hemmer Fall 1, Seite 1 von 6 Fall 1 Die Koksgrube Frage 2 Frage 1

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Transkript:

hemmer Fall 1, Seite 1 von 6 Fall 1 Die Koksgrube H besitzt ein älteres Anwesen, in dessen Erdgeschoss er eine Gaststätte betreibt. Aus gesundheitlichen Gründen gibt er den Betrieb im März auf und verpachtet das ganze Anwesen an den Verein Drogenfrei e.v., der dort eine Drogenberatung eröffnet. Die Gaststätte wird unter dem Namen Koksgrube als Kontaktzentrum des Vereins weiterbetrieben. Eine gaststättenrechtliche Erlaubnis liegt vor. Die Nachbarn sind über die Einrichtung einer Drogenberatung in ihrem sauberen Stadtteil empört. Viele befürchten eine Wertminderung ihrer Grundstücke, die Ausbreitung von Krankheiten und Kriminalität. Tatsächlich fallen auch die Jugendlichen, welche spät nachts die Koksgrube verlassen, durch lautes Sprechen auf. Die Nachbarn fühlen sich durch dieses Grölen unerträglich gestört und verlangen von den Behörden sofortiges Einschreiten. Die Behörde prüft daraufhin, ob sie gegen H auf Grundlage des Ordnungsrechts einschreiten kann. Gegen das von der Partei Die Grünen unterstützte Drogenzentrum möchte man wegen der knappen rot-grünen Mehrheit im Rathaus nichts unternehmen. Kaum ist der Infostand aufgestellt, kommt es zu einer großen Menschenansammlung, in der sich Befürworter und Gegner der Drogenberatung lautstark streiten. Die Fußgängerzone wird dadurch derart blockiert, dass die Kunden am Fortkommen gehindert werden und die umliegenden Geschäfte nicht betreten können. Daraufhin fordert die Polizei mehrfach über Lautsprecher zum Weitergehen und zum Verlassen der Umgebung des Informationsstandes auf und droht die zwangsweise Räumung des Platzes an. Die Aufforderung wird kaum beachtet. Als es dann in der Menge zu Tätlichkeiten und Handgreiflichkeiten kommt, wird die Menschenmenge mit Gewalt aufgelöst. Der A, der sich lautstark an der Diskussion beteiligt hatte, erlitt dabei starke Prellungen. Frage 2 A möchte wissen, ob die polizeiliche Auflösung der Menschenmenge rechtswidrig war und ihn gar in seinen Grundrechten verletzt hat. Frage 1 Kann die Behörde gegen H ordnungsrechtlich einschreiten? Als die Leitung der Drogenberatung von den Vorgängen erfährt, beschließt sie zur Entspannung der Situation an einem Samstag einen Informationsstand in der Fußgängerzone auf einem Platz aufzustellen. Durch sachliche Information verspricht man sich mehr Verständnis für das Anliegen einer Drogenberatung.

hemmer Fall 1, Seite 2 von 6 Lösung Fall 1 Frage 1 Nach dem Grundsatz der Subsidiarität findet das allgemeine Ordnungsrecht nur Anwendung, wenn keine Sonderregeln eingreifen. A. Gaststättengesetz als Rechtsgrundlage Das Gaststättenrecht als Sonderordnungsrecht des Bundes geht dem allgemeinen Ordnungsrecht vor. Im Falle der spezialgesetzlichen Befugniszuweisung (bzw. Ermächtigungsgrundlage) gehen diese Befugnisse dem SOG vor. Da es sich hier um eine Gaststätte handelt, ist zunächst zu prüfen, ob sich aus dem GastG besonders geregelte Befugnisse ergeben. Das Betreiben einer Gaststätte ist gemäß 2 I 1 GastG erlaubnispflichtig. Die Befugnis nach 5 I Nr. 3 GastG kommt hier jedoch nicht in Betracht, da sie nur die Erteilung von Auflagen regelt, also Anordnungen im Zusammenhang mit der Erlaubnis und gegenüber dem Erlaubnisnehmer. Das GastG verdrängt damit das allgemeine Ordnungsrecht vorliegend nicht. B. BImSchG als Rechtsgrundlage Das BImSchG ist hier grundsätzlich anwendbar, da es sich bei der Gaststätte um eine Betriebsstätte i.s.v. 3 V Nr. 1 i.v.m. 2 I Nr. 1 BIm- SchG handelt. Gemäß 3 II BImSchG stellt Lärm eine Immission im Sinne dieses Gesetzes dar, die gemäß 3 I BImSchG als schädliche Umwelteinwirkung geeignet ist, erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit herbeizuführen. I. Genehmigungsbedürftige oder genehmigungsfreie Anlage? Das BImSchG differenziert nach genehmigungsbedürftigen und genehmigungsfreien Anlagen. Dabei sind gemäß 4 I 1 BImSchG Anlagen genehmigungsbedürftig, die in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, erheblich zu benachteiligen oder zu belästigen. Die Bundesregierung hat von der ihr in 4 I 3 BImSchG gegebenen Kompetenz Gebrauch gemacht. Damit sind genehmigungsbedürftige Anlagen nach 4 I 1 BImSchG nur solche, die in der 4. DurchführungsVO zum BImSchG genannt sind (Enumerationsprinzip). Dort sind Gaststätten nicht aufgeführt. II. III. IV. Bei einer Gaststätte handelt es sich somit nicht um eine genehmigungsbedürftige Anlage, sondern um eine solche i.s.d. 22 ff. BImSchG. 24 S. 1 BImSchG als Eingriffsbefugnis? Bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen kann die zuständige Behörde im Einzelfall gemäß 24 S. 1 BImSchG die zur Durchführung des 22 erforderlichen Anordnungen treffen (zum Beispiel eine nachträgliche Anordnung, dass Personal ab 22 Uhr vor der Gaststätte für Ruhe sorgen soll, Ruheschilder aufstellen etc.). Eine Befugnis nach 24 S. 1 BImSchG setzt also einen Tatbestand aus 22 BImSchG voraus. Hier ist der Fall des 22 I Nr. 1 BImSchG gegeben. Damit besteht die Befugnis nach 24 S. 1 BImSchG. Adressat Aus 24 S. 1 i.v.m. 22 I 1 Nr. 1 BImSchG ergibt sich, dass der Betreiber der Anlage, also hier der Verein Drogenfrei e.v., Adressat der Maßnahme bzw. sonderordnungsrechtlicher Störer ist. Damit kann gemäß 24, 25 BIm- SchG gegen den H als Eigentümer nicht vorgegangen werden, weil er im sonderordnungsrechtlichen Sinn des BImSchG nicht Störer (= Anlagenbetreiber) ist. Diese sonderordnungsrechtlichen Regelungen sind solange vorrangig, wie die polizeirechtlichen Generalklauseln nicht zu weitergehenden Maßnahmen ermächtigen bzw. es sich nicht um unaufschiebbare Maßnahmen handelt. Polizei- und ordnungsrechtliche Anordnungen zur Abwehr anderer Gefahren als solche durch Immissionen bleiben jedoch unberührt. 1 Letztere sind hier jedoch von Bedeutung, so dass ein Rückgriff auf das SOG insoweit unzulässig ist. Ergebnis Damit kann H nach BImSchG nicht in Anspruch genommen werden. C. Rückgriff auf SOG Es ist fraglich, ob vorliegend noch auf das allgemeine SOG zurückgegriffen werden kann. Soweit ein Spezialgesetz einschlägig ist, kann auf das allgemeine Ordnungsrecht nur zurückgegriffen werden, wenn das Sonderordnungsrecht dies ausdrücklich zulässt oder keinen abschließenden Charakter hat. Ob ein solcher vorliegt ist jeweils durch Auslegung der Spezialnormen zu ermitteln. Bei genehmigungspflichtigen Anlagen i.s.d. BImSchG wird ein abschließender Charakter bejaht. Bei nicht genehmigungspflichtigen Anlagen - wie hier - ist streitig, ob ein abschließen- 1 Hansemann in Landmann/Rahmer, Umweltrecht, Bd. I, 24, Rdnr. 9.

hemmer Fall 1, Seite 3 von 6 der Charakter vorliegt, so dass ein Rückgriff auf das SOG unmöglich wäre. 2 Der Streit kann jedoch dahinstehen, wenn auch auf Grundlage des SOG ein Vorgehen gegen H im Ergebnis unzulässig ist. Ein Vorgehen gegen H wäre nach 3 I SOG zu prüfen. Fraglich ist, ob überhaupt eine Gefahr 3 angenommen werden kann, da ausweislich des Sachverhalts die Jugendlichen nur durch lautes Sprechen auffallen. Eine Inanspruchnahme von H setzt aber darüber hinaus voraus, dass er als Störer angesehen werden kann. H könnte zwar als Eigentümer Zustandsstörer gem. 9 I SOG sein;; eine mögliche Gefahr geht aber nicht von der Sache, sondern von den Personen aus. Eine Inanspruchnahme als Nichtstörer gem. 10 SOG scheitert daran, dass auch ein Vorgehen gegen mögliche Störer, hier die Jugendlichen, denkbar wäre. Daher wäre, selbst wenn das SOG für anwendbar erachtet wird, eine Maßnahme gegen H nicht rechtmäßig. D. Ergebnis Frage 2 Im Ergebnis ist ein Vorgehen gegen H nicht möglich. A. Rechtmäßigkeit der gewaltsamen Auflösung Vorliegend kommt eine Verletzung der Rechte des A sowohl durch den Platzverweis als auch durch dessen Vollstreckung in Betracht. Anmerkung: Da in der Fallfrage nach der Rechtmäßigkeit der Auflösung gefragt war, wird nachfolgend die gewaltsame Auflösung und darin inzident der Grund-VA geprüft. Denkbar wäre es auch zuerst den Grund-VA und danach die Vollstreckung zu prüfen. Dies wird aber der Fallfrage weniger gerecht. Das SOG enthält keine umfassende Normierung ordnungsbehördlicher Zwangsmittel. Die Vollstreckung von Verwaltungsakten, die auf die Vornahme einer Handlung, Duldung oder Unterlassung gerichtet sind, wird als Verwaltungszwang bezeichnet und richtet sich nach dem HmbVwVG (nachfolgend VwVG). Lediglich der Einsatz unmittelbaren Zwangs ist durch die ergänzenden Sonderregeln der 17 ff. SOG erfasst. Dabei sind die 17 ff. SOG nicht auf Maßnahmen der Gefahrenabwehr beschränkt, sondern ergänzen gemäß 17 I 2 SOG das VwVG für alle Fälle des unmittelbaren Zwangs. 4 Gem. 3 III Nr. 3, 15 VwVG i.v.m. 17 ff SOG könnte die Polizei die Auflösung der Ansammlung im Wege des gestreckten Verfahrens und mit dem Zwangsmittel des unmittelbaren Zwangs durchgeführt haben. I. Rechtsgrundlage II. III. Rechtsgrundlage für die Anwendung von Zwangsmitteln im gestreckten Verfahren ist 3 III Nr. 3, 15 VwVG. Formelle Rechtmäßigkeit 1. Zuständigkeit Es gilt der Grundsatz, dass die Polizei zur Vollstreckung ihrer eigenen Verfügungen berufen ist ((S) Grundsatz der Selbstvollstreckung), vgl. 4, 5 VwVG 2. Verfahren und Form Fraglich ist, ob eine Anhörung gem. 28 I VwVfG erforderlich ist. Es ist umstritten, ob die Anwendung unmittelbaren Zwangs einen Verwaltungsakt darstellen kann. Nach einer Ansicht ist dies zu bejahen, da in der Anwendung des Zwangsmittels auch eine konkludente Duldungsverfügung gegenüber dem Bürger ausgesprochen werde. Eine Anhörung würde vorliegend jedoch gem. 28 II Nr. 5 VwVfG entbehrlich sein. Nach überwiegender Ansicht ist der Zwangsmitteleinsatz als Realakt zu bewerten, so dass 28 VwVfG gar nicht anzuwenden, mithin keine Anhörung zu erfolgen hat. Materielle Rechtmäßigkeit Im Folgenden sind die materiellen Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit des unmittelbaren Zwangs zu prüfen. 1. Wirksamer Grund-VA 3 III Nr. 3 setzt zunächst einen wirksamen Grundverwaltungsakt voraus. Die Aufforderung, den Platz zu verlassen stellt einen wirksamen, nicht nach 44 VwVfG nichtigen Grund-VA dar. 2. Keine Aufschiebende Wirkung 3 III Nr. 3 VwVG verlangt, dass Rechtsbehelfe gegen den Verwaltungsakt keine aufschiebende Wirkung haben. Gemäß 80 II Nr. 2 VwGO haben Rechtsbehelfe gegen unaufschiebbare polizeiliche Anordnungen keine aufschiebende Wirkung. 3. Rechtmäßigkeit des Grund-VA Streitig ist im Fall des 3 III Nr. 2, 3 VwVG, ob der Grundverwaltungsakt lediglich wirksam (so die h.m.: Argument der effektiven Gefahrenabwehr) oder ob er auch rechtmäßig sein muss, 2 3 Vgl. OVG Münster DVBl. 1979, 317 m.w.n. Auf den Gefahrenbegriff wird in den nächsten Fällen noch umfassend eingegangen. 4 Hoffmann-Riem/Koch, Hamburgisches Staats- und Verwaltungsrecht, S. 252 f.

hemmer Fall 1, Seite 4 von 6 5 6 7 8 damit er vollstreckt werden kann (so die Mindermeinung: Argument des effektiven Rechtsschutzes). Dieser Streit kann jedoch dahin stehen, wenn der zugrunde liegende Verwaltungsakt wirksam und rechtmäßig war. 5 a. Rechtsgrundlage des Grund-VA Nach dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes bedarf ein polizeilicher Eingriffsakt einer Rechtsgrundlage. Rechtsgrundlagen für ordnungsbehördliche Eingriffe finden sich in den Befugnisnormen. Hierbei ist zunächst zu prüfen, inwieweit Befugnisse in Spezialgesetzen enthalten sind. Finden sich spezialgesetzliche Befugnisnormen und ist die Regelung als abschließend zu beurteilen, so scheidet ein Rückgriff auf die Befugnisnormen des SOG aus. Grundsätzlich wäre das Versammlungsgesetz als Sonderordnungsrecht des Bundes dem SOG des Landes vorrangig. Voraussetzung ist aber, dass es sich vorliegend um eine Versammlung handelt. Unter einer Versammlung versteht die h.m. die gewollte Zusammenkunft mehrerer Personen (mindestens zwei) zu dem gemeinsamen Zweck der Meinungsbildung bzw. -kundgabe. 6 Passanten, die sich an einem Informationsstand einer politischen Partei oder sonstigen Gruppierung ansammeln, bilden in der Regel keine Versammlung;; jedenfalls solange sie keine gemeinsame Meinungsbildung erstreben, sondern nur ein einseitiges Informationsangebot von dem Stand erwarten. 7 Im vorliegenden Fall handelt es sich auch bei der Menschenansammlung vor dem Informationsstand nicht um eine Versammlung, da die innere Verbindung und Gemeinsamkeit nicht darin gesehen werden kann, dass die Passanten sich lautstark über die Drogenberatung streiten. Es ist jedoch auch vertretbar, den Versammlungscharakter zu bejahen, weil die zufällig entstandene Menschenansammlung sich in ihrem Charakter verändert hat, indem sie gemeinsam über die Drogenberatung diskutiert und sich damit ihrer inneren Verbindung bewusst wurde ( Spontanversammlung 8 ). Selbst wenn aber das Vorliegen einer Versammlung bejaht wird (Ermächtigungsgrundlage zur Auflösung der Eine derartige Vorgehensweise wird z.t. abgelehnt (vgl. Muckel JA 2012, 272, 277, welcher der h.m. folgen will). Aus klausurtaktischen Gründen (!) wird vorliegend aber eine Inzidentprüfung vorgenommen. Vgl. Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rn. 776 ff.;; Gusy, Polizeirecht, Rn. 327 m.w.n.;; Gornig/Jahn, S. 52;; zur Öffentlichkeit einer Versammlung: ThürOVG DVBl. 1998, 104. BVerwGE 56, S. 63. Vgl. Knemeyer, Rn. 542. 9 Versammlung ist dann 15 III VersammlG), wäre zumindest das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht einschlägig, da der Schutzbereich des Art. 8 I GG auf friedliche Versammlungen begrenzt ist. Die Menschenmenge wird aufgelöst, als es zu Tätlichkeiten und Handgreiflichkeiten kommt. Es handelt sich dann nicht mehr um eine friedliche Versammlung, die die Polizei aufgelöst hat. Folgt man der Ansicht, dass das Versammlungsgesetz nicht einschlägig ist, bleibt das SOG anwendbar. Das polizeiliche Vorgehen ist dann gemäß 12 a SOG als Platzverweisung anzusehen. b. Formelle Rechtmäßigkeit des Platzverweises Gemäß 3 II 1 lit. a SOG ist die Vollzugspolizei bei unaufschiebbaren Maßnahmen im Bereich der Gefahrenabwehr zuständig, also wenn ein Tätigwerden der zuständigen Verwaltungsbehörde (hier Bezirksamt) nicht rechtzeitig möglich ist. Es muss also eine besondere Eilsituation vorliegen (sog. Eilkompetenz der Polizei). Hier hatte sich die Gefahr schon realisiert. Die Fußgängerzone war bereits blockiert und damit die Gefahr (Störung der Rechte der kaufwilligen Kunden und der Rechte der Ladeninhaber) eingetreten. Es ist auch davon auszugehen, dass die örtliche Polizei gehandelt hat. c. Materielle Rechtmäßigkeit des Platzverweises aa. Voraussetzungen der Rechtsgrundlage Es müsste eine Gefahr vorliegen. Gefahr ist eine Sachlage, die bei ungehindertem Fortgang und in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die öffentliche Sicherheit und/oder Ordnung führen wird. 9 Exkurs zur Gefahrenprognose: Ob eine Gefahr vorliegt, ist im Rahmen einer Gefahrprognose aus Sicht eines verständigen Beobachters Bedeutung des Schutzgutes Götz, Rdnr. 115. Gefahr (-) Gefahr (+) Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts

hemmer Fall 1, Seite 5 von 6 ex ante zu bestimmen. Im Rahmen dieser Prognose sind sowohl die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts als auch die Bedeutung des bedrohten Rechtsguts zu berücksichtigen (z.b. nur Eigentum gefährdet oder Leib und Leben gefährdet?). Also gilt: Je höherwertiger das bedrohte Schutzgut, desto geringere Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts und umgekehrt. Vorliegend werden die Grundrechte der kaufwilligen Passanten und der verkaufswilligen Ladenbesitzer beeinträchtigt. Damit hat sich das Geschehen bereits zu einem Schaden entwickelt, so dass sogar eine Störung der öffentlichen Sicherheit vorliegt. Eine dauerhafte Platzverweisung wäre unzulässig. Die Polizei will hier jedoch nur den Verkehrsstau auflösen, also nur vorübergehend eingreifen. Somit sind die Voraussetzungen des 12a SOG erfüllt. bb. Verantwortlichkeit, 8 I SOG Die diskutierenden Passanten sind vor dem Infostand stehen geblieben und haben dadurch die Fußgängerzone blockiert. Damit haben sie durch ihr Verhalten die Gefahrengrenze überschritten und sind Verhaltensstörer i.s.d. 8 I SOG. Eine Platzverweisung ist auch gegen eine unbestimmte Zahl von Personen möglich. Anmerkung: Fraglich könnte hier ferner sein, ob nicht die Betreiber des Infostandes als Zweckveranlasser ordnungsrechtlich verantwortlich sind. Hierzu werden folgende Ansichten vertreten: Theorie der rechtswidrigen Verursachung (Mindermeinung), wonach ein mittelbarer Verursacher nur dann Störer ist, wenn er durch sein Verhalten Rechtsnormen verletzt hat;; Theorie der unmittelbaren Verursachung (herrschende Meinung), wonach ausnahmsweise auch nur ein mittelbarer Verursacher ordnungsrechtlich verantwortlich ist, wenn der mittelbare Verursacher von Anfang an eine erhöhte Gefahrentendenz aufweist;; zwei Fallgruppen als mittelbare Verursacher: Zweckveranlasser und latenter Störer! Hinsichtlich des Zweckveranlassers vertrat die frühere Rechtsprechung die Auffassung, dass ein Zweckveranlasser nur dann als Störer verantwortlich ist, wenn beim Zweckveranlasser als subjektives Moment vorliegt, eine Störung absichtlich herbeiführen zu wollen. 10 Nach heute herrschender Meinung ist Zweckveranlasser, wer die störende Folge objektiv bezweckt bzw. gefahrerhöhende typische Risi- ken schafft. 11 Es geht mithin um eine wertende Betrachtungsweise. Im vorliegenden Fall können die Betreiber des Infostandes als Zweckveranlasser angesehen oder abgelehnt werden. Beide Ansichten sind vertretbar. cc. Ermessen Die Polizei hätte von ihrem Ermessen (Opportunitätsprinzip) keinen Gebrauch machen dürfen, wenn die Platzverweisung die Diskutierenden in ihren Grundrechten verletzen würde. Es könnte hier demnach ein Fall der Ermessensüberschreitung vorliegen. Dann müsste der Platzverweis gegen Art. 8 oder Art. 5 GG verstoßen. (1) Art. 8 GG Voraussetzung für die Einschlägigkeit von Art. 8 GG ist, dass es sich nicht nur um eine bloße Ansammlung von Menschen, sondern um eine Versammlung i.s.d. Art. 8 GG handelt. Hier fehlt es schon an der gemeinsamen Willensbildung. (2) Art. 5 I GG (Meinungsäußerungsfreiheit) Da Art. 8 GG (Schutz der kollektiven Meinungsäußerung) nicht eingreift, kann sich der A auf Art. 5 GG (individuelle Meinungsäußerungsfreiheit) berufen. Art. 5 I 1 1. Hs. GG ist hier insbesondere deshalb einschlägig, weil sich der A lautstark an den Diskussionen beteiligt hat. Materielle Einschränkbarkeit ist nur im Rahmen des qualifizierten Schrankenvorbehalts (Art. 5 II GG) möglich, also nur durch ein allgemeines Gesetz. Allgemeine Gesetze i.s.v. Art 5 II GG sind solche, die nicht eine Meinung an sich untersagen, sondern dem Schutz eines ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsgutes dienen. 12a SOG ist ein allgemeines Gesetz und im Übrigen auch formell und materiell verfassungsgemäß. Ferner müsste der Eingriff der Polizei (hier: der Platzverweis) auch verhältnismäßig gewesen sein. Daraus folgt, dass das einschränkende Gesetz seinerseits wieder Grenzen findet im einzuschränkenden Grundrecht aus Art. 5 GG (Wechselwirkung). Notwendig ist also eine fallbezogene Güterabwägung zwischen dem beeinträchtigten Kommunikationsgrundrecht und den Interessen, die mit den allgemeinen Gesetzen verfolgt werden. Da im vorliegenden Fall die Kunden am Fortkommen gehindert werden und die umliegenden Geschäfte nicht betreten können, sind sie in ihrem Grundrecht aus Art. 2 I GG beeinträchtigt. Diese Interessen sollen vorliegend durch den Platzverweis der Polizei ( 12a SOG) geschützt werden. Eine Abwägung führt dabei zu dem Ergebnis, dass die Grundrechte der Kunden/Händler höher zu be- 10 Pr.OVG 80, 176. 11 Götz, Rdnr. 202.

hemmer Fall 1, Seite 6 von 6 werten sind und die Auflösung der Menschenansammlung daher rechtmäßig ist. Die Auflösung der Menschenansammlung verstößt nicht gegen Art. 5 I 1 1. Hs. GG. (3) Art. 11 GG (Freizügigkeit) Schließlich könnte der Platzverweis in das Recht auf Freizügigkeit aus Art. 11 GG eingreifen. Freizügigkeit bedeutet die Möglichkeit, an jedem Ort innerhalb der Bundesrepublik Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen 12. Aufenthalt bedeutet vorübergehendes Verweilen. Da jede Fortbewegung aber eine Folge von Augenblicken des Verweilens ist, stellt sich die Frage, wann ein hinreichendes Verweilen vorliegt 13. Während teilweise erst eine Übernachtung ein Aufenthaltsverhältnis begründen soll 14, ist mit der h.m. zu beachten, dass auch ein Besuch von nur wenigen Minuten von elementarer Bedeutung für die Freiheit des einzelnen sein kann und daher grundrechtsschutzwürdig ist 15. Der Schutzbereich ist damit eröffnet. Art. 11 II GG betrifft aber Rechtsgüter, zu deren Schutz auch vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte begrenzt werden dürfen 16. Zur Vorbeugung weiterer strafbarer Handlungen ( 223, 240 StGB) konnte daher die Polizei in das Freizügigkeitsrecht eingreifen. Auch Art. 11 GG wird durch den Platzverweis nicht verletzt. d. Zwischenergebnis Damit war die Platzverweisung selbst rechtmäßig, der Streit, ob nur ein rechtmäßiger Verwaltungsakt i.r.d. 3 III Nr. 2, 3 VwVG vollstreckt werden darf, ist daher nicht zu entscheiden. 4. Ordnungsgemäße Vollstreckung Gemäß 11 HmbVwVG stehen vier verschiedene Zwangsmittel zur Verfügung. Das mildeste ist das Zwangsgeld, danach Ersatzvornahme, stärker noch der unmittelbare Zwang und (als einschneidenstes) Zwangsmittel die Erzwingungshaft. Gemäß 12 I HmbVwVG ist bei der Auswahl des Zwangmittels der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Hier war der unmittelbare Zwang grundsätzlich zulässig, weil ein Zwangsgeld keinen Erfolg versprochen hätte und eine Ersatzvornahme nicht in Betracht kam. Vorliegend wurde die Menschenmenge mit Gewalt aufgelöst, es wurde al- 12 BVerfGE 2, 266, 273 13 Pieroth/Schlink, Rdnr. 855 14 Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, 1970, S. 43 f. 15 MDHS 11/37;; Pieroth/Schlink, Rdnr. 855;; von Münch-Kunig, GG Art. 11 Rdnr. 14. 16 Vgl. Drews/Wacke, Gefahrenabwehr, 278. so unmittelbarer Zwang angewandt, vgl. 18 I, II SOG. Während in Hamburg grundsätzlich ein Hinweis auf die Anwendung von Zwangsmitteln genügt, vgl. 8 HmbVwVG, gilt für den unmittelbaren Zwang gemäß 22 I 1 SOG die Besonderheit, dass er vor seiner Anwendung anzudrohen ist. Wenn die Tätlichkeiten der Passanten bereits ein schwerwiegendes Stadium erreicht hätten, wäre eine Androhung gemäß 22 I 2 SOG entbehrlich. Dies kann hier jedoch im Ergebnis offenbleiben, da die Androhung mehrfach (vgl. 22 III SOG) über Lautsprecher erfolgt ist. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs wäre allerdings rechtswidrig, wenn sie gegen die Grundrechte des A verstoßen hätte. Durch die Auflösung der Menschenansammlung wird in das Grundrecht der Informationsfreiheit des A eingegriffen. Insoweit gelten jedoch die gleichen Maßstäbe wie bei Art. 5 I 1 1. Hs. GG (Meinungsäußerungsfreiheit), siehe oben. Da der A bei der Auflösung der Menschenansammlung starke Prellungen erlitt, liegt ein Eingriff in sein Recht auf körperliche Unversehrtheit vor. Dieser ist jedoch durch den Schrankenvorbehalt hier durch das verhältnismäßige SOG gerechtfertigt. Es kam in der Menschenmenge bereits zu Köperverletzungsdelikten, so dass die Polizei auch gewaltsam einschreiten durfte. Damit ist durch die Anwendung unmittelbaren Zwangs nicht gegen die Grundrechte des A verstoßen worden. Anmerkung: Als weiterer Prüfungspunkt bei der Rechtmäßigkeit der Vollstreckung ist wenn entsprechende Sachverhaltsangaben vorliegen das Vorliegen von Vollstreckungshindernissen zu beachten. Vollstreckungshindernis kann zum Beispiel die Erfüllung sein. Aber auch die rechtliche Unmöglichkeit der verlangten Handlung stellt ein Vollstreckungshindernis dar. Verlangt zum Beispiel die Behörde von dem Tanklastzugfahrer, dass er selbst das ausgelaufene Öl vom Acker des Bauern abträgt, so ist diese Tätigkeit rechtlich unmöglich, solange nicht eine Duldungsverfügung an den Bauern zur Duldung dieser Tätigkeit auf seinem Ackergrundstück ergangen ist. C. Ergebnis Sowohl der Platzverweis als auch seine Vollstreckung waren rechtmäßig. A ist durch das polizeiliche Vorgehen nicht in seinen Grundrechten verletzt worden. Vertiefungsfragen Vgl. Schlömer/Hombert, Verwaltungsrecht BT I S. 106 ff. 1. Welche Reihenfolge gilt für die Prüfung der Ermächtigungsgrundlage für eine Ordnungsverfügung? 2. Welches sind die zur Gefahrenabwehr zuständigen Behörden?