FALL 5A (E) LÖSUNG AUCH CARBON KANN BRECHEN

Ähnliche Dokumente
FALL 5A (E) LÖSUNG AUCH CARBON KANN BRECHEN

Unfallwagen. H möchte wissen, ob und in welcher Höhe er Schadensersatzansprüche

I. Anspruch K gegen V auf Rückzahlung des Kaufpreises aus 437 Nr. 2, 326 V, 323 I, 346 I BGB 1

Unfallwagen. H möchte wissen, ob und in welcher Höhe er Schadensersatzansprüche. Lösung:

FALL 5 LÖSUNG DER GEBRAUCHTWAGENHANDEL

Konversationsübung im Bürgerlichen Recht * Sommersemester 2005 * Lösungsskizze Fall 20

Privatrecht II. Ass.jur. Ch. Meier. Übung Privatrecht II

V könnte gegen U einen Anspruch auf Nacherfüllung in Form der Lieferung eines neuen Kanus aus 437 Nr. 1, 439 BGB haben.

V Schlechtleistung Gewährleistung / Kaufrecht

Jura Online - Fall: Spitz auf Knopf - Lösung

Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb Dr. Axel Walz. Grundkurs Zivilrecht Arbeitsgemeinschaft Schuldrecht-AT. 29.

Fall 9 Lösung. I. Anspruch K gegen V auf Rückzahlung des Kaufpreises aus 346 I, 437 Nr. 2, 326 V BGB 1

Privatrecht II. Ass.jur. Ch. Meier. Übung Privatrecht II

Fall 5.1 Lösung. Anspruch des K auf Ersatz des entgangenen Gewinns i.h.v. 500 EUR aus 437 Nr. 3 BGB i.v.m. 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 S.

Gebrauchtwagenkauf. Student S verkauft seinen alten Wagen an Privatmann P. Bei Vertragsschluss

Fall 2. A. Ausgangsfall K könnte gegen V einen Anspruch auf Übereignung und Übergabe des Buches aus 433 Abs. 1 S 1 BGB haben.

Ausgangsfall Anspruch von A gegen Z auf Rückzahlung von 500 nach 437 Nr. 2 Var. 1, 323, 326 Abs. 5, 346, 398 S. 2 BGB

Kaufvertragsrecht. Kaufgegenstand: Sachen ( 433 Abs. 1 BGB) und Rechte ( 453 BGB) und sonstige Gegenstände ( 453 BGB)

Beispiel Inzahlunggabe eines Kfz

Juristisches Repetitorium hemmer

Kaufvertrag und Kaufvertragsstörungen

1. Frage: Anspruch des K gegen V auf Renovierung aus 437 Nr. 1, 439 I

FALL 2 ARBEITSTECHNIKEN DER EHEMALIGE JURASTUDENT

FALL 2 LÖSUNG DER EHEMALIGE JURASTUDENT AUSGANGSFALL

Grundzüge des Rechts, Teil B Sommersemester Übungsveranstaltung

Ist eine Kaufsache mangelhaft, so kann der Käufer unterschiedliche Rechte geltend machen => Zentralnorm: 437

Das Auto wird nicht zerstört, aber beschädigt. V verlangt von K Abnahme und Zahlung des Kaufpreises. Zu Recht?

Begleitkolleg zum Grundkurs II bei Wiss. Mit. Barbara Reich Fälle und Lösungen unter

ARBEITSGEMEINSCHAFTEN ZUM GRUNDKURS ZIVILRECHT (G-L) SOMMERSEMESTER 2012 PROF. DR. SUSANNE LEPSIUS. Lösung Fall 1

Die Zahlen beziehen sich auf die Seiten des Skripts. 1 Einleitung Grundlagen A. Vertragstypen...2. B. Kein Typenzwang...

Fall 6 Sachverhalt. Welche Rechte hat K? Tutroium WIPR II. Jana Bonß-Wolf, Louisa Hohmann

Fall 6 Lösungsskizze

Prof. Dr. jur. Uwe H. Schneider Wiss. Mitarbeiter Ass. jur. Stefan Holzner, LL.M.

Vorlesung Wirtschaftsprivatrecht

Allgemeine Geschäftsbedingungen

Hoher Verbrauch. Der Autohersteller X wirbt in diversen Automagazinen mit dem Slogan:

Übung im Privatrecht II Sommersemester Fall 2: Der gekaufte Gaul (vereinfacht nach BGH NJW 2006, 2250)

Rechtslage nach Beendigung des Vorrangs der Nacherfüllung

Fall Selbstvornahme im Kaufrecht

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Übersicht über die Rechte des Käufers bei Vorliegen eines Mangels ( 437 BGB)

195 Regelmässige Verjährungsfrist. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

Recht und Pflichten von Hundehaltern. Jörg Bartscherer Geschäftsführer und Justiziar

Lösung: Fall 5. A. Anspruch auf Rückzahlung gem. 346 I, 437 Nr. 2 Alt. 1, 440, 326 V, 323, 434, 433 BGB

Privatrecht II. Ass.jur. Ch. Meier. Übung Privatrecht II

Tierschutzgesetz / Tierschutz-Hundeverordnung

Übungsfall 1 Sachverhalt (1)

FALL 10 (ZUSATZFALL) LÖSUNG EIN EIMER SEIFE

Vorlesung Das neue Schuldrecht in Anspruchsgrundlagen. Übungsfall 5: Unmöglichkeit, Gefahrtragung ( Alter Wein in neuen Schläuchen )

Privatrecht II. Ass.jur. Ch. Meier. Übung Privatrecht II

FALL 10 (ZUSATZFALL) LÖSUNG EIN EIMER SEIFE

Fall 10. A. Anspruch K./. V auf Zahlung von 6000 EUR aus 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 BGB

Roßmanith Fallbesprechung BGB II SS Lösungsskizze FB 4. über die von D im Geschäft des J ausgesuchte Brosche

Übungsfall 1 - Sachverhalt

FALL 8 LÖSUNG SCHÖNFELDER-SARTORIUS-SCHWÄCHE

Übersicht zum Schadensersatz

I. Anspruch der K gegen V auf Übergabe und Übereignung des Kleides aus 433 I 1 BGB. Anspruch des K gegen V auf Schadensersatz aus 280 I, III, 283 BGB

FALL 1 ARBEITSTECHNIKEN EINFÜHRUNGSFALL: DIE KOMPLEXITÄT DES ZEITSCHRIFTENKAUFS

Zivilrecht SchuldR BT / KaufR Übersicht Nr. 3 Seite 1 von 6

Rechte des Käufers bei Mängeln der Kaufsache

Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht Lehrbuch Rn. 366 ff (culpa in contrahendo); Rn. 569 ff (Rechtsmängelhaftung); Rn. 572 ff (Konkurrenzen)

Frage 1: K verlangt von V Reparatur - Anspruch des K gegen V gem. 437 Nr. 1, 439 I 1.Alt. BGB 1

Beschaffenheitsvereinbarung - aktuell

Privatrecht II. Ass.iur. Ch. Meier. Übung Privatrecht II

HAFTUNG FÜR MÄNGELANSPRÜCHE BEIM KAUFVERTRAG

A. Anspruch K G, Beseitigung Fahrwerksdefekt, 437 Nr. 1, 439 I Fall 1. Prüfungsschema der Gewährleistungsrechte aus 437 ff:

Informationen zum Kaufrecht

FALL 2 LÖSUNG DER EHEMALIGE JURASTUDENT VARIANTE A

oder 535 I BGB Gewährung des Gebrauchs der Mietsache 535 II BGB Zahlung des Mietzinses

0Das Verhältnis des Besonderen Leistungsstörungsrechts zum Allgemeinen Leistungsstörungsrechts

Verbrauchsgüterkauf 474 ff. BGB

Rechtslage nach Beendigung des Vorrangs der Nacherfüllung

FALL 12 LÖSUNG RATENKAUF MIT TASCHENGELD

Fehlerauswertung der Klausur Blitz und Diebstahl. Prof. Dr. Inge Scherer vhb-kurse zum Privatrecht

Die Annäherung der Schadensersatzhaftung für Lieferung mangelhafter Ware an das UN-Kaufrecht

I. Anspruch entstanden 1. Ein wirksamer Kaufvertrag liegt vor.

Privatrecht II. Ass.iur. Ch. Meier. Übung Privatrecht II

Privatrecht II. Ass.jur. Ch. Meier. Übung Privatrecht II

Autohaus U. Das Auto bleibt bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung Eigentum des U.

A. Anspruch aus 346 Abs. 1 i. V. m. 437 Nr. 2, 326 Abs. 5 BGB

Frage 1 Ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises könnte nach 433 II BGB bestehen, wenn ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen ist.

Sachverhalt: Übungsfall 2

ABSTRACT FÜR EILIGE RECHTSPRECHUNG KOMPAKT. Neues Mängelgewährleistungsrecht. Rechtsberatung für den Mittelstand Seite 1. Newsletter Ausgabe 5 / 2017

BGHZ 179, 27 = NJW 2009, 427

Sachverhalt: Übungsfall 2

Fall 7: Sammlers Leid - Lösungsskizze. I. Anspruch des U gegen K auf Übergabe und Verschaffung des Eigentums, 433 I 1 BGB

Examenskolloquium Zivilrecht. 2. März 2017

Fall 3.1. I. Anspruch auf Übergabe und Übereignung aus 433 Abs. 1 S. 1 BGB. a) Kaufvertrag i. S. d. 433 BGB zwischen K und V (+)

Fall 3.1. I. Anspruch auf Übergabe und Übereignung aus 433 Abs. 1 S. 1 BGB

FALL 2 LÖSUNG DAS ZERSTÖRTE GEMÄLDE

Vierzehntes Kapitel - Besonderer Teil des Schuldrechts

Klimaanlage. Kann K von V die Rückzahlung des Kaufpreises verlangen?

I. Anspruch des K gegen V auf Rückzahlung von 24 aus 346 Abs. 1 BGB

Textsynopse zum kaufrechtlichen Gewährleistungsrecht

A. S gegen H Anspruch auf Rückzahlung der gem. 346 I i.v.m. 437 Nr. 2, 434, 326 V

FALL 1 LÖSUNG EINFÜHRUNGSFALL: DIE KOMPLEXITÄT DES ZEITSCHRIFTENKAUFS

Transkript:

PROPÄDEUTISCHE ÜBUNGEN ZUM GRUNDKURS ZIVILRECHT II SOMMERSEMESTER 2016 JURISTISCHE FAKULTÄT LEHRSTUHL FÜR BÜRGERLICHES RECHT, INTERNATIONALES PRIVATRECHT UND RECHTSVERGLEICHUNG PROF. DR. STEPHAN LORENZ FALL 5A (E) LÖSUNG AUCH CARBON KANN BRECHEN A. Ausgangsfall... 2 I. Anspruch S gegen V auf Schadensersatz statt der Leistung aus 437 Nr. 3, 311a Abs. 2 BGB 2 Kaufvertrag, 433 BGB... 2 Sachmangel bei Gefahrübergang, 434, 446 BGB... 2 a) Mangelhaftigkeit... 2 b) Bei Gefahrübergang... 2 c) Gewährleistungsausschluss... 3 aa) Auslegung der Klausel gekauft wie besichtigt... 3 bb) Wirksamkeit der Klausel... 3 (1) Grundsätzliche Zulässigkeit eines Haftungsausschlusses... 3 (2) Verbrauchsgüterkauf, 475 BGB... 3 (3) Unwirksamkeit wegen AGB-Inhaltskontrolle... 4 cc) Ergebnis... 5 Anfängliche Unmöglichkeit der Nacherfüllung, 275 Abs. 1 BGB... 5 Kenntnis oder zurechenbare Unkenntnis vom Leistungshindernis, 311a Abs. 2 S. 2 BGB... 5 II. Ergebnis 5 B. Abwandlung... 5 PHILIPP REUß

AG ZUM GRUNDKURS ZIVILRECHT II (PROF. DR. STEPHAN L ORENZ) SOMMERSEMESTER 2016 SEITE 2 VON 6 A. Ausgangsfall I. Anspruch S gegen V auf Schadensersatz statt der Leistung aus 437 Nr. 3, 311a Abs. 2 BGB Nota bene: Laut Bearbeitervermerk sind lediglich Schadensersatzansprüche zu prüfen. Freilich kommen auch andere Anspruchsgrundlagen in Betracht, die für S auch zum Ziel führen können, z.b. die Rückzahlung zu viel gezahlten Kaufpreises aufgrund Minderung gem. 437 Nr. 2, 441, 346 BGB (zu diesen bereits eingehend Fall 5). Klausurtaktisch kann man auf das Bestehen oder die potentielle Relevanz derartiger Ansprüche im Ergebnis der Klausur hinweisen und damit zeigen, dass man auch diesen Anspruch kennt. Dem S steht gegen V möglicherweise ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung aus 437 Nr. 3, 311a Abs. 2 BGB zu. Dies ist dann der Fall, wenn ein Kaufvertrag wirksam zustande gekommen ist, ein Sachmangel vorliegt, dieser Sachmangel von Anfang an nicht durch Nacherfüllung behebbar war und der Schuldner Kenntnis oder zu vertretende Unkenntnis von diesem Umstand hatte. Kaufvertrag, 433 BGB Am wirksamen Abschluss eines Kaufvertrages bestehen vorliegend keine Zweifel: S und V haben sich über die essentialia negotii geeinigt ( 145, 147 BGB). Sachmangel bei Gefahrübergang, 434, 446 BGB Fraglich ist, ob der Kaufgegenstand, das Dogma F8-Froomey, bei Gefahrübergang mangelhaft i.s.d. 434 BGB war. a) Mangelhaftigkeit Ein Sachmangel liegt immer dann vor, wenn die Ist-Beschaffenheit des Kaufgegenstandes von der vertraglich vereinbarten, der vertraglich vorausgesetzten oder der Soll-Beschaffenheit, die bei einer gewöhnlichen Verwendung des Kaufgegenstands erforderlich ist, negativ abweicht. Vorliegend haben S und V weder eine besondere Beschaffenheit vereinbart noch haben Sie eine bestimmte Soll-Beschaffenheit im Vertrag vorausgesetzt. Durch die Haarrisse im Oberrohr liegt aber jedenfalls der Tatbestand des 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB vor, da das Fahrrad aufgrund der Instabilität des Rahmens nicht mehr verkehrstüchtig ist und sich damit nicht mehr f ür die gewöhnliche Verwendung (Radfahren) eignet. b) Bei Gefahrübergang Fraglich ist, ob der Sachmangel bereits bei Gefahrübergang, d.h. zum Zeitpunkt des 446 BGB vorlag. Dies ist zumindest durch V in Frage gestellt worden, der anzweifelt, ob die Risse nicht erst nach dem Übergabezeitpunkt aufgetreten sind. Aus dem Sachverhalt ergeben sich keinerlei weitere Hinweise darauf, wann genau die Haarrisse aufgetreten sind, so dass eine gewisse Unsicherheit darüber besteht, ob das Rad tatsächlich bei Gefahrübergang bereits mangelhaft war. Möglicherweise hilft jedoch 476 BGB über diese Unsicherheiten hinweg. Hiernach wird vermutet, dass ein Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag, wenn sich ein Mangel innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang gezeigt hat, es sei denn die Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar. Die Bestimmung steht im Abschnitt des Verbrauchsgüterkaufs und findet vorliegend Anwendung, da ein Verbrauchsgüterkauf gem. 474 Abs. 1 S. 1 BGB vorliegt. S ist Verbraucher ( 13 BGB) und V ist Unternehmer ( 14 BGB). Da sich vorliegend die Haarrisse bereits zwei Monate nach Gefahrübergang gezeigt h aben, wird mit 476 BGB vermutet, dass die Mangelhaftigkeit bereits bei Gefahrübergang vorlag.

AG ZUM GRUNDKURS ZIVILRECHT II (PROF. DR. STEPHAN L ORENZ) SOMMERSEMESTER 2016 SEITE 3 VON 6 Hinweise, die darauf hindeuten, dass die Vermutung mit der Art der Sache 1 oder des Mangels unvereinbar ist, ergeben sich aus dem Sachverhalt nicht. Nota bene: Der BGH (siehe die st. RSpr. BGHZ 159, 215, 218; BGH NJW 2005, 3490, 3492; BGHZ 167, 40, 48; BGH NJW 2007, 2621) hat die Vermutung in 476 BGB im Wesentlichen in zeitlicher Hinsicht verstanden. Vermutet wird, so der BGH, dass ein innerhalb von 6 Monaten aufgetretener Sachmangel bereits bei Gefahrübergang vorlag. Dies setzt voraus, dass der Verbraucher den Nachweis erbringt, dass ein Sachmangel vorliegt, der möglicherweise bereits zu diesem Zeitpunkt vorgelegen hat. Ist der Defekt nachweislich erst nach Vertragsschluss aufgetreten, hilft dem Verbraucher 476 BGB in der Lesart des BGH nicht weiter, es wird gerade nicht vermutet, dass auch ein Grundmangel bereits bei Gefahrübergang vorlag. Diesen Grundmangel musste der Verbraucher daher zusätzlich zum Defekt nachweisen. Die Ansicht des BGH ist in der Literatur eingehend kritisiert worden (siehe eingehend Lorenz, NJW 2004, 3020; Medicus/Lorenz, SchuldR II Rn. 244 m.w.n.), da sie dem Verbraucher zu viel abverlangt. 476 BGB dient dem Verbraucherschutz, muss der Verbraucher aber neben dem sichtbaren und daher greifbaren Defekt auch einen bereits bei Gefahrübergang vorliegenden Grundmangel nachweisen, nützt ihm 476 BGB wenig. Die meisten Verbraucher werden nicht über ausreichend gute Erkenntnismöglichkeiten verfügen, um noch unbekannte Grundmängel an das Tageslicht zu fördern. Ferner spricht auch der Wortlaut der Bestimmung ein Mangel (d.h. irgendein Mangel!) dafür, dass zu der zeitlichen Komponente auch die Vermutung des Vorliegens eines Grundmangels tritt. Dieser Literaturansicht ist nun auch der EuGH in seiner Faber-Entscheidung (EuGH v. 4.6.2015 - Rs C-497/13 Faber) gefolgt. Somit ist 476 BGB fortan erweitert dahingehend zu verstehen, dass nicht nur vermutet wird, dass ein aufgetretener Mangel bei Gefahrübergang vorlag, sondern dass auch bei einem erwiesen nach Gefahrübergang aufgetretenen Defekt das Vorliegen eines Grundmangels bei Gefahrübergang vermutet wird. c) Gewährleistungsausschluss Möglicherweise kann S aber letztlich doch keine Rechte aufgrund der Fehlerhaftigkeit des Rades geltend machen, da der Kaufvertrag die Klausel gekauft wie besichtigt enthält. Hierin könnte ein Gewährleistungsausschluss zu sehen sein. aa) Auslegung der Klausel gekauft wie besichtigt Vereinbaren Parteien, dass ein Kaufgegenstand gekauft wie besichtigt verkauft wird, bedeutet dies in der Regel ( 133, 157 BGB), dass solche Mängel ausgeschlossen sein sollen, die bei einer ordnungsgemäßen Besichtigung ohne Zuziehung eines Sachverständigen wahrnehmbar sind. Derart wahrnehmbare Fehler der Kaufsache gelten dann nicht als Mangel im Sinne von 434 Abs. 1 BGB. Die Klausel Gekauft wie besichtigt bezweckt also eine Beschränkung der Mängelrechte des Käufers. bb) Wirksamkeit der Klausel Fraglich ist allerdings, ob die Klausel gekauft wie besichtigt wirksam ist. (1) Grundsätzliche Zulässigkeit eines Haftungsausschlusses Parteien können privatautonom grundsätzlich im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen wirksam die Haftung des Verkäufers für bestimmte Mängel begrenzen oder ausschließen. Dies ergibt sich aus 444 BGB. (2) Verbrauchsgüterkauf, 475 BGB Möglicherweise kann sich V aber schon nicht auf die Klausel berufen, da sie in den Anwendungsbereich des 475 Abs. 1 S. 1 BGB fällt. Die Norm bestimmt, dass der Unternehmer sich bei einem Verbrauchsgüterkauf nicht auf Klauseln berufen kann, die eine Abweichung von den 433-435, 437, 439-443 BGB zum Nachteil des Verbrauchers bewirken. Ein Verbrauchsgüterkauf 1 Insbesondere schließt die Eigenschaft des Kaufgegenstands als gebrauchte Sache die Vermutung nicht generell aus, vgl. BGHZ 159, 215 ff.; BGH NJW 2005, 3490, 3492.

AG ZUM GRUNDKURS ZIVILRECHT II (PROF. DR. STEPHAN L ORENZ) SOMMERSEMESTER 2016 SEITE 4 VON 6 i.s.d. 474 Abs. 1 S. 1 BGB liegt vor, s.o. Die Klausel stellt ferner eine Abweichung von 434, 437 BGB dar, die zu Lasten des Verbrauchers geht. S kann bezüglich erkennbarer Fehler keine Mängelrechte herleiten. V kann sich auf die Klausel daher nicht berufen. 475 Abs. 1 S. 1 BGB gilt allerdings nicht für die Beschränkung des Anspruchs auf Schadensersatz, 475 Abs. 3 BGB. Grundsätzlich könnte die Klausel daher zumindest im Hinblick auf Schadensersatzansprüche ihre Wirkung weiterhin entfalten. Es ist umstritten, ob 475 Abs. 1 BGB auch ein Verbot der geltungs erhaltenden Reduktion enthält und damit eine Aufrechterhaltung des umfassenden Gewährleistungsausschlusses des V auf das zulässige Maß (Schadensersatz) möglich ist. 2 Die Frage kann jedoch dahinstehen, wenn die Klausel auch betreffend den Ausschluss von Schadensersatzansprüchen unwirksam wäre. (3) Unwirksamkeit wegen AGB-Inhaltskontrolle Die Unwirksamkeit könnte sich aufgrund einer AGB-Kontrolle ergeben. i) Vorliegen von AGB Bei dem Formularvertrag handelt es sich unproblematisch um für eine Vielzahl von Verträg en vorformulierte Geschäftsbedingungen, mithin um AGB des V, vgl. 305 Abs. 1, 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB. Entgegenstehende Hinweise sind nicht ersichtlich, die 305 ff. BGB finden somit Anwendung. ii) Wirksamer Einbezug Durch den bereits oben festgestellten wirksamen Vertragsschluss sind die AGB auch in den Vertrag einbezogen worden. Bei einem Formularvertrag gelten für den Einbezug von AGB die allgemeinen Regeln des Vertragsschlusses, 145 ff. BGB. 3 305 Abs. 2 BGB findet sinngemäß keine Anwendung, 4 da es bloße Förmelei wäre, wenn man bei in einem Formularvertrag enthaltenen AGB, die der Vertragspartner ohnehin durch die Lektüre des Vertragstextes zur Kenntnis nehmen kann und die ersichtlich Bestandteil des Vertragstextes sind, einen expliziten Hinweis au f die Geltung der AGB verlangen würde. Durch die Erklärung, den Vertrag zu den im Formular widergegebenen Bedingungen zu schließen, wird der Wille zum Einbezug hinreichend deutlich. iii) Inhaltskontrolle: Unwirksamkeit nach 309 Nr. 7 BGB Die Klausel verstößt jedenfalls gegen die Klauselverbote des 309 Nr. 7 lit. a und b BGB. Hiernach sind Klauseln, die eine Haftung für Schäden ausschließen, die auf einer fahrlässigen Verletzung der Rechtsgüter des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit beruhen oder einen Ausschluss einer Haftung für sonstige Schäden vorsehen, die auf einer grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Pflichtverletzung beruhen, unwirksam. Da eine auf den Ausschluss von Schadensersatz reduzierte Klausel jeglichen Schadensersatz ausschließen würde, der auf einem erkennbaren Mangel beruhen würde, unabhängig davon, ob der Mangel vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt wurde und welches Rechtsgut verletzt ist, wäre diese Klausel wegen Verstoßes gegen 309 Nr. 7 BGB unwirksam. iiii) Verbot der geltungserhaltenden Reduktion Eine Aufrechterhaltung der Klausel mit zulässigem Inhalt ist nicht möglich, es gilt das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion gem. 306 Abs. 2 BGB. iiiii) Zwischenergebnis Der Ausschluss von Schadensersatz ist wegen Verstoßes gegen die Klauselverbote des 309 Nr. 7 lit. a und b BGB unwirksam. 2 Siehe eingehend MünchKomm/Lorenz, 475 BGB Rn. 25 ff. 3 Vgl. MünchKomm/Basedow, 305 BGB Rn. 59. 4 BGH NJW 1995, 190.

AG ZUM GRUNDKURS ZIVILRECHT II (PROF. DR. STEPHAN L ORENZ) SOMMERSEMESTER 2016 SEITE 5 VON 6 cc) Ergebnis Die Klausel ist damit insgesamt unwirksam und schließt eine Geltendmachung der Mängelrechte durch S aufgrund der Mangelhaftigkeit des Rades nicht aus. Auswirkungen auf den übrigen Vertrag und dessen Wirksamkeit ergeben sich gem. 306 Abs. 1 BGB nicht. Anfängliche Unmöglichkeit der Nacherfüllung, 275 Abs. 1 BGB Die Risse im Oberrohr können ausweislich des Sachverhalts nicht durch Nachbesserung behoben werden. Auch die Nachlieferung ist ausgeschlossen: Nach in der Literatur bestrittener Auffassung des BGH ist eine Ersatzlieferung beim Kauf gebrauchter Sachen zwar dann möglich, wenn nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Willen der Vertragsparteien bei Vertragsschluss ( 133, 1 57 BGB) die Kaufsache im Falle ihrer Mangelhaftigkeit durch eine gleichartige und gleichwertige ersetzt werden kann (dazu eingehend Fall 5). 5 Vorliegend ist eine Ersatzlieferung aufgrund der besonderen Bedeutung des mit der Unterschrift von Christopher Froome versehenen Exemplars ausgeschlossen. Das Rad ist daher nicht mit gleichwertigen Rädern aus der limitierten Auflage ersetzbar. Die Unmöglichkeit war auch schon bei Vertragsschluss gegeben, so dass die Nacherfüllung anfänglich unmöglich war, 275 Abs. 1, 311a Abs. 1 BGB. Kenntnis oder zurechenbare Unkenntnis vom Leistungshindernis, 311a Abs. 2 S. 2 BGB Maßgebend ist somit, ob V das Leistungshindernis kannte oder kennen musste. Da V das Leistungshindernis bei Vertragsschluss nicht kannte, 6 ist fraglich, ob er seine Unkenntnis zu vertreten hatte, 311 Abs. 2 S. 2 BGB. Wie sich aus der Formulierung des 311 Abs. 2 S. 2 BGB ergibt ( Dies gilt nicht, wenn ), wird das Vertretenmüssen bis zum Beweis des Gegenteils vermutet. Maßstab für das Vertretenmüssen ist auch hier 276 BGB. Fraglich ist daher, ob V den Mangel und seine anfängliche Unbehebbarkeit hätte erkennen müssen, 276 Abs. 2 BGB. Dies wird man auch bei einem gewerblichen Verkäufer nicht grundsätzlich annehmen können, da den Verkäufer in der Regel keine Untersuchungspflichten treffen. V trifft daher kein Verschulden. II. Ergebnis S kann damit von V keinen Schadensersatz statt der Leistung aus 437 Nr. 3, 311a Abs. 2 BGB verlangen. B. Abwandlung Ist S kein privater sondern ein gewerblicher Käufer ist er Unternehmer i.s.d. 14 BGB. Die Folge daraus ist, dass 475 BGB und die Klauselverbote des 309 BGB keine Anwendung finden, da kein Verbrauchsgüterkauf i.s.d. 474 BGB vorliegt und 310 Abs. 1 S. 1 BGB die Inhaltskontrolle bei Unternehmern beschränkt. Die AGB-Kontrolle richtet sich daher ganz allgemein nach 307 BGB, wobei hier bei der Feststellung der unangemessenen Benachteiligung durch eine Klausel die Wertungen der 308, 309 BGB eine Rolle spielen können. 7 Schließt eine AGB-Klausel alle Gewährleistungsrechte undifferenziert entgegen 309 Nr. 7 lit. a und b BGB aus, ist auch bei Unternehmerverträgen aufgrund der Wertung des Gesetzgebers von einer unwirksamen, da 5 BGH NJW 2006, 2839, 2841. 6 Bei anfänglicher Unmöglichkeit der Nacherfüllung ist nicht etwa der Mangel selbst Bezugspunkt des Vertretenmüssens, sondern die Kenntnis des Leistungshindernisses, also hier die Unmöglichkeit der Nacherfüllung. Vgl. S. Lorenz, NJW 2002, 2497, 2500. In einem Fall wie dem vorliegenden wo sich die Unmöglichkeit der Nacherfüllung schon aus der Natur des Mangels ergibt, bezieht sich die Kenntnis des Leistungshindernisses jedoch auf die Kenntnis des Mangels selbst. 7 Palandt/Grüneberg, 307 BGB Rn. 38.

AG ZUM GRUNDKURS ZIVILRECHT II (PROF. DR. STEPHAN L ORENZ) SOMMERSEMESTER 2016 SEITE 6 VON 6 unangemessen benachteiligenden Klausel auszugehen. 8 Eine geltungserhaltende Reduktion auf den zulässigen Teil ist auch hier unwirksam. Somit ergibt sich letztlich im Ergebnis kein Unterschied zur o.g. Prüfung. Auch hier ist der Haftungsausschluss unwirksam, aber auch hier wird letztlich ein Anspruch verneint, da kein Verschulden des V vorliegt. Darüber hinaus ist auch 476 BGB nicht anwendbar. Die Beweislast für das Vorliegen des Sachmangels bei Gefahrübergang liegt bei S als Anspruchsgläubiger, da der Nachweis der anspruchsbegründenden Tatsachen von ihm darzulegen und zu beweisen ist. Die Ungewissheit darüber, wann der Mangel aufgetreten ist, geht daher zu seinen Lasten. Für einen Verstoß gegen die Rügeobliegenheit gem. 377 HGB ergeben sich keine Hinweise aus dem Sachverhalt, da unklar bleibt, ob der Mangel bereits bei Übergabe vo rlag. Weiterführende Literatur: Arnold, Stefan; Lorenz, Stephan Lorenz, Stephan Grundwissen Zivilrecht Der Nacherfüllungsanspruch, JuS 2014, 7 ff. Sachmangel und Beweislastumkehr im Verbrauchsgüterkauf Zur Reichweite der Vermutungsregelung in 476 BGB, NJW 2004, 3020 ff. Rechtsprechung: BGH NJW 2005, 3490 BGH NJW 2007, 3774 BGH NJW 2014, 211 EuGH Rs C-497/13 Faber 8 BGH NJW 2007, 3774; BGH NJW 2014, 211.