Der Prokurist - Rechte und Pflichten



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Transkript:

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1 Rechtliche Grundlagen: Die ProkuraimHandelsverkehr von Dr. Robert Güther 1.1 Bedeutungund Zweck der Prokura Mit dem Begriff der Prokura verbinden die am Wirtschaftsleben Beteiligten sehr unterschiedliche Vorstellungen. Dies beruht darauf, dass die Prokura zwar in den 48 ff. HGB gesetzlich geregelt ist, jedoch in ihrer Ausgestaltung und ihrer Bedeutung für das Einzelunternehmen stark variiert. Während der Prokurist in vielen Fällen gemeinsam oder sogar anstelle des Geschäftsführers handelt und deshalb teilweise als Alter Ego des Geschäftsführers bezeichnet wird, sind die Befugnisse des Prokuristen teilweise sehr beschränkt, bis hin zum Titularprokuristen. Wer sich mit der Prokura befasst, muss sich daher zunächst ihren Begriff, ihren Zweck im Wirtschaftsverkehr sowie ihre rechtlichen Grundlagen vergegenwärtigen. 1.1.1 WasheißtProkura? Der Begriff der Prokura ist dem Italienischen procurare = Sorge tragen, sich angelegen sein lassen entlehnt. Er bezeichnet spätestens seit dem 17. Jahrhundert eine handelsrechtliche Geschäftsvollmacht. 1 1 Vgl. Kluge, Etymologisches Wörterbuch, Stichwort Prokura. 17

Rechtliche Grundlagen: Die Prokura im Handelsverkehr 1.1.2 Welchen Zweck hatdie Prokura? Im Wirtschaftsverkehr ist täglich eine Vielzahl von Rechtshandlungen vorzunehmen. Erreicht der kaufmännisch eingerichtete Gewerbebetrieb einen Schwellenwert, oberhalb dessen es dem Kaufmann nicht möglich ist, jede Rechtshandlung selbst vorzunehmen, ist es erforderlich, dass für ihn auch Dritte wirksam Rechtshandlungen vornehmen können. Dies betrifft nicht nur den Einzelkaufmann, sondern auch Personengesellschaften und juristische Personen des privaten Rechts. Diese sind zwar rechtsfähig, können aber nicht selbst handeln. Für sie handeln ihre Organe, bei der GmbH also der Geschäftsführer, bei der Aktiengesellschaft der Vorstand. Auch dem oder den Geschäftsführern bzw. Vorständen ist es aber nicht möglich, jede Rechtshandlung selbst vorzunehmen. Um handlungsfähig zu bleiben, müssen sowohl der Einzelkaufmann als auch die Personengesellschaften und juristischen Personen des privaten Rechts weitere Vertreter benennen. Sie haben hierfür zwei Möglichkeiten: Sie können entweder weitere Organe, also gesetzliche Vertreter, bestellen oder für einzelne oder eine Mehrzahl von Rechtshandlungen einen rechtsgeschäftlichen Vertreter bestellen, also Einzel-, Art- oder Generalvollmacht erteilen. Die erste Möglichkeit, weitere gesetzliche Vertreter zu bestellen, bedeutet häufig einen größeren finanziellen Aufwand und widerspricht nicht selten auch den Bedürfnissen der Gesellschafter, beispielsweise in einem personalistisch strukturierten Unternehmen. Die zweite Möglichkeit, eine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht zu erteilen, hat den Nachteil, dass diese, soweit sie für eine einzelne Rechtshandlung erteilt wird, nach Vornahme der Rechtshandlung erlischt und für jede neue Rechtshandlung auch eine neue Vollmacht erteilt werden muss. Zudem sind Inhalt und Umfang der Vollmacht dem Geschäftspartner nicht bekannt, so dass er nicht einschätzen kann, ob die von dem rechtsgeschäftlichen Vertreter vorgenommene Rechtshandlung wirksam ist. 18

Bedeutung und Zweck der Prokura 1 Die Prokura nimmt zwischen diesen beiden Möglichkeiten eine Mittelstellung ein. Sie ist zwar eine rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht, ihr Umfang ist jedoch für den Regelfall gesetzlich bestimmt. Sie trägt damit den Erfordernissen des Wirtschaftsverkehrs Rechnung, der vor allem durch die Schnelligkeit der Geschäftsabwicklung und die Klarheit der Rechtsverhältnisse geprägt ist. Sie vermeidet weitgehend Unklarheiten über den Umfang der Vertretungsmacht und erleichtert damit den Geschäftsverkehr. 1.1.3 Wo istdie Prokuragesetzlichgeregelt? Die Prokura findet ihre rechtliche Grundlage im Handelsrecht ( 48 ff. HGB). Soweit es dort an einer speziellen Regelung fehlt, sind darüber hinaus die allgemeinen Vorschriften des Zivilrechts über die Vertretung ( 164 ff. BGB) anzuwenden. Dies verdeutlicht, dass es sich bei der Prokura um eine Vollmacht handelt, die allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts unterworfen ist, aber handelsrechtliche Besonderheiten aufweist. Ferner ist zu beachten, dass zahlreiche gesellschafts-, arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Vorschriften den Prokuristen zwar nicht ausdrücklich als Normadressaten benennen, gleichwohl aber für ihn Bedeutung entfalten können. Beispielsweise definiert 5 Abs. 2 BetrVG den leitenden Angestellten. Hierzu kann auch der Prokurist zählen (siehe Kapitel 3.1). 15a InsO und 64 Satz 1 GmbHG bestimmen, dass der Geschäftsführer einer GmbH ihren Gläubigern denjenigen Schaden zu ersetzen hat, der durch die verspätete Insolvenzantragstellung eingetreten ist. Ist der Prokurist faktischer Geschäftsführer, weil er wie ein Geschäftsführer auftritt und handelt, so trifft auch ihn die Schadensersatzpflicht der 15a InsO, 64 Satz 1GmbHG (siehe Kapitel 2.3). Um die Stellung der Prokura zwischen der rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht (BGB-Vollmacht) und der gesetzlichen Vertretungsmacht (beispielsweise Geschäftsführer) zu verdeutlichen, bietet sich eine Unterscheidung nach dem Rechtsgrund und dem Umfang der Vertretungsmacht an: 19

Rechtliche Grundlagen: Die Prokura im Handelsverkehr ÜBersIcht rechtsgrund und Umfang der Vertretungsmacht Geschäftsführung Prokura BGB-Vollmacht rechtsgrund der Vertretungsmacht beruht auf Gesetz Rechtsgeschäft Rechtsgeschäft Umfang der Vertretungsmacht bestimmt durch Gesetz grundsätzlich Gesetz Rechtsgeschäft Die Prokuraist somit eine Vollmacht, die rechtsgeschäftlich erteilt wird, deren Regelumfang aber gesetzlich bestimmt ist. ÜBersIcht Vor- und Nachteile der Prokura... gegenüber der Organstellung... gegenüber der BGB-Vollmacht Vorteile i. d. R. geringere Haftung als bei der Bestellung zum Organ Regelumfang der Prokura ist gesetzlich bestimmt erhöhter Vertrauensschutz des Geschäftsverkehrs durch Publizität geringere Rechtsscheinhaftung bei richtiger Eintragung und Bekanntmachung des Erlöschens geringere Anforderungen an den Vollmachtsnachweis Nachteile i. d. R. geringere Vergütung als bei der Bestellung zum Organ Grundlagengeschäfte sind nicht möglich geringe Kosten bei Erteilung und Widerruf der Prokura BGB-Vollmacht kann weiter reichen als Prokura 20

Erteilung der Prokura 1 1.2 Erteilungder Prokura Gemäß 48Abs. 1HGB kann die Prokura nur von dem Inhaber des Handelsgeschäftes oder seinem gesetzlichen Vertreter und nur mittels ausdrücklicher Erklärung erteilt werden. Die recht knapp gefasste Vorschrift erweckt nicht den Eindruck, als wären mit der Erteilung einer Prokura Probleme verbunden. Tatsächlich ist es jedoch notwendig, sich mit dieser Vorschrift näher zu befassen. Dabei sind vor allem die folgenden Fragen zu klären: 1. Wer ist Inhaber des Handelsgeschäftes? 2. Wem kann Prokura erteilt werden? 3. Wem gegenüber ist die Prokura zuerteilen? 4. In welcher Form muss die Prokura erteilt werden? 5. Wann wird die Prokura wirksam? 1.2.1 Werist Inhaber des Handelsgeschäftes? Die Bezeichnung grenzt zunächst negativ ab, wer eine Prokura nicht erteilen kann. Das sind alle diejenigen, die zwar unternehmerisch tätig werden, jedoch kein Handelsgeschäft betreiben. Hierzu rechnen etwa Kleingewerbetreibende, deren Unternehmen einen kaufmännisch eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht erfordern und die auch nicht kraft Gesetzes als Kaufmann gelten. Ferner gehören hierzu Gesellschaften bürgerlichen Rechts, Unterbeteiligungsgesellschaften, nichtrechtsfähige Vereine, die Partnerschaftsgesellschaft sowie die Erbengemeinschaft. 2 Inhaber des Handelsgeschäftes ist der Unternehmer. Das bedeutet: Einem Einzelkaufmann ist das von ihm geführte Handelsgeschäft zuzurechnen, so dass er zur Prokuraerteilung befugt ist. Wird das Handelsgeschäft in der Rechtsform einer Personenhandelsgesellschaft oder einer juristischen Person betrieben, so ist diese Inhaber des Handelsgeschäftes. Da die Personenhandelsgesellschaft bzw. die juristische Person selbst jedoch nicht handlungsfähig ist, 2 Karsten Schmidt, in: Münchner Kommentar zum HGB, Rn. 6 ff. zu 6 HGB. 21

Rechtliche Grundlagen: Die Prokura im Handelsverkehr sondern durch ihre gesetzlichen Vertreter handelt, sind ihre Geschäftsführer bzw. Vorstände zur Prokuraerteilung befugt. Daraus ergibt sich, dass der Prokurist selbst Dritten keine Prokura erteilen darf. Im Gegensatz zu Geschäftsführern und Vorständen ist er nicht als gesetzlicher Vertreter berufen, sondern wie oben gezeigt nur rechtsgeschäftlich zum Vertreter bestellt. Der Prokurist ist also nicht der Inhaber des Handelsgeschäfts. ÜBersIcht Prokuraerteilung bei verschiedenen Unternehmensträgern Gesellschaftsform Beispiel Prokuraerteilung möglich? (einzel-)kaufmann Kaufmann [e.k.] ja Personengesellschaft Gesellschaft bürgerlichen Rechts [GbR], wenn ohne Gewerbebetrieb nein Partnerschaftsgesellschaft [PartG] nein Personenhandelsgesellschaft Offene Handelsgesellschaft [OHG] Kommanditgesellschaft [KG] stille Gesellschaft ja Unternehmergesellschaft [UG (haftungsbeschränkt)] Aktiengesellschaft[AG] Kapitalgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien [KG a.a.] ja Genossenschaft [eg] Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit [VVaG], wenn nicht nur kleiner Verein 22

Erteilung der Prokura 1 Gesellschaftsform Beispiel Prokuraerteilung möglich? Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung [EWIV] ja Kapitalgesellschaft Europäische Aktiengesellschaft [SE] nicht eingetragener Verein [n.e.v.], wenn ohne Gewerbebetrieb nein sondervermögen des privaten rechts rechtsfähige Stiftung nein Auslandsgesellschaften Britische Private Limited Company by Shares [Ltd.] Polnische Sp. z o.o. ja, wenn nach Gesellschaftsstatut Kapitalgesellschaft oder nach Wirkungsstatut eingetragene Zweigniederlassung in Deutschland 1.2.2 Wemkann Prokuraerteilt werden? Prokura kann grundsätzlich jeder Person erteilt werden. Beschränkungen ergeben sich im Allgemeinen aus der Rechtsstellung des Prokuristen und im Besonderen aus der Person des Prokuristen. Allgemeine Beschränkungen Prokurist kann nicht sein, wer bereits aufgrund gesetzlicher Vertretungsmacht zur Vertretung des Unternehmens befugt ist. Geschäftsführer und Vorstände eines Unternehmens können daher nicht zugleich dessen Prokurist sein. Sie verfügen aufgrund ihrer Stellung als gesetzlicher Vertreter des Unternehmens bereits über weitreichende Befugnisse, die über diejenigen der Prokura hinausgehen. Sie bedürfen daher der Prokura nicht. In diesem Zusammenhang ist noch einmal auf die Grundsätze der Eigen- bzw. Fremdorganschaft hinzuweisen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass für 23

Rechtliche Grundlagen: Die Prokura im Handelsverkehr Personenhandelsgesellschaften der Grundsatz der Selbstorganschaft gilt, die Gesellschafter also selbst die Geschäftsführungsaufgaben wahrnehmen. Bei juristischen Personen dagegen geht das gesetzgeberische Leitbild davon aus, dass die Gesellschafter nicht die Geschäftsführungsaufgaben wahrnehmen, sondern einen Fremdgeschäftsführer bestellen. Bedeutung erlangt diese Unterscheidung im Bereich der Personenhandelsgesellschaften, also der OHG und der KG. Gemäß 125 Abs. 1HGB der über 161 Abs. 2HGB auch für die Kommanditgesellschaft gilt ist zur Vertretung der Gesellschaft jeder Gesellschafter ermächtigt, wenn er nicht durch den Gesellschaftsvertrag von der Vertretung ausgeschlossen ist. Finden sich im Gesellschaftsvertrag keine von 125 Abs.1HGB abweichende Regelungen, so kann ihren Gesellschaftern also keine Prokura erteilt werden. Eine dennoch erteilte Prokura ist grundsätzlich unwirksam. Eine Ausnahme gilt für nicht zur Geschäftsführung befugte Gesellschafter. Diese können grundsätzlich ebenfalls zum Prokuristen bestellt werden. Das betrifft neben dem Kommanditisten auch den stillen Gesellschafter sowie die GmbH-Gesellschafter und die Aktionäre. Ob dies auch für den Gesellschafter einer OHG, der nach der Satzung von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist, gilt, ist fraglich. Es ist jedoch nicht einzusehen, weshalb damit das Verbot jeglicher Vertretung des Unternehmens einhergehen soll. Gesetzliche Vertretung und Prokura sind in ihrer Reichweite unterschiedlich, zudem bedarf die Prokura gesonderter Erteilung. Auch kann den Gesellschaftern nicht der Wille unterstellt werden, durch den Ausschluss von der Vertretung der Gesellschaft zugleich jegliche andere rechtsgeschäftliche Vertretung ausschließen zu wollen. Ein solch weitgehender Ausschluss müsste im Gesellschaftsvertrag wenigstens Anklang finden. Besondere Beschränkungen Ferner ergeben sich Beschränkungen aus der Person des Prokuristen. Diese sind im Vergleich zu den Beschränkungen, die für Geschäftsführer und Vorstände gelten, teils weiter, teils enger. Dies soll zunächst anhand der für Geschäftsführer und Vorstände geltenden Vorschriften verdeutlicht werden. Gemäß 6 Abs. 2 Satz 1 GmbHG kann Geschäftsführer nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein. Ein Betreuter,der bei der Besorgung 24

Erteilung der Prokura 1 seiner Vermögensangelegenheiten ganz oder teilweise einem Einwilligungsvorbehalt unterliegt, kann nicht Geschäftsführer sein. Wer wegen einer der in 6Abs. 2Nr. 3lit. a) bis e) GmbHG aufgeführten Straftaten, wie etwa nach den 283 bis 283 dstgb (Delikte des Bankrotts, der Verletzung der Buchführungspflicht, der Gläubigerbegünstigung und der Schuldnerbegünstigung), verurteilt worden ist, kann auf die Dauer von fünf Jahren seit der Rechtskraft des Urteils nicht Geschäftsführer sein. Ebenso kann nicht Geschäftsführer sein, wem durch gerichtliches Urteil oder durch vollziehbare Entscheidung einer Verwaltungsbehörde die Ausübung eines Berufes, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges untersagt worden ist, sofern der Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise mit dem Gegenstand des Verbotes übereinstimmt. In der Anmeldung zum Handelsregister haben die Geschäftsführer gemäß 8 Abs. 3 Satz 1 GmbHG zu versichern, dass keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung nach 6 Abs. 2 Satz 3 und 4 GmbHG entgegenstehen. Entsprechendes gilt für die Vorstände einer Aktiengesellschaft gemäß den 76 Abs. 3, 81 Abs. 3 AktG. Derartige Beschränkungen sieht das Gesetz für die Prokura nicht vor. Insbesondere kann auch eine Person zum Prokuristen bestellt werden, die in ihrer Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, also das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Dies folgt bereits aus 165 BGB, wonach die Wirksamkeit einer von oder gegenüber einem Vertreter abgegebenen Willenserklärung nicht dadurch beeinträchtigt wird, dass der Vertreter in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist. Die vorgenannten Bestimmungen des GmbHG sowie des AktG stellen deshalb eine Ausnahme zu 165 BGB dar, die mangels Erweiterungsfähigkeit auf den Prokuristen keine Anwendung findet. In der Praxis spielt diese Frage freilich selten eine Rolle. Entgegen den vorgenannten Vorschriften des GmbHG und des AktG kann Prokurist auch eine Person sein, die nach den 283 bis 283 dstgb verurteilt wurde. Bei diesen Strafnormen handelt es sich um die Delikte des Bankrotts, der Verletzung der Buchführungspflicht, der Gläubigerbegünstigung und der Schuldnerbegünstigung. Es liegt daher bereits im Interesse des Kaufmanns, eine solche Person nicht zum Prokuristen zu bestellen, selbst wenn dies möglich ist. 25

Rechtliche Grundlagen: Die Prokura im Handelsverkehr Gleiches gilt für den Fall, dass die Ausübung eines Berufes oder Berufszweiges dem Prokuristen kraft behördlicher oder gerichtlicher Entscheidung untersagt worden ist. Zwar kann die Betätigung als Prokurist nicht untersagt werden, da es sich hierbei wie erörtert nicht um einen eigenständigen Beruf handelt. Dem Prokuristen kann aber die Betätigung in einem bestimmten Berufsfeld untersagt werden, wobei es dann nicht darauf ankommt, in welcher Stellung er diesen Berufszweig ausübt. Insoweit ist der Hinweis in den Vorschriften des GmbHG und des AktG nur im Hinblick darauf verständlich, dass die Geschäftsführer und Vorstände das Nichtbestehen eines Berufsverbotes gegenüber dem Handelsregister versichern müssen, der Prokurist hingegen nicht. Fraglich ist, ob die Prokura nur natürlichen oder auch juristischen Personen erteilt werden kann. Die Regelungen über die Stellvertretung in den 164 ff. BGB sehen insoweit keine Einschränkung vor, so dass eine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht um die es sich ja auch bei der Prokura handelt auch juristischen Personen erteilt werden könnte. Ausnahmen bedürfen, wie etwa in den vorgenannten Vorschriften des GmbHG und des AktG, einer gesetzlichen Regelung. Eine ausdrückliche Regelung hierzu findet sich in den 48 ff. HGB nicht. Allein 51HGB bestimmt, dass der Prokurist in der Weise zu zeichnen hat, dass er der Firma seinen Namen mit einem die Prokura andeutenden Zusatz beifügt. Einen Namen können zwar gemäß 12 BGB nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen führen. Der Name eines Unternehmens wird jedoch als Firma bezeichnet (vgl. 17HGB). Nimmt man diese Unterscheidung ernst, die auch in 51 HGB zum Ausdruck kommt, dürfen nur natürliche Personen zum Prokuristen bestellt werden. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass nur natürlichen Personen Prokura erteilt werden kann. 3 Nach der Vorstellung des Gesetzgebers beruhe die Erteilung der Prokura auf einem besonderen persönlichen Vertrauensverhältnis zwischen Unternehmen und Prokurist. Dies ergebe sich schon aus dem umfassenden, im Außenverhältnis nicht beschränkbaren Umfang der Vertretungsmacht. 3 KG, Beschluss vom 23.10.2001 1 W 6157/00, in: DB 2001, 2707 f. / FG PRax 2002, 35. 26

Erteilung der Prokura 1 Angehörige beratender Berufe (Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater) können ebenfalls als Prokurist tätig sein. Beschränkungen ergeben sich hier aus den jeweils für die einzelnen Berufe geltenden berufsrechtlichen Vorschriften. Diese sehen vor, dass die Angehörigen beratender Berufe ihre Tätigkeit selbstständig und frei von der Einflussnahme Dritter ausüben. Die Betätigung als Prokurist ist nur unter diesen berufsrechtlichen Einschränkungen denkbar. Beschränkungen können sich aus den Berufsordnungen ergeben. So erachtete es das OLG Celle 4 für unzulässig, einer pharmazeutisch-technischen Assistentin Prokura für die Leitung einer Apotheke zu erteilen. Denn nach den Bestimmungen des Apothekergesetzes und der Apothekerordnung übt der Apotheker seinen Beruf selbstständig und verantwortungsbewusst aus. Die wesentlichen Aufgaben seines Geschäftsbetriebes muss er deshalb selbst wahrnehmen. Gleiches gilt für die übrigen freien Berufe wie Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Rechtsanwalt, Notar, Patentanwalt, Vermessungsingenieur, Ingenieur, Architekt, Handelschemiker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratender Volks- und Betriebswirt, vereidigter Buchprüfer, Steuerbevollmächtigter, Heilpraktiker, Dentist, Krankengymnast, Journalist, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer oder Lotse. 5 1.2.3 Wemgegenüber istdie Prokurazuerteilen? Hinsichtlich der Frage, wem gegenüber die Prokura erteilt werden kann, gelten die allgemeinen Vorschriften des BGB. Das bedeutet, dass die Prokura nicht notwendig gegenüber der Person erteilt werden muss, die zum Prokuristen bestellt werden soll. Eine Prokura ist somit auch dann wirksam erteilt, wenn diese etwa gegenüber dem Geschäftspartner oder nur gegenüber dem Handelsregister erklärt wird. 4 OLG Celle, Beschluss vom 30.08.1988 1 W 20/88, in: NJW-RR 1989, 483. 5 Eine Liste der freien Berufe findet sich in 18 EStG und 1 PartGG. 27