Interkulturell geprägte Familien- und Erziehungsstile in Deutschland

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Transkript:

Interkulturell geprägte Familien- und Erziehungsstile in Deutschland Vortrag in Düsseldorf am 30.11.2015 Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan Wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung Professor für Moderne Türkeistudien an der Universität Duisburg-Essen; Fakultät für Geisteswissenschaften Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan 0 Seite 0

Vortragsprogramm 1. Empirische Grundlagen: Demografischer Wandel und Migration 2. Elterliche Erziehung und Entwicklung 3. Studie: Interkulturelle Unterschiede in den Erziehungsstilen 4. Elternarbeit und Elternbildung 5. Ressourcenförderung von Kindern und Familien mit Zuwanderungsgeschichte Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan 1 Seite 1

Einwanderung ist zugleich Chance und Notwendigkeit für Deutschland. 80,5 Mio. Einwohner davon 2,6 % Amerika davon 70 % Europa 20 % Personen mit Migrationshintergrund 9 % Ausländer davon 3,5 % Afrika davon 16 % Asien AUS Quelle: Statistisches Bundesamt 2013; Mikrozensus 2012 Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan Seite 2 Seite 2

Kinder und Jugendliche mit Zuwanderungsgeschichte: Warum ist das Thema auch zukünftig für Bildungsfragen relevant? Von den 13.1 Mio Kindern in der Bundesrepublik (2010): 4 Mio mit Migrationshintergrund (ca. 30%) Unter 5 Jahren: 34 % 5 10 Jahre: 32 In einigen Kölner-Stadtteilen (Kalk und Chorweiler) Anteil von Personen mit MH: 55-74% Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan 3 Seite 3

Vielfalt in Deutschland: der Trend geht zur Super-Diversität Türkei 18,5% andere 46,2% Polen 9,2% Russland 7,7% Kasachstan 5,8% Kroatien 2,3% Griechenland 2,5% Italien 4,9% Rumänien 3,0% Quelle: Mikrozensus 2011 Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan Seite 4 Seite 4

Zunehmende religiöse Diversität: Der Anteil der Christen in der Bevölkerung ist auf ca. 61% zurück gegangen. Religiöse Zugehörigkeiten in Deutschland, 1970 / 1987 / 2011 100% 80% 60% 6,4 44,6 15,4 43,0 38,8 Darin sonstige religiöse Zugehörigkeiten mit Anteil an Gesamtbevölkerung (2011): - muslimisch ca. 5,0 % - freikirchlich ca. 1,9 % - orthodox ca. 1,8 % - esoterisch ca. 1,2 % - buddhistisch ca. 0,3 % - hinduistisch ca. 0,1 % - jüdisch ca. 0,1 % 40% 30,9 20% 49,0 41,6 30,3 0% 1970 1987 2011 evangelisch katholisch konfessionsfrei/sonstige/keine Angabe Quelle: Statistisches Bundesamt 1974, 1990, 2013q; Religionswissenschaftlicher Medien- und Informationsdienst e. V. 2013; Haug/Müssig/Stichs 2009; eigene Darstellung Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan Seite 5 Seite 5

Ergebnisse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zur Entwicklung Erwerbsbevölkerung: Verringerung des Erwerbspersonenpotenzials von 44,7 Millionen auf 38 Millionen Menschen (- 6,7 Mio) bei konstanter Erwerbsquote zwischen den Jahren 2008 und 2025! Setzen sich diese Trends nach 2025 fort, geht das Arbeitskräfteangebot im Prognosezeitraum 2008 bis 2050 um insgesamt 12 Mio. Personen zurück (nur noch 26 Millionen Erwerbspersonenpotenzial!) Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan 6 Seite 6

Gegenwärtig: ca. 950000 Flüchtlinge im Jahre 2015 Herausforderung für das Bildungssystem Soziale Sicherungssysteme (migration works, when migrants work; Deutschland aber für Hochqualifizierte weniger attraktiv als andere Länder) Zusammensetzung der Zuwandererbevölkerung (andere Bedarfe, Sprachen, Organisationen) Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan 7 Seite 7

Psychologischer Verlauf des Migrationsprozesses Sluzki, 1979 Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan 8 Seite 8

II. Elterliche Erziehung und kindliche Entwicklung 1 Elterliche Erziehungsstile 5 Kindliche Bereitschaft sich erziehen zu lassen Elterliche Erziehungsziele und -werte 4 6 2 Elterliches Erziehungsverhalten Kindliche Entwicklungsmerkmale 3 Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan 9 Seite 9

Veränderte Rahmenbedingungen familiärer Erziehung Struktureller Wandel der Haushaltsformen Veränderte Wert- und Erziehungsmuster Prekäre Bedingungen der innerfamiliären Beziehungsgestaltung Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan 10 Seite 10

Erziehungsziele in den 1950er bis 1970er Jahren Gehorsam Ehrlichkeit Ordnung Hilfsbereitschaft Reinlichkeit Verträglichkeit gute Manieren Fehlen von Opposition Ab den 1980er Jahren und danach Selbständigkeit Selbstbewusstsein Selbstverantwortlichkeit Kritikfähigkeit Zuverlässigkeit Hilfsbereitschaft Quelle: Sturzbecher, D. & Waltz, C. (1998). Erziehungsziele und Erwartungen in der Kinderbetreuung. In D. Sturzbecher (Hrsg.), Kinderbetreuung in Deutschland (S. 86-104). Freiburg i.br.: Lambertus. Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan 11 Seite 11

Elterliche Erziehungsmuster Emotionale Unterstützung/Wärme + _ + Autoritativer Erziehungsstil Autoritärer Erziehungsstil _ Laisser- Nachgiebiger Erziehungsstil faire Ablehnendvernachlässigender Erziehungsstil (Typologie vom Maccoby & Martin, 1983; in Anlehnung an Baumrind, 1983) Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan 12 Seite 12

Entwicklungsfolgen für Kinder Kinder... zeigen Kognitive Selbstwirk- Prosoziales Problem- Kompetenz samkeit verhalten verhalten vernachlässigender Eltern niedrigste niedrigste niedrigstes höchstes nachgiebiger Eltern mittlere mittlere mittleres dritthöchste autoritärer Eltern mittlere mittlere mittleres zweithöchste autoritativer Eltern höchste höchste höchstes niedrigstes Quelle: Baumrind, D. (1989). Rearing competent children. In W. Damon (Ed.), Child development today and tommorrow (pp. 349-378). San Francisco: Jossey-Bass. Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan 13 Seite 13

Konvergenz der Forschungsbefunde Erziehungskompetente Eltern haben kompetente Kinder Aber: autoritativer Erziehungsstil nicht kulturübergreifend wirksam Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan 14 Seite 14

Erziehungsziele Rangreihe der Erziehungsziele türkischer Eltern (Scherberger, 1999) Rangplatz Erziehungsziel I II III IV V Selbstständigkeit/Verantwortung 12 5 7 14 12 Lernen/Leistungsstreben 9 8 14 11 8 Gehorsam/Ordnung 8 11 17 3 11 Rücksichtnahme/Ehrfurcht 11 10 11 12 6 Religiöse Pflichterfüllung 10 16 1 10 13 Insgesamt (n = 50) 50 50 50 50 50 Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan 15 Seite 15

Erziehungsziele Rangreihe der Erziehungsziele deutscher Eltern (Scherberger, 1999) Erziehungsziel Rangplatz I II III IV V Selbstständigkeit/Verantwortung 25 14 4 6 1 Lernen/Leistungsstreben 16 21 8 3 2 Gehorsam/Ordnung - 7 10 25 8 Rücksichtnahme/Ehrfurcht 9 8 21 7 5 Erziehung zum christlichen Glauben - - 7 9 34 Insgesamt (n = 50) 50 50 50 50 50 Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan 16 Seite 16

Typologie: Wert und Stellung von Kindern anhand der Namensgebungen: Religiöse Namen: Ahmet, Mehmet, Mahmut, Nureddin, Seyfeddin, Osman, Ömer, Ali (männlich); Ayse, Fatma, Hatice, Emine (weiblich) Namen als Familienprogramm und familiale Positionsanzeiger: Murat, Ümit, Ilknur, Songül, Yeter Namen als Träger der Tradition: Namen der eigenen Eltern insbesondere bei dem ersten Kind; Generationenkette nach dem A-B-A-B Modell. Modische Namen, internationale Namen, ereignisbezogene Namen: Deniz, Yasmin, Cigdem, Baris, Devrim, Bülent, etc. Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan 17 Seite 17

Sozialisationskontexte von Kindern mit Migrationshintergrund Häufige entwicklungspsychologische Risiken in Migrantenfamilien aus der Sicht des Kindes im jungen Alter: mehr als drei Geschwister (dadurch zu wenig Aufmerksamkeit und Zuwendung dem einzelnen Kind gegenüber); bei mehr als drei Geschwistern auch ein deutlich geringeres Netz an Peer-Kontakten. zu geringer Altersabstand in der Geschwisterreihe (Gefahr der Übersozialisierung und Vernachlässigung typisch kindlicher Bedürfnisse) Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan 18 Seite 18

Sozialisationskontexte von Kindern mit Migrationshintergrund 24% der deutschen 8-9 jährigen Kinder Altersabstände unter zwei Jahren zu einem benachbarten Geschwister; bei Migrantenkindern insgesamt etwa 80% (Marbach, 2006). Entwicklungspsychologische Studien zeigen: bei Altersabständen unter zwei Jahren steigt das Risiko der geringeren Aufmerksamkeit in der Kindheit und die Wahrscheinlichkeit für eine spannungsreichere Adoleszenz als bei Geschwistern mit größerem Altersabstand. Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan 19 Seite 19

Typische Probleme: Kinder akkulturieren sich schneller, entfernen sich dadurch mehr von den Eltern (Spannungen zwischen den Generationen); Parentifizierung von Kindern Repräsentation ohne Legitimation bei zugeheirateten Männern: (in der Familienforschung riskanteste Paarkonstellation): ungünstige Vorbildfunktion Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan 20 Seite 20

21 Bildungserfolg durch Elternarbeit Gründe für soziale Bildungsbenachteiligung vielfältig und komplex. Schule spielt wichtige, aber nicht einzige Rolle! Der Sozialisation in Familien kommt weltweit Schlüsselrolle für Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen zu: Internationale Längsschnittstudien aus den USA: Bei kontinuierlichem Bildungsengagement der Eltern für ihre Kinder (beginnend im Vorschulalter) ist deren Entwicklung von Lebensverläufen günstiger als bei Kindern ohne elterliche Unterstützung (solche Kinder 40 Prozent häufiger einen High-School-Abschluss, 35 Prozent häufiger einen Arbeitsplatz und seltener Sozialhilfe) (Henderson/Berla 1994). Positiver Zusammenhang zwischen schulischen Leistungen und elterlichen Einbeziehung in schulischen Belangen auch bei Kindern von ethnischen Minderheiten in den USA (Henderson et al. 2007). Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan Seite 21

22 Bildungserfolg durch Elternarbeit Eine Begründung für bildungspolitische Diskrepanzen in Deutschland: Familiärer Hintergrund wirkt sowohl direkt auf die schulischen Leistungen von Schülern ( primäre Herkunftseffekte ) als auch indirekt durch wegweisende Bildungsentscheidungen der Eltern über den weiteren Bildungsverlauf ihrer Kinder ( sekundäre Herkunftseffekte ) (Boudon 1974). Festgehalten werden kann: Schüler/-innen, deren Eltern stark mit der Schule zusammenarbeiten, erzielen bessere Noten, haben günstigere Einstellungen zur Schule, bewältigen Übergänge leichter, machen höhere Abschlüsse, absolvieren häufiger ein Studium. Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan Seite 22

Was motiviert Menschen und wie erreicht man stärkere Beteiligung/Akzeptanz/Verhaltensänderung? Maslows Bedürfnispyramide: Ohne Befriedigung elementarer Bedürfnisse keine kulturellen Bedürfnisse (Selbstverwirklichung) möglich Bsp. Hausfrauenexperiment mit Fleischsorten Migranten: Was von den kulturellen Angeboten kann ich auch für mich nutzen? Wie viel von den präsentierten Politik- und Kulturangeboten sprechen auch meine Herkunftskultur und meine Zukunft an? Sind Räume so gestaltet, dass dort Migranten sich wohlfühlen, das Eigene wieder erkennen? Wie sehr sind Vertreter von Migrantencommunities bei der Konzeption der Inhalte beteiligt? Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan 23 Seite 23

24 Voraussetzungen für Elternarbeit Drei Grundüberzeugungen als Bedingung für erfolgreiche Elternarbeit (Sacher 2011): 1. Alle Eltern haben Träume für ihre Kinder und wollen das Beste für sie. 2. Alle Eltern sind imstande, das Lernen und die Bildung ihrer Kinder zu unterstützen. 3. Alle Eltern sind gleichwertige Partner der Lehrkräfte. Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan Seite 24

25 Ziele und Qualitätsmerkmale einer erfolgreichen Elternarbeit a) Ziele von Elternarbeit (BAMF 2008): Erweiterung der Erziehungskompetenz der Eltern Wertschätzung der Ressourcen der Eltern Stärkung der Eltern-Kind-Beziehung Erwerb von Kenntnissen über kindliche Entwicklung Erwerb von Wissen über das deutsche Bildungssystem Ausbau von Alltagskompetenzen der Eltern Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan Seite 25

26 Ziele, Kriterien und Qualitätsmerkmale einer erfolgreichen Elternarbeit a) Ziele von Elternarbeit (BAMF 2008): Förderung der innerfamiliären Kommunikation Unterstützung der Netzwerkbildung der Eltern Hilfe bei Erziehungsproblemen Sprachförderung der Kinder und Eltern (deutsch) Sprachförderung der Kinder (Herkunftssprache) Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan Seite 26

27 b) Die 4 Aufgaben eines Elternarbeiters (Lueder 1993): 1. Brückenbauer: Beseitigung des Grabens zwischen Familie und Bildungseinrichtungen 2. Kommunikator: Austausch von Informationen mit Familien 3. Eisbrecher: Vermittlung von Kontakten zu Institutionen und Bildung von Netzwerken 4. Trainer: Stärkung von Erziehungskompetenzen der Eltern Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan Seite 27

28 c) Kriterien (Lösel et al. 2006): Größere Effekte bei paralleler Förderung von Kindern und Eltern (Wirkung von multimodalen Ansätzen nachhaltiger, weil positive Verhaltensänderungen bei Eltern sich im familiären Alltag langfristiger entfalten können). Zielgruppenorientierte gezielte Maßnahmen stärkere Effekte als allgemeine Maßnahmen. Übungsorientierte Verfahren erfolgreicher, da sie den Transfer theoretisch erworbener Wissensinhalte in den konkreten Familienalltag erleichtern. Je intensiver und länger die Maßnahme, desto wirksamer. Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan Seite 28

29 Zusammenfassende Grundsätze erfolgreicher interkultureller Elternarbeit 1.Interkulturelle Elternarbeit ist eine Investition; Rendite manchmal erst später bzw. zeitverzögert 2.Interkulturalität bei allen Angeboten der Schule/Einrichtung wahren 3.Leitprinzipien: Respekt und Kommunikation auf Augenhöhe 4.Perspektivübernahme zentral: versetzen Sie sich mal in die Situation von Eltern mit Zuwanderungsgeschichte 5.Formelle und informelle Gesprächsmöglichkeiten suchen; Ansprache/Anschreiben der Eltern verständlich und einfach halten 6.Klare Regeln haben, die für alle gleichermaßen gelten 7.Ressourcen/Erfahrungen der Kolleg/Innen nutzen Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan Seite 29

Vielen Dank für Ihre Geduld und Aufmerksamkeit! Kontakt: haci.uslucan@uni-due.de uslucan@zfti.de ww.uslucan.de Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan 30 Seite 30