Die Einstiegsqualifizierung (EQ) in Deutschland systemimmanent oder unabhängig? Andreas Saniter , Steyr

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Transkript:

Die Einstiegsqualifizierung (EQ) in Deutschland systemimmanent oder unabhängig? Andreas Saniter 04.07.14, Steyr

Agenda Hintergrund (transnational) (3) Die EQ als Maßnahme des deutschen Übergangsystems (3) SWOT-Analyse einer konkreten EQ (4) Systemimmanent oder als Orientierungspunkt des policy learnings geeignet? (2)

Hintergrund (1/3) Leonardo-Projekt Apprentsod (2013-2015) Teilnehmende Länder: DE, LT, ES, IT Ziele: Erhebung der Ansätze von arbeitsprozessorientierten Maßnahmen zur Integration von sozial benachteiligten Jugendlichen Entwicklung von Empfehlungen, in welcher Art die Systeme der jeweiligen Länder weiterentwickelt werden können Fokus: Berufsbildungspropädeutische Maßnahmen

Hintergrund (2/3) Voraussetzungen: IT, ES: sehr hohe Jugendarbeitslosigkeit, geringe Beteiligung von Betrieben an der beruflichen Bildung (Ausnahme: Südtirol) LT: hohe Jugendarbeitslosigkeit, sehr geringe Beteiligung von Betrieben an der beruflichen Bildung DE: geringe Jugendarbeitslosigkeit, hohe Beteiligung von Betrieben an der beruflichen Bildung

Hintergrund (3/3) In DE also alles in Butter? Nicht-universitäre Zugänge im deutschen Bildungssystem: Jahr duales System (incl. Schulberufssystem) Übergangssystem (established 78/79). 2005 517341 461964 2011 524946 321414 Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2012): Bildung in Deutschland 2012.

Die EQ im deutschen Übergangsystems (1/3) Ziel des Systems: Erhöhung der Chancen sozial benachteiligter Jugendlicher auf dem Ausbildungsmarkt (höhere Abschlüsse, spez. fachliche und soziale Defizite) (Überwiegender) Ansatz der Maßnahmen: schulbasiert oder schulähnlich (NGO) Exemplarische Kritiken: Warteschleifen, Sektor- und nicht berufsbildungspropädeutisch Ungeeignet für Jugendliche, die im System Schule scheitern

Die EQ im deutschen Übergangsystems (2/3) Agenda 2010 (2004) fordern und fördern, u. a. EQ: Sehr schlanke Formulierung (<1 Seite im SGB) Entwicklung von Curricula für EQ in allen Berufsausbildungen (Auszüge der Inhalte des 1. LJ.) 6-10-monatiges Betriebspraktikum Keine Beteiligung von Schulen (o. ä.) TN: sozial benachteiligte Menschen ohne Berufsabschluss, die bei der BA gemeldet sind, geringe Förderung (216 ) durch die BA

Die EQ im deutschen Übergangsystems (3/3) Möglichkeit der Reduktion der Dauer einer anschließenden Ausbildung Träger: Betriebe oder Arbeitgeberorganisationen, Motiv: Fachkräftemangel Eher geringe quantitative Relevanz (3%-5%) im Übergangssystem; ~ 20000 Plätze pro Jahr Höchst unterschiedliche Interpretation der Vorgaben durch die Betriebe Hohe Erfolgsquoten: ~70% der TN, die eine EQ erfolgreich beenden, münden in eine reguläre Ausbildung

SWOT-Analyse einer konkreten EQ (1/4) Deutschlandweit tätiges Unternehmen 400 Plätze in 10 Berufsfeldern Sehr hohe Erfolgsquote (>75% Übernahme derer, die die EQ erfolgreich beendeten) Integration sozialpädagogischer Maßnahmen durch externe NGO (~1/3 der Zeit) in die EQ Keine Beteiligung der Ausbildungsabteilung

SWOT-Analyse einer konkreten EQ (2/4) Methoden (klassisch berufswissenschaftlich): Experten-Facharbeiter-WS, Interviews, Lernstationsanalysen. Erreichte Akteure: ca. 100: (ehemalige) TN, Betriebliche Betreuer, Sozialpädagogen, Initiatoren (HRD).

SWOT-Analyse einer konkreten EQ (3/4) Stärken & Möglichkeiten (S & O): Erfolgreiche (begeisterte) schulferne TN Rekrutierung von Auszubildenden für unattraktive Berufen (für das Unternehmen): Verlängerung der Probezeit Unabhängigkeit vom Unternehmen, der Region oder des Sektors Auch Schlüsselqualifikationen werden (leichter) erworben Relativ billig Übertragung (Stärkung) dualer Ansätze auch im Übergangssystem

SWOT-Analyse einer konkreten EQ (4/4) Schwächen & Risiken (W & T): Drop-out Rate stark sektorabhängig Keine Vorbereitung auf die Fachtheorie Risiko der Ausbeutung der TN als billige Hilfsarbeitskräfte (Verrechnung) Auch Markt-Benachteiligte nehmen teil Keine formale Qualifizierung; insb. nicht im allg. Schulsystem TN münden z. T. nicht in einen Ausbildungsberuf Überbrücken Allgemeinbildung und Berufsbildung (Qualität der Allgemeinbildung / Ansprüche der BB) Institutionalisierung von Profiteuren des Übergangssystems

Systemimmanent oder unabhängig? (1/2) Systemunabhängige Elemente: => Im Kern ein Praktikum mit fixem Curriculum => kurze Dauer (geringe Verpflichtung der Unternehmen) => produktive Arbeit => Chance für Jugendliche, die in dem System Schule scheitern

Systemimmanent oder unabhängig? (2/2) Systemimmanente Elemente: => Gesetzliche Rahmenbedingungen => Starke Sozialpartner, insb. Betriebsräte => Bereitschaft der Betriebe, sich an der Berufsbildung zu beteiligen => Bereitschaft/Vorbereitung von Facharbeitern bzgl. der Ausbildungsbeteiligung

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit und Kommentare! asaniter@uni-bremen.de