(geometrische) Anschauung

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(geometrische) Anschauung Marcus Page Juni 28 In dieser Lerneinheit widmen wir uns dem schon oft angesprochenen Zusammenhang zwischen Matrizen und linearen Abbildungen. Außerdem untersuchen wir Funktionen, sowie deren gerichtete Ableitungen und Approximationsebenen im dreidimensionalen Raum. Ziel ist es, uns eine Anschauung von diesen Sachverhalten zu erarbeiten und damit vom sturen nach- Formel-Rechnen ein Stück weg zu kommen. Matrizen und lineare Abbildungen In der Vorlesung und auch während der Übungen hört man oft Sätze wie Matrizen sind lineare Abbildungen oder wie lautet die Matrix zu dieser linearen Abbildung? Mit diesem Zusammenhang wollen wir uns nun ein wenig genauer beschäftigen und wiederholen dazu kurz die Definition der Linearität (wir beschränken uns hier der Einfachheit halber auf Funktionen von R n nach R n ): Definition.. Eine Funktion ϕ : R n R n heißt linear falls gilt: (i) ϕ(a + b) =ϕ(a)+ϕ(b) (ii) ϕ(λa) =λϕ(a) a, b R n λ R,a R n Beobachtung.2. Wegen ϕ() = ϕ( ) = ϕ() = folgt dass der Nullvektor durch jede beliebige lineare Abbildung immer wieder auf den Nullvektor abgebildet wird. Sei nun ϕ : R 2 R 2 eine lineare Funktion. Wir interessieren uns dafür worauf ein beliebiger Vektor v R 2 durch anwenden von ϕ abgebildet wird. Wir bemerken zunächst den Folgenden Sachverhalt: v = µ v = µ v + µ = v µ + v 2 µ Aufgrund der Linearität von ϕ ergibt sich daraus unmittelbar: µ µ µ µ µ µ µ v v ϕ(v) =ϕ( )=ϕ( + )=ϕ(v )+ϕ(v 2 )=v ϕ( )+v 2 ϕ( ) Um zu verstehen, bzw. um zu wissen worauf ein beliebiger Vektor v abgebildet wird reicht es also vollkommen aus zu wissen, worauf die Basisvektoren abgebildet werden. Der Rest ergibt sich wie im Beispiel durch Addition und skalare Multiplikation.

Merkregel.3. Um eine lineare Funktion komplett zu bestimmen reicht es vollkommen aus die Bilder der Basisvektoren zu kennen. Mit Matrizen (und hier entsteht der Zusammenhang) verhält es sich genauso; Für eine beliebige Matrix A, welche von R 2 nach R 2 abbildet gilt: µ µ µ µ v Av = A + A = v A + v 2 A Sowohl Matrizen, als auch lineare Funktionen werden also vollständig durch die Bilder der Basisvektoren bestimmt. Eine Matrix A welche die Basisvektoren der Standardbasis des R 2 zum Beispiel auf die gleichen Vektoren abbildet wie eine lineare Funktion ϕ, wird folglich auch alle anderen Vektoren gleich abbilden. Die Matrix A und die lineare Funktion ϕ beschreiben somit die selbe Abbildung, und zu jeder linearen Funktion ϕ kann eine solche Matrix A gefunden werden. In Folgenden beschäftigen wir uns mit der Frage wie man zu einer gegebenen linearen Abbildung (ob als Funktion oder als Textaufgabe) die zugehörige Matrix finden kann. Hierzu gilt die nachstehende Merkregel: Merkregel.4. In den Spalten der Matrix A stehen die Bilder der Basisvektoren. Dieser Zusammenhang lässt sich Folgendermaßen einsehen: Wenn A R m n eine beliebige Matrix ist dann liefert die Multiplikation mit dem k-ten Standardbasisvektor die k-te Spalte der Matrix. µ 2 Beispiel.5. 3 4 µ µ µ 2 2 = 3 4 4 µ = µ 3 Wenn man also mit dem k-ten Basisvektor multipliziert (das Bild dieses Vektors ausrechnet) erhält man die k-te Spalte der Matrix. Daraus folgt aber direkt dass die k-te Spalte der Matrix natürlich das Bild des k-ten Basisvektors sein muss. Um die Matrix zu einer beliebigen linearen Abbildung aufzustellen reicht es also vollkommen aus die Bilder der Basisvektoren zu kennen und diese als Spalten in die Matrix einzutragen. Noch ein Wort zu Textaufgaben: Oftmals sind lineare Abbildungen nicht einfach als Funktion, sondern vielmehr als beschreibender Text (z.b. gesucht ist die Matrix einer Spiegelung an der Ebene...) gegeben. In diesem Fall stellt es sich natürlich teilweise als schwierig heraus die Bilder der Standardbasisvektoren auszurechnen da diese ja beliebig schräg zu der Ebene stehen könnten. Hier würde man natürlich geschickt eine andere Basis B (von Vektoren deren Bilder man kennt) wählen und dann diese Bilder (als Bilder der Basisvektoren der Basis B) als Spalten in die Matrix eintragen. Diese wäre dann natürlich gegeben zu Basis B und müsste gegebenenfalls durch Basistransformation in die Standardbasis oder eine beliebige andere Basis überführt werden. 2 Funktionen in mehreren Variablen In diesem Abschnitt wollen wir die Anschauung von Funktionen in mehreren Veränderlichen stärken. Hierzu erinnern wir uns zunächst einmal an den Fall den wir gut kennen: Funktionen welche nur von einer Variablen abhängen, also zum Beispiel Funktionen von R nach R. Diese 2

können wir uns gut veranschaulichen indem wir die Funktion, genauer gesagt den Graphen der Funktion im zweidimensionalen Koordinatensystem im R 2 zeichnen. Der Graph einer Funktion von R nach R ist also eine Menge im R 2 weil wir Definitions- und Wertebereich zusammen in ein Bild zeichnen. Etwas komplizierter wird die ganze Sache wenn wir Funktionen mit einem mehrdimensionalen Definitionsbereich, also zum Beispiel Funktionen von R 2 nach R betrachten. Wenn wir analog zum eindimensionalen Fall nun den Graphen zeichnen wollen erhalten wir als Bild ein Objekt im R 3. Beispiel 2.. Graph einer Funktion von R 2 nach R. Man kann sich solche Funktionen also relativ leicht als Berge im dreidimensionalen Raum vorstellen, wobei wir den R 2 als Definitionsbereich haben und die Bilder der einzelnen Punkte als Höhe interpretieren. Wir wollen nun noch einmal einen Blick auf die Ableitungen solcher Funktionen werfen. Wie man leicht am Bild erkennen kann ist zunächst einmal garnicht klar was mit Ableitung in einem Punkt gemeint ist. Man kann sich vorstellen man würde an irgendeinem Punkt auf der Funktion stehen. Dann kann es natürlich prinzipiell passieren, dass es in jeder Richtung mit einer anderen Steigung weitergeht. Die Ableitung (besser gesagt die totale Ableitung) in einem Punkt kann also nicht einfach nur eine Zahl sein, wie im eindimensionalen Fall, vielmehr erhalten wir den Gradienten bzw. die Jacobi-matrix und damit das folgende Resultat: Beobachtung 2.2. Die totale Ableitung einer mehrdimensionalen Funktion an einem Punkt ist wieder eine Funktion (und nicht einfach nur eine Zahl). Anschaulich hängt diese Funktion natürlich von der Richtung ab, was auch den Zusammenhang zwischen Gradient, Richtung und gerichteter Ableitung erklärt. Was ist nun aber diese Richtungsableitung? Laut Skript bzw. Übung ist die gerichtete Ableitung einer Funktion f an der Stelle a in Richtung v gleich der Ableitung der Funktion g(t) =f(a+tv) an der Stelle. Was bedeutet das? Zunächst einmal stellen wir fest, dass g nur 3

noch von einer Variablen abhängt, wir können damit diese Funktion ganz normal mit unserem Schulwissen ableiten. Anschaulich kann man sich vorstellen dass die Funktion f (der Berg) durch den Punkt a in Richtung v durchgeschnitten wird und das Resultat eine Funktion g von R nach R ist. Man steht also quasi am Punkt a und läuft die Funktion nur in Richtung v entlang. Dazu das Folgende Bild: Die Ableitung von g an der Stelle ist dann natürlich eine Tangente, welche an g, bzw. an f in Richtung v anliegt: 4

Wir betrachten nun noch die Ableitung in eine andere Richtung am selben Punkt a und erhalten eine zweite Tangente: Rein geometrisch überlegt spannen zwei Geraden (die beiden Tangenten) natürlich eine Ebene im dreidimensionalen Raum auf, welche wir auch einzeichnen wollen: Bzw. etwas gedreht zur besseren Anschauung: 5

Es stellt sich also heraus dass die von zwei beliebigen Richtungsableitungen aufgespannte Ebene gleich der Approximationsebene im Punkt a ist und damit in diesem Punkt an der Funktion anliegt. Dies ist nicht weiter verwunderlich wenn wir uns noch einmal die Formel für diese Approxmationsbene anschauen. Es gilt: z = f(a)+ f(a) T (x a), wobei der hintere Teil dieser Gleichung (nach Aufgabe G33) genau der Richungsableitung von f in Richtung x an der Stelle a entspricht. Die Ebene setzt sich somit anschaulich zusammen aus allen Tangentialgeraden welche irgendeine Richtungsableitung im Punkt a darstellen. Umgekehrt (und das ist auch im Bild gut zu erkennen) wird jede Tangente (also jede Richtungsableitung) im Punkt a auch in dieser Ebene liegen. Die totalen Ableitungen sind somit quasi nichts anderes als eine Verallgemeinerung der ganz normalen Ableitung im eindimensionalen Fall, die jedoch logischerweise von mehreren Variablen abhängt und damit geometrisch kompliziertere Gebilde darstellt. 6