Gliederung. Arbeitslosengeld II. Arbeitslosen- & Sozialhilfe. Hintergrund der Sozialreform



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Arbeitslosengeld II Ziele, Inhalte und Auswirkungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende Kyra C. Kneis 24.Juni 2004 Gliederung 1. Das bisherige System: Arbeitslosen- und Sozialhilfe 2. Hintergrund der Reform 3. Das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt 3.1 Ziele 3.2 Inhalte und Merkmale des Arbeitslosengeldes II 3.3 Auswirkungen des Arbeitslosengeldes II 4. Fazit Arbeitslosen- & Sozialhilfe Wesentliche Merkmale Hintergrund der Sozialreform Aktuelle Lage (1) Prinzip Empfänger Träger Leistung Hilfebedürftige Arbeitslose nach abgelaufenem Anspruch auf Arbeitslosengeld Bund Arbeitslosenhilfe Subsidiaritätsprinzip ( Hilfe zur Selbsthilfe ) Fürsorgeprinzip ( Bedürftigkeitsprüfung) Lohnorientierte Individualleistung Hilfebedürftige (unabhängig von voriger Erwerbstätigkeit) Kommunen Sozialhilfe Leistung an die Bedarfsgemeinschaft angepasst Zunehmende Arbeitslosigkeit (>4 Mio. Arbeitslose) Anzahl der Hilfeempfänger ist in den letzten Jahren gestiegen Ende 2002: 2,76 Mio. Sozialhilfe-Empfänger* nur 44% der erwerbsfähigen Hilfebezieher arbeitslos gemeldet 2002: 1,69 Mio. Arbeitslosenhilfe-Empfänger 15% davon beziehen zusätzlich Sozialhilfe in Form von aufstockender Hilfe zum Lebensunterhalt * Laufende Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen (Sozialhilfe im engeren Sinne) 1

Hintergrund der Sozialreform Aktuelle Lage (2) Organisatorische Folgen Nebeneinander der staatlichen Fürsorgesysteme Kompetenz- und Leistungsüberschneidungen Intransparenz, Ineffizienz Ökonomische Folgen Steigende Sozialausgaben Belastung der Lohnnebenkosten Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz-Gesetze) Hartz I &II: u.a. Existenzgründerzuschuss (Ich-AG), Mini- & Midi-Jobs Hartz III: Neuorganisation der Bundesagentur für Arbeit (BA), Vereinfachung des SGB III Grundlegender Reformbedarf in der Arbeitsmarktpolitik! Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt : Grundsicherung für erwerbsfähige Hilfebedürftige (Arbeitslosengeld II, kurz ALG II) Arbeitslosenhilfe Sozialhilfe für erwerbsfähige Hilfebedürftige Zudem: Einordnung als Zweites Buch in das Sozialgesetzbuch (SGB II) Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt Ziele Schnelle und passgenaue Vermittlung in Arbeit Ausreichende materielle Sicherung bei Arbeitslosigkeit Vermeidung von Verschiebebahnhöfen Effiziente und bürgerfreundliche Verwaltung Breite Zustimmungsfähigkeit 2

Grundsatz des Förderns & Forderns Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung Anspruchsvoraussetzungen: Alter: 15-64 Jahre Erwerbsfähigkeit Hilfebedürftigkeit Verschärfung der Kriterien der Bedürftigkeitsprüfung Leistungen (1) 1. Leistungen zur Eingliederung in Arbeit An den individuellen Bedarf angepasst (Fallmanager, Eingliederungsvereinbarung) Zeitlich befristeter Zuschlag nach dem Bezug von ALG I zur Abfederung von Einkommenseinbußen Einstiegsgeld bei Aufnahme von Arbeit möglich Leistungen (2) 1. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ALG II für erwerbsfähige Hilfebedürftige Sozialgeld für erwerbslose Familienangehörige des ALG II-Beziehers, die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft zusammenleben Weitgehende Pauschalierung der Regelleistungen: ALG II*: 345 (West) bzw. 331 (Ost) pro Monat Sozialgeld: prozentual zur jeweiligen Regelleistung Zusätzliche Gelder für Mehrbedarfe Vollständige Übernahme der angemessenen Wohnkosten * Für Alleinstehende Arbeitsanreize & Sanktionen Arbeitsanreize Einstiegsgeld Freibeträge bei der Anrechnung von Einkommen aus Erwerbstätigkeit Verschärfung der Zumutbarkeitskriterien für Arbeit Sanktionen Zeitlich befristete Kürzung der Regelleistung 3

Trägerschaft Finanzierung Geteilte Trägerschaft 1. Bundesagentur für Arbeit (BA) V.a. arbeitsmarktliche Eingliederungsleistungen, monatliche Regelleistung, Mehrbedarfe 2. Kommunen V.a. Wohngeld, Schulnder- & Suchtberatung o.ä. Option kommunaler Trägerschaft Zustandekommen und Ausgestaltung bislang unklar Bund Trägt Aufwendungen der BA für das ALG II, sofern sie von der BA geleistet wurden Kommunen Finanzieren die von ihnen erbrachten Leistungen selbst Administratorische Umsetzung Auswirkungen für Leistungsempfänger (1) Zusammenarbeit von BA und Kommunen in den Job-Centern der BA (Arbeitsgemeinschaftsmodell) Individuelle Betreuung Eine einzige Anlaufstelle für Betreuung und Vermittlung Höhere Freibeträge bei der Anrechnung von Einkommen aus Erwerbstätigkeit höherer Zuverdienst möglich 4

Auswirkungen für Leistungsempfänger (2) Finanzielle Verschlechterung für viele Hilfeempfänger (niedrige Pauschalen, strikte Bedürftigkeits-Kriterien) Viele Hilfeempfänger verlieren ihren Anspruch auf staatliche Fürsorgeleistungen ganz Verschärfter Drang zur Aufnahme zumutbarer Arbeit durch Sanktionen bei mangelnder Pflichterfüllung psychische Probleme finanzieller Druck bei Sanktionen Gefahr der Ausweitung von Schwarzarbeit Auswirkungen für Träger BA Aufgabenvolumen und Verwaltungsaufwand der BA wächst erheblich Vergrößerung der BA: 24.200 neue Mitarbeiter Kommunen Aus der geplanten finanziellen Entlastung i.h.v. 2,5 Mrd. wird eine Belastung in Milliardenhöhe Wirtschaftliche Auswirkungen Soziale Auswirkungen Durch Sozialleistungskürzungen: Absinken der Mindestlöhne neue Arbeitsplätze durch Ausbau des Niedriglohnsektors Wegfall von Arbeitsplätzen durch Schwächung der Binnennachfrage Neue Arbeitsplätze zwar nicht durch, aber durch das Reformpaket zu erwarten Durch Sozialleistungskürzungen: politische und soziale Unzufriedenheit vermehrte Armut Gefahr der Klassenbildung Gefahr verstärkter Kriminalität 5

Fazit Gleichbehandlung von Menschen in gleichen Situationen ALG II ist aufgrund der verstärkten Anreizwirkung zur Aufnahme von Arbeit nur bedingt ausreichend und bedarfsgerecht Kritik: unsozialer Sozialabbau Gegenargument: Sozialabbau ist nur dann unsozial, wenn nicht genügend freie Arbeitsplätze vorhanden sind Schnelle und passgenaue Vermittlung in Arbeit durch Fallmanagement möglich, aber nur, wenn genügend freie Arbeitsplätze vorhanden sind Mit den Job-Centern haben erwerbsfähige Hilfebedürftige nur eine einzige Anlaufstelle Eindeutige Zuständigkeiten Administratorische Umsetzung noch problematisch. Inkrafttreten des SGB II voraussichtlich am 1. Januar 2005 Arbeitslosengeld II Ziele, Inhalte und Auswirkungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende Kyra C. Kneis 24.Juni 2004 6