Föderalismus in Deutschland

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Transkript:

Föderalismus in Deutschland 16 Länder - 13 Flächenländer - 3 Stadtstaaten Themen: - Strukturprinzipien - Bundesrat - Föderalismusreform 2006 Föderalismus DE Woelk 1

Deutscher Föderalismus - Elemente Geschichte: Staatenbildung in den Fürstentümern Dominanz der Ministerialbürokratien und der intergouvernementalen Verhandlungsmuster Exekutivföderalismus Strukturelle Verflechtung und gegenseitiger Einfluss (kooperativer Föderalismus, Politikverflechtung ) Zentrale Rolle des Bundesrates (Veto) Legitimation: vertikale Gewaltenteilung Polyzentrische Struktur: institutionelle Dezentralisierung und Integration durch Verfahren Stabilität in einem abgeschirmten System in Zukunft? Föderalismus DE Woelk 2

Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen residuale Befugnisse: Länder (30, 70 GG) exklusive Bundesgesetzgebung (71, 73, 105 c.1) konkurrierende Gesetzg. (72, 74, 74a, 105 c.2) - entweder... oder - Vorrang für Bund, soweit ausgeübt - Bedürfnisklausel ( einheitliche Lebensbedingungen ) - zentralisierende Wirkung Rahmengesetzgebung (75) ungeschriebene Kompetenzen (Annex- oder Natur der Sache) Gemeinschaftsaufgaben (1969: 91a, b) (Bundesrecht bricht Landesrecht, 31 GG) Mehr Beteiligungsföderalismus? Föderalismus DE Woelk 3

Exekutivföderalismus (I) Ratio: Vermeidung von Doppelstrukturen Umsetzung von Gesetzen der Länder: exklusive Komp. Grundsatz: Umsetzung von Bundesgesetzgebung durch autonome Verw.tätigkeit der Länder (Art. 83); Bundesaufsicht auf Rechtmäßigkeit beschränkt Ausnahme: Bundesauftragsverwaltung" (art. 85) Bundesverwaltung (Art. 86 ff.) Bundesfinanzen, Luftverkehr und Streitkräfte: unmittelbare (Bundesbehörden) und mittelbare (Bundesanstalten) Konsequenz: Länder wirken auf Bundesebene mit Föderalismus DE Woelk 4

Exekutiv -Föderalismus (II) Bund Gesetzgebungsbefugnisse exklusive (Bund) konkurrierende (Bund) Rahmen residuale Verwalt.- kompetenzen Bd Bd del autonome Umsetzung von Bundesgesetzen autonome Verw. Föderalismus DE Woelk 5

Der Bundesrat Zusammensetzung (Art. 50, 51): Von den Regierungen der Länder nominierte Mitglieder Beteiligung und Veto im Gesetzgebungsverfahren - aufschiebend: Einspruchsgesetze - Vermittlungsausschuss - absolut: Zustimmungsgesetze Zustimmung zu Rechtsverordnungen der Bundesreg. (Art. 80) Stimmengewichtung (69 Stimmen): - demographische Abstufung (Minimum 3 Mitgl., max. 6) - Nur einstimmige Voten jedes Landes (Weisungen! Art. 51 II) - oft unterschiedliche (parteipolitische) Mehrheit im Gegensatz zum Bundestag Föderalismus DE Woelk 6

Sitzverteilung im Bundesrat Föderalismus DE Woelk 7

Der Bundesrat: Gegengewicht(e) Demokratische Legitimation Begrenzung durch bundesstaatliches Prinzip und umgekehrt (Stimmenwägung) Kooperativer Föderalismus - Wettbewerbsföderalismus Verschränkung von Gesetzgebungs- und Exekutivfunktion Einkammersystem mit nicht-parlamentarischem Gegengewicht, das trotzdem parlamentarische Funktionen ausübt Noch stärkere Rolle des Bundesrates im Falle des Gesetzgebungsnotstands, Art. 81 GG Föderalismus DE Woelk 8

Kooperativer unitarischer Bundesstaat Homogenitätsklausel für die Verfassungsordnung der Länder, Art. 28 Abs.1 GG Selbstkoordinierung der Länder Vereinheitlichende Wirkung von Grundrechten und Sozialstaat Kooperation durch Verträge und Institutionen (Ministerkonferenzen, z.b. KMK) Politikverflechtung: wenig Transparenz, keine klare politische Verantwortung Föderalismus DE Woelk 9

Mitwirkung - EU Art. 23 GG Gründe: Vertretung und Berücksichtigung von Interessen/Autonomie Kompensation von (verlorenen) Befugnissen Prozedurale Garantie des Subsidiaritätsprinzips Vorbereitung der Umsetzung Formen: Verfahren Institutionen Mitwirkungsrechte: Vertreter im Rat Bind. Stellungnahme Konsultation Information Föderalismus DE Woelk 10

Nach der Wiedervereinigung Bund als Treuhänder für die neuen Länder: keine (große) Verfassungsreform Gleichwertige anstelle einheitlicher Lebensverhältnisse (Art. 72 GG) Fiskalischer Föderalismus zwischen Solidarität und (mehr) Wettbewerb Länderrechte im EU Entscheidungsprozess: mehr Beteiligungsföderalismus Rolle des Bundesrats: Bremser Reformstau Gleichgewichte? Solidarität und Homogenität Föderalismus DE Woelk 11

Föderalismusreform 2006 KoMBO: Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung, 17.10.2003 bis 17.12.2004 Große Koalition: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des GG Entwurf eines Föderalismusreform-Begleitgesetzes => 30.06.2006 Bundestag => 07.07.2006 Bundesrat Föderalismusreform am 01.09.2006 in Kraft getreten Umfangreichste Verfassungsreform: 25 geänderte Artikel Föderalismus DE Woelk 12

Schwerpunkte der Föderalismusreform 1.Neuordnung der Bundes- und Landeszuständigkeiten im Bereich der Gesetzgebung 2.Reduzierung der zustimmungsbedürftigen Bundesgesetze 3. Weitere Bereiche (Hauptstadt, Gemeinden, Europa) Föderalismus DE Woelk 13

Reduzierung zustimmungsbedürftiger Gesetze Art. 84 I GG n.f.: Wenn Bund Behördeneinrichtung und Verwaltungsverfahren mitregelt, nicht mehr Zustimmung durch Bundesrat SONDERN formelles Abweichungsrecht der Länder. -> beabsichtigte Reduzierung der zustimmungsbedürftigen Gesetze von 66% auf 35% Föderalismus DE Woelk 14

Konkurrierende Gesetzgebung, 72 GG Abschaffung Rahmenkompetenz, Art. 75 GG Neue Dreiteilung: 1. Kernkompetenz = OHNE Erforderlichkeitsvoraussetzung + OHNE Abweichungsrecht 2. Bedarfskompetenz = MIT Erforderlichkeitsvoraussetzung + OHNE Abweichungsrecht 3. Abweichungskomp. = OHNE Erforderlichkeitsvoraussetzung + MIT Abweichungsrecht volles materielles Abweichungsrecht: Bodenverteilung, Raumordnung, Hochschulzulassung + -abschlüsse beschränktes materielles Abweichungsrecht: Jagdwesen, Naturschutz / Landschaftspflege, Wasserhaushalt -> abweichungsfeste Kerne Föderalismus DE Woelk 15

Abhilfe? negativ positiv Ping-Pong-Effekt des Abweichungsrechts, lex posterior-regel Kleinstaaterei, Wettbewerb zwischen den Ländern führt zu Kosteneinsparung zu Lasten der Bürger Bevorzugung starker Länder, Aufgabe des Sozialstaatsprinzips Stärkung der Länderinteressen Entfallen der Blockademöglichkeit im Bundesrat, weniger Kuhhandel (weniger Verfahren im Vermittlungsausschuss), kürzere Gesetzgebungsverfahren Verringerung der Normenkontrollverfahren, Entlastung des BVerfG Föderalismus DE Woelk 16

Weitere Änderungen 1. Änderungen am Europaartikel (Art. 23 GG): Abs.6: Ländervertreter im Rat - abschließende Aufzählung (nur: Schule, Kultur, Rundfunk) 2. Aufwertung der Europakammer des Bundesrates u.a. durch schriftliches Eilverfahren (Fax) 3. Hauptstadtklausel (Art. 22 GG) 4. Verbot direkter Aufgabenübertragung vom Bund an Gemeinden (Art. 84 Abs.1 S.7 GG) 5. Ausdehnung des nationalen Stabilitätspaktes (Art. 109 Abs.5) bei Sanktionen: Bund 65% : 35% Länder => Gemeinschaft (Einw.) 35% : 65% Verursacher 6. Interne Haftung für Verletzungen des Gemeinschafts- Völkerrechts: Art. 104a Abs.6 GG n.f. nach interner Kompetenzverteilung; bei Finanzkorrekturen der EU: Bund 15% : 85% Länder Föderalismus DE Woelk 17

Föderalismusreform: Stufe II Große Koalition: 2. Kommission (16 BT + 16 BR) Modernisierung der Bund-Länder Finanzbeziehungen Beratungen (ab März 2007) Schuldenbremse Gesetzentwürfe im Bundestag: 24.3.2009 Weltwirtschaftskrise Scheitern des BundesUmweltgesetzbuchs (Jan. 2009) Superwahljahr 2009 Föderalismusreform: Stufe III (Neugliederung?) Föderalismus DE Woelk 18