Kommune Oberstadt Pädagogikstudent P möchte seine letzten 10 Semester in Marburg in einer fürstlichen Wohnung genießen. V bietet die passenden Räume: Eine Etage eines Stadthauses in der Wettergasse. Am 1.2.1998 schließen V und P den Mietvertrag. Der Mietvertrag ist ein typischer Formularvertrag, den sich V vom Vermieterbund besorgt hat. Der Vertrag enthält auch die Pflicht des Mieters zu regelmäßigen Renovierungen, wora uf V den P besonders hinweist: Das Streichen der Wände ist in Wohn- und Schlafzimmern alle 5 Jahre vorzunehmen, in Bädern alle 4 Jahre und in Küchen alle 3 Jahre. Die Renovierunge n sind spätestens zum Ende der Mietzeit vorzunehmen. Als P nach Ende der Mietzeit am 30.4.2003 auszieht, ist die Wohn ung infolge dutzender Partys und wöchentlicher Diskussionsabende heruntergekommen. Den noch unterlässt es P, die Wohnung zu renovieren. Nach mehrmaliger Aufforderung des V und des Hinweises, er werde einen Handwerker beauftragen, erklärt P, er sehe es nicht ein, die Renovierungskosten für einen Halsabschneider zu bezahlen. Daraufhin lässt V die Arbeiten von einem Handwerker vornehmen, die mit Gesamtkosten in Höhe von 2000 EUR zu Buche schlagen. Kann V die 2000 EUR für die Renovierungsarbeiten von P verlangen?
Kommune Oberstadt A. Anspruch des V gegen P auf Erstattung der Renovierungskosten aus dem Formularvertrag (-), ein vertraglicher Primäranspruch scheidet aus, da in dem Vertrag nur die Pflicht geregelt ist, di e Wohnung vor dem Auszug zu renovieren. Dem Vertrag lässt sich hingegen nicht die Pflicht entnehmen, die Kosten für im Auftrag des Vermieters durchgeführte Renovierungsarbeiten zu übernehmen. B. In den 535 ff. BGB findet sich insoweit ebenfalls keine Anspruchsgrundlage. C. V kann aber ein Schadensersatzanspruch gegenüber P gem. 280 I, III, 281 I 1 BGB zustehen. I. Dazu muss das BGB in der seit dem 1.1.2002 geltenden Fassung überhaupt anwendbar sein. Grundsätzlich gilt für Verträge, die vor dem 1.1.2002 abgeschlossen wurden, das alte Recht, vgl. Art. 229 5 S. 1 EGBGB. Für Dauerschuldverhältnisse, zu denen auch der vorliegend abgeschlossene Mietvertrag zählt, ist jedoch gemäß Ar t. 229 5 S. 2 EGBGB ab dem 1.1.2003 generell das neue Recht anzuwenden, selbst wenn der Vertrag vorher abgeschlossen wurde.
II. Die Voraussetzungen des 280 BGB müssen vorliegen. 1. P und V haben gem. 535 BGB einen wirksamen Mietvertrag geschlossen. Ein Schuldverhältnis liegt damit vor. 2. P muss weiterhin eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt haben. Hier könnte die Pflicht zur Schönheitsreparatur verletzt worden sein. Grundsätzlich trifft die Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen nicht den Mieter, sondern den Vermieter, 535 I 2 BGB. Durch den Formularvertrag könnte die Pflicht jedoch auf P abgewälzt worden sein. Dies setzt voraus, dass die betreffende Vorschrift tatsächlich in den Vertrag zwischen P und V einbezogen wurde und wirksam ist.
Exkurs: Allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß 305 310 BGB Prüfungsschema A. Wirksamer Vertragsschluss B. Wirksamkeit der AGB-Klausel nach 305 ff. BGB I. Vorliegen von AGB II. Einbeziehung der Klausel III. Erheblichkeit der Klausel für den streitigen Sachverhalt IV. Nichtigkeitsgründe V. Rechtsfolgen bei Unwirksamkeit (sofern unwirksam)
Wirksamkeit der AGB-Klausel nach 305 ff. BGB I. Vorliegen von AGB I 1. Vorhandensein von AGB 305 I BGB 2. Umgehungstat- Bestände 306 a BGB 3. Erweiterung gemäß 310 III Nr. 1, Nr. 2 II. Einbeziehung der Klausel Regel Voraussetzungen nach 305 II oder III BGB Ausnahme In Fällen von 305 a und 310 I BGB nach allgemeinen Regeln, 145 f. BGB Keine Einbeziehung in Fällen der 305 b und 305 c I BGB Rechtfolge bei Nichteinbeziehung : Unwirksamkeit
Wirksamkeit der AGB-Klausel nach 305 ff. BGB III. Erheblichkeit der Klausel für den streitigen Sachverhalt. Beachte: 305 c II BGB AGB sind objektiv auszulegen. Dabei gehen Zweifel bei der Ausle gung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ( ) zu Lasten des Verwenders. IV. Nichtigkeitsgründe 1. Inhaltskontrolle 307 III BGB 2. Klauselverbote 309 BGB 3. Klauselverbot mit Auslegungsmöglichkeit 308 BGB 4. Sonstige Gründe 307 BGB Rechtfolge bei Vorliegen von Nichtigkeitsgründen: Unwirksamkeit
Wirksamkeit der AGB-Klausel nach 305 ff. BGB V. Rechtsfolgen bei Unwirksamkeit Die AGB-Klausel ist als solches unwirksam Der zu Grunde liegende Vertrag bleibt wirksam 306 I BGB: Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. Beachte: Ausnahme in Fällen von unzumutbarer Härte, 306 III BGB Anstelle der AGB-Klausel gelten allgemeine Regeln 306 II BGB: Soweit die Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften. BGH: Fehlt eine geeignete gesetzliche Vorschrift und ist ersatzloses Streichen der Klausel nicht interessengerecht, ist die Lücke durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen.
a) Die Vorschriften der 305 ff. BGB müssen daher zunächst anwend bar sein. Die vorformulierte Vertragsbedingung gilt für eine Vielzahl von Verträgen und wurde von V bei Abschluss des Mietvertrages gestellt (unerheblic h ist, dass V selbst den Vertrag womöglich nur einmal nutzen wollte). Ausschlussgründe nach 310 II, IV BGB sind nicht ersichtlich, so dass die 305 ff. BGB sachlich anwendbar sind. b) V hat P auf die Vertragsklausel hingewiesen; auch hatte P die Mö glichkeit, von dieser Kenntnis zu nehmen. Sie wurde daher gem. 305 II BGB wirksam in den Vertrag einbezogen. c) Entgegenstehende individuelle Vertragsabreden gem. 305 b BGB sind nicht ersichtlich. d) Schönheitsreparaturen werden heute zumeist auf den Mieter abgewälzt, so dass die Klausel für P auch nicht gem. 305 c I BGB überraschend war. e) Da die Klausel von 535 I 2 BGB abweicht, ist die Inhaltskontro lle nach den 307 ff. BGB gem. 307 III BGB eröffnet. f) Fraglich ist, ob die Klausel gegen 307 II Nr. 1 BGB verstößt, also von den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweicht (d ie 308, 309 BGB enthalten für diese Konstellation keine Regeln). Di es ist str.
Meinung 1: Abwälzung auf den Mieter ist zulässig (h. M.) Argument: - Mieter wird nicht benachteiligt, weil die Kosten für die Renovierung bei der Höhe des Mietpreises bereits berücksichtigt werden. - Zudem ist die Abwälzung seit langem üblich und entspricht der Verkehrssitte. - Da der Mieter durch schonenden Gebrauch der Wohnung die Kosten reduzieren kann, ist die Klauseln auch nicht unangemessen. Meinung 2: Die Abwälzung verstößt gegen 307 II Nr. 1 BGB Argument: - Empirisch lässt sich nicht nachweisen, dass die Mietpreise den Kosten für die Schönheitsreparatur angepasst sind - Auf die Verkehrssitte lässt sich nicht abstellen, da sich die Mieter grundsätzlich in einer schwächeren Position befinden. Insofern wurde ihnen die Klausel zumeist aufgezwungen.
Nach h.a. ist die Klausel wirksam. P ist seiner Pflicht, die Schönheitsreparaturen vorzunehmen, nicht nachgekommen und hat sie daher verletzt. 3. Da er gem. 276 BGB vorsätzlich die Reparaturen nicht vorgenommen hat, hat er seine Pflicht gem. 280 I 2 BGB zu vertreten. III. Zudem müssen die Voraussetzungen der 280 III, 281 I 1 BGB vorliegen. 1. Leistungsbezogene noch mögliche Pflicht Die Pflicht, die Reparaturen vorzunehmen, war zum Zeitpunkt des Auszugs noch möglich. Auch handelt es sich bei Schönheitsreparaturen grunds. um eine Hauptleistungspflicht, die durch die Abwälzung auf den Mieter nicht ihre Rechtsnatur ändert. => (+)
2. Angemessene Fristsetzung zur Leistungsaufforderung gem. 281 I 1 BGB. V forderte P auf, die Reparaturen vorzunehmen und drohte ihm an, diese sonst durch Handwerker vornehmen zu lassen. Er nannte jedoch keinen Zeitpunkt. Fristsetzung daher ( -) 3. Die Fristsetzung ist jedoch entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, 281 II BGB. P tei lte V mit, er werde die Renovierungsarbeiten nicht vornehmen => Fristsetzung war entbehrlich. 4. Rechtsfolge: V kann gem. 281 I 1 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen. Er ist so zu stellen, als wenn ordnungsgemäß erfüllt worden wäre. Hätte P die Arbeiten selbst vorgenommen, hätte V keinen Handwerker beauftragen müssen. Die Kosten für den Handwerker fallen demnach unter den Schadensersatz statt der Leistung. V hat gegen P einen Anspruch auf Zahlung der Handwerkerkosten i.h.v. 2000 gem. 280 I, III, 281 I 1 BGB.
D. Fraglich ist, ob sich ein Anspruch auch aus 280 I, II, 286 I 1 BGB ergibt. I. Die Voraussetzungen des 280 I BGB liegen vor. II. Voraussetzungen der 280 II, 286 BGB? 1. Fälliger und durchsetzbarer Anspruch des V gegenüber P. V hat die Schönheitsreparaturen wirksam auf P abgewälzt. Diese waren bei Auszug des P auch fällig. Da der V durch die Gebrauchsüberlassung der Wohnung seinen Pflichten aus dem Mietverhältnis nachgekommen ist, steht auch 320 BGB nicht entgegen. 2. Mahnung des V? Mahnung ist die eindeutige und bestimmte Aufforderung an den Schuldner, die geschuldete Leistung zu erbringen. V hat P mehrmals aufgefordert und ihn somit gemahnt. 3. Das Verschulden des P wird vermutet, 286 IV BGB. Er kann es, da er vorsätzlich handelte, auch nicht widerlegen.
Rechtsfolge: Verzugsschaden = der Gläubiger ist so zu stellen, wie er bei rechtzeitiger Leistung des Schuldners gestanden hätte. Die Renovierungskosten sind jedoch nicht aufgrund einer Verzögerung der Leistung des P entstanden, sondern P hat gerade nicht geleis tet. Insofern fallen die Renovierungskosten nicht unter den Verzugsschaden. V hat daher gem. 280 I, II, 286 I BGB keinen Anspruch gegen P auf Zahlung der Renovierungskosten.