Familie und Elternschaft in der Moderne

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Transkript:

Familie und Elternschaft in der Moderne Soziologische Betrachtungen und ihre politischen Implikationen 5. Hessischer Psychotherapeutentag Frankfurt am Main, 18. September 2009 Prof. Dr. Norbert F. Schneider Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung

Inhalt 1 Zur gegenwärtigen Situation von Eltern und Elternschaft in Deutschland 2 Wie kann das Kindeswohl gefördert werden? 3 Konturen einer nachhaltigen Familienpolitik

Die zentrale These lautet: Elternschaft ist in den letzten Jahrzehnten voraussetzungsvoller geworden und hat sich zu einer zunehmend schwieriger zu bewältigenden Gestaltungsaufgabe entwickelt.

Tendenzen des Wandels Tendenzen des Wandels Elternschaft als Option Kinderlosigkeit als Normalität

Wie leben die Deutschen? Lebensformen der 25- bis unter 45-Jährigen Partnerschaft Elternschaft % ohne Partner mit Partner ohne Kind 25 mit Kind 6 ohne Kind 19 mit Kind 50 Σ 100 Datenquelle: Mikrozensus 2007, eigene Berechnungen, N=21,4 Mio.

Tendenzen des Wandels Tendenzen des Wandels Elternschaft als Option Kinderlosigkeit als Normalität Quasi-Professionalisierung von Elternschaft Romantisierung von Kindern und Kindheit Gestiegene Anforderungen an Verfügbarkeit im Berufsleben Bedeutungszunahme der Partnerschaftszufriedenheit Fehlende Alltagserfahrungen im Umgang mit Kindern

Eltern unter Generalverdacht? Wachsende Anforderungen an die Elternrolle bei weithin fehlenden Alltagserfahrungen im Umgang mit Kindern führen zur Überforderung und verstärken das Gefühl etwas falsch zu machen bzw. die wahrgenommenen Erziehungsstandards nicht erfüllen zu können. Zudem befinden sich Eltern heute im Fadenkreuz zweier Generalverdächtigungen 1. das Kind werde überfordert und 2. man tue noch nicht genug für das eigene Kind Viele Eltern sind in dieser Situation verunsichert und fühlen sich im Erziehungsalltag gestresst.

Trotz Wandel: Stabile Muster differentielle Elternschaft Die Norm der guten Mutter traditionelle Aufgabenteilung bei Elternschaft diffuse Vaterrolle

Einstellungen zu Geschlechterrollen in ausgewählten europäischen Ländern Deutschland West Deutschland Ost Schweden Spanien Polen Ein Vorschulkind leidet, wenn seine Mutter berufstätig ist 2,7 3,4 3,5 2,8 2,7 Die Aufgabe des Mannes ist es Geld zu verdienen, die der Frau, sich um Haushalt und Kinder zu kümmern 3,6 3,9 4,2 3,6 2,7 N 903 416 1059 2437 1221 Quelle: ISSP 2002. 5-stufige Skala. 1 Zustimmung, 5 Ablehnung, eigene Berechnungen

Trotz Wandel: Stabile Muster differentielle Elternschaft Die Norm der guten Mutter traditionelle Aufgabenteilung bei Elternschaft diffuse Vaterrolle

Mögliche Zwecksetzungen familienexterner Kinderbetreuung Kinderbetreuung zur Aufbewahrung der Kinder, mit dem Ziel Entlastung der Eltern Förderung mütterlicher Erwerbstätigkeit Kinderbetreuung zur Sicherstellung eines angemessenen Sozialisationsgeschehens zur Kompensation sozialer Benachteiligung Frühförderung mit Bildungsauftrag

Form der Hauptbetreuung von Kindern unter 12 Jahren, ausgewählte Länder 2004 Deutschland West Deutschland Ost Dänemark Spanien Großeltern 27,7 15,6 12,2 25,6 Familienmitglieder Betreuung im Haushalt 11,8 10,9 5,7 12,3 3,0 3,9 5,1 5,1 Betreuung in Institutionen 13,7 35,6 44,7 6,2 Kind allein Zuhause 7,1 8,4 11,3 2,0 Eltern 34,5 25,6 13,0 46,5 Sonstige 2,2 0,0 7,9 2,4 Insgesamt 100 100 100 100 Quelle: European Social Survey 2004, es konnte jeweils nur eine Hauptbetreuungsform angegeben werden; eigene Berechnungen

Faktoren, die die Erziehungsleistung beeinflussen Die sozioökonomische Situation des Elternhauses Die Qualität der Beziehung zwischen den Eltern Die Persönlichkeitsmerkmale der Eltern (bes. Konfliktbewältigungsstrategien) Das Erziehungsverhalten und die Qualität der Eltern-Kind- Beziehung, wobei zwei Dimensionen wesentlich sind: Akzeptanz vs. Zurückweisung Kontrolle vs. Autonomie

Konturen einer zukunftsorientierten Familienpolitik 1. Postulat: Eine Familienpolitik ohne klare gesellschaftspolitische Zielbestimmung entfaltet wenig Wirkung

Vier mögliche familienpolitische Zielsetzungen eine (weitere) Förderung der Wahlfreiheit der Lebensführung eine explizite pronatalistische Orientierung eine auf die Verbesserung der Lebensbedingungen von Kindern, Eltern und potentiellen Eltern ausgerichtete Politik eine (weitere) Stärkung der Familien bei der Erfüllung ihrer Aufgaben.

Konturen einer zukunftsorientierten Familienpolitik 1. Postulat: Eine Familienpolitik ohne klare gesellschaftspolitische Zielbestimmung entfaltet wenig Wirkung 2. Postulat: Eine moderne Familienpolitik kommt ohne die Abkehr vom privilegierten Schutz der Institution Ehe nicht aus 3. Postulat: Eine nachhaltige Familienpolitik kann ohne aktive Gleichstellungspolitik nicht erfolgreich sein 4. Postulat: Ohne konzertierte Anstrengungen und ohne die Einbeziehung der Wirtschaft können nur schwerlich Erfolge erzielt werden