Dampfdruck von Flüssigkeiten 1 Dampfdruck von Flüssigkeiten In diesem Versuch werden die Dampfdruckkurven zweier Flüssigkeiten im Temperaturbereich zwischen Raumtemperatur und den jeweiligen Siedetemperaturen gemessen. Aus den Messungen werden die Verdampfungsenthalpien der Flüssigkeiten bestimmt. Stichworte Phasenumwandlung, Phasendiagramm, Tripelpunkt, kritischer Punkt, Gibbssche Phasenregel, Clausius-Clapeyron-Gleichung, Verdampfungsenthalpie, chemisches Potential, freie Gibbsche Enthalpie, thermodynamisches Gleichgewicht, Messung von Drücken Theoretischer Teil Die Molekulartheorie der Materie unterscheidet verschiedene Phasen eines reinen Stoffes durch die räumliche Anordnung der Atome bzw. Moleküle. Als Phase werden allgemein alle homogenen Gebiete innerhalb eines Systems, die durch Trennungsflächen gegeneinander abgegrenzt sind, bezeichnet, so die verschiedenen Aggregatzustände fest, flüssig und gasförmig, aber auch nebeneinander existierende feste Modifikationen des gleichen Stoffes. Abbildung 1: schematisches Phasendiagramm: Darstellung der Gebiete, in denen Gas, Flüssigkeit bzw. Festkörper am stabilsten sind, d.h. das niedrigste chemische Potenzial besitzen.
Dampfdruck von Flüssigkeiten 2 Für jede Phase i eines reinen Stoffes - eines einkomponentigen Systems - wird das chemische Potential μ i durch die beiden Variablen p und T eindeutig bestimmt. Bei einkomponentigen Systemen ist das chemische Potential einer Phase gleich deren molarer freier (Gibbsscher) Enthalpie: μ i = G m,i. Trägt man μ i (bzw. G m,i ) als Funktion von p und T in einem dreidimensionalen Diagramm auf, so ergibt sich für jede Phase eine Fläche. Die Gleichgewichtsphase eines solchen einkomponentigen Systems ist diejenige mit dem kleinsten chemischen Potential. Die Projektion eines solchen dreidimensionalen Diagramms in die p,t-ebene ergibt ein Phasendiagramm, wie es in Abb. 1 dargestellt ist. An der Schnittlinie zweier Flächen im μ(p,t)-diagramm liegt ein Phasengleichgewicht zwischen zwei Phasen vor. Hier können z.b. Flüssigkeit und Gas gleichzeitig gemeinsam existieren. Die Projektion der Schnittlinie μ flüssig (p,t) = μ gasförmig (p,t) in die p,t Ebene ergibt dann die Dampfdruckkurve. Im Gleichgewicht sind die Temperaturen (thermisches Gleichgewicht), die Drücke (mechanisches Gleichgewicht) und die chemischen Potentiale (stoffliches Gleichgewicht) in den beteiligten Phasen α (gasförmig) und β (flüssig) gleich. Ändert man bei einem zweiphasigen System im Phasengleichgewicht eine Zustandsvariable (z.b. die Temperatur T), so müssen die zugehörigen Änderungen der chemischen Potentiale Δμ i in beiden Phasen gleich sein (Δμ α = Δμ β, bzw. ΔG m,α = ΔG m,β ), damit die Zweiphasigkeit bestehen bleibt. Dazu muss die andere Zustandsvariable p einen festen Wert p(t) annehmen (Gibbssche Phasenregel). Die Änderung der molaren freien Enthalpie in der Phase i ist gegeben durch das totale Differential dg mi, G mi G = dt + T p, mi, p T dp = V m,i dp S m,i dt (1) wobei S m,i die molare Entropie und V m,i das Molvolumen der Phase i unter den entsprechenden Bedingungen sind. Unter Verwendung der molaren Enthalpie H m (S m,α - S m,ß = ΔS m = ΔH m /T) ergibt sich die Clapeyronsche Gleichung: dp dt ΔH m = (2) TΔVm Diese Gleichung beschreibt - allgemein und exakt - die Änderung des Gleichgewichtsdrucks mit der Temperatur bei einer Phasenumwandlung. Für den Phasenübergang flüssig - gasförmig beschreibt sie daher den Verlauf der Dampfdruckkurve.
Dampfdruck von Flüssigkeiten 3 Das Molvolumen eines Gases ist sehr viel größer als das Molvolumen einer Flüssigkeit. Daher kann die Differenz der Molvolumina in den beiden Phasen flüssig und gasförmig sehr gut durch das molare Volumen des Gases V m,α angenähert werden (schätzen Sie den Fehler dieser Näherung ab!). Wird das Gas als ideal angesehen (was halten Sie von dieser Näherung?), so geht Gleichung (2) über in dp dt p Hverd m = Δ, 2, (3a) RT die in der folgenden Form als Clausius-Clapeyronsche Gleichung bezeichnet wird: d(ln p) dt ΔH verd,m =. (3b) 2 RT Für diese Umformung wurde benutzt, dass d(lnp) = dp/p. Der Index "verd" zeigt an, dass die Gleichungen (3a) und (3b), im Unterschied zu Gleichung (2) nur für den Phasenübergang flüssig-gasförmig Geltung haben. Da die Verdampfungsenthalpie ΔH verd für viele Flüssigkeiten in kleinen Temperaturintervallen annähernd temperaturunabhängig ist, kann man Gleichung (3b) integrieren, und man erhält:: p ΔH verd,m 1 1 ln =, (4) p 0 R T T0 bzw. 0 ΔHverd,m RT0 ΔHverd,m RT p = p e e (5) Ausführung und Auswertung der Messung Bestimmen Sie die Dampfdruckkurven zweier Flüssigkeiten (je eine aus Gruppe 1: Wasser, Ethanol, n-butanol, n-propanol und eine aus Gruppe 2: Cyclohexan, n-hexan, n-heptan) im Bereich von 40 C bis 80 C und berechnen Sie die Größe ΔH verd,m mittels einer nicht-linearen Regressionsanalyse (s. Anhang). Sicherheitshinweis: Bei diesem Versuch ist besondere Vorsicht beim Arbeiten mit Unterdruck geboten: Bei Glasbruch fliegen Splitter! Tragen Sie immer eine Schutzbrille und verwenden Sie die Schutzscheibe. Die Dampfdruckmessung wird mit einem Isoteniskop durchgeführt. Abbildung 2 zeigt die apparative Anordnung. In Abbildung 3 ist das Isoteniskop nach Smith und Menzies darge-
Dampfdruck von Flüssigkeiten 4 stellt. Das Isoteniskoprohr enthält in seinem unteren Bogen ein Hilfsmanometer. Es arbeitet mit derjenigen Flüssigkeit, deren Dampfdruck gemessen werden soll. Auf die rechte Seite des Manometerschenkels (Abbildung 2) wirkt der Dampfdruck der Versuchssubstanz in der Kugel, auf die linke ein durch Pumpe und Lufteinlasshahn regelbarer Druck ("künstliche Atmosphäre"), welcher von einem Manometer angezeigt wird. Steht die Flüssigkeit in beiden Schenkeln des Hilfsmanometers gleich hoch, so sind auch beide Drücke gleich, und das außerhalb des Isoteniskopbereichs liegende Manometer zeigt den Dampfdruck der zu untersuchenden Flüssigkeit an. Abbildung 2: Anordnung zur Dampfdruckmessung Das Isoteniskoprohr befindet sich mit Ausnahme des der Kondensation dienenden oberen Kühlsystems im Thermostatbad, dessen Anfangstemperatur etwa 40 C betragen soll. Evakuieren Sie die gesamte Apparatur mit Hilfe der Vakuumpumpe. Die Substanz beginnt zu sieden und verdrängt nach und nach die Luft aus der Kugel. Dieser Vorgang ist für die Messgenauigkeit entscheidend. Erst wenn die Luft vollständig entwichen ist, entspricht der zwischen Substanz und Hilfsmanometer stationär vorhandene Druck dem tatsächlichen Dampfdruck der Substanz. Inzwischen hat sich im oberen Kühlsystem eine ausreichende Menge Kondensat gebildet. Schließen Sie den Hahn zur Pumpe (die Sie dann ausschalten können) und öffnen Sie vorsichtig das Nadelventil am Lufteinlass. Hierdurch lässt sich der Druck so einstellen, dass das Kondensat gerade so weit hinunter gedrückt wird, dass es in beiden Schenkeln des Hilfsmanometers gleich hoch steht. (Warum verbindet man die Kugel mit der Versuchssubstanz nicht unmittelbar, d. h. ohne Hilfsmanometer, mit dem Manometer?)
Dampfdruck von Flüssigkeiten 5 Abbildung 3: Isoteniskop nach Smith und Menzies Die jetzt abgelesenen Werte von Druck und Temperatur dienen vorerst Kontrollzwecken. Beseitigen Sie das Hilfsmanometer durch Absaugen und wiederholen Sie den Vorgang. Ergeben sich gleiche Druckwerte, so befindet sich im Raum zwischen Hilfsmanometer und Substanzkugel keine Luft mehr, und Sie können mit der eigentlichen Messreihe beginnen. Steigern Sie die Temperatur stetig und halten Sie die Flüssigkeitsmenisken durch vorsichtig dosierten Lufteinlass kontinuierlich auf gleicher Höhe. Lesen Sie etwa alle 5 Grad die Druckund Temperaturwerte ab. Benutzen Sie das Programm "Origin", um eine Anpassung der nichtlinearen Clausius- Clapeyron-Beziehung an Ihre gemessenen Druck-/Temperatur-Wertepaare durchzuführen. Gehen Sie dabei vor wie im Anhang beschreiben. Vergleichen Sie quantitativ, d.h. unter Berücksichtigung des experimentellen Fehlers, die so ermittelten molaren Verdampfungsenthalpien (sowie eventuell beobachtete Siedetemperaturen) mit Literaturdaten. Erklären Sie eventuelle Abweichungen!
Dampfdruck von Flüssigkeiten 6 Anhang Nichtlineare Optimierung der Clausius-Clapeyron-Beziehung mittels des Programms "Origin" 1) Geben Sie die Temperaturwerte (in Kelvin!) in Spalte A(X) ein. 2) Geben Sie die dazugehörigen Druckwerte in Spalte B(Y) ein. 3) Markieren Sie beide Spalten und wählen Sie im Menü Zeichnen - Punktdiagramm. Ein Graphikfenster geht auf, in dem Ihre Messdaten dargestellt sind. 4) Beschriften Sie die Achsen (Doppel- oder Rechtsklick auf die Achsenbeschriftung) 5) Wählen Sie im Grafikfenster-Menü Analyse - Nichtlinearer Kurven-Fit - Fit-Assistent. 6) Datenauswahl: Voreinstellung (aktiver Datensatz) sollte stimmen. Ihre Daten werden im Grafikfenster des Fit-Assistenten rechts oben angezeigt. Wenn nicht, den Datensatz manuell wählen, so dass die richtigen Daten im Grafikfenster des Fit-Assistenten dargestellt werden. Wählen Sie Weiter. 7) Funktion auswählen: Wählen Sie eine passende Fitfunktion für die Clausius-Clapeyron- Beziehung (z.b. Exponential/Exp3P1: y = a e b/(x+c) ). Den nicht benötigten Parameter c müssen Sie in Punkt 9 manuell gleich 0 setzen. Wählen Sie Weiter. 8) Gewichtung: Keine. Übernehmen Sie die Voreinstellung, wählen Sie Weiter. P = 9) Fit-Kontrolle: Der erste Fit wird angezeigt. Öffnen Sie das Parameterfenster ( : 4. Schaltfeld von rechts in der Schaltfeldleiste unten rechts) und setzen Sie c=0. Markieren Sie die Auswahl Fest für c: Der Parameter wird nicht mit angefittet und behält immer den Wert 0. Bestätigen Sie die Auswahl. Das Parameterfenster wird geschlossen. Wählen Sie 100 Iterationen, dann wählen Sie Weiter. 10) Ergebnis: Formatieren Sie die Ausgabe. Stellen Sie sicher, dass Sie sich die Fit- Ergebnisse anzeigen lassen. Wählen Sie dann Weiter. 11) Das Fit-Ergebnis wird graphisch dargestellt, und die Parameter a und b werden ausgegeben. Berechnen Sie aus den Parameterwerten für a und b die Verdampfungsenthalpien Ihrer Flüssigkeiten sowie den Dampfdruck bei Raumtemperatur. (Vorsicht: Beim Rechnen mit a müssen Sie darauf achten, in welchen Einheiten Sie Ihren Druck angegeben haben!). 12) Ermitteln Sie den experimentelle Fehler aus den angegebenen Fehlern der Fit-Parameter. Wenn der Fit beim ersten Versuch nicht konvergiert, liegt das wahrscheinlich daran, dass die Start-Parameterwerte falsch gewählt sind. Überlegen Sie, in welcher Größenordnung das Ergebnis liegen wird (und welches Vorzeichen es hat!), und setzen Sie die Start-Parameterwerte entsprechend, wie unter 9) beschrieben