LAND USE ECONOMICS AND PLANNING DISCUSSION PAPER SERIES Ökonomie und Planung der Flächennutzung Diskussionspapier Reihe



Ähnliche Dokumente
Evaluierung von Regionalplänen mit Hilfe kleinräumiger Gebäudedaten

Typenbildung in der qualitativen Sozialforschung. Von Silke Winter, Ramona Scheuer und Tim Bernshausen

Der Forschungsprozess in der Quantitativen Sozialforschung. Crash-Kurs

Inhalt.

Social-Software-Portfolios im Einsatz. Zwischen Online-Lernen und Medienkompetenz im selbstgesteuert-konnektiven Lernalltag

Das Mitarbeitergespräch - Eine Übersicht von Schwierigkeiten und Anforderungen

ARBEITEN MIT LITERATUR. Warum Literaturarbeit?

Einstellungen und Verhalten gegenüber körperbehinderten Menschen - aus der Sicht und im Erleben der Betroffenen

Empirische Sozialforschung

Fallstudien in Evaluierungen

Abschlussbericht (Kurzversion)

Praxis-Tagung vom 30. Januar 2013

Empirische Strategien

Standardisierte Vorgehensweisen und Regeln zur Gewährleistung von: Eindeutigkeit Schlussfolgerungen aus empirischen Befunden sind nur dann zwingend

BMWi-IA4 Mai Leistungsbeschreibung für die Ausschreibung eines Forschungsvorhabens zum Thema

TEIL 7: EINFÜHRUNG UNIVARIATE ANALYSE TABELLARISCHE DARSTELLUNG / AUSWERTUNG

Methodenworkshop: Fragebogen

Handlungsorientierte Ausbildungsmethoden. bei den Rentenversicherungsträgern. Erkundung. Die Vordruckstelle

Forschungsprozess und Forschungsdesign (1) (1)

Schlüsselfaktor für den. empirische Untersuchung von ausgewählten Unternehmen. University of Applied Sciences Fachbereich Wirtschaft und Recht

Empirische Sozialforschung

Methoden der empirischen Sozialforschung

Probe-Klausur zur Vorlesung "Methoden der empirischen Sozialforschung"

Forschungsmethoden in den Rehabilitationswissenschaften

Nicole Hess (Autor) Internes Audit in universitären Hochschulen Theorie und international empirische Befunde

TEIL 13: DIE EINFACHE LINEARE REGRESSION

Zur Konzeption von Meta-Analysen. Bernd Weiß 24. April 2003

Nicole Hess (Autor) Internes Audit in universitären Hochschulen Theorie und international empirische Befunde

Fertilität und psychische Gesundheit im Alter

Zyklisch evaluieren 1 (Auszug aus dem Leitfaden zur Selbstevaluation )

Webseiten- Responsemanagement

Vorwort der Reihenherausgeber 5. Abbildlingsverzeichnis Tabellenverzeichnis 12. Einleitung 1

Forschungsmethoden VORLESUNG WS 2017/2018

SOZIALWISSENSCHAFTEN

1 ländermonitor frühkindliche bildungssysteme indikatoren

Baulandpotenzialanalyse den Grenzen des Siedlungswachstums auf der Spur

Entstehung und Verlauf des Forschungsprojekts...7

Erfahrungen und Methoden aus den Ex-post- Evaluierungen von ESF und EFRE

»Flächendeckende Bereitstellung von Bauleitplänen im Internet«

Studie zur Ehe- und Beziehungsqualität unter Berücksichtigung der Sozialstruktur, des Konfliktpotentials und des Interaktionsverhaltens (SESKI)

1 Ausgangspunkt: Die Fusion von Coaching und Training

Wissenschaftstheoretische Grundlagen

Forschungsmethoden VORLESUNG SS 2017

QES plus. Best-Practice Entwicklung von Methoden zur Evaluation von Bildungsmaßnahmen. Katharina Gerber M. A., QuiBB e. V.

Soziale Kompetenzen als strategischer Erfolgsfaktor für Führungskräfte

Empirische Forschung und statistische Analyse

Institut für Soziologie, Arbeitsbereich Makrosoziologie. Hinweise zur Erstellung von Masterarbeiten

Einleitung Hinführung zum Untersuchungsgegenstand Zielsetzung für die vorliegende Untersuchung Aufbau der Arbeit...

Kulturlandschaft und Raumordnungsplanung

Quantitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft

Inhaltsverzeichnis. Test nach Cochran. - Stand vom:

Teil 2: Der Forschungsprozess 27

Corporate Branding von Gründungsunternehmen

Inhaltsverzeichnis. Geleitwort... VII. Danksagung... XI Zusammenfassung... XIII Abstract... XV Inhaltsverzeichnis... XVII

DGUV Information Leitfaden zur Ermittlung der Anzahl der Sicherheitsbeauftragten im öffentlichen Dienst

Nomos. Gestaltungsparameter und verhaltensbeeinflussende Wirkung ökologisch orientierter Steuerungssysteme. Eine fallstudienbasierte Untersuchung

Methoden der Psychologie Dr. Z. Shi Wiss. Arbeiten

Methoden der qualitativen und quantitativen Inhaltsanalyse

Lieferantenmanagement

Wissenschaftstheoretische Grundlagen

Methoden des Wissenschaftlichen Arbeitens Vorlesung im SS VL 10: Strategien der Forschung 3: Qualitative Forschung

für ein nachhaltiges Flächenmanagement: Wo stehen wir?

Analytische Statistik II

Clusterentwicklung und Clusterpolitik. zwischen Wachstum und Lock-In. Lars Schieber

Wissenschaftliches Arbeiten

Wahrnehmung, Bewertung und Bewältigung von subjektiven schwierigen Sprachhandlungssituationen im Einzelhandel

Forschungsfrage Forschungsseminar-Unterlagen

Forschungsmethoden in der Sozialen Arbeit (III)

Johannes Christian Panitz

Kundenerwartungen gezielt kennen

Blitzlicht-Set. Einsatzbereich/Stärke(n)/Frequenz

Klausuraufgaben für Probeklausur. 1.Die Zuverlässigkeit von Kodierern in der Inhaltsanalyse kann man berechnen.

Christoph Steinhauser. Patientengewinnung. im Krankenhaus. Determinanten der Krankenhauswahl und ihre Beeinflussung

VERLAG JULIUS KLINKHARDT BAD HEILBRUNN 2005

Detlef Jahn. Einführung in die vergleichende Politikwissenschaft III VS VERLAG FÜR SOZIALWISSENSCHAFTEN

anreizsysteme im wissensmanagement motivation knowledge meets hans-jörg bullinger marc rüger alexander koch mark staiger

Instrumente des Change Management aus einstellungstheoretischer Sicht

Konsolidierungscheck Bundesländer

Referat 21. Arbeitslose nach Bundesländern. Veränderung zum Vorjahr in % Monat. Monat. Berlin. Berlin. Berlin. Berlin

Der einfache Weg Ihre Recruiting- und Onboarding-Prozesse zu verbessern

APEX & SQL The Reporting Solution. Tobias Arnhold Tobias Arnhold IT Consulting Heppenheim

Massnahmen im Mahnverfahren in Bezug auf das Zahlverhalten der Kunden

Forschungsmethoden VORLESUNG WS 2016/17

Forschungsdesign für wissenschaftliche Haus- und Masterarbeiten

Leistungsanforderung/kriterien Inhaltliche Ausführung Anmerkungen

Textbausteine zur Erstellung der verbalen Beurteilung

Eigene MC-Fragen "Lesen" 1. Zu den Komponenten eines effektiven Leseprozesses lt. Werder (1994) gehört nicht

Glossar. Cause of Effects Behandelt die Ursache von Auswirkungen. Debriefing Vorgang der Nachbesprechung der experimentellen Untersuchung.

Lernzielkatalog für das Modul Einführung in die Wissenschaftstheorie

Empirische Sozialforschung

Umfrage, eine Methode für die Maturaarbeit. GM.my in Zusammenarbeit mit der Kantonsschule Olten

Miriam Schmuhl. Leitfaden zur Erstellung von Hausarbeiten

Planung und Steuerung der Post Merger-Integration

Junge Menschen für das Thema Alter interessieren und begeistern Lebenssituation von älteren, hochaltrigen und pflegebedürftigen Menschen verbessern

Online-Umfrage zu Studiengebühren Fachbereich Wirtschaftswissenschaften Justus-Liebig-Universität Gießen

Transkript:

LAND USE ECONOMICS AND PLANNING DISCUSSION PAPER SERIES Ökonomie und Planung der Flächennutzung Diskussionspapier Reihe Der Einsatz von Fallstudien zur Evaluation von Raumordnungsplänen Klaus Einig, Andrea Jonas, Brigitte Zaspel Land Use Economics and Planning Discussion Paper No. 09-09 Juni 2009 ISSN 1866-6973 University of Goettingen, Platz der Goettinger Sieben 3, D-37073 Goettingen, Germany Phone: +49 551 39 4626, Fax: +49 551 39 19558, E-mail: lehrstuhl.bizer@wiwi.uni-goettingen.de

IMPRESSUM Professur für Wirtschaftspolitik und Mittelstandsforschung Georg-August-Universität Göttingen Platz der Göttinger Sieben 3 37073 Göttingen Tel. +49 551 39 4626 Fax +49 551 39 19558, E-mail: lehrstuhl.bizer@wiwi.unigoettingen.de http://www.uni-goettingen.de/de/64099.html ISSN 1866-6973 Chair of Economic Policy and SME Research University of Göttingen Platz der Göttinger Sieben 3 37073 Göttingen Tel. +49 551 39 4626 Fax +49 551 39 19558, E-mail: lehrstuhl.bizer@wiwi.unigoettingen.de http://www.uni-goettingen.de/en/64099.html ISSN 1866-6973

Der Einsatz von Fallstudien zur Evaluation von Raumordnungsplänen Klaus Einig*, Andrea Jonas**, Brigitte Zaspel*** Land Use-Discussion Paper No. 09-09 June 2009 *Klaus Einig, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Deichmanns Aue 31-37, 53179 Bonn, T. 0228-99-401-2303, Mail: Klaus.Einig@BBR.Bund.de **Andrea Jonas, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Deichmanns Aue 31-37, 53179 Bonn, T. 0228-99-401-2341, Mail: Andrea.Jonas@BBR.Bund.de ***Brigitte Zaspel, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Deichmanns Aue 31-37, 53179 Bonn, T. 0228-99-401-2106, Mail: Brigitte.Zaspel@BBR.Bund.de

Der Einsatz von Fallstudien zur Evaluation von Raumordnungsplänen Zusammenfassung Eine Evaluation von Raumordnungsplänen findet in Deutschland bislang nicht systematisch statt. Anhand von Fallstudien können diese Evaluationen umgesetzt werden. Das vorliegende Papier stellt zunächst vor, was Fallstudien sind, welche Kriterien zur Auswahl von Fallstudien zur Verfügung stehen und welche Methoden Anwendung finden können. Wie Fallstudien durchzuführen sind, wird anhand eines Fallstudiendesigns dargelegt. Die Evaluation von Raumordnungsinstrumenten wird am Fallbeispiel eines Refina-Projektes erläutert. Schlüsselwörter Definition von Fallstudien, Auswahl von Fallstudien, methodisches Vorgehen, Abstract There is no systematic evaluation of regional plans in Germany. Evaluations often work with case studies. This paper discusses what a case study is, how a case study could be selected and which empirical methods can be used to analyze case studies. A case study design shows how a case study can be organized. An example of a Refina-Project explained an example of an evaluation of regional plans. Keywords Definition of case studies, Selection of case studies, Case study design

1. Einleitung Die Evaluierung von Raumordnungsplänen findet in Deutschland noch recht selten statt. Ansätze auf der regionalen Ebene gibt es u.a. über das hessische Landesplanungsgesetz und in verschiedenen wissenschaftlichen Untersuchungen (z.b. Pollermann (2006) zur Evaluierung des Regionalen Flächennutzungsplans im Ruhrgebiet). Selten werden die Pläne und ihre Wirkungen analysiert. Evaluierungen gibt es eher für einzelne Maßnahmen oder Projekte (z.b. Lichtenberg (2004) für Regionale Entwicklungskonzepte auf der Insel Rügen oder Bartsch (2004) für Regionale Entwicklungskonzepte in Thüringen, Maier (2004) für das Regionalmanagement in Bayern). Diese kurze Übersicht, die nur einige Beispiele nennt, zeigt, dass bei der Evaluierung von Plänen und Programmen in erster Linie mit Fallbeispielen oder Fallstudien gearbeitet wird. Vielfach findet dabei eine Konzentration auf einen Fall, ein bestimmtes Beispiel, statt. Im Rahmen des Refina-Forschungsvorhabens Designoptionen und Implementation von Raumordnungsinstrumenten zur Flächenverbrauchsreduktion DoRiF untersucht das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung die Steuerungsleistungen und die Effektivität von Raumordnungsinstrumenten hinsichtlich einer gezielten Beeinflussung der Siedlungs- und Verkehrsflächen. Untersuchungsgegenstand sind die von der Regionalplanung zur Steuerung der Siedlungsflächenentwicklung eingesetzten Instrumente. Diese unterscheiden sich in den ca. 111 deutschen Regionalplanungsregionen zum Teil deutlich voneinander (Einig 2009). Für das Forschungsvorhaben wurde ein Fallstudienansatz gewählt, der vier Modellregionen umfasst. Im Folgenden wird zunächst eine Definition von Fallstudien gegeben (Kap.2), bevor die verschiedenen Methoden der Fallstudienanalyse im dritten Abschnitt vorgestellt werden. Daran anschließend werden verschiedene Verfahren zur Auswahl von Fallstudien dargelegt (Kap.4). Wenn die Fälle ausgewählt sind, ist ein Fahrplan notwendig, der vorgibt, wie bei der Durchführung von Fallstudien vorgegangen werden soll. Dieses Fallstudiendesign wird im fünften Kapitel vorgestellt. In die theoretischen Erläuterungen fließt das eigene Vorgehen bei der Fallstudienanalyse im Rahmen des Refina Projektes mit ein. 2. Fallstudien Anwendungsbereiche und Definition Fallstudienanalysen stellen in der Politikwissenschaft eine häufig eingesetzte Forschungsmethode dar. Sie besitzen jedoch eine zwiespältige Position innerhalb der wissenschaftlichen Debatte (Gerring 2004, Blatter 2007). Einer der Hauptkritikpunkte an Fallstudienanalysen ist die Betrachtung lediglich eines oder einiger weniger Untersuchungsfälle. Wie kann es möglich sein, von nur einem oder einigen Fällen Rückschlüsse auf die Allgemeinheit zu schließen? Eine mangelnde Generalisierbarkeit der gewonnen Aussagen wird als größtes Manko der Methode angesehen. Der Fallstudienforschung wird vielfach der Vorwurf gemacht, dass sie zu ungenau ist und keinen einheitlichen Regularien folgt. Zudem würde sie zu viel Zeit in Anspruch nehmen 2

und dabei Unmengen unleserlicher Dokumente produzieren (Yin 2003a, S. 10f). Dieser Vorwurf bezieht sich laut Yin jedoch weniger auf die Forschungsmethode an sich, als vielmehr auf den Prozess der Datensammlung. Dennoch werden Fallstudien in unterschiedlichsten Fachbereichen eingesetzt: Psychologie, Soziologie, Politikwissenschaften oder Wirtschaftswissenschaften. Gemeinsames Ziel all dieser Untersuchungen ist das Verstehen von sozialen Phänomenen. Unterschiede liegen hingegen darin, ob das Untersuchungsziel eine Beschreibung eines bestimmten Phänomens sein soll, das Testen einer bestehenden Theorie oder die Entwicklung einer neuen Theorie (Eisenhardt 1989, S. 535). In der Politikwissenschaft besitzen Fallstudien mittlerweise den Status von Klassikern des Fachs (Blatter 2007, S. 123, vgl. Behrens 2003, S. 210). Auch in der Raumplanungsforschung finden fallstudienbezogene Untersuchungsansätze Anwendung. The case study method is required to make sense of planning stories and to shed light on the why and how of planners behaviour (Fischler 2000, S. 186). Um einen erfolgreichen Zugang zur Planungspraxis zu bekommen, ist es sinnvoll der Frage nach zu gehen, warum Menschen das tun was sie tun. Definition von Fallstudien Problematisch ist bereits die Definition was eine Fallstudie ist. Während Muno (2003) oder Stake (1995) (zitiert nach Blatter et al. 2007, S. 123) lediglich einen Fall als Merkmal für case studies sehen, ist für andere Forscher (u.a. Yin 2003a, Blatter 2007, Gerring 2004) die Betrachtung mehrerer Fälle durchaus angebracht. Grosshans und Chelimsky (2003, S. 15) beschreiben eine Fallstudie wie folgt: A case study is a method for learning about a complex instance, based on a comprehensive understanding of that instance obtained by extensive description and analysis of that instance taken as a whole and in its context. Für Schramm ist der Kernbestand einer Fallstudie die decision oder ein set of decisions. Warum wurden Entscheidungen getroffen, wie wurden sie umgesetzt und was war das Ergebnis (Schramm 1971, zit. in Yin 2003a, S.12). Yin beschreibt eine Fallstudie als an empirical inquiry that investigates a contemporary phenomenon within its real-life context, especially when the boundaries between phenomenon and context are not clearly evident (2003, S. 13). Zwar ist nicht die Anzahl der Fälle an sich entscheidend, dennoch zeigt sich aus den verschiedenen Definitionen, dass Fallstudien nur wenige Untersuchungseinheiten berücksichtigen. Es können sowohl Einzelfallstudien als auch Vergleiche einiger weniger Fälle als Fallstudie bezeichnet werden. Die Zielsetzung und Vorgehensweise der empirischen Forschung rechtfertigen die Konzentration auf einige wenige Fälle. Entscheidend für den Forschungsansatz der Fallstudien sind laut Blatter et al., dass innerhalb der Einzelfälle Prozessanalysen durchgeführt werden, sowie Faktoren und Prozesse der Studien mit theoretischen Modellen verbunden sind. Bei der Betrachtung mehrere Fallstudien kann zwischen einer multi-site study und einer within-site study unterschieden werden. Eine multi-side study stellt einen Vergleich von Fällen verschiedener (Politik-)Felder dar, während sich eine within-site study auf einen Vergleich innerhalb eines Politikfeldes konzentriert (Behrens 2003, S. 214). 3

Die Fallstudienzahl ist zudem wichtig für die Auswahl der Untersuchungsmethode. Studien, die im Vergleich zur Anzahl der berücksichtigten Einflussfaktoren, nur wenige Fälle besitzen, werden als fallzentriert bezeichnet. Werden hingegen wenige Faktoren in mehreren Fällen untersucht sprechen Blatter et al. von variablenzentrierten Untersuchungen. Fallzentrierte Analysen suchen nach einer tiefen, möglichst umfassenden Erklärung einzelner Fälle, während variablenzentrierte Forschung eher eine Breite der Untersuchung anstrebt. Dies erweist sich für die Entwicklung genereller Aussagen und Schlussfolgerungen als zielführend, während die Analyse einzelner Fallstudien detaillierte Informationen über einen bestimmten Fall bieten. Fallstudien weisen für die Prüfung von allgemeingültigen Aussagen nur eine begrenzte Aussagekraft auf (Blatter et al. 2007). Sie vermitteln hingegen ein umfangreiches Bild einzelner Fälle und bieten eine Insiderperspektive an, die in die Studie integriert werden kann (Bryman 1992, S.142). Fallstudien stellen meist fallzentrierte Untersuchungen dar. Die Wahl der Methode bzw. die Wahl eines Verfahrens, das in die Tiefe oder in die Breite geht, hängt auch vom Untersuchungsbereich ab. Gibt es lediglich einige wenige Fälle, ist das Wissen aus 1-2 Fallstudien wichtiger als in Themenfeldern in denen es Tausende Fälle gibt (Blatter et al. 2007, S. 128). Die Auswahl des Untersuchungsdesigns ist weiterhin davon abhängig, ob es für den betrachteten Untersuchungsgegenstand bereits eine Vielzahl an bestehenden Theorien und Modellen gibt. Bei weniger erforschten Themenfelder bzw. bei wenig spezifischen theoretischen Erklärungsmodellen kann eine Theorieentwicklung Ziel der Untersuchung sein. Fallstudiendesigns sind dann besonders zu empfehlen, wenn aus theoretischen Ansätzen jeweils konkrete und feldbezogene middle-range-theories bzw. Modelle zu entwickeln sind (Blatter et al. 2007, S. 129). Fallstudien sollten sich daher an bereits vorhandene Theorien anlehnen, um zu vermeiden, dass idiosynkratische Theorie-Inseln entstehen (Blatter et al. 2007, S. 129). Dabei sollten auch Theorien mit in die Analysen einbezogen werden, die ergänzende oder auch entgegenstehende Meinungen betrachten. Bei einem fundierten theoretischen Rahmen kann es leichter gelingen, die Ergebnisse der Fallstudien auf eine verallgemeinerbare Basis zu übertragen. Diese qualitative Vorgehensweise bietet sich auch dann an, wenn keine Theorie vorliegt. In Forschungsfeldern, die bereits durch etablierte Theorien und konkrete Erklärungsmodelle gekennzeichnet sind, finden verstärkt quantitative, Theorie überprüfende Forschungsdesigns Einsatz. Fallstudien im Refina Projekt Eine Evaluierung aller vorliegenden Regionalpläne ist aufgrund ihrer hohen Anzahl im vorgegebenen Zeitraum nicht leistbar gewesen. Da die Wirksamkeit einzelner regionalplanerischer Festlegungen untersucht wird, werden einige wenige Pläne in ihrer Tiefe untersucht. Jeder Plan setzt sich aus einem Verbund unterschiedlicher Instrumente zusammen. 4

Die Analyse einzelner Instrumente 1 in den Regionalplänen erfordert ein auf jede Modellregion zu geschnittenes Forschungsdesign, das aber gleichzeitig einen Vergleich zwischen den Regionen zulässt. Das gewählte Vorgehen zählt nach Behrens zu den within-site studies, da ein Vergleich eines Politikfeldes (in diesem Fall der Regionalpläne) durchgeführt wird. Auch wenn die Themen Regionalplanung und Instrumente der Regionalplanung in vielen Untersuchungen behandelt worden sind, so gibt es keinen systematischen Ansatz zur Evaluation regionalplanerischer Instrumente. Ebenfalls gibt es nur wenige Studien, die akteurs- und institutionenbezogenen Theorien anwenden. Beide Aspekte sprechen deutlich für die Wahl eines Fallstudienansatzes. 3. Auswahl der Fallstudien Während in quantitativen Forschungsprozessen mit Hilfe von Stichprobenverfahren einzelne Fallbeispiele herausgefiltert werden können, wird bei einer qualitativen Vorgehensweise nach bestimmten, exemplarischen Beispielen gesucht. Für die Auswahl von Fallstudien stehen unterschiedliche Methoden zur Verfügung: 1) Gezielte Suche nach Gegenbeispielen: Es wird nach einem Fallbeispiel gesucht, das eine bestehende Theorie oder existierende Forschungsergebnisse widerlegen soll oder eine Modifikation vornimmt. 2) Theoretische Stichprobe (theoretical sampling): Die Auswahl der Fälle beruht auf theoretischen Annahmen. Es werden Fälle ausgesucht, die sich von bestehenden Ergebnissen möglichst gering (Most Similar Systems Design oder Prinzip der Konkordanz) oder möglichst gravierend (Most Different Systems Design oder Differenzprinzip) unterscheiden. Wenn die Wirkungen eines bestimmten Erklärungsfaktors im Mittelpunkt stehen, dann ist ein Verfahren nach dem Most Similar Systems Design anzustreben, um eine möglichst hohe Anzahl an Faktoren gleich zu halten und Wirkungen herausfiltern zu können. Stehen hingegen besonders innovative, neue Beispiele im Vordergrund, wird die Auswahl nach dem Most Different System Design empfohlen. In diesen Beispielen sind die zu untersuchenden Eigenschaften besonderes stark ausgeprägt. 3) Qualitativer Stichprobenplan: Dieses Vorgehen wird gewählt, wenn der Forscher über ein breites Hintergrundwissen verfügt und aufgrund dessen, Annahmen über Einflussfaktoren treffen kann. Dabei bezieht sich das Wissen nicht nur auf die Theorie, 1 Instrumente werden hier als zeichnerische und textliche Festlegungen in den Regionalplänen verstanden. Diese können u.a. in positivplanerische (z.b. Ausweisung von Vorranggebieten für Siedlungsentwicklung, Dichtewerte, Mengenvorgaben) und negativplanerische (z.b. Grünzüge, Vorranggebiete für Freiraumschutz) Instrumente aufgeteilt werden 5

sondern auf eine systematische Auswertungen der Literatur oder quantitativer Studien (Blatter et al. 2007, S. 31f, S. 177f, Behrens 2003, S. 213). Dabei ist auch die Auswahl besonders interessant erscheinender oder außergewöhnlicher Fallbeispiele möglich, wenn gleich sich der Forscher hier über die eventuell geringere Generalisierbarkeit der Untersuchung bewusst sein muss (Blatter et al. 2007, S. 176). So können bewusst Ausreißer, positive oder auch negative Fälle oder auch Fälle ohne besondere Ausprägungen gewählt werden. Sinnvoll kann auch ein Vorgehen sein, bei dem zunächst positive Fälle berücksichtigt und deren besondere Faktoren und Ähnlichkeiten zwischen den Positivbeispielen herausgearbeitet werden. Daran anschließend können negative Beispiele analysiert werden, um herauszufinden, auf welche Faktoren die Unterschiede zurückzuführen sind. In qualitativen Studien findet häufig die Analyse eines best-practice-fälle Anwendung, während quantitative Studien einen umfassenderen Blick über alle Fälle bieten. Steht die Bildung von Theorien im Vordergrund der Untersuchungen, so ist nicht zielführend, Fälle aus einer bereits ausgewählten Einheit zu selektieren (z.b. ein bestimmter Teil einer Bevölkerungsgruppe). Hier sind Kriterien wie die leichte Reproduzierbarkeit von Bedeutung (Eisenhardt 2006, S. 537). Die Auswahl der Analyseeinheit(en) spielt eine zentrale Rolle im Forschungsprozess. Wenn dieser Suchprozess beendet ist, empfiehlt es sich, diese Einheit möglichst detailliert zu beschreiben, um Grenzen der Analyseeinheit (Akteure, Gebiet, Zeit) festlegen zu können. Auswahl der Fallstudien im Refina-Projekt Die Auswahl der Fallstudien zur Evaluierung der Wirksamkeit von Instrumenten der Regionalplanung beruht zum einen auf einer theoretischen Stichprobe, als auch auf einer qualitativen Stichprobe, die auf dem Vorwissen der Forscher aufbauen. Als Auswahlkriterien dienten in erster Linie die in der Regionalplanung eingesetzten Instrumente. Dabei wurden drei Regionen ausgewählt in denen ein starker positivplanerischer Steuerungsansatz Anwendung findet (Düsseldorf, Mittelhessen und Hannover) und eine Region (Südwestthüringen), in der vorwiegend mit negativplanerischen Instrumenten gearbeitet wird. In Thüringen erfolgt die Steuerung überwiegend über Instrumente zum Freiraumschutz. In Hessen und Nordrhein- Westfalen werden zudem Instrumente mit einer hohen Mengensteuerungskapazität eingesetzt. Es wurden zum einen Fallbeispiele ausgewählt, die einen vergleichbaren Ansatz, aber unterschiedliche Instrumente zur Ausgestaltung haben und zum anderen wurde mit der Region Südwestthüringen auch ein anderer Steuerungsansatz mit berücksichtigt. Somit fanden sowohl das Konvergenz- als auch das Divergenzmodell Anwendung. 6

Tab. 1 Übersicht über die regionalplanerischen Instrumente der Modellregionen Instrumente Regionalplanung Düsseldorf Hannover Mittelhessen Südwestthüringen Positivplanerisch GIB / ASB Ausrichtung der Siedlungsentwicklung auf ÖPNV/SPNV Sparsamerer Umgang mit Grund und Boden Eigenentwicklung Ausrichtung der Siedlungsentwicklung am Zentrale-Orte- Konzept Ausrichtung der Siedlungsentwicklung auf SPNV Vorranggebiete Siedlungsentwicklung Ausrichtung der Siedlungsentwicklung am Zentrale-Orte- Konzept Mindestdichte für Wohnungsbau gemeindescharfe Mengenvorgabe für Wohnungsbau Ausrichtung der Siedlungsentwicklung am Zentrale-Orte- Konzept Eigenentwicklung Ausweisung von Schwerpunkten für Wohn- und Arbeitsstätten Ausweisung von ländlich strukturierten Siedlungen mit Ergänzungsfunktion Wohnen Vorranggebiete Siedlung/ Gewerbe Ausweisung von gewerblichen Schwerpunkten Eigenbedarf Eigenentwicklung Negativplanerisch Steuerungsintensität der Landesplanung (nach Siedentop) Regionale Grünzüge Allgemeine Freiraumund Agrarbereiche Waldbereiche Schutz der Natur Schutz der Landschaft und der landschaftsorientierten Erholung Grundwasser- und Gewässerschutz Sicherung und Abbau oberflächennaher Bodenschätze Vorranggebiete für Freiraumfunktion Vorrang- und Vorsorgegebiete für: Natur und Landschaft Ruhige Erholung in Natur und Landschaft Erholung mit starker Inanspruchnahme durch die Bevölkerung Trinkwassergewinnung Hochwasserschutz Rohstoffgewinnung Windenergienutzung Regionale Grünzüge Natur und Landschaft Besondere Klimafunktion Grundwassersicherung Schutz oberirdischer Gewässer Landwirtschaft Landschaftsnutzung und pflege Waldzuwachs Regionale Grünzüge Regionale Grünzäsuren Vorrang- und Vorsorgegebiete für: Gebiete für Natur und Landschaft Gebiete für den Schutz des Bodens als landwirtschaftliches Produktionsmittel Bereiche für Aufforstung hoch gering hoch moderat Räume, die vor weiterer Zerschneidung bewahrt werden sollen Quelle: Gebietsentwicklungsplan Düsseldorf 1999, Regionales Raumordnungsprogramm Hannover 2005, Regionalplan Mittelhessen 2001, Regionaler Raumordnungsplan Südwestthüringen 1999 7

Als Auswahlkriterium diente auch die Organisationsstruktur der Regionalplanung: In Düsseldorf wird die Regionalplanung durch den Regionalrat betrieben. Dabei ist die Bezirksregierung Düsseldorf als Bezirksplanungsbehörde für die inhaltliche Bearbeitung des Gebietsentwicklungsplans verantwortlich. Träger der Regionalplanung ist der Regionalrat. Durch die von den Kreisen und kreisfreien Städte entsandten Mitglieder im Regionalrat fließen kommunale Interessen in die Arbeit der staatlichen Behörde ein. Der Regionalrat hat Zuständigkeiten und Beschlusskompetenz in der Regionalplanung und bedient sich zur Aufgabenerfüllung des Personals der Bezirksregierung (Hüting, Hopp 2004). Eine ähnliche Organisation besteht in der Region Mittelhessen. Dort ist der Träger der Regionalplanung die Regionalversammlung, die sich ebenfalls aus Mitgliedern der Kommunen und Kreise zusammensetzt. Der Entwurf des Regionalplandokuments wird vom Regierungspräsidium vorgenommen. In Thüringen ist die Regionale Planungsgemeinschaft Träger der Regionalplanung. In ihr sind Vertreter der Gemeinden und Landkreis und kreisfreien Städte zusammengeschlossen. Zur personellen und fachlichen Unterstützung wurde die regionale Planungsstelle eingerichtet. Sie übernimmt die Aufstellung des Regionalplans. Die Regionale Planungsstelle ist in das Landesverwaltungsamt integriert, das als zentrale Mittelbehörde im Land Thüringen fungiert. Die Region Hannover ist eine regionale Gebietskörperschaft. Sie repräsentiert ein vollkommunalisiertes Modell der Regionalplanung. Beschlussgremium für den Regionalplan ist die Regionsversammlung, deren Vertreter direkt durch die Bürger im Rahmen der Kommunalwahl gewählt werden. Für die Aufstellung und Fortschreibung des Regionalplans ist die Verwaltung der Region Hannover verantwortlich. Die gewählten Fallbeispiele stammen aus vier Bundesländern und umfassen Modellregionen in Ost- und Westdeutschland. Zudem werden Regionen berücksichtigt, die einen überwiegend verdichteten großstädtischen Charakter haben (z.b. Region Hannover) und Regionen mit mehrheitlich ländlichen Gebieten (Südwestthüringen und Mittelhessen). Da das Forschungsvorhaben in enger Kooperation mit den untersuchten Modellregionen stattfinden sollte, war die Bereitschaft der Akteure vor Ort ein weiteres wichtiges Kriterium. Die Regionalplaner haben sich bereit erklärt, über einen Zeitraum von 2 ½ Jahren, an diesem Projekt teilzunehmen. Für die Auswahl der Regionen spielten daher auch persönliche Kontakte in die Regionen eine Rolle. Berücksichtigt wurde auch die Datenverfügbarkeit in den verschiedenen Modellregionen. 8

Tab. 2 Räumliche Kenndaten der vier Modellregionen (2004) Düsseldorf Hannover Mittelhessen Südwestthüringen Einwohnerzahl 5.237.855 1.128.336 1.064.228 502.518 Einwohnerentwicklung 1996-2004 (in%) Einwohnerdichte (Einwohner pro km²) -0,89 1,22 0,32-5,88 990 492 198 122 Fläche (km²) 529.052 229.050 538.115 409.225 Anzahl der Gemeinden 66 21 101 201 Siedlungs- und Verkehrsfläche (Anteil an der Gesamtfläche) Entwicklung der Siedlungsund Verkehrsfläche 1996-2004 (in%) 31,1 21,3 14,1 8,3 8,24 6,08 4,1 7,75 Daten: Laufende Raumbeobachtung des BBSR 4. Auswahl der Fallstudienmethode Wie in Kapitel 2 dargestellt, können in Fallstudien sowohl fallzentrierte als auch variablenzentrierte Methoden zur Anwendung kommen. Bedingt durch die Konzentration auf nur wenige Fälle, überwiegen jedoch fallzentrierte Verfahren. Von Bedeutung für die Wahl des Forschungsdesigns ist auch die Unterscheidung zwischen kausalen Effekten und kausalen Mechanismen. Kausale Effekte können dabei als the impact of a given explanatory variable on a particular outcome (Seawright u. Collier 2004, S. 275f) definiert werden, während kausale Mechanismen a link or connection in a causal process (Seawright u. Collier 2004, S. 277) darstellen. Letztere dienen dazu, die Mechanismen zwischen anhängigen und unabhängigen Variablen verstehen und empirisch untermauern zu können. Dies findet im Rahmen von qualitativen Analysen statt. In quantitativen Forschungsvorhaben werden meist kausale Effekte betrachtet, die sich mit einer großen Anzahl an Fällen und mit Hilfe von statistischen Methoden durchführen lassen. Als drittes Unterscheidungskriterium dient die Validität. Die externe Validität, die angibt, in wieweit die Daten auf andere Fälle generalisierbar sind, steigt mit der Anzahl der Fälle und findet daher vor allem in quantitativen Vorhaben Einsatz. Eine interne Validität gibt an, wie aussagekräftig die Ergebnisse in Bezug auf diesen bestimmten Fall sind. Diese ist bei einer Fallstudienuntersuchung weitaus höher (Seawright u. Collier 2004, S. 292). 9

Zusammenfassend können folgende Merkmale für variablen- und für fallzentrierte Untersuchungen festgehalten werden: Tab. 3 Vergleich von variablen- und fallzentrierten Untersuchungen Variablenzentriert Fallzentriert Berücksichtigte Anzahl Niedrig Hoch der Einflussfaktoren Anzahl der Fälle Hoch Niedrig Untersuchungsintensität Breite Tiefe Kausalität Kausale Effekte Kausale Mechanismen Validität Externe Validität Interne Validität Generalisierbarkeit Hoch Niedrig Quelle: eigene Darstellung nach Gerring 2004, Blatter et al. 2007, Yin 2003a Fallstudien können demnach mit quantitativen, qualitativen oder mit beiden Methoden analysiert werden. Vielfach werden mehrere Verfahren miteinander kombiniert, wie z.b. Aktenanalyse, Interviews, Fragebögen oder Beobachtungen. Die Kombination kann dabei wertvolle Synergien liefern (Eisenhardt 1989, S. 534f). Fallzentrierte Untersuchungen können als Ergänzung zu variablenzentrierten Untersuchungen gesehen werden, wenn nur wenige Fälle vorhanden sind. Zusätzlich können qualitative und quantitative Forschungsmethoden parallel eingesetzt werden, indem beispielsweise aufgrund einer quantitativen Untersuchungsmethode bestimmte Fälle herausgefiltert und vertiefend untersucht werden können. Die statistischen Daten können somit plausibilisiert werden. Die Wahl der Methode ist dabei auch davon abhängig, welche zeitliche Perspektive eine Untersuchung betrachtet: Sollen bereits abgeschlossene oder in der Vergangenheit liegenden Ereignisse analysiert werden, soll eine aktuell stattfindende Thematik untersucht werden, sollen zukünftige Entwicklungen prognostiziert werden oder ist es Ziel der Untersuchung, eine Reform von bestehenden Verhältnissen zu entwickeln? Diese Forschungsziele müssen sich nicht ausschließen, sondern können sich ergänzen. Erforderlich sind aber unterschiedliche Methoden (Behrens 2003, S.208). 10

Das im Refina-Projekt entwickelte Forschungsdesign setzt sich zusammen aus verschieden, mit einander kombinierten Methoden: Analyse der Pläne und Programme sowie der zugrundeliegenden Planungsgesetze; Auswertung von Statistikdaten zur räumlichen, demographischen und sozioökonomischen Entwicklung der Regionen; Auswertung von Geodaten zur tatsächlichen Flächennutzung; Auswertung von Stellungnahmen der Regionalplanung zu kommunalen Bauleitplänen; Experteninterviews mit den relevanten Akteuren aus Landesplanung, Regionalplanung, Kreisplanung, Kommunalplanung; Standardisierte Befragung aller Kommunen in den Modellregionen und aller Mitglieder der Regionalparlamente. Insbesondere in den Bereichen Auswertung von Stellungnahmen und Befragung der Kommunen zur Wirksamkeit des Regionalplans liegen kaum empirische Untersuchungen in vergleichbarer Form vor. Das entwickelte Auswertungskonzept wird in vier Modellregionen eingesetzt. Somit liefert das Forschungsvorhaben zum einen inhaltlich neue Erkenntnisse, zum anderen wird aber methodisch Neuland betreten. Beide Aspekte sprechen für die Konzentration auf bestimmte Fälle im Rahmen von Fallstudienanalysen. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt auf der Ex-Post-Analyse der bereits zur Steuerung der Siedlungsentwicklung in Regionalplänen eingesetzten Instrumenten. Da aber auch Reformoptionen abgeleitet werden sollen, sind verschiedene zeitliche Perspektiven zu betrachten. Dies erfordert auch den Einsatz unterschiedlicher Methoden. Während die Ex-Post-Analyse mit Hilfe von statistischen und geostatistischen Analysen, Auswertungen von Plänen und Akten, Befragung und Interviews erfolgen kann, ist man bei der Bewertung von Reformoptionen auf weniger Methoden beschränkt. Für diese Fragegestellung können in erster Linie Experteninterviews und die standardisierte Befragung der Akteure genutzt werden. Als theoretischer Hintergrund für die Untersuchung dient eine Akteurs- und Institutionenanalyse. Die Berücksichtigung von Akteursformen und insbesondere das Eingebundensein in bestimmte Institutionen, die das Handeln der Akteure beeinflussen, erfordert ebenfalls eine Fallstudienuntersuchung. Diese Analyse kann kaum über einen rein quantitativen Ansatz erfolgen. Von Bedeutung sind hier vor allem qualitative Interviews. 11

Tab.4 Variablen- und fallzentrierte Forschungsansätze im Refina-Projekt Vorgehen im Refina-Projekt Berücksichtigte Anzahl Hoch der Einflussfaktoren Anzahl der Fälle Niedrig (4) Untersuchungsintensität Tiefe Kausalität Kausale Effekte / Mechanismen Validität Interne / externe Validität Generalisierbarkeit Mittel/niedrig Das methodische Vorgehen zur Evaluierung von Raumordnungsplänen besteht aus einem Methodenmix (Einig, Jonas, Zaspel 2009). Wie Tab. 4 zeigt kann nicht ausschließlich auf variablen- oder fallzentrierte Verfahren zurückgegriffen werden. Im Forschungsvorhaben wird der Frage nachgegangen, wie wirksam einzelne Instrumente zur Steuerung der Siedlungsentwicklung sind. Um dies beurteilen zu können, werden vielfältige Einflussfaktoren (z.b. Geodaten, Statistikdaten, Ergebnisse der Umfrage und der Interviews, Aktenanalyse) berücksichtigt. Die Anzahl der Untersuchungseinheiten ist mit vier recht niedrig. Durch die Analyse mehrerer Fälle kann jedoch der Kritik entgegen gewirkt werden, dass aufgrund einer Einzelfallbetrachtung kaum verallgemeinerbare Aussagen möglich sind. Die vier ausgewählten Regionen werden sehr detailliert und intensiv untersucht, wie an Hand des empirischen Vorgehens deutlich wird. Die Betrachtung von kausalen Effekten findet durch die Analyse mit statistischen Verfahren statt. Die gewonnen Daten aus Statistik, Geodaten, Interviews und Fragebogen werden so aufbereitet, dass sie in statistische Modelle einfließen können. Das Ziel ist die Messung kausaler Effekte der regionalplanerischen Siedlungssteuerung. Kausale Mechanismen können durch die geführten Interviews ermittelt werden. Diese helfen bei der Interpretation der statistischen Daten. Die externe Validität der Daten ist durch die Betrachtung von mehreren Fällen eingeschränkt gegeben. Von vier Fallbeispielen kann nicht auf alle 111 Planungsregionen geschlossen werden, aber es sind Aussagen zu einzelnen Instrumenten möglich, die auch in anderen Regionen Anwendung finden. Die interne Validität ist höher, da die Analyse der Modellregionen in sich sehr intensiv erfolgt. 12

5. Fragestellungen in Fallstudien Für Howell und Yemane (2006, S. 219) ist die klare Formulierung der Fragestellung und die Entwicklung eines, auf die Frage abgestimmten Fallstudiendesign, die wichtigste Herausforderung im Rahmen einer Evaluation. Die Fragestellung eines Forschungsvorhabens kann Hinweise auf die zu wählende Forschungsmethode geben. Werden Fragen nach dem wie und warum gestellt, so ist laut Yin die Fallstudie die geeignete Forschungsstrategie. Forschungsmethoden wie statistische Erhebungen sind hingehen eher bei Fragen nach dem wer, was oder wo anzuwenden. Tab. 5 Eignung von Fallstudien für verschiedene Forschungssituationen Forschungsstrategie Art der Kontrolle über Fokussiert auf Forschungs- frage Verhalten notwendig? aktuellen Ereignissen? Experiment Wie? Warum? Ja Ja Umfrage Wer? Was? Wo? Nein Ja Wie viel? Dokumenten- Wer? Was? Wo? Nein Ja / Nein analyse Wie viel? History Wie? Warum? Nein Nein Fallstudie Wie? Warum? Nein Ja Quelle: Yin 2003a, S. 5 Gerring (2004 S. 347) und Blatter et al. (2007 S. 126) unterteilten Fragstellungen in Fallstudien weiter in (a) deskriptiven Fragestellungen ( was und wie ) und (b) kausalen Fragestellungen ( warum ). In Fallstudien aus Anthropologie, Politikwissenschaften und Soziologie sind deskriptive Fragestellungen häufiger zu finden als kausale. Diese was - und wie -Fragen sind einfacher zu beantworten als Fragen nach dem warum. Laut Blatter et al. hat die Art der Fragestellung eine besondere Beziehung zum Forschungsdesign. Fallstudienanalysen sind demnach besser bei deskriptiven Analysen geeignet, während Zusammenhänge in Form von kausalen Fragestellungen besser durch quantitative Methoden beantwortet werden können (2007, S. 126). Fallstudien zeichnen sich durch eine tiefe Beschreibung und Interpretation von Strukturen und Prozessen aus. Diese Tiefe kann nicht in allen Fällen durch standardisierte Forschungsmethoden erzielt werden. Bei der Evaluierung von regionalplanerischen Instrumenten steht die Frage Wie wirksam sind die unterschiedlichen Instrumente der Regionalplanung zur Steuerung der Siedlungsentwicklung? im Vordergrund. Dabei werden verschiedene Wirkungen der Festlegungen auf unterschiedliche Bereiche (Baulandentwicklung, Baulandpreis, Einschränkung für die Kommunen) untersucht. Die Analyse setzt zunächst bei der deskriptiven Beschreibung 13

der Steuerung der Siedlungsentwicklung an. Dies umfasst vor allem Wie-Fragen : Wie erfolgt die Steuerung der Siedlungsentwicklung, welche Instrumente werden eingesetzt? Danach folgen die Fragen, Wie wirksam sind die Festlegungen und warum sind sie wirksam bzw. nicht wirksam? Es handelt sich somit um deskriptive und kausale Fragestellungen. 6. Fallstudiendesign Nach dem die grundlegenden Definitionen und Fragestellungen von Fallstudien erläutert wurden, soll im Folgenden aufgeführt werden, wie Fallstudien durchgeführt werden können. Für Yin (2003a) ist ein Fallstudiendesign the logic that links data to be collected (and the conclusion to be drawn) to the initial questions of study (Yin 2003a, S. 19). Ein Fallstudiendesgin stellt demnach einen Plan dar, der beschreibt wie man von der Ausgangsfragstellung zu den Ergebnissen und Schlussfolgerungen gelangt. Dies umfasst die Sammlung, Aufbereitung und Analyse der relevanten Daten. Dabei geht es nicht um einen logistical plan, sondern um ein logical problem, welches es zu lösen gilt. Die Wahl der passenden Untersuchungseinheit und der eigneten Methode sind zunächst bedeutender als die richtige Anwendung und Durchführung einer Methode (Yin 2003a, S. 20f). Dieser Plan soll auch vermeiden, dass Daten erhoben oder gesammelt werden, die für die Beantwortung der Forschungsfrage nicht relevant sind. Für eine Fallstudienanalyse sind fünf Komponenten zu berücksichtigen: 1. Fragestellung 2. Ausgangshypothesen, wenn vorhanden 3. Untersuchungseinheiten 4. Logische Verbindung zwischen Daten und den Ausgangshypothesen 5. Kriterien zur Interpretation der Daten. Ergänzend zu dieser Auflistung ist die Rolle der Theorie nicht zu unterschätzen. Sie steht vor der Entwicklung des Fallstudiendesigns und nimmt eine elementare Stellung ein. Feldstudien können erst dann durchgeführt werden, wenn der Forscher ein tiefgehendes Verständnis oder eine Theorie davon besitzt, was untersucht werden soll (Yin 2003a, S.28). Ein theoretisches Verständnis liefert wichtige Hilfestellungen in folgenden Bereichen: - Auswahl der Fallstudien - Konzentration auf den Untersuchungsgegenstand - Definition einer kompletten und passenden Beschreibung, wenn eine deskriptive Fallstudie erstellt wird - Generalisierung der Ergebnisse (Yin 2003b, S. 5). Demzufolge steht vor der Entwicklung der Forschungsfrage ein intensives Literaturstudium. 14

Bei der Analyse von Fallstudien sind zwei Dimensionen besonders zu berücksichtigen: zeitliche und räumliche Effekte (Behrens 2003, Gerring u. McDermott 2007). Darauf baut die Matrix of Case Study Research Designs von Gerring und McDermott auf: Tab. 6: Matrix des Fallstudiendesigns Räumliche Variation Ja Nein Ja Dynamic Longitudinal Zeitliche comparison comparison Variation Nein Spatial comparison Counterfactual comparison (nach Gerring u. McDermott 2007, S. 690) Dynamic comparison beschreibt Studien, die sowohl zeitliche als auch räumliche Variationen berücksichtigt. Während sich Longitudinal comparison auf zeitliche Veränderungen konzentrieren, berücksichtigen spatial comparison nur räumliche Veränderungen. Counterfactual comparison beruht auf Veränderungen, die denkbar sind, z.b. durch die Hilfe von mathematischen Modellen. Für das Refina-Vorhaben werden sowohl räumliche Variationen als auch zeitliche Variationen betrachtet, es handelt sich somit um eine dynamic comparison nach. Eine räumliche Variation liegt in der Betrachtung von verschiedenen Modellregionen. Eine zeitliche Betrachtung wird über die Analyse von statischen Daten über einen einheitlichen Vergleichszeitraum (1996-2004) gewährleistet. Zudem wurden in den Interviews über Veränderungen in der Wirkung der Festlegungen oder Veränderungen in der Zusammenarbeit mit der Regionalplanung gesprochen. Zusätzlich werden, wie oben bereits erwähnt, verschiedene zeitliche Aspekte (Ex-Post-Analyse und Reformoptionen) berücksichtigt. In Anlehnung an Blatter et al. (2007, S. 170) können Fallstudiendesigns in drei Phasen unterteilt werden: (1) Entwicklung des Forschungsdesigns, (2) Durchführung der empirischen Erhebungen und (3) Schlussfolgerungen der gewonnen Erkenntnisse. 1. Phase: Entwicklung des Forschungsdesigns In der ersten Phase wird das Forschungsvorhaben grundsätzlich strukturiert. Dabei werden der Anlass der Untersuchung und die konkrete Forschungsfrage herausgearbeitet. Die Herausarbeitung einer Fragestellung grenzt den Inhalt der Fragestellung ab. Eine klare Zielsetzung kann darlegen, welchen Beitrag die Analyse für das bestehende Untersuchungsfeld leisten möchte (Blatter et al. 2007, S. 172). Die Formulierung der Forschungsfrage ist in dieser Phase besonders bedeutsam. Ohne eine Fokussierung auf eine bestimmte Fragestellung wird man 15

sehr leicht vom Datenmaterial erschlagen (Eisenhardt 1989, S. 536). Es kann zwischen primär theoriegeleiteten Untersuchungen und anwendungsorientierten Studien unterschieden werden. Bei einer starken Theorieorientierung ist zunächst der State of the Art unumgänglich. Darauf aufbauend werden Untersuchungsfragen, relevante Variablen und hypothetische Zusammenhänge entwickelt. Anwendungsorientierte Studien nehmen hingegen den konkreten Fall oder das spezifische Themenfeld stärker in den Blick (Blatter et al. 2007, S. 170). Eine Fallstudie sollte demnach nicht nur konkrete praktische Relevanz besitzen, sondern zur Theorieentwicklung beitragen (Blatter et al., Yin, Eisenhardt). Daher sollte der Forscher Überlegungen dazu anstellen, welche wissenschaftliche Debatte er unterstützen möchte. Für qualitative Fallstudien ist eine umfassende theoretische Betrachtung von weitaus größerer Relevanz als dies bei quantitativen Untersuchungen der Fall ist, da es weniger Möglichkeiten einer technischen Kontrolle der Schlussfolgerungen gibt. Durch die Festlegung von Zielsetzung und Fragestellung wird bestimmt, ob es sich um eine deskriptiv-vergleichende, eine interpretative oder eine kausal-analytische Untersuchung handelt, ob man sich auf einen bestimmten Fall konzentriert oder ein generelles Phänomen beschreiben bzw. erklärt werden soll. Deutlich wird daran auch, ob ein bestimmtes Ergebnis ( causes of effects ) oder die Wirkung eines bestimmten Faktors ( effects of causes ) analysiert wird (Blatter et al. 2007, S. 173). Es ist sinnvoll, unterschiedliche Elemente des Erklärungsmodells als Variablen zu definieren. Patzelt (2005, zitiert in Blatter et al. 2007, 173) nennt fünf Typen von Variablen: 1) Abhängige Variable: Diese legt das zu untersuchende Problem bzw. Phänomen fest. 2) Unabhängige Variable: Von diesen Variablen erwartet man einen Einfluss auf die abhängige Variable. Diese potenziellen Einflussfaktoren wurden aufgrund theoretischer Vorüberlegungen ausgewählt. 3) Intervenierende Variablen: Zusätzlich zu den unabhängigen Variablen gibt es sog. intervenierende Variablen, von denen man annimmt, dass sie existieren müssen, damit die unabhängige Variable die angenommene Wirkung auf die abhängige Variable besitzt. Die Unterteilung in unabhängige und intervenierende Variable resultiert aus den theoretischen Vorüberlegungen. 4) Gruppierungsvariable: Sie dient der Auswahl eines Falles aus mehreren Fällen und legt fest, welcher Aspekt bei der Fallauswahl berücksichtigt werden soll. 5) Hintergrundvariablen: Sachverhalte, die einen Einfluss auf die abhängige oder unabhängige Variable besitzen, aber nicht im Mittelpunkt der Betrachtung stehen (Blatter et al. 2007, S. 173f). Die Auswahl konkreter Variablen aufgrund eines theoretischen Verständnisses ist wichtig, sollte aber nicht zu restriktiv und auch weiter offen für andere Variablen sein. Die erste Phase endet mit der Ermittlung des benötigten Datenmaterials. Eine explizite Auflistung des notwendigen Datenmaterials ermöglicht zum einen die Gleichbehandlung aller Fälle und das Vorhandensein gleicher Informationen in den unterschiedlichen Fällen. Sie zeigt aber auch zu Beginn des Forschungsprojektes auf, in welchen Bereichen Schwierigkeiten zu 16

erwarten sind und wo eventuell aus pragmatischen Gründen Abstriche gemacht werden müssen (Blatter et al. 2007, S. 179). Phase 2: Die Durchführung der Feldforschung Ein großer Teil der Fallstudienarbeit wird darauf verwendet, Daten zu erhalten, die aus theoretischen Gründen sinnvoll erscheinen. Die Qualität der Daten ist für den Erfolg einer Fallstudie von großer Bedeutung. Während des Forschungsprozesses arbeitet sich der Forscher intensiv in ein Themenfeld und in einen oder mehrere Fälle ein. Dies wird auch als soaking and poaking bezeichnet. Voraussetzung ist zunächst ein intensives Literaturstudium, dass neben klassischen wissenschaftlichen Beiträgen auch sog. Graue -Literatur wie Akten, Protokolle oder Zeitungen umfasst. In Fallstudien wird die Methode der Experteninterviews besonders häufig angewendet. Dies birgt die Gefahr, dass der Forscher eine soziale Bindung zu den Akteuren aufbaut, die es erschwert, die gewonnen Ergebnisse auf die theoretischen Schlussfolgerungen zurückzubeziehen. Schwierig ist häufig auch die Handhabung der umfangreichen Informationen und Materialien, die meist über die reine Fragestellung hinausgehen. Die Ausgangsfragestellung sollte dabei immer im Mittelpunkt stehen (Blatter et al. 2007, S. 180). Die deskriptive Aufarbeitung der Fallstudien und die Zuordnung der Variablen zu theoretischen Konstrukten stellt eine komplexe Aufgabe dar. Der Wert vieler Fallstudien ist insbesondere in den vielfältigen und differenzierten deskriptiven Ausarbeitungen zu suchen. Nach einer deskriptiven Beschreibung sollte in einem nächsten Schritt eine systematische Auswertung hinsichtlich kausaler Beziehungen und der sich daraus ergebenden Entwicklungspfade stehen (Blatter et al. 2007, S. 182). Die Interpretation der gewonnenen Daten stellt eine weitere Herausforderung im Forschungsprozess dar: Zu berücksichtigen ist die notwendige Distanz zwischen Forscher und dem erhobenen Datenmaterial. Bei der Auswertung von Interviews und Primärquellen ist deren strategische Ausrichtung stets zu berücksichtigen. Phase 3: Die Präsentation der Ergebnisse und Schlussfolgerungen für die Theorie Die schriftliche Aufarbeitung und die Ableitung von fall- und theoriespezifischen Schlussfolgerungen bilden den abschließenden Teil der Untersuchung. Bei der Aufbereitung der Daten sollte man sich Ausgangsfragestellung, Hypothesen und Zielsetzung der Untersuchung erneut vor Augen führen und Antworten auf die gestellten Fragen liefern. Der Rückbezug zu theoretischen Erkenntnissen ist dabei hervorzuheben. Ergebnisse sollten dabei so präsentiert werden, dass die theoretischen Erwartungen untermauert oder widerlegt werden. Bezug sollte dabei auf die unterschiedlichen wissenschaftlichen Meinungen genommen werden. Zu berücksichtigen sind außerdem die spezifischen Eigenheiten der Fallstudie, die Auswirkungen auf die Ergebnisse haben können. (Blatter et al. 2007, S. 186). 17

Für die Analyse der Ergebnisse sind zunächst einfache, rein deskriptive Beschreibungen notwendig, da sie dem Forscher helfen, mit der normen Fülle an Daten zurechtzukommen. Für diese Art von Analyse gibt es laut Eisenhardt aber kein Standardformat (1989, S. 540). Bei der Auswertung der Daten kann nach cross-case-pattern gesucht werden. Zum einen können bestimmte Kategorien oder Dimensionen ausgewählt werden. Dort können innerhalb von Gruppen Ähnlichkeiten untersucht werden, die mit gruppenübergreifenden Unterschieden gekoppelt werden können (Eisenhardt 1989, S.540). Weiterhin können Fallpaare ausgewählt werden, die Gemeinsamkeiten oder Unterschiede aufweisen. Eine dritte Strategie kann darin bestehen, die Daten nach der Erhebungsmethode getrennt auszuwerten (z.b. Fragebögen, Interviews, Akten). Häufiger Kritikpunkt bei der Durchführung von Fallstudien ist die mangelnde Generalisierbarkeit der gewonnen Daten. Dieses Problem kann offen angegangen werden, in dem man auf die Schwierigkeiten hinweist und Aussagen innerhalb des Geltungsbereiches trifft. Fallstudien können dabei weder bestehende Theorien in ihrer Gesamtheit bestätigen oder widerlegen. Ihre Stärke liegt in der Differenzierung der Theorieentwicklung, wodurch Hinweise auf Subtypen oder bestimmte kausale Beziehungen gegeben werden können (Blatter et al. 2007, S. 186). Ein weiterer Nachteil bei der Bearbeitung von Fallstudien liegt darin, dass zwar Theorien entwickelt werden können, die sehr detailliert über etwas Auskunft geben, denen es aber an der allgemeinen Perspektive fehlt. Zudem sind Verhältnisse möglich, die nur auf einen speziellen Fall zu treffen und somit nicht verallgemeinerbar sind (Eisenhardt 1989, S. 547). Beurteilung der Qualität eines Fallstudiendesign Für die Beurteilung des qualitativen Standards der Forschung schlägt Yin (2003) vier Kriterien vor, die für alle Vorhaben der empirischen Sozialforschung gelten, so auch für Fallstudien. Er gibt verschiedenen Taktiken vor, die zur Qualitätssicherung der Untersuchung beitragen sollen. 1) Konstruktvalidität: Umfasst korrekte Maßstäbe für die durchzuführende Untersuchung, um subjektive Wertungen vermeiden zu können (z.b. durch mehrere Datenquellen, Beweisketten oder Gegenlesen durch Hauptinformanten der Studie) 2) Interne Validität: Trifft bei erklärenden Fallstudien zu und untersucht, ob alle relevanten Aspekte in die Untersuchung eingeflossen sind oder ob Ergebnisse auf das Weglassen von Variablen zurückzuführen ist 3) Externe Validität: Vorgehen, um zu prüfen, inwiefern Ergebnisse der Fallstudie verallgemeinerbar sind und in einer breiteren Theorie umgesetzt werden können 4) Reliabilität: Prüft, ob die Vorgänge der Untersuchung, z.b. die Datensammlung, mit dem gleichen Ergebnis wiederholt werden könnten. 18

Tab. 7 Qualitätskriterien für das Forschungsdesign Tests Fallstudientaktik Forschungsphase Konstruktvalidität Mehrere Datenquellen Datensammlung Beweisketten Datensammlung Review durch Haupt- Abschlussbericht informanten Interne Validität Externe Validität Reliabilität pattern-matching explanation-building Zeitreihenanalyse Rivalisierende Erklärungen nutzen Verwendung logistischer Modelle Replikationslogik bei multiple-case studies Theorie in single-casestudies Fallstudienprotokoll Fallstudiendatenbank Datenanalyse Datenanalyse Datenanalyse Forschungsdesign Datensammlung Datensammlung Quelle: Yin 2003a, S. 34 Fallstudiendesign in Refina Phase 1: Das Forschungsvorhaben findet in Kooperation mit vier weiteren Forschungsinstitutionen statt, so dass eine Abstimmung und Aufgabenteilung zu Beginn genau geregelt wurde. Aufgrund von Literaturanalysen und deskriptiven Beschreibungen der Regionen wurde der state of the art ermittelt. Die Fragestellung zielt zudem auf die Wirkung eines bestimmten Faktors hin (effects of causes), in diesem Fall auf die Wirkung und die Wirksamkeit der eingesetzten Instrumente. In Anlehnung an Pazelt (2005, zit. nach Blatter et al.) können auch für das Refina Vorhaben unterschiedliche Typen von Variablen zur Erklärung der Siedlungs- und Verkehrsflächenentwicklung definiert werden: 1) abhängige Variable: Siedlungs- und Verkehrsflächenentwicklung 2) unabhängige Variablen: z.b. Bevölkerungsentwicklung, Haushaltsentwicklung, Beschäftigtenentwicklung, Baufertigstellungen, Baulandpreise, Einkommen - diese Faktoren wurden aufgrund vorheriger Studien in die Analysen mit aufgenommen 3) intervenierende Variablen: z.b. Vorgaben der Landes- und Regionalplanung, Akzeptanz der Vorgaben 4) Hintergrundvariable: z.b. Akteurskonstellationen, Verhältnis der Akteure zueinander. 19

Im Rahmen des Forschungsprozesses sind diese Variablen erweiterbar und stellen kein starres Gerüst dar. Bei der Datenbeschaffung musste aus finanziellen Restriktionen auf die unabhängige Variable des Baulandpreises verzichtet werden. In den übrigen Bereichen sind die Daten für alle Regionen vorhanden. Dabei wurden die Daten durch regionale Besonderheiten ergänzt (z.b. Daten aus der Baulandumfrage in Niedersachsen, Daten des Siedlungsmonitorings in Düsseldorf, Daten der Brachflächenerhebung in Südthüringen). Phase 2: Auch in diesem Forschungsprojekt lag der Arbeitsschwerpunkt in der Beschaffung, Aufbereitung und Analyse der Daten. Benötigt wurden Geodaten, die z.t. von Hand nach digitalisiert werden mussten, Statistische Daten, die für alle Modellregionen in gleicher Weise aufbereitet und zusammengestellt werden mussten, Stellungnahmen, die von den Fallstudienregionen herausgesucht wurden und dann in einer Datenbank erfasst worden sind Erfassung eigener Daten in Form eines Fragebogens, der entwickelt werden musste Erfassung von Daten durch Experteninterviews, die Bereisungen in erforderten Da Experteninterviews ein Vorwissen des Forschers erfordern, war eine intensive Einarbeitung in das Thema und in die Besonderheiten vor Ort notwendig. Zu diesem Zweck wurden in z.t. deskriptiver und analytischer Form Berichte zu jeder Region erstellt. Die Berücksichtigung verschiedener Datenquellen und die Berücksichtigung verschiedener Expertenmeinungen, kann den Forscher davor bewahren, die Ergebnisse zu einseitig zu deuten. Die Sicherung der Qualität der Ergebnisse kann über mehrere Faktoren sichergestellt werden: Konstruktivität: wie mehrfach beschrieben werden eine Vielzahl von Datenquellen und unterschiedlichen Forschungsmethoden angewendet, die davor schützen sollen, einen einseitigen Blick auf die Fallstudien zu bekommen. Die Ergebnisse der Studien werden mit den Parten in den Modellregionen und den Projektpartnern rückgekoppelt und diskutiert. So kann das Problem der Fehlinterpretation gemildert werden. Lokale Besonderheiten werden in diesen Diskussionen von den Modellregionen angesprochen. Interne Validität: Auch wenn das Forschungsvorhaben sehr umfangreich angelegt ist, können doch nicht alle Aspekte umfassend beleuchtet werden. Dies wird jedoch bei der Auswertung der Daten stets berücksichtigt. Reliabilität: Da die Daten in allen vier Modellregionen in gleicher Weise erfasst worden sind kann eine Reliabilität angenommen werden. In qualitativen Interviews ist es grundsätzlich schwierig, die gleichen Daten so noch einmal zu erheben. Insbesondere subjektive Einschätzungen hängen von Situationen oder Erfahrungen ab, die sich rasch ändern können. 20