Strategische Normung Andreas Schleifer DIN Deutsches Institut für Normung e. V. TU Berlin, WS 2016/17, 24. November 2016 Normung zur Konkretisierung allgemeiner Schutzziele
Nach der heutigen Veranstaltung wissen Sie wie die Normung die öffentlich-rechtlichen Schutzziele unterstützt wer vor was geschützt werden soll wie die KAN arbeitet wie Produktsicherheitsgesetz und Normen zusammenhängen und warum die ISO 26000 so eine weitreichende Bedeutung hat.
Normung und öffentlich-rechtliche Schutzziele Öffentlich-rechtliche Schutzziele sind z. B. Gesundheit Ordnung Sicherheit Soziale Verantwortung Arbeitsschutz (Arbeitnehmer) und Bürgerschutz 2016, DIN e. V. 3
Normung und öffentlich-rechtliche Schutzziele Begrenzung der öffentlich-rechtlichen Festlegungen auf allgemeine Anforderungen Beispiele allgemeiner Anforderungen: Brandschutz Standsicherheit von Bauwerken Arbeits- und Gesundheitsschutz (OHS) Schutz vor elektrischen Gefährdungen Schutz der Atemluft Landesbauordnungen 2016, DIN e. V. 4
Normung und öffentlich-rechtliche Schutzziele Die allgemeinen Anforderungen der öffentlichrechtlichen Schutzziele werden durch Normen konkretisiert Dazu werden die Normen öffentlich-rechtlich in Bezug genommen Damit wird auch Ziel 2 der DNS Normung und Standardisierung entlasten und unterstützen die staatliche Regelsetzung erreicht EU: Festlegung grundlegender Anforderungen in EG- Richtlinien, Konkretisierung in harmonisierten Europäischen Produktnormen Neuer Ansatz 2016, DIN e. V. 5
Schutzziele der Normung Gemäß 4 Arbeitsschutzgesetz müssen Gefahren immer direkt an der Quelle beseitigt oder entschärft werden. Wo dies allein nicht zum Ziel führt, müssen ergänzende organisatorische und personenbezogene Maßnahmen in dieser Reihenfolge ergriffen werden: 2016, DIN e. V. 6
Erreichung der Schutzziele durch: TOP-Prinzip T Technische Maßnahmen z. B. Abschrankung von Quetschstellen, Lichtschranken an beweglichen Maschinenteilen, Kapselung einer Lärmquelle O T... P Organisatorische Maßnahmen z. B. Trennung von Fußwegen und Gabelstapler-Fahrwegen im Produktionsbereich, Sichtprüfung von Elektrowerkzeugen vor jeder Benutzung, Beschränkung der Arbeitszeit bei Arbeiten mit hoher körperlicher Belastung, Bildschirmpausen Personenbezogene Maßnahmen z. B. arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen, Benutzung Persönlicher Schutzausrüstungen, Sicherheitsunterweisungen 2016, DIN e. V. 7
Schutzgüter bei der Anlagensicherheit Beschäftigte Allgemeinheit Tiere, Pflanzen, Sachgüter Wasser, Boden Atmosphäre 2016, DIN e. V. 8
Schutzziele der Normung Arbeitsschutz Explosionsschutz Brandschutz Umweltschutz Schallschutz und Vibrationsschutz Schutz vor gesundheitsschädigenden Stoffen Schutz vor mechanischen, elektrischen und sonstigen Gefährdungen 2016, DIN e. V. 9
Schutzziele der Normung 1. Arbeitsschutz erfolgt im Wesentlichen gemäß TOP-Prinzip durch: - Konstruktion (Hersteller) und Bereitstellung (Arbeitgeber) sicherer Arbeitsmittel - Schutzvorrichtungen an Maschinen und Anlagen - Persönliche Schutzausrüstung Arbeitsschutzgesetz verpflichtet den Arbeitgeber, Gefährdungen zu ermitteln und die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes festzulegen und Wirksamkeit zu überprüfen 2016, DIN e. V. 10
Schutzziele der Normung Gefährdungsbeurteilungen können dazu beitragen Wirtschaftlichkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Unternehmensimage durch verantwortliches Handeln für die Mitarbeiter zu verbessern; Ursache von Ereignissen (Arbeitsunfälle und Betriebs -Störungen) sind überwiegend verhaltens- und organisationsbedingt. Mit dem unternehmerischen Ziel Sicherheit- und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz können die Aufbau- und Ablauforganisation eines Unternehmens verbessert und Vorschriften erfüllt werden. Bei den Gefährdungsbeurteilungen muss die Betriebssicherheitsverordnung mit den Technischen Regeln zur Betriebssicherheit (TRBS) berücksichtigt werden. 2016, DIN e. V. 11
Beispiel: ProdSG ProdSG Produktsicherheitsgesetz (Gesetz über die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt vom 01.12.2011) Ausschuss für Produktsicherheit (AfPS) hat die Aufgaben, 1. die Bundesregierung in Fragen der Sicherheit von technischen Arbeitsmitteln und Verbraucherprodukten zu beraten, 2. die bezeichneten Normen und sonstigen technischen Spezifikationen zu ermitteln und 3. nationale technische Spezifikationen zu ermitteln, soweit solche Spezifikationen in Rechtsverordnungen vorgesehen sind. Gefahr des Aufbaus von Handelsbarrieren 2016, DIN e. V. 12
Beispiel: ProdSG Dem Ausschuss sollen sachverständige Personen aus dem Kreis der zuständigen Behörden für Sicherheit und Gesundheit des Bundes und der Länder, der zugelassenen Stellen, der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, Deutschen Instituts für Normung e. V., der Kommission Arbeitsschutz und Normung, der Arbeitgebervereinigungen, der Gewerkschaften und der beteiligten Verbände, insbesondere der Hersteller und der Verbraucher, angehören. Die Mitgliedschaft ist ehrenamtlich. Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen: Technische Regeln können vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Bundesanzeiger veröffentlicht werden. 2016, DIN e. V. 13
KAN Kommission für Arbeitsschutz und Normung www.kan.de Abgrenzung von Arbeitsschutz in Technischen Regeln und Normung
Schutzziele der Normung 2. Explosionsschutz erfolgt im wesentlichen durch Schutzvorrichtungen an den Maschinen und Anlagenteilen durch dreistufiges System erreicht: 1. Vermeidung bzw. räumliche Einschränkung der explosionsfähigen Atmosphäre 2. Vermeidung von Zündquellen, abgestimmt auf die Auftrittswahrscheinlichkeit und Zündfähigkeit 3. Begrenzung der Auswirkung einer möglichen Explosion basierend auf den sicherheitstechnischen Kenngrößen der brennbaren Stoffe 2016, DIN e. V. 15
Schutzziele der Normung 2. Explosionsschutz Aufteilung in elektrischen und nicht-elektrischen Explosionsschutz CENELEC/TC 31 Elektrische Betriebsmittel für explosionsgefährdete Bereiche Allgemeine Bestimmungen nach Prinzip der integrierten Explosionssicherheit CEN/TC 305 Explosionsfähige Atmosphären Explosionsschutz 2016, DIN e. V. 16
Schutzziele der Normung 2. Explosionsschutz 2016, DIN e. V. 17
Schutzziele der Normung 3. Brandschutz erfolgt über Schutzvorrichtungen an den Maschinen und Anlagenteilen sowie im Bereich der Personensicherheit; die Normung erfolgt im NPS und FNFW. Normenausschuss Feuerwehrwesen (FNFW): Brand- und Katastrophenschutz Vorbeugender Brandschutz Technische Hilfeleistung Krisenmanagement. 2016, DIN e. V. 18
Schutzziele der Normung 4. Umweltschutz erfolgt durch Schutzmaßnahmen in der Anlage und im gesamten Betrieb durch: geschlossene Kreisläufe von Stoffen Dichtigkeit von Verbindungsstellen Neben der Rechtsgrundlage und deren technischen Regel erfolgt übergreifende Normung zu Umweltmanagementsystemen und ihren Instrumenten in den Gremien des NAGUS und übergreifende Unterstützung in der Koordinierungsstelle Umweltschutz 2016, DIN e. V. 19
Schutzziele der Normung 5. Schallschutz und Vibrationsschutz erfolgt über Schutzvorrichtungen an den Maschinen und Anlagenteilen. Das Arbeitsgebiet des Normenausschuss Akustik, Lärmminderung und Schwingungstechnik (NALS) bei DIN und VDI umfasst alle Fragestellungen der Akustik, Lärmminderung und Schwingungstechnik. Der NALS ist auf dem vorgenannten Arbeitsgebiet verantwortlich für die Erstellung von Spezifikationen und (DIN-) Normen und VDI-Richtlinien sowie weiteren Veröffentlichungsformen. 2016, DIN e. V. 20
Schutzziele der Normung 6. Schutz vor gesundheitsschädigenden Stoffen und 7. Schutz vor mechanischen, elektrischen und sonstigen Gefährdungen erfolgt in den Normen für die Produkte (z. B. auch durch frühe Einbindung von Ersatzstoffen in der Übergangszeit sowie Ausschluss von Stoffen in DIN [EN] {ISO}, die nur national verboten sind) und über Betriebsanweisungen sowie Informationen und Unterweisung an Arbeitnehmer. 2016, DIN e. V. 21
Beispiel: Maschinenrichtlinie Neue Maschinenrichtlinie: Richtlinie 2006/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Maschinen Überarbeitungsdauer: 11 Jahre Umsetzung in deutsches Recht: Verordnung zur Änderung von Verordnungen nach 3 des Geräte- und Produktsicherheitsgesetzes vom 18. Juni 2008 Änderung der Maschinenverordnung Anpassung der ca. 600 harmonisierten Normen zur Maschinenrichtlinie 2016, DIN e. V. 22
Beispiel: Maschinenrichtlinie Ergebnisse und Neuerungen der 2006/42/EG Klarstellungen in der Abgrenzung zu anderen Richtlinien Neuregelung der Konformitätsbewertungsverfahren Neuaufnahme einzelner Produkte in den Anwendungsbereich Sonderregelungen für unvollständige Maschinen Ergänzende Bestimmungen zur Marktüberwachung Stichtagsregelung: die bisherige MRL wurde zum 29.12.2009 aufgehoben 2016, DIN e. V. 23
Beispiel: Maschinenrichtlinie Europäische Sicherheitsnormung für Maschinen Beginn ca. Mitte der 80er Jahre Ziel: übereinstimmendes Anforderungsniveau zu gleichartigen Gefährdungen In den Normen definierte Anforderungsniveaus basieren auf Leistungsparametern und nicht auf der Beschreibung konstruktiver Lösungen Typ A-Normen, Sicherheitsgrundnormen: - Grundbegriffe und Terminologie - Gestaltungsleitsätze - Allgemeine Aspekte für alle Maschinen 2016, DIN e. V. 24
Beispiel: Maschinenrichtlinie Typ B-Normen, Sicherheitsfachgrundnormen: - Übergeordnete Sicherheitsaspekte - Sicherheits- und Schutzeinrichtungen für verschiedene Arten von Maschinen Typ C-Normen, Maschinensicherheitsnormen: - Detaillierte Sicherheitsanforderungen - Maschinenspezifische Anforderungen Typ C-Normen haben den höchsten Konkretisierungsgrad für eine bestimmte Maschinenart und damit die größte praktische Bedeutung Europäische Sicherheitsnormen zur Konkretisierung der grundlegenden Anforderungen in Anhang I der MRL 2016, DIN e. V. 25
Beispiel: Maschinenrichtlinie Nachweis der Übereinstimmung eines Produktes mit den grundlegenden Anforderungen der MRL Konformitätsvermutung Bei Anwendung der harmonisierten Normen (Zitierung im Amtsblatt der EG) kann der Hersteller davon ausgehen, dass er die grundlegenden Anforderungen der MRL eingehalten hat. Keine Konformitätsvermutung bei Typ A-Normen; Konformitätsvermutung bei Typ B-Normen, wenn sie geeignete technische Lösungen enthalten; Anwendung von Typ C-Normen immer mit Konformitätsvermutung verbunden. www.maschinensicherheit-online.de 2016, DIN e. V. 26
Exkurs Social Responsibility Die Norm DIN ISO 26000 Leitfaden zur Gesellschaftlichen Verantwortung Rahmenbedingungen und Erarbeitungsprozess Was ist gesellschaftliche Verantwortung nach ISO 26000? Struktur und Inhalt der ISO 26000 2016, DIN e. V. 27
Besonderheiten des Erarbeitungsprozesses Einbeziehung der Entwicklungsländer (zuletzt 69 von 99 beteiligten Ländern) Organisation der Normungsarbeit nach dem Twinning-Modell (Industrieländer Entwicklungsländer) Transparenz und breite Information der interessierten Öffentlichkeit Expertenzahlen der ISO/TMB WG SR bis zuletzt steigend: rund 450 Experten und 210 Beobachter aus 99 Ländern und 42 Liaison-Organisationen 2016, DIN e. V. 28
Beteiligung der interessierten Kreise 6 wesentliche interessierte Kreise (Stakeholder) wurden identifiziert: Wirtschaft Öffentliche Hand Verbraucher Gewerkschaften Nichtregierungsorganisationen (NGO) Dienstleister, Berater, Wissenschaft und Andere 2016, DIN e. V. 29
Veröffentlichung der ISO 26000 im November 2010 Nationale Implementierung in deutscher Sprache als DIN ISO 26000 im Januar 2011 2016, DIN e. V. 30
Rahmenbedingungen ISO 26000 ist eine Norm mit Leitfadencharakter und enthält keine konkreten Anforderungen Anwendbar für alle Arten von Organisationen kein Ersatz für Gesetzgebung/staatliche Aktivitäten Norm beschreibt kein neues Managementsystem und ist nicht als Grundlage für Drittzertifizierung geeignet Aber: Auf Grundlage der ISO 26000 sind nationale Normen entstanden, nach denen sich ein Unternehmen zertifizieren lassen kann. Beispiel: Harting Technologiegruppe ließ sein Managementsystem als erstes Unternehmen nach der spanischen RS 10 und der österreichischen ONR 192500 zertifizieren. 2016, DIN e. V. 31
Ausgangspunkt: Definition des Begriffs Gesellschaftliche Verantwortung (aus DIN ISO 26000) 2015, DIN e. V. 32
Ausgangspunkt: Definition des Begriffs Gesellschaftliche Verantwortung (aus DIN ISO 26000) betrifft alle Arten von Organisationen schließt sowohl soziale als auch ökologische Aspekte ein Kein negativer Einfluss auf spätere Entwicklungen Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und internationaler Vereinbarungen als Basis bedeutet für eine Organisation, Verantwortung für die Folgen ihres Handels und ihrer Entscheidungen zu übernehmen 2016, DIN e. V. 33
Struktur und Inhalt der ISO 26000: Prinzipien gesellschaftlicher Verantwortung Prinzipien: Rechenschaftspflicht der Organisationsführung Transparenz der Arbeitspraktiken Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit Menschenrechte int. Verhaltensstandards Achtung der Interessen gegenüber: Mitarbeitern Umwelt Anspruchsgruppen Konsumenten 2016, DIN e. V. 34
Struktur und Inhalt der ISO 26000: Handlungsfelder Übersicht über die dargestellten Handlungsfelder (HF) Beispiel Kernthema Menschenrechte: HF 1: Gebührende Sorgfalt HF 2: Kritische Situationen in Bezug auf Menschenrechte HF 3: Vermeidung der Mittäterschaft HF 4: Umgang mit Menschenrechtsbeschwerden HF 5: Diskriminierung und schutzbedürftige Gruppen HF 6: Bürgerliche und politische Rechte HF 7: Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte HF 8: Grundsätze und Rechte bei der Arbeit 2016, DIN e. V. 35