ALITA - Ambulante Langzeit-Intensivtherapie für Alkoholkranke OLITA - Outpatient longterm intensive therapy for alcoholics

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Transkript:

ALITA - Ambulante Langzeit-Intensivtherapie für Alkoholkranke OLITA - Outpatient longterm intensive therapy for alcoholics Krampe, Henning; Stawicki, Sabina; Wagner, Thilo; Ribbe, Katja; El Kordi, Ahmed; Niehaus, Silja; Ehrenreich, Hannelore Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin, Göttingen Korrespondierender Autor E-Mail: ehrenreich@em.mpg.de Zusammenfassung ALITA, die Amb u la n t e Langzeit-Intensivtherapie für Alkoholkranke, wurde 1993 als umfassendes Forschungsprojekt entwickelt. Dieser Beitrag beschreibt den aktuellen Stand sowie die Ergebnisse und Perspektiven des ALITA-Projektes. Im Sommer 2003 wurde die monocentrische Pilot-Studie in Göttingen nach zehn Jahren und dem Einschluss von 180 Patienten erfolgreich abgeschlossen. Mehr als 50% der Patienten blieben über einen Follow-up-Zeitraum von bis zu sieben Jahren nach Therapieende abstinent. Die Arbeitslosenrate fiel von 58% auf 22%, die komorbiden psychiatrischen Störungen gingen von 60% auf 13% zurück. Eine aktuelle, videobasierte prospektive Längsschnittstudie untersucht, welche Therapieprozesse diesem Erfolg zu Grunde liegen. Derzeit beginnt eine Multicenter-Studie zur Umsetzung von ALITA auf Franchise-Basis. Summary OLITA, the Outpa tie nt Lo ngte rm Inte ns ive Therapy for Alcoholics, was developed as a comprehensive research project in 1993. This paper reports on the results of the OLITA project and its future perspectives. In summer 2003, the monocentric pilot study in Göttingen was completed successfully after ten years and the enrollment of 180 patients. More than 50% of the patients remained abstinent during a follow-up of up to seven years after termination of therapy. The unemployment rate declined from 58% to 22%, comorbid psychiatric disorders decreased from 60% to 13%. An ongoing video-based prospective longitudinal study investigates the therapeutic processes associated with this success. At present, a multicenter trial for the translation of OLITA using the franchising approach is initiated. Die Division Klinische Neurowissenschaften am Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin in Göttingen arbeitet seit über zehn Jahren unter dem Motto: Von der Zelle zum Patienten und zurück. Die verschiedenen Projekte der Grundlagenforschung untersuchen die therapeutische Anwendbarkeit endogener neuroprotektiver Substanzen. Die konsequente Umsetzung des Gedankens der Translational Medicine der raschen Übersetzung von der Grundlagenforschung in die klinische Anwendung spiegelt sich darin wider, dass parallel dazu vier klinische Studien in jeweils unterschiedlichen Entwicklungsstadien laufen: 1. die Multicenter-Studie zu Erythropoietin bei Schlaganfall (Phase II/III); 2. die Multicenter-Studie zu Erythropoietin bei Schizophrenie (Phase II); 3. die Phase-IIa-Studie zu Melatonin bei Amyotropher Lateralsklerose (ALS); 4. 2005 Max-Planck-Gesellschaft www.mpg.de 1/5

bei Schizophrenie (Phase II); 3. die Phase-IIa-Studie zu Melatonin bei Amyotropher Lateralsklerose (ALS); 4. die Ambulante Langzeit-Intensivtherapie für Alkoholkranke (ALITA). Der vorliegende Beitrag beschreibt den aktuellen Stand sowie die Ergebnisse und Perspektiven des ALITA-Projektes, für das die Arbeitsgruppe im April 2005 den Wilhelm-Feuerlein-Preis der Deutschen Suchtstiftung Matthias Gottschaldt erhielt. (Adamcio, Barski, Bartels, Begemann, Byts, Dietrich, Govindarajan, El Kordi, Krampe, Kunert, Leppert, Mertens, Niehaus, Radyushkin, Ribbe, Ronnenberg, Sargin, Sirén, Sperling, Stawicki, Szuszies, Timner, Wagner) ALITA, die Ambulante Langzeit-Intensivtherapie für Alkoholkranke, wurde 1993 als umfassendes Forschungsprojekt zur Behandlung der Alkoholkrankheit entwickelt [1]. Im Sommer 2003 wurde der aktive therapeutische Teil dieser monocentrischen Pilot-Studie in Göttingen nach zehn Jahren und dem Einschluss von 180 Patienten erfolgreich abgeschlossen. Zurzeit ist geplant, ALITA als multicentrisches Projekt umzusetzen. Diese Multicenter-Studie verfolgt zwei Hauptziele: 1. Reproduktion des ungewöhnlich hohen Behandlungserfolgs in anderen Zentren unter strikter Qualitätskontrolle und sorgfältiger Evaluation. Dazu wird das Verfahren des Franchising angewandt (siehe unten). 2. Nutzung des Multicenter-Settings zur systematischen Untersuchung der psychologischen und biologischen Einflussfaktoren auf das Therapieergebnis. DAS ALITA-PROGRAMM ALITA ist ein neues biopsychosoziales Behandlungsprogramm für schwer Alkoholkranke, das sich direkt an die stationäre Entgiftung anschließt und über zwei Jahre erstreckt. Wesentliche Bestandteile des Therapieprogramms und ein Überblick über dessen praktische Durchführung sind den Tabellen 1 und 2 zu entnehmen (Abb. 1). Wesentliche Bestandteile und Durchführung des ALITA- Program m s im Überblick. PATIENTEN IM ALITA-PROGRAMM Soziodemographische und suchtassoziierte Merkmale Bisher wurden 180 Alkoholkranke (144 Männer, 36 Frauen) behandelt. Unter Berücksichtigung der Schwere der Alkoholabhängigkeit, der psychiatrischen Komorbidität (d. h. Vorliegen weiterer psychischer Störungen) und der sozialen Beeinträchtigung bei Therapieeintritt zeigt sich trotz dieser Negativ-Selektion eine Followup-Erfolgsrate von über 50% abstinenten Patienten. 2005 Max-Planck-Gesellschaft www.mpg.de 2/5

Die Patienten waren bei Aufnahme in das Programm durchschnittlich 44 ± 8 Jahre alt, 18 ± 7 Jahre alkoholabhängig und hatten 7 ± 9 stationäre Entgiftungen sowie 1 ± 1 gescheiterte stationäre Langzeittherapien hinter sich. Fast 60% der Patienten waren langzeitarbeitslos. Der Anteil an Patienten mit aktuellen psychiatrischen komorbiden Störungen aller Kategorien belief sich bei ALITA auf 80%. Unter schweren, teils irreversiblen körperlichen Alkoholfolgeschäden (z.b. Leberzirrhose, Polyneuropathie oder chronische Pankreatitis) litten zu Therapiebeginn circa 60%. Therapieergebnisse im Langzeitverlauf Berücksichtigt man, dass es sich bei den Patienten um schwer beeinträchtigte Alkoholkranke handelt, ist die langfristige Erfolgsrate von ALITA unglaublich hoch: Mehr als 50% der Patienten bleiben über einen Follow-up- Zeitraum von bis zu sieben Jahren nach Therapieende abstinent (Abb. 2). In der Literatur werden gewöhnlich Abstinenzraten von weniger als 30% nach Follow-up-Zeiträumen von weniger als einem Jahr (selten über zwei Jahre) genannt. Die kum ulative Abstinenzwahrscheinlichkeit in der 9-Jahres- Erhebung beträgt.52 für die gesam te Stichprobe (N=180). (Kaplan-Meier Methode; Fälle gelten als zensiert, wenn sie bis zum Ende der Beobachtungszeit noch keinen Rückfall erlebt haben) Kinetik der Regeneration und Irreversibilität Das ALITA-Programm bietet die einzigartige Möglichkeit, eine gut charakterisierte Stichprobe von Alkoholkranken über einen langen Zeitraum kontrollierter Alkoholabstinenz zu beobachten. In dieser idealen Situation lassen sich alkoholinduzierte Störungen ebenso gut erforschen wie die Prozesse und Mechanismen der Regeneration. Die im ALITA-Setting bearbeiteten Themen erstrecken sich von Chromosomenaberrationen, Veränderungen im hämatopoietischen System bis zu Dysregulation von Stress- und Sexualhormonen. In aktuellen Studien wurden weitere persistierende Veränderungen in vielen metabolischen und neuroendokrinen Parametern gefunden, wie beispielsweise die dauerhafte Störung des Wasser- und Elektrolythaushalts und des Durstgefühls [2, 3]. Diese Ergebnisse stellen möglicherweise die Grundlage für zukünftige pharmakologische Therapien dar. Die zugrundeliegenden Mechanismen der Irreversibilität könnten direkt oder indirekt mit dem Phänomen der Abhängigkeit oder mit bestimmten suchtassoziierten Verhaltensweisen in Verbindung stehen. 2005 Max-Planck-Gesellschaft www.mpg.de 3/5

In Zeiten knapper wirtschaftlicher Ressourcen ist es nötig, Prognosefaktoren zu identifizieren, mit denen der individuelle Behandlungsbedarf alkoholkranker Patienten geschätzt werden kann. Dadurch können sowohl unangemessen kurze Behandlungen, die zu sofortigem Rückfall und psychologischen, körperlichen und sozialen Katastrophen führen, als auch unnötige und kostenintensive Überbehandlung verhindert werden. Das Niedersächsische Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales förderte ein ALITA-Projekt zur Erforschung psychosozialer Prädiktoren des Therapieerfolges, bei dem eine Teilstichprobe von 112 Patienten über einen Zeitraum von vier Jahren prospektiv verfolgt wurde [4]. Abbildung 3 zeigt, dass die Abstinenzwahrscheinlichkeit mit circa 50% bei den Patienten am niedrigsten ist, die eine hohe Chronizität (Dauer der Suchtkrankheit in Relation zum Lebensalter) und zusätzlich eine komorbide Persönlichkeitsstörung aufweisen. Hervorragende Ergebnisse erreichen weniger beeinträchtigte Patienten, die eine niedrige Chronizität und keine Persönlichkeitsstörung haben. Betrachtet man den Verlauf der Kurven in Abbildung 3 genauer, wird auffällig, dass die beiden Prädiktoren Chronizität und Persönlichkeitsstörung unabhängig voneinander sind. Für die klinische Praxis bedeutet dies, dass Patienten mit komorbiden Persönlichkeitsstörungen und/oder einer hohen Chronizität einen dringenden Bedarf an intensiver, umfassender und langfristiger Behandlung haben. Interaktion der Faktoren Persönlichkeitsstörung und Chronizität (Extrem gruppen-analyse): Die vier Abstinenzkurven unterscheiden sich signifikant voneinander (Breslow-Statistik=10.36, p=.02). Im Einzelvergleich der Abstinenzkurven sind Patienten, die beide Risikofaktoren aufweisen, deutlich stärker rückfallgefährdet (.53, N=25, gestrichelte fette Linie) als Patienten, die keine Persönlichkeitsstörung und nur eine leichte Chronizität aufweisen (.93, N=14, durchgezogene fette Linie) (Breslow- Statistik=5.5, p=.02). Die Abstinenzkurven der Patienten, die nur durch die Persönlichkeitsstörung (.59, N=23, einfache Linie) oder durch die starke Chronizität (.60, N=11, gestrichelte Linie) beeinträchtigt sind, nähern sich der Abstinenzkurve der Patienten an, die m it beiden Risikofaktoren belastet sind. Dies zeigt, dass die beiden Rückfallprädiktoren relativ unabhängig voneinander die Abstinenzwahrscheinlichkeit der Patienten senken. (Zensierte Fälle sind durch Kreuze gekennzeichnet) Der Erfolg von ALITA und wie er zu erklären ist Basierend auf der hohen Abstinenzrate der schwer beeinträchtigten chronisch Alkoholkranken im ALITA- Programm konnten enorme Verbesserungen in psychologischen, biologischen und sozialen Parametern dieser 2005 Max-Planck-Gesellschaft www.mpg.de 4/5

Patientengruppe erreicht werden. Die Arbeitslosenrate der ALITA-Patienten sank von 58 auf 22% in einer Region (Göttingen) mit einer Arbeitslosenquote von 17% (Abb. 4). Wiederbeschäftigung bei ALITA (n=180; ** p Max-Planck-Institut für experim entelle Medizin 4 2005 Max-Planck-Gesellschaft www.mpg.de 5/5