leistungen der Hilfe zur Pflege gelten die Einkommensgrenzen der 85 ff. SGB XII; wegen des Einkommenseinsatzes siehe insbesondere 87 Abs. 1 S. 3 SGB XII. Bezüglich des Vermögens sind die 90, 91 SGB XII in Verbindung mit der Barbeträge-Verordnung (BarBetrV) anzuwenden. Insbesondere bei SGB II-Berechtigten sind die unterschiedlichen Vermögensschongrenzen zu beachten. Im Einzelfall kann es daher dazu kommen, dass SGB II Leistungsbezieher trotz ihres im SGB II geschonten Vermögens keinen Anspruch auf Hilfe zur Pflege wegen der geringeren Vermögensschongrenzen des SGB XII haben. Für Empfänger von Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz sind die Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel ab 01.08.2013 ohne Anrechnung von Einkommen und Vermögen der antragstellenden Person und der Angehörigen der Einsatzgemeinschaft zu erbringen. Stand 01.2013 7

7. Bewilligungsbescheid Die Leistung ist mit Bescheid zu bewilligen. In der Regel ist der Leistungszeitraum auf maximal ein Jahr nach der Begutachtung der Fachstelle Hilfe zur Pflege zu begrenzen oder an den Nachbegutachtungstermin, den die Fachstelle Hilfe zur Pflege in ihren Hausbesuchsberichten aufführt, anzupassen. Jede Bewilligung muss eine Berechnung der monatlichen Hilfehöhe/Leistung beinhalten. Bei der Bewilligung handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der nur aufgehoben werden kann, wenn eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eintritt ( 48 SGB X). Sollten sich im laufenden Bewilligungszeitraum Änderungen in den gesundheitlichen und/oder wirtschaftlichen Verhältnissen ergeben, die die Verringerung oder die gänzliche Ablehnung der Hilfe zur Pflege zur Folge haben, ist dies mit einer Aufhebungsentscheidung nach 48 SGB X entsprechend zu bescheiden. Bei gleichzeitigem Bezug von Leistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII sollte die Bewilligungsdauer der Hilfe zur Pflege an den Bewilligungszeitraum der Grundsicherung angepasst werden. Beispiel: Die Feststellung der Pflegestufe 0 durch die Fachstelle erfolgt am 01.03.10; eine erneute Prüfung wird vorgeschlagen in 12 Monaten; somit also im Februar 2011: Lfd. Bewilligungszeitraum der Grundsicherung noch bis zum 30.06.10 zunächst Bewilligung der Hilfe zur Pflege für den Zeitraum 01.03.10 nur bis 30.06.10 Nach nahtloser Vorlage des Weiterbewilligungsantrages auf Grundsicherung: Bewilligung Grundsicherung für den Zeitraum 01.07.10 bis 30.06.11 Bewilligung Hilfe zur Pflege für den Zeitraum 01.07.10 jedoch nur bis 28.02.11 (neuer Begutachtungstermin) Stand 01.2013 8