Die geänderten Anforderungen an die Gefährdungsbeurteilung nach der Änderung der BetrSichV Dip.-Ing.(FH) Dipl.-Inform.(FH) Mario Tryba Sicherheitsingenieur
Vorbemerkungen: Die Gefährdungsbeurteilung ist das zentrale Element aller Arbeitsschutz Verordnungen. Die Gefährdungsbeurteilung ist im ArbSchG gefordert und in den nachgängigen Verordnungen präzisiert. Folgende Fragestellung ergibt sich: Das ArbSchG richtet sich an Arbeitgeber und dient dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten. Welche Maßnahmen werden von Anlagen-Betreibern gefordert, die keine Beschäftigten haben? 2
Vorbemerkungen: Für Betreiber überwachungsbedürftiger Anlagen ohne Beschäftigte war bisher keine Gefährdungsbeurteilung vorgesehen, da diese im ProdSG nicht festgeschrieben ist und das ArbSchG sich an Arbeitgeber mit Beschäftigte wendet. Die bisherige Interpretation der Sicherheitstechnischen Bewertung als Gefährdungsbeurteilung wird aus rechtlichen Gründen nicht aufrechterhalten. Es wurde eine klare Abgrenzung der BetrSichV zum ProdSG herausgearbeitet, (ProdSG: Bereitstellen von neuen und gebrauchten Arbeitsmitteln). 3
Absatz 1 Grundsätzlich hat der Arbeitgeber eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen und die Schutzmaßnahmen vor Verwendung der Arbeitsmittel festzulegen. Eine CE-Kennzeichnung entbindet nicht von der Pflicht zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung. Gilt nicht für Aufzugsanlagen, welche von Unternehmern ohne Beschäftigte verwendet werden (ArbSchG richtet sich ausschließlich an Arbeitgeber). Gefährdungsbeurteilungen an Druck- und Ex-Anlagen bei Unternehmern ohne Beschäftigte werden durch das ChemG geregelt. 4
Absatz 2 Alle Gefährdungen sind bei der Beurteilung einzubeziehen, welche von der Verwendung des Arbeitsmittel ausgehen, hier: 1. von dem Arbeitsmittel selbst, 2. Arbeitsumgebung (Begriffliche Abgrenzung zur Arbeitsstätte nach ArbStättV), d.h. Gefährdungen aus der Umgebung sind immer unter Verwendung von Arbeitsmitteln in der Umgebung zu betrachten, 3. Arbeitsgegenstand, welcher mit einem Arbeitsmittel bearbeitet wird. Spezielle Gefährdungen, welche auf Grundlage anderer Rechtsquellen betrachtet werden (z.b. Lärm, Gefahrstoff usw.), sind auch dort zu betrachten, auch im Zusammenhang mit Arbeitsmitteln. 5
Absatz 2 Folgendes ist insbesondere bei der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen: 1. Die Gebrauchstauglichkeit des Arbeitsmittels, einschließlich ergonomischer Grundsätze unter dem Eindruck einer alternden Gesellschaft, 2. die physischen und psychischen Belastungen der Beschäftigten bei der Verwendung von Arbeitsmitteln, d.h. die psychischen Belastungen sind als neues Schutzziel definiert, 3. Vorhersehbare Betriebsstörungen und die Gefährdung bei Maßnahmen zu deren Beseitigung, die Betrachtung der Gefährdungen bei Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten werden hier als weiteres Schutzziel mit hohem Gefährdungspotential definiert. 6
WICHTIG: Die einzelnen Rechtvorschriften verlangen keine separaten Gefährdungsbeurteilungen, sondern die in den Rechtsvorschriften zu betrachtenden Gefährdungen sind in einer nach ArbSchG ganzheitlichen Gefährdungsbeurteilung zusammenzuführen! 7
Absatz 3 Die Gefährdungsbeurteilung soll bereits vor Auswahl und der Beschaffung des Arbeitsmittels begonnen werden, um das geeignetste Arbeitsmittel auszuwählen, um die, wie im Absatz 2 genannte bestmögliche mitgelieferte Sicherheit des Arbeitsmittel zu erreichen. Ziel ist es hier, dass keine weiteren zusätzlichen Schutzmaßnahmen notwendig sind. Die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung obliegt nach ArbSchG dem Arbeitgeber. Besitzt dieser nicht selbst die notwendige Fachkunde, muss er sich durch fachkundige Personen bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung beraten lassen. 8
Absatz 4 Alle zur Verfügung stehenden Informationen sind durch den Arbeitgeber angemessen zu berücksichtigen, hier u.a.: Gebrauchs- und Betriebsanleitungen, Risikobeurteilungen, welche durch den Hersteller erstellt wurden. Absatz 5 Die Verwendung vorhandener Dokumente und Unterlagen, entbindet jedoch nicht von der Pflicht die innerbetrieblichen Belange mit zu betrachten, Wechselwirkungen des Arbeitsmittels mit der Arbeitsumgebung sind hierbei mit zu berücksichtigen. 9
Absatz 6 An dem Prüfkonzept aus den BetrSichV von 2002 wird festgehalten, d.h. der Arbeitgeber hat: Art, Umfang und Fristen erforderlicher Prüfungen festzulegen, Geeignete Mitarbeiter als Prüfer auszuwählen oder qualifizierte externe Prüfer zu bestellen. Für Anlagen nach Anhang 2, hier sind Höchstgrenzen für die Prüfung angegeben, gilt das Prüfkonzept ebenfalls, d.h. die tatsächlichen Prüffristen müssen die Beanspruchung der Anlagen berücksichtigen. Bei der Festlegung von Art, Umfang und Fristen für die Prüfung sind die Festlegungen in der Gefährdungsbeurteilung nach 5 ArbSchG zu beachten. 10
Absatz 7 Der Arbeitgeber hat die Gefährdungsbeurteilung in regelmäßigen Abständen zu überprüfen, d.h. es ist zu prüfen, ob Änderungen eingetreten sind, die getroffenen Schutzmaßnahmen und die Verwendung der Arbeitsmittel noch dem Stand der Technik entsprechen oder anzupassen sind, das Arbeitsmittel an sich muss nicht dem Stand der Stand der Technik entsprechen, dieses kann aber durch ergänzende Schutzmaßnahmen erreicht werden, um hier auch bei dieser Verordnung den Bestandschutz zu gewährleisten. 11
Absatz 7 Die Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung hat unverzüglich zu erfolgen bei: sicherheitsrelevanten Änderungen der Arbeitsbedingungen oder/und Arbeitsmittel, neuen Informationen aus Unfallgeschehen und arbeitsmedizinischer Vorsorge, bei der Wirksamkeitskontrolle sich ergibt, dass die Schutzmaßnahmen nicht wirksam oder ausreichend sind. 12
Absatz 8 Die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung dient: 1. der Nachvollziehbarkeit der Gefährdungsbeurteilung mit den getroffenen Schutzmaßnahmen, 2. der Rechtssicherheit des Arbeitsgebers bei Unfällen oder Betriebsstörungen. Hält sich der Arbeitgeber vom Ausschuss für Betriebssicherheit empfohlenen Regeln, sind die Anforderungen der BetrSichV leicht nachvollziehbar, wählt der Arbeitgeber andere Regelungen als der Ausschuss für Betriebssicherheit empfiehlt, sind diese durch den Arbeitgeber nachvollziehbar zu dokumentieren. Die Dokumentation kann auch auf elektronischen Wege vorgenommen werden. 13
Absatz 9 Verzicht der Schutzmaßnahmen nach 8, 9 und 10 bei: Das Arbeitsmittel mindestens den sicherheitstechnischen Anforderungen zum Zeitpunkt seiner Inverkehrbringung entspricht, Das Arbeitsmittel entsprechend den Vorgaben des Herstellers verwendet wird. Keine zusätzliche Gefährdungen sich aus: Arbeitsumgebung, Arbeitsabläufe und Arbeitszeit auftreten, Instandsetzungsmaßnahmen und Prüfungen durchgeführt werden. 14
Definition von Schutzzielen in den 6, 8, 9 und 10 6 regelt die grundlegenden Schutzmaßnahmen bei der Verwendung von Arbeitsmitteln. 8 führt die allgemeinen Teile der Anhänge I und II der BetrSichV (2002) zusammen und formuliert diese als Schutzziele. 9 werden die die allgemeinen Teile der Anhänge I und II der BetrSichV (2002) zusammengefasst, welche nicht im 8 als Schutzziel erfasst sind. 10 werden die Schutzmaßnahmen bei Instandhaltung oder Änderung von Arbeitsmitteln definiert. 15
Zusammenfassung Das zentrale Element aller Verordnung ist die ganzheitliche Gefährdungsbeurteilung nach 5 ArbSchG und deren Dokumentation nach 6. Die im 3 Abs. 1 9 der BetrSichV genannten Forderungen sind bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung zu beachten. Die festgelegten Schutzmaßnahmen der definierten Schutzziele in den 6 und 8-10 BetrSichV werden in der Gefährdungsbeurteilung auf Wirksamkeit mit überprüft. 16
Dipl.-Ing.(FH). Dipl.-Inf.(FH) Mario Tryba MEDITÜV GmbH & Co.KG Arbeitsschutz: Sicherheit, Gesundheit, Mensch TÜV NORD GROUP Große Bahnstr. 31 22525 Hamburg