St.Galler Tagung zum Arbeitsrecht. Grand Casino Luzern (1116.) 29. November 2013



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Transkript:

St.Galler Tagung zum Arbeitsrecht Grand Casino Luzern (1116.) 29. November 2013

Die Sicherung des Lohnes Angela Hensch, Fachanwältin SAV Arbeitsrecht Bratschi Wiederkehr & Buob, St.Gallen

Themenübersicht Einleitung Regelung von Art. 323b OR Übersicht weitere Instrumente Lohnsicherung 3

Einleitung Schutz Lohnauszahlung und freie Verwendbarkeit Lohn gegen Massnahmen Arbeitgebender, Eingriffe Dritter und Handlungen Arbeitnehmender Ausdrückliche Regelung Lohnsicherung in Art. 323b OR Weitere Massnahmen in OR, FusG, SchKG, AVIG, EntsG, AVG Weitere Bestimmungen schützen direkt oder indirekt Lohnhöhe und nicht Lohnzahlung bzw. Lohnbezug 4

Regelung von Art. 323b OR 5

Art. 323b OR (Lohnsicherung) 1 Der Geldlohn ist dem Arbeitnehmer in gesetzlicher Währung innert der Arbeitszeit auszurichten, sofern nichts anderes verabredet oder üblich ist; dem Arbeitnehmer ist eine schriftliche Abrechnung zu übergeben. 2 Der Arbeitgeber darf Gegenforderungen mit der Lohnforderung nur soweit verrechnen, als diese pfändbar ist, jedoch dürfen Ersatzforderungen für absichtlich zugefügten Schaden unbeschränkt verrechnet werden. 3 Abreden über die Verwendung des Lohnes im Interesse des Arbeitgebers sind nichtig. 6

Modalitäten Lohnzahlung (Art. 323b Abs. 1 OR) 7

Auszahlung in gesetzlicher Währung Gesetzliche Währung = Schweizer Franken Andere gesetzliche Schuld- und/oder Zahlungswährung durch Abrede oder Übung Alternativermächtigung von Art. 84 Abs. 2 OR 2 Lautet die Schuld auf eine Währung, die am Zahlungsort nicht Landeswährung ist, so kann die geschuldete Summe nach ihrem Wert zur Verfallzeit dennoch in Landeswährung bezahlt werden, sofern nicht durch den Gebrauch des Wortes «effektiv» oder eines ähnlichen Zusatzes die wortgetreue Erfüllung des Vertrags ausbedungen ist. Bei Fehlen Abrede oder Übung: Lohnzahlung in Schweizer Franken Nennwertprinzip 8

Auszahlung innerhalb Arbeitszeit und Art Auszahlung Anspruch auf Barauszahlung innerhalb Arbeitszeit, Erfüllungsort ist Arbeitsplatz Bargeldlose Zahlung durch Bank- oder Postüberweisung mit Zustimmung Arbeitnehmender, wenn Lohn bei Fälligkeit verfügbar Kosten, Verlust- und Verzögerungsgefahr trägt Arbeitgebender 9

Abrechnungspflicht Zwingende Pflicht zur Aushändigung schriftlicher Abrechnung Detaillierte Angaben über Berechnung und Zusammensetzung Bruttolohn, alle Zulagen, Lohnabzüge und Nettolohn Hohe Anforderungen an Vollständigkeit und Klarheit Beweislast für erfolgte Zahlung beim Arbeitgebenden Keine Pflicht Arbeitgebender zum Nachweis Bezahlung von Sozialversicherungsbeiträgen, nur Pflicht zur Angabe Sozialversicherungsträger 10

Zeitpunkt Aushändigung Lohnabrechnung gesetzlich nicht geregelt Jeden Monat mit Lohnzahlung oder längere Perioden? Wenn Lohnzahlungen Monat für Monat gleich, keine monatliche Lohnabrechnungen nötig Jährliche Lohnausweise Anspruch auf Lohnabrechnungen und Lohnausweise gerichtlich durchsetzbar, ev. unter Androhung Ungehorsamsstrafe nach Art. 292 StGB 11

Verrechnungsbeschränkung (Art. 323b Abs. 2 OR) 12

Gegenforderung = Verrechnungsforderung Arbeitgebender Arbeitnehmender Lohnforderung = Hauptforderung 13

Allgemeines Gegenforderung mit Lohnforderung nur soweit verrechenbar, als Lohnforderung pfändbar Unbeschränkte Verrechenbarkeit bei absichtlich zugefügtem Schaden Soweit keine Einschränkung durch Art. 323b Abs. 2 OR Anwendung von Art. 120 ff. OR: - Zwei bestehende gleichartige Forderungen zwischen denselben Parteien (Art. 120 Abs. 1 OR) - Hauptforderung, hier Lohnforderung, erfüllbar - Gegenforderung fällig und klagbar - Gegenforderung kann bestritten sein (Art. 120 Abs. 2 OR) - Nach h.l. Verrechnung von Forderungen inländischer Währung mit Forderungen ausländischer Währung zulässig, sofern keine Effektivklausel 14

- Verrechnungserklärung nötig (Art. 124 Abs. 1 OR) - Soweit sich Forderungen ausgleichen, durch Verrechnung getilgt und rückwirkend im Zeitpunkt erloschen, in dem sie erstmals verrechenbar gegenüberstanden (Art. 124 Abs. 2 OR) - Keine Verzugszinsen ab Zeitpunkt Verrechnungswirkung Art. 323b Abs. 2 OR wirkt auch nach Beendigung Arbeitsverhältnis Absolut zwingender Charakter (Art. 361 OR) 15

Gegenstand Verrechnung Lohnforderungen Arbeitnehmender m.e.: - Fester und variabler Lohn (Art. 322 bis Art. 322c OR) - Vergütung von Überstunden (Art. 321c Abs. 3 OR) und Überzeiten (Art. 13 ArG) - Zulagen und Zuschläge - Sondervergütung mit Lohncharakter - Lohnersatz nach Art. 337b und Art. 337c Abs. 1 OR - Vom Arbeitgebenden bezahlter Kranken- und Unfalllohn - Von der Krankentaggeldversicherung an Arbeitgebenden bezahlte und an Arbeitnehmenden weitergeleitete Krankentaggeldzahlungen 16

Keine Lohnforderungen Arbeitnehmender m.e.: - Gratifikation (Art. 322d OR) - Treueprämie - Auslagenersatz (Art. 327 ff. OR) - Abgangsentschädigung (Art. 339 ff. OR) - Entschädigungen für Erwerb von Erfindungen und Design (Art. 332 Abs. 4 OR) - Entschädigung nach Art. 337c Abs. 3, Art. 336a OR sowie nach Art. 5 Abs. 2 und 4 GlG - Entschädigung für nicht bezogene Ferien nach Beendigung Arbeitsverhältnis (Art. 329d Abs. 2 OR) 17

Gegenforderungen Arbeitgebender - Rückforderung grundlos erfolgter Zuwendung (Art. 62 ff. OR) - Schadenersatzforderung (Art. 321e OR, Art. 340b Abs. 1 und 2 OR) - Konventionalstrafe (Art. 340b Abs. 2 OR; Art. 160 ff. OR) - Forderung aus Fehlzeiten und aus nicht in Risikobereich Arbeitgebender fallende Minusstunden - Rückzahlungsverpflichtung von Gratifikationen («Clawbacks») - Rückzahlungsverpflichtung aus Ausbildungsvereinbarung - Forderung aus Miete, Kauf oder Darlehen - Zivilforderungen aus strafbarem Arbeitnehmerverhalten - Forderung aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit nach Art. 754 OR - Irrtümlich nicht abgezogene BVG-Beiträge (Arbeitnehmerbeiträge) 18

Keine Gegenforderungen Arbeitgebender - Ausgleich von Lohnvorschuss (Art. 323 OR) - Lohnrückbehalt (Art. 323a OR) - Anrechnung anderweitigen Verdienstes (Art. 324 Abs.2 OR; Art. 337c Abs. 2 OR) - Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen - Abzug der Quellensteuer 19

Zulässiger Umfang Verrechnung Einschränkung durch Erfordernis Pfändbarkeit - Verrechnung nur im Umfang pfändbarer Lohnanteil - Verweis auf Art. 93 SchKG: Schutz betreibungsrechtliches Existenzminimum bei Fälligkeit Lohn - Bestimmung Verrechnungssubstrat Unbeschränkte Verrechenbarkeit bei absichtlich zugefügtem Schaden - Ersatzforderung für absichtlich (vorsätzlich oder eventualvorsätzlich) zugefügten Schaden von Verrechnungsbeschränkung ausgenommen - Voll verrechenbar - Erfasst sind Schäden aus Vertragsverletzung und aus unerlaubter Handlung 20

Beweislast - Beweislast Arbeitnehmender: Verletzung Existenzminimum bzw. Ausschluss Verrechnung - Beweislast Arbeitgebender: Absichtlich zugefügter Schaden 21

Truckverbot (Art. 323b Abs. 3 OR) 22

Allgemeines Abreden über Verwendung Lohn im Interesse Arbeitgebender sind nichtig Arbeitnehmender soll vereinbarten Lohn vollumfänglich ausbezahlt erhalten Nichtigkeit von Vereinbarungen, die Lohn im Interesse Arbeitgebender liegenden Bindung unterwerfen Nichtig ist unzulässige arbeitsvertragliche Vereinbarung und daran «gekoppelte» Rechtsgeschäfte Truckverbot gilt für alle Arbeitnehmenden, auch für Kader Absolut zwingender Charakter 23

Nicht vom Truckverbot erfasst, wenn Abrede im überwiegenden Interesse Arbeitnehmender Falls Vereinbarung in beidseitigem Interesse, Zulässigkeit aufgrund konkreter Umstände Zulässig sind: - Freiwilliger Bezug Arbeitgeberleistungen - Abreden ohne Vorausverfügung über Lohn - Vereinbarung Naturallohn - Vereinbarung über bargeldlose Zahlung 24

Schutzobjekt - Nur Lohnanspruch - Nicht andere Zuwendungen - Für Gratifikationen gilt Truckverbot nicht - Truckverbot gilt auch, wenn Arbeitnehmendem frei steht, aus welchen Mitteln er Verpflichtung erfüllt 25

Beispiele unzulässiger Abreden Vgl. Volltext Referat Rz 44 Beispiele zulässiger Abreden Vgl. Volltext Referat Rz 45 26

Übersicht weitere Instrumente Lohnsicherung 27

Beschränkung (freiwillige) Abtretung und Verpfändung künftiger Lohnforderungen (Art. 325 OR) 28

Art. 325 OR (Abtretung und Verpfändung von Lohnforderungen) 1 Zur Sicherung familienrechtlicher Unterhalts- und Unterstützungspflichten kann der Arbeitnehmer künftige Lohnforderungen so weit abtreten oder verpfänden, als sie pfändbar sind; auf Ansuchen eines Beteiligten setzt das Betreibungsamt am Wohnsitz des Arbeitnehmers den nach Artikel 93 des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes unpfändbaren Betrag fest. 2 Die Abtretung und die Verpfändung künftiger Lohnforderungen zur Sicherung anderer Verbindlichkeiten sind nichtig. 29

Grundsatz Abtretungs- und Verpfändungsverbot (Art. 325 Abs. 2 OR) Abtretung und Verpfändung künftiger Lohnforderungen grundsätzlich nichtig Schutz vor Zugriffsrecht Dritter Schutz nur von künftigen, nicht von bereits fälligen Lohnforderungen Begriff Lohnforderung entspricht m.e. Begriff Lohnforderung von Art. 323b Abs. 2 OR Erfasst Sicherungsabtretungen und verpfändungen sowie Abtretungen und Verpfändungen erfüllungshalber oder an Erfüllungsstatt 30

Ausnahme: Sicherung familienrechtlicher Verpflichtungen (Art. 325 Abs. 1 OR) Abtretung und Verpfändung künftiger Lohnforderungen zur Sicherung familienrechtlicher Verpflichtungen zulässig Erfasst Verpflichtungen zur Leistung von Unterhalts- und Unterstützungsbeiträgen - während und nach Ehe oder eingetragener Partnerschaft - aus Kindesverhältnis - aus Verwandtenunterstützung Praxis: Abtretung an Sozialstelle bei Alimente-Bevorschussung 31

Zulässig nur soweit betreibungsrechtliches Existenzminimum gewahrt Festlegen unpfändbare Lohnquote durch Betreibungsamt Maximaldauer Abtretung oder Verpfändung ein Jahr 32

Charakter Art. 325 Abs. 1 OR - insofern dispositiv, als jede Abtretung oder Verpfändung künftiger Lohnforderungen ausgeschlossen werden kann (Art. 164 OR) - insofern zwingend, als Abtretung oder Verpfändung mit Bezug auf andere Forderungen nichtig Art. 325 Abs. 2 OR zwingend 33

Pfändungsschutz (Art. 93 SchKG) 34

Lohnanspruch betreibungsrechtlich privilegiert Zugriff von Gläubigern entzogen, soweit Einkommen für Arbeitnehmenden und seine Familie unbedingt nötig (Art. 93 Abs. 1 SchKG) Lohnpfändung höchstens für Dauer 1 Jahres (Art. 93 Abs. 2 SchKG) Praxis: «Stille» Lohnpfändungen üblich 35

Fälligkeit und Verzug Lohnzahlung 36

Fälligkeit im ungekündigten Arbeitsverhältnis (Art. 323 Abs. 1 OR) Fälligkeit Lohn am Monatsende Vorbehalt kürzerer Fristen oder anderer Termine innerhalb Monatsfrist Monatsfrist ist Maximalfrist durch Parteivereinbarung und Übung nur verkürz- nicht verlängerbar Verlängerung Monatsfrist durch GAV oder NAV möglich Sonderregelung für Fälligkeit Provision und Anteil Geschäftsergebnis (Art. 323 Abs. 2 und Abs. 3 OR) 37

Fälligkeit bei Ende Arbeitsverhältnis (Art. 339 OR) Fälligkeit aller arbeitsrechtlichen Forderungen am Ende Arbeitsverhältnis Sonderregelungen für Provisionen und Anteil am Geschäftsergebnis (Art. 339 Abs. 2 und Abs. 3 OR i.v.m. Art. 323 Abs. 3 OR) 38

Verzug Automatischer Verzug, wenn Fälligkeitstermin durch Abrede bestimmt (Verfalltag nach Art. 102 Abs. 2 OR) Sofortiger Verzug auch bei Vertragsbeendigung durch Kündigung (Art. 102 Abs. 2 OR) Beruht Fälligkeit allein auf Gesetz (Art. 323, Art. 339 OR) für Verzug Mahnung nötig (Art. 102 OR) Bei Verzug kann Arbeitnehmender betreiben, klagen, Verzugszinsen (Art. 104 OR) und Verspätungsschaden (Art. 106 OR) geltend machen, allenfalls verrechnen (Art. 120 ff. OR) und retinieren (Art. 895 ff. ZGB; Art. 339a Abs. 3 OR, Art. 349e OR) 39

Recht auf Arbeitsverweigerung bei Lohnrückständen nach vorgängiger Androhung (vgl. Art. 82 OR); Lohnanspruch bleibt bestehen (Art. 324 OR analog) Fristlose Kündigung bei wiederholtem Verzug oder längerer Zahlungsverweigerung trotz Fristansetzung und (i.d.r.) Abmahnung (Art. 337 OR) 40

Schutz Arbeitnehmerforderungen bei Zahlungsunfähigkeit Arbeitgebender 41

Fristlose Kündigung bei Lohngefährdung (Art. 337a OR) Fristlose Kündigung bei Zahlungsunfähigkeit, wenn für künftig fällig werdende Forderungen nicht innert angemessener Frist Sicherheitsleistung Falls fristlose Kündigung gerechtfertigt, Schadenersatz nach Art. 337b OR 42

Erstklassprivileg (Art. 219 Abs. 4 lit. a SchKG) Forderungen Arbeitnehmender aus Arbeitsverhältnis die nicht früher als 6 Monate vor - Konkurseröffnung, - Fortsetzungsbegehren in Betreibung auf Pfändung (Art. 146 Abs. 2 SchKG) oder - Bewilligung Nachlassstundung entstanden oder fällig geworden sind, in erster Klasse privilegiert Betragsmässige Höchstgrenze für Privilegierung liegt derzeit bei CHF 126 000.- (Art. 22 Abs. 1 UVV) 43

Art. 211a Abs. 1 rev.schkg (Dauerschuldverhältnisse) 1 Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen können ab Konkurseröffnung als Konkursforderung höchstens bis zum nächsten möglichen Kündigungstermin oder bis zum Ende der festen Vertragsdauer geltend gemacht werden. Der Gläubiger muss sich allfällige Vorteile, die er für diese Dauer erlangt hat, anrechnen lassen. 44

Insolvenzentschädigung (Art. 51 ff. AVIG) Insolvenzentschädigung deckt Lohnforderungen für letzte vier Monate Arbeitsverhältnis, wenn - gegen Arbeitgebenden Konkurs eröffnet wird (Art. 51 Abs. 1 lit. a AVIG) - Konkurs nur deswegen nicht eröffnet wird, weil wegen offensichtlicher Überschuldung Arbeitgebender kein Gläubiger bereit ist, Kosten vorzuschiessen (Art. 51 Abs. 1 lit. b AVIG) - Arbeitnehmender gegen nicht konkursfähigen Arbeitgebenden für Lohnforderungen Pfändungsbegehren gestellt hat (Art. 51 Abs. 1 lit. c AVIG) oder - Nachlassstundung oder richterlicher Konkursaufschub bewilligt wurden (Art. 58 AVIG) 45

Lohnforderungen aus nach Konkurs geleisteter Arbeit, ausnahmsweise gedeckt, wenn Arbeitnehmender in guten Treuen nicht wissen konnte, dass Konkurs eröffnet worden ist, und es sich nicht um Masseschulden handelt; maximale Bezugsdauer 4 Monatslöhne (Art. 52 Abs. 1 bis AVIG) 100% Lohn, maximal CHF 10 500.-/Monat Deckt lediglich Lohnansprüche für effektiv geleistete Arbeit während Zeit, in der Arbeitnehmender Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehen konnte 46

Schadenminderungs- und Rückerstattungspflicht (Art. 55 und Art. 58 AVIG) Kein Anspruch für Arbeitnehmende mit weitreichender Entscheidungskompetenz sowie mitarbeitende Ehegatten und eingetragene Partner (Art. 51 Abs. 2 AVIG) Verwirkungsfrist für Geltendmachung Insolvenzentschädigung 60 Tage (Art. 53 AVIG; Art. 77 Abs. 5 AVIV) Subrogation Kasse, samt Erstklassprivileg (Art. 54 AVIG) 47

Solidarhaftung und Sicherstellung Arbeitnehmerforderung bei Umstrukturierungen 48

Art. 333 Abs. 3 OR: Solidarhaftung bei Betriebsübergang Haftungssituationen bei Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung nach Fusionsgesetz Bei Fusion, Spaltung, Vermögensübertragung unter bestimmten Voraussetzungen Sicherstellung von Arbeitnehmerforderungen nach Fusionsgesetz Art. 333b rev.or (Betriebsübergang bei Insolvenz) Wird der Betrieb oder der Betriebsteil während einer Nachlassstundung, im Rahmen eines Konkurses oder eines Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung übertragen, so geht das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichte auf den Erwerber über, wenn dies mit dem Erwerber so vereinbart wurde und der Arbeitnehmer den Übergang nicht ablehnt. Im Übrigen gelten die Art. 333, ausgenommen dessen Absatz 3, und 333a sinngemäss. 49

Subunternehmerhaftung 50

Seit 15. Juli 2013 Haftung Unternehmer in Bauhauptoder Baunebengewerbe für Subunternehmer, wenn diese vorgeschrieben Netto-Mindestlöhne und Arbeitsbedingungen nicht eingehalten (Art. 5 EntsG, Art. 8a ff. EntsV) Haftung für ganze Subunternehmerkette Anwendung auch auf Binnensachverhalte Anspruch Arbeitnehmender richtet sich primär gegen Subunternehmer (Art. 5 Abs. 1 EntsG) Ausfallhaftung Erstunternehmer (Art. 5 Abs. 2 EntsG) Befreiungsmöglichkeit Erstunternehmer bei Nachweis Einhaltung Sorgfaltspflichten (Art. 5 Abs. 3 EntsG, Art. 8a ff. EntsV) 51

Kautionspflicht Personalverleih 52

Kautionspflicht zur Sicherung Lohnansprüche aus Personalverleih (Art. 14 Abs. 1 AVG) Kautionspflicht, wenn Personalverleih bewilligungspflichtig (Art. 35 Abs. 1 AVV) Kaution bemisst sich nach Geschäftsumfang (Art. 14 Abs. 2 AVG; Art. 6 GebV-AVG) 1 Jahr Wartefrist für Freigabe (Art. 38 AVV) Im Konkurs Verleiher bleibt Kaution Befriedigung Lohnforderungen verliehener Arbeitnehmenden vorbehalten (Art. 39 Abs. 1 AVV) 53

Fazit Lohn häufig einzige Existenzgrundlage Sicherung Lohn auch sozialpolitisches Anliegen Palette gesetzlicher Lohnsicherungsmassnahmen soll garantieren, dass Arbeitnehmender - mit Arbeit Lohn erzielen kann, der vereinbartem Wert eigener Leistung entspricht und - er Lohn (teilweise in beschränktem Umfang) tatsächlich ausbezahlt erhält 54

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! St.Galler Tagung zum Arbeitsrecht Angela Hensch