7755 Die Darstellung von Migration in den Medien 28.10.2008
Semesterplan Themen 04.11. Festung Europa 11.11. Einbürgerungstests 18.11. Moderator/innen 25.11. Moschee-Diskussion 02.12. Arbeitsmarkt und Migration 09.12. Schule und Migration 16.12. Kopftuchdebatte 13.01. Kriminalisierung von Migrant/innen
Kritische Diskursanalyse Eine Einführung
Diskurs Begriffsklärung I Was ist ein Diskurs? Ursprünglich: erörternder Vortrag Alltagssprache: ein Korpus von zusammenhängendem und verknüpftem Gesprochenem oder Geschriebenem Eine Gruppe von Aussagen, die eine Sprechweise zur Verfügung stellen, um über etwas zu sprechen (Hall) das in der Sprache aufscheinende Verständnis von Wirklichkeit einer jeweiligen Epoche (Foucault)
Diskurs Begriffsklärung II Ein privilegierter Ort der Konstruktion sozialer Wirklichkeit (Butler) Systeme des Denkens & Sprechens, die das, was von der Welt wahrgenommen wird konstituieren, indem sie die Art & Weise der Wahrnehmung prägen (Villa) eine institutionell verfestigte Redeweise, die Handeln bestimmt und verfestigt, also Macht ausübt (Link) die institutionalisierte gesellschaftliche Redeweise, die das Handeln der Menschen bestimmt (Jäger & Jäger)
Diskurse Begriffsklärung III Diskurse spiegeln das Verständnis von Wirklichkeit in einer Epoche konstruieren soziale Wirklichkeit sind institutionell verankert prägen die Wahrnehmung und dadurch das Sprechen und Handeln der Menschen üben Macht aus
Entstehung von Diskursen Ein Diskurs bezieht sich auf die Produktion von Wissen durch Sprache, er selbst wird durch eine Praxis produziert (Hall 1994) Diskurse bilden sich i.d.r. als Resultat historischer Prozesse und verselbständigen sich
Aufbau/Inhalt von Diskursen I Diskurse ähneln Ideologien (Ensembles von Aussagen oder Annahmen, die Wissen produzieren, das Interessen einer bestimmten Gruppe/Klasse dient) Diskurse sind keine geschlossenen Systeme, ein Diskurs baut auf Elementen anderer Diskurse auf und bindet diese in sein eigenes Bedeutungsnetz ein (Hall 1994) Diskurse stellen eine eigene Wirklichkeit dar, die sich aus vergangenen und (anderen) aktuellen Diskursen speist
Aufbau/Inhalt von Diskursen II Diskurse sind überindividuell das Individuum erzeugt den Diskurs nicht Aber: alle Menschen sind am Diskurs beteiligt, jedoch bestimmt kein einzelner und keine Gruppe, was genau dabei heraus kommt Jeder Diskurs produziert Positionen, von denen aus allein er einen Sinn ergibt
Funktion von Diskursen I Diskurse schaffen Vorgaben für die Subjektbildung, die Strukturierung und Gestaltung von Gesellschaft es kann nur das benannt werden, wofür sprachlich-diskursive Kategorien existieren (Butler) Beispiel: Brett Tisch Alle bedeutende Wirklichkeit ist deshalb für uns vorhanden, weil wir sie bedeutend machen
Funktion von Diskursen II Sie tragen zur Strukturierung von Machtverhältnissen in einer Gesellschaft bei herrschaftslegitimierende und -sichernde Techniken bürgerlich-kapitalistischer Industriegesellschaften (Jäger) Prozesse und Versuche der gesellschaftlichen Sinnzuschreibung und - stabilisierung (Keller)
Diskurse und Sprache Sprache als Ort, an dem soziale Wirklichkeit organisiert wird Sprechweisen haben reale Auswirkungen auf die Praxis: Beschreibungen werden wahr Diskurse entstehen/werden verfestigt Bsp.: Brett - Tisch
Kritische Diskursanalyse Sozialwissenschaftliche Methode Auch in den Naturwissenschaften einsetzbar Die kritische Diskursanalyse orientiert sich an Michel Foucaults Diskurstheorie Ab Mitte der 1980er Jahre vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) entwickelt Hauptvertreter/innen: Margarete und Siegfried Jäger, Jürgen Link
Grundannahmen der kritischen Diskursanalyse die ganze Welt, Alltag, Sprache etc. sind durch Diskurse bestimmt Sie vermitteln gesellschaftliche Wirklichkeiten In Diskursen spiegelt sich nicht einfach gesellschaftliche Wirklichkeit wieder, sie führen ein Eigenleben, obwohl sie gesellschaftliche Wirklichkeit erst ermöglichen
Ziele der kritischen Diskursanalyse Kritische empirische Untersuchung von Diskursen Analyse der Produktion von Wirklichkeit die durch Diskurse vermittelt wird das jeweils gültige Wissen der Diskurse ermitteln und den konkreten Zusammenhang von Wissen und Macht erkunden und einer Kritik unterziehen Die Auswirkungen des in den Diskursen enthaltenen Wissens für die gesamte gesellschaftliche Entwicklung erfassen Sagbarkeitsfelder erfassen und darstellen (s.u.) Sichtbarmachen der sprachlichen & ikonographischen Wirkungsmittel
Zentrale Fragestellungen der kritischen Diskursanalyse Im Zentrum stehen die Fragen: Was ist jeweils gültiges Wissen Wie kommt dieses Wissen zustande Wie wird es weiter gegeben Welche Funktion hat es für die Konstituierung von Subjekten Welche Funktion hat es für die Gestaltung von Gesellschaft
Analysegegenstand: Wissen Foucault: Diskurse bilden systematisch die Dinge über die sie sprechen Bsp.: Flüchtlinge volle Boote Überschwemmung Gefahr für Gesellschaft Die Diskursanalyse bezieht sich: auf Alltagswissen das über Medien, alltägliche Kommunikation, Schule, Familie etc. vermittelt wird Auf das jeweils gültige Wissen, das durch die Wissenschaft vermittelt wird
Kritik an herrschenden Diskursen Diskurse können kritisiert und problematisiert werden durch die Analyse ihrer Widersprüche Ihres Verschweigens Der Grenzen des Sag- und Machbaren die durch sie abgesteckt werden Der Mittel durch die die Akzeptanz dieser zeitweilig gültigen Wahrheiten herbei geführt werden soll
Sagbarkeitsfeld I Die Regeln des Diskurses definieren für einen bestimmten Zusammenhang oder ein bestimmtes Wissensgebiet: was sagbar ist was gesagt werden soll was nicht gesagt werden darf von wem etwas wann in welcher Form gesagt werden darf
Sagbarkeitsfeld II Einengungen des Sagbarkeitsfeld durch: direkte Verbote und Einschränkungen Anspielungen Implikate (Verflechtungen) explizite Tabuisierungen Konventionen Verinnerlichungen Bewusstseinsregulierungen
Kritische Diskursanalyse Diskursanalyse erfasst das jeweils Sagbare in seiner qualitativen Bandbreite und seiner Häufung bzw. allen Aussagen, die in einer bestimmten Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit geäußert werden (können), aber auch die Strategien, mit denen das Feld des Sagbaren ausgeweitet oder auch eingeengt wird, etwa Verleugnungsstrategien, Relativierungsstrategien, Enttabuisierungsstrategien etc. (Jäger 2006)
Literatur Bublitz, Hannelore (2006): Differenz und Integration. Zur diskursanalytischen Rekonstruktion der Regelstrukturen sozialer Wirklichkeit, in: Keller, Reiner; Hirseland, Andreas; Schneider, Werner; Viehöver, Willy (Hrsg.): Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. Band 1: Theorien und Methoden. 2., akt. Aufl. Wiesbaden (VS), S. 227-262. Butler, Judith (2006): Haß spricht. Zur Politik des Performativen. Frankfurt a.m. (Suhrkamp). Hall, Stuart (1994): Der Westen und der Rest: Diskurs und Macht, in: ders.: Rassismus und kulturelle Identität. Hamburg (Argument), S. 137-179. Jäger, Siegfried (2006): Diskurs und Wissen. Theoretische und methodische Aspekte einer Kritischen Diskurs- und Dispositivanalyse, in: Keller, Reiner; Hirseland, Andreas; Schneider, Werner; Viehöver, Willy (Hrsg.): Handbusch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. Band 1: Theorien und Methoden. 2., akt. Aufl. Wiesbaden (VS), S. 83-114. Keller, Reiner (2007): Diskursforschung. Eine Einführung für SozialwissenschaftlerInnen. 3., akt. Aufl. Wiesbaden (VS). Villa, Paula (2003): Judith Butler. Frankfurt a.m. (Campus).