Geisteswissenschaft Katharina Spohn Biografieforschung und arbeit mit ErzieherInnen Examensarbeit
Hausarbeit im Rahmen der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Berufsbildenden Schulen, Fachrichtung Sozialpädagogik Thema: Biografieforschung und -arbeit mit ErzieherInnen angefertigt im Prüfungsfach: Sozialpädagogik Kandidatin: Katharina Spohn Bearbeitungszeitraum vom 18.08.2007 bis 13.12.2007 ORIGINAL Für jeden der erzieht, ist die biografische Reflexion des eigenen Erzogenseins Voraussetzung für eine bewusste Gestaltung von Erziehung. (Stiller 1999, S. 192)
Inhaltsverzeichnis Einleitung 1-2 1. Womit beschäftigt sich die Biografieforschung 3-8 2. Geschichtlicher Hintergrund 8-12 1.0 Ansätze der Biografieforschung 13-14 1.0 Verbindung zu anderen Forschungsrichtungen 14-16 3. Methoden der Biografieforschung 17-19 3.1 Das narrative Interview 19-25 3.2 Leitfadeninterview 25-26 3.3 Objektive Hermeneutik 26-28 3.4 Grounded Theory 29-31 4. Auswertungsmethodik 31-33 4.1 Triangulation 34-35 4. Biografizität 35-36 5.1 Biografiearbeit 36-39 5.2 Biografisches Lernen 39-40 4. Biografieforschung und Biografiearbeit mit ErzieherInnen 6.1 Biografieforschung und Biografiearbeit in der ErzieherInnenausbildung 41-44 44-47 5.1 Biografiearbeit und Biografieforschung mit Kindern 47-52 6.3 Biografiearbeit mit Kindern im Kindergartenalter 53-57 4. Resümee 58-59 Literaturverzeichnis 60-70
Einleitung Jeder Mensch besitzt eine eigene Biografie, die sich aus strukturellen Daten und seiner jeweiligen individuellen Lebensgeschichte zusammensetzt. Diese kann mit Hilfe eines Lebenslaufes, mit Gesprächen über sich selbst, autobiografischer Aufzeichnung, wie zum Beispiel Tagebuch schreiben, oder auch mit Hilfe von Fotos dokumentiert und festgehalten werden. Jeder Mensch ist einzigartig. Er ist in einem bestimmten Umfeld aufgewachsen, erzogen worden und hat seine eigenen Erfahrungen gemacht. Das Wissen darüber, sich dieser Vielfalt bewusst zu sein, sie zu akzeptieren, zu nutzen und zu fördern, ist gerade für den personenbezogenen Dienstleistungsbereich von Bedeutung. Jeder, der mit Menschen arbeitet, trifft auf individuelle Lebensgeschichten. Alles, was Eltern, Erzieher, Lehrer, Ausbilder anstreben und erreichen können, wird erst wirksam im Zusammenhang einer Lebensgeschichte, also in einem Prozess, der sein Zentrum nicht im Erzieher, sondern im Heranwachsenden und Lernenden hat. 1 Ebenso besitzen Eltern, ErzieherInnen, LehrerInnen und Ausbilderinnen ihre eigene Lebensgeschichte, die sie und ihre Arbeit prägt. Um Biografien zu rekonstruieren und sie auf Lern- und Bildungsprozesse hin zu untersuchten 2, wird in der Wissenschaft mit der Methode der Biografieforschung gearbeitet. Diese wird daher zu Beginn dieser Arbeit näher erläutert. Ihre geschichtliche Entwicklung wird aufgedeckt und die Methoden der Datenerhebung und Datenauswertung die sich in diesem Bereich entwickelt haben, werden angesprochen. Hier wird besonders das narrative Interview von Fritz Schütze näher erläutert, da es eine der gängigsten Methoden der Biografieforschung darstellt. Um einen Überblick über die möglichen Arten der Datengewinnung und auswertung zu erhalten, werden nachfolgend das Leitfadeninterview, als Variante des 1 Schulze (2002), S. 33 2 vgl. Krüger (1997), S. 44 1
narrativen Interviews, die Objektive Hermeneutik von Oevermann und die Grounded Theorie von Glaser und Strauss vorgestellt. Nach der Auswertungsmethodik erfolgt die Auseinandersetzung mit dem Begriff der Biografizität und anschließend mit der Darstellung der Biografiearbeit. Beim Biografischen Lernen kristallisiert sich heraus, dass die Biografiearbeit einen Beitrag zur Subjektstärkung und zur Identitätsbildung bietet. Dies bildet einen Übergang zu der Frage, wie Biografieforschung und Biografiearbeit in der Aus- und Weiterbildung mit ErzieherInnen eingesetzt werden kann. In diesem Teil der Arbeit werden die Lernfelder in der ErzieherInnenausbildung auf Bereiche der Biografieforschung und -arbeit hin untersucht. Den Schluss dieser Arbeit bildet die Ausführung, wie Bereiche der Biografieforschung und arbeit mit Kindern und Kindern im Kindergartenalter durchgeführt werden können. Ziel dieser Arbeit ist es, einen Einblick in die Biografieforschung und die Biografiearbeit zu gewinnen, um die Bedeutung dieser Ansätze zu erkennen und auf die Arbeit mit ErzieherInnen zu übertragen. 2
1. Womit beschäftigt sich die Biografieforschung Die Biografieforschung ist ein Forschungsansatz der qualitativen Sozialforschung. Zum besseren Verständnis des Begriffs Biografieforschung wird zuerst der Begriff der Biografie und danach der der qualitativen Forschung näher erläutert. Bei der Literaturrecherche stößt man auf verschiedene Definitionen von Biografie. Wörtlich übersetzt bedeutet Biografie Lebensbeschreibung von dem griechischen Wort bios Leben und graphein schreiben 3. Alheit erklärt den Terminus Biografie folgendermaßen: Sie ist einerseits die soziale Hülle des Individuums, eine Art äußerliches Ablaufprogramm, ohne das eine moderne Lebensführung unmöglich geworden ist und andererseits eine ganz spezifische und intime Binnensicht des Subjekts, die Synthese einer einzigartigen Erfahrungsaufschichtung. 4 Dausien schreibt, dass Biografie ein gesellschaftliches Konstrukt im Spannungsverhältnis von Struktur und Handeln 5 ist. Ecarius sieht Biografie als autobiografische Reflexion und Konstruktion eigener Erfahrung und individueller und kollektiver Erfahrung, als Erfahrungsreservoir und Sinnhorizont für neues und für alltägliches Handeln 6. Bei Garz wird Biografie als subjektive Wahrnehmung und Erfahrung des Lebens 7 definiert. Sackmann deutet Biografie als die individuelle Geschichte jedes einzelnen, das sinnhafte Handeln eines Subjektes in einer durch einen Lebensprozess vorgegebenen Zeitstruktur 8. Zeitlich gesehen existieren drei biografische Ebenen. Die retrospektive (Vergangenheit), die aktuelle (Gegenwart) und die prospektive (Zukunft) Ebene. 9 Biografie ist eine individuelle Lebensgeschichte, die je nach gesellschaftlichem und sozialem Kontext differenziert, im Gegensatz zu 3 Wahrig (1997), S. 290 4 Alheit (1996), S. 293 5 Dausien (1996), S. 3 6 Ecarius (1998), S. 133/134 7 vgl. Garz (2000), S. 59 8 vgl. Sackmann (2007), S. 50 9 vgl Schweppe (2002), S. 200 3