Die Funktionen der Grundrechte

Ähnliche Dokumente
Propädeutische Übung Verfassungsrecht, Grundkurs II Sommersemester A. Allgemeines

Freiheitsgrundrechte Gleichheitsgrundrechte Teilhaberechte. Grundrechtsfunktionen

AG Grundrechte SS 2015, 1. Termin, , Wiss. Mit. Dominik Wedel - Einführung in die Prüfungsdogmatik der Grundrechte -

Dr. Angelika Günzel, Wiss. Mitarbeiterin Sommersemester Lösung zu Fall 1

Übung zur Vorlesung im Öffentlichen Recht: Grundrechte und Verfassungsprozessrecht Wiss. Mitarbeiterin Andrea Löher Universität Trier

Aufbau Verfassungsbeschwerde. Die Verfassungsbeschwerde hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.

Prof. Dr. Christoph Gröpl. Vorlesung Staatsrecht II (Grundrechte)

Prof. Dr. Christoph Gröpl Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, deutsches und europäisches Finanzund Steuerrecht

Fallbesprechung. Grundkurs Öffentliches Recht III. Grundrechte

Atomkraft nein danke! Lösungsskizze. Vorab: Festlegung der zu prüfenden hoheitlichen Maßnahme: Verbotsverfügung

SCHEMATA Staats- und Verfassungsrecht

Deutsches Staatsrecht

Modul 55104: Deutsches und Europäisches Verfassungsrecht

Prof. Dr. Christoph Gröpl. Vorlesung Staatsrecht II (Grundrechte)

Arbeitsgemeinschaft Fall 1 : Liquorentnahme"

Modul 55104: Staats- und Verfassungsrecht

3: Aufbau und Schutz der Grundrechte

» Struktur der Grundrechtsprüfung (Freiheitsrechte)

Prof. Dr. Meinhard Schröder Wintersemester 2009/2010 Universität Trier. Lösung Probeklausur

AG STAATSRECHT II - GRUNDRECHTE F AL L Z W AN G S M I T G L I E D S C H AF T

3: Aufbau und Schutz der Grundrechte

Das Grundgesetz enthält einen Grundrechtskatalog Art GG -, sowie einige grundrechtsgleiche Rechte wie Art. 20 IV, 33, 38, 101, 103, 104 GG.

Modul 55104: Staats- und Verfassungsrecht

GRUNDRECHTE Funktion Gewährleistungen Beschränkungen

AG im Staatsrecht II - Grundrechte. Fall 3 Elfes-Urteil (nach BVerfGE 6, 32 ff.)

Öffentliches Recht. WS 2009/010 Bachelor- Studiengang Wirtschaft und Recht

AG Staatsrecht II - Grundrechte. Korrektur Probeklausur, vgl. NJW 2011,

Im Rahmen der Prüfung des Schutzbereiches ist weiter zwischen dem persönlichen (1) und dem sachlichen (2) Schutzbereich zu unterscheiden.

Einführung in die Grundrechten

Konversatorium zum Grundkurs Öffentliches Recht II Grundrechte Fall 5: Obligatorische Zivilehe

Modul 55104: Deutsches und Europäisches Verfassungsrecht

Fallbesprechung zum GK ÖR III

Fall 9: Solidarfonds Lösungshinweise. II. Beschwerdeberechtigung Jedermann i.s. des Art. 93 Nr. 4a GG und des 90 I BVerfGG A-GmbH Art.

Prof. Dr. Horst Dreier Sommersemester Gliederung. Erster Teil: Allgemeine Grundrechtslehren

Rep.-Kurs Öffentliches Recht Einheit 4: Einführung in das Staatsrecht II

AG Grundkurs Öffentliches Recht II Teil 2 Jennifer Ricketts, Wiss. Mit. (LS Wollenschläger) Fall 9 - Folien Wintersemester 2012/13

O. Die Versammlungsfreiheit gem. Art. 8 GG

1. Teil Einführung. Normenpyramide

Konversatorium zum Grundkurs Öffentliches Recht II Grundrechte. Fall 2: Soldaten sind potentielle Mörder!

Lösungsvorschlag: Akupunktur

Übersicht zur Grundrechtsprüfung (1) - Freiheitsrechte -

Die VB wird Erfolg haben, wenn sie zulässig und begründet ist. A. Zulässigkeit

Meinungsfreiheit für alle? Lösungsskizze

Übung zur Vorlesung Öffentliches Recht - Grundrechte und Verfassungsprozessrecht - Lösung zu Fall 4

Vorlesung Staatsrecht II (Grundrechte)

Verfassungsbeschwerde. BVerfGE 6, 32.

Judith Burgmann. Bekleidungsvorschriften an öffentlichen Schulen in Nordrhein-Westfalen

1. Funktionen der Grundrechte: 1. Subjektive Rechte 2. Objektive Wertordnung 3. Garantie von Institutionen 4. Grundrechtsschutz durch Verfahren

Inhaltsverzeichnis. C. Allgemeine Grundrechtslehren (Grundrechtsfunktionen) 18

Vorlesung Staatsrecht II. Prof. Dr. Dr. Durner

Arbeitsgemeinschaft zum Grundkurs Öffentliches Recht II. Fall 7: Kassenarztzulassung. Sommersemester 2016

2: System, Funktionen, Ausgestaltung

Reiten im Walde. Rechtsanwalt Norman Jäckel Berend Koll Juliane Martin Hannah Imbusch. Sommersemester 2013

Vorles ung Öffentliches Recht I Wintersemester 2007/2008

Leseprobe Text. III. Rechtfertigung des Eingriffs

Inhaltsverzeichnis. 1. Teil - Allgemeine Grundrechtslehren A. Menschenrechte, Bürgerrechte, Grundrechte...3

Die Verfassungsbeschwerde

Die 32 Fälle. Staatsrecht. wichtigsten nicht nur für Anfangssemester. Hemmer / Wüst. einfach l verständlich l kurz

Fall 8. Lösungsskizze Fall 8. - Begründetheit der Verfassungsbeschwerde?

Staatsrecht I Grundrechtsdogmatik

DIE GRUNDRECHTE. I. Einteilung der Grundrechte. 1. Freiheitsgrundrechte schützen den Einzelnen gegen staatliche Eingriffe

Grundrechte. von Rechtsanwalt Frank Schildheuer *

Judith Burgmann (Autor) Bekleidungsvorschriften an öffentlichen Schulen in Nordrhein- Westfalen

Online-Durchsuchung Lösungsskizze. Die Verfassungsbeschwerde des E hat Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.

Die Verfassungsbeschwerde müsste zulässig sein.

Inhalt: Aufbau-Schemata. Verfassungsmässigkeit von Gesetzen / Grundrechte: Faustformen: Klausur-mögliche Grundrechtsverstösse:

Allgemeine Grundrechtslehre 1

Wissens-Check zu den Allgemeinen Grundrechtslehren

I. Allgemeine Grundrechtslehren

Rechtmäßigkeit der Maßnahmen des BKA und seiner Beamten im Zusammenhang mit der Verhaftung und Haft des A.

Inhaltsverzeichnis. 1. Teil - Allgemeine Grund rechtslehren 1. A. Menschenrechte, Bürgerrechte, Grundrechte 3

Auswirkungen einer Staatszielbestimmung Tierschutz" im Grundgesetz, insbesondere auf die Forschungsfreiheit

Inhaltsverzeichnis. 1. Teil - Allgemeine Grundrechtslehren 1. A. Menschenrechte, Bürgerrechte, Grundrechte 3

I. Zuständigkeit des BVerfG, Art. 93 I Nr. 4 a GG, 13 Nr. 8a BVerfGG. II. Beschwerdefähigkeit, Art. 93 I Nr. 4 a GG, 90 I 1 BVerfGG

A.) Einführung 1. Bibliografische Informationen digitalisiert durch

Fall Rauchverbot mögliche Lösung. Die Verfassungsbeschwerde des A hat Erfolg, soweit sie zulässig und begründet ist.

Abkürzungsverzeichnis Einleitung A. Einführung B. Gang der Untersuchung... 29

AG Staatsrecht II - Grundrechte

I. Zuständigkeit des BVerfG, Art. 93 I Nr. 4 a GG, 13 Nr. 8a BVerfGG. II. Beschwerdefähigkeit, Art. 93 I Nr. 4 a GG, 90 I 1 BVerfGG

Besprechung der Klausur zur Vorlesung Grundrechte WS 2012/2013

Grundkurs Öffentliches Recht II. Staatsrecht II - Grundrechte. Prof. Dr. Kyrill-A. Schwarz Vertreten von Wiss. Mit. Mario Winzek

Die Sanktionierung arbeitsunwilliger 1-Euro-Jobber und ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit

Kopftuch II : Lösungsskizze. A. Zulässigkeit: Art. 93 I Nr. 4a GG, 90 ff. BVerfGG I. Zuständigkeit (Art. 93 I Nr. 4a GG, 13 Nr.

Arbeitsgemeinschaft zum Grundkurs Öffentliches Recht II. Fall 5: IM-Sekretär

GRUNDRECHTE. Wolff Heintschel von Heinegg. Nadine Pallas. Luchterhand. Professor an der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder)

Fall 13: Des Nachts. Norman Jäckel Berend Koll Hannah Imbusch Solveig Meinhardt Dr. Anna Mrozek. Sommersemester 2014

Lösung des Falles I. Verletzung des Art. 2 II 2 GG

Prof. Dr. Christoph Gröpl. Vorlesung Staatsrecht II (Grundrechte)

Modul 55104: Staats- und Verfassungsrecht

RA Philipp Franke, wiss. Mit. Übung Recht I 3. Stunde. I. Die Prüfung eines (formellen) Gesetzes (sehr vereinfacht) 1. Formelle Rechtmäßigkeit

Prof. Dr. Christoph Gröpl. Lehrstuhl für Staats-und Verwaltungsrecht, deutsches und europäisches Finanzund Steuerrecht

E-BOOK DIE 32 WICHTIGSTEN FÄLLE STAATSRECHT

Arbeitsgemeinschaft zum Grundkurs Öffentliches Recht II. Fall 6: Deutschland muss sterben

G. Prüfung der Verletzung eines Gleichheitsrechts

Transkript:

Die Funktionen der Grundrechte Status negativus Abwehrrechte gegen den Staat Subjektive Rechte Einrichtungsgarantien Objektive Wertentscheidung Status positivus Status activus Institutsgarantien Institutionelle Garantien Negative Kompetenznormen Ausgestaltungs- und Auslegungsmaßstab Objektive Schutzpflichten Leistungs-/ Teilhabe-/ Verfahrens-/ Schutzrechte Mitgestaltungsrechte Verbürgung eines Instituts des Privatrechts Verbürgung eines Instituts des öffentlichen Rechts Begrenzung des staatlichen Handlungsspielraums Deutung des einfachen Rechts anhand der Grundrechte Pflicht des Staates zu Schutz und Förderung der Grundrechte

1. Sachlicher Schutzbereich Schutzbereich Auslegung Wortlaut Systematik (Geschichte) (Telos) in dubio pro libertate Regelungsbereich (natürlicher Lebensbereich) Schutzbereich (grundrechtsimmanente Schutzbereichsbegrenzung) 2. Persönlicher Schutzbereich Der persönliche Schutzbereich ist eröffnet, wenn der Betroffene Träger des Grundrechts ist, dessen Verletzung er geltend macht. natürliche Personen Jedermannsrechte Deutschenrechte (P) ungeborene Menschen, Tote juristische Personen des Privatrechts aus dem Grundrecht selbst Art. 19 III GG juristische Person oder teilrechtsfähige Personenmehrheit grundrechtstypische Gefährdungslage juristische Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich nicht grundrechtsberechtigt Ausnahmen: Justiz- oder Verfahrensgrundrechte (Art. 101 I 2, 103 I GG) Rundfunkanstalten (Art. 5 I 2 GG) Universitäten/ Fakultäten (Art. 5 III 1 GG) Religionsgemeinschaften (Art. 4 I, 140 GG)

Eingriff Klassischer Eingriffsbegriff Ein Eingriff in den Schutzbereich liegt bei jedem imperativen staatlichen Rechtsakt vor, der final und unmittelbar freiheitsverkürzend in die Rechtssphäre des Bürgers eingreift. Rechtsakt Final Unmittelbar Imperativ Gesetze Verwaltungsakte Urteile gezielte bzw. beabsichtigte Grundrechtsbeeinträchtigung direkt bzw. primär auf Rechtsfolgensetzung gerichtet verbindlich mit Befehl und Zwang durchsetzbar auch Realakte bloße Nebenfolge staatlichen Handelns ausreichend keine Rechtsfolgenorientierung erforderlich nicht erforderlich Moderner Eingriffsbegriff Ein Eingriff in den Schutzbereich liegt bei jeder staatlichen Maßnahme vor, die ein grundrechtlich geschütztes Verhalten ganz oder teilweise unmöglich macht, auch wenn diese nur faktisch-mittelbare Wirkung hat, sofern diese zurechenbar und von einigem Gewicht ist. kein Eingriff bei Bagatelleingriffen Ausgestaltungen/ Regelungen / Konkretisierungen des Schutzbereichs wirksamem Grundrechtsverzicht

Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Ein Eingriff in den Schutzbereich eines Grundrechts ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn dieser durch eine Schranke des betreffenden Grundrechts gedeckt ist und die Schranken-Schranken einhält. I. Schranke Einfacher Gesetzesvorbehalt durch Gesetz, durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes, aufgrund eines Gesetzes (z.b. Art. 2 II 3 GG) Qualifizierter Gesetzesvorbehalt weitere Anforderungen an das Gesetz (z.b. Art. 5 II Var. 1 GG) Grundrechtsimmanente Schranke Eingriff stützt sich auf Verfassungsnorm (z.b. Art. 9 II GG) Verfassungsimmanente Schranke Grundrecht scheinbar schrankenlos gewährt (z.b. Art. 5 III 1 GG), Einschränkungsmöglichkeit durch entgegenstehendes Verfassungsrecht, insbesondere Grundrechte Dritter und wichtige Verfassungsgüter II. Schranken-Schranken Eingriff durch Gesetz 1. Formelle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes 2. Materielle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes Eingriff durch anderen Akt öffentlicher Gewalt 1. Vorliegen einer Rechtsgrundlage 2. Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage 3. Verfassungsmäßiges Gebrauchmachen von Rechtsgrundlage

Das Verhältnismäßigkeitsprinzip Anwendungsbereich: Eingreifende hoheitliche Maßnahmen Funktion: Begrenzung des Eingriffsumfangs Prüfungsschritte: 1. Legitimer Zweck Verfolgt die Maßnahme einen nicht verbotenen Zweck? 2. Geeignetheit Kann durch die Maßnahme der Zweck erreicht bzw. dies zumindest gefördert werden? 3. Erforderlichkeit Gibt es ein weniger stark eingreifendes ( milderes ) Mittel, das den Zweck gleich wirksam erreicht wie die Maßnahme? 4. Angemessenheit/ Verhältnismäßigkeit i.e.s. Steht die Erreichung des Zwecks in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Eingriffs?

Prüfung von Freiheitsgrundrechten (Eingriff durch Gesetz) Eine Grundrechtsverletzung liegt vor, wenn in den Schutzbereich des Grundrechts eingegriffen wird, ohne dass dieser Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. I. Schutzbereich 1. Sachlicher Schutzbereich 2. Persönlicher Schutzbereich II. Eingriff III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 1. Schranke (Einschränkbarkeit) 2. Schranken-Schranken (verfassungsrechtliche Anforderungen an die Schranke) a) Formelle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes aa) bb) cc) Gesetzgebungszuständigkeit (Kompetenz) Gesetzgebungsverfahren Form b) Materielle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes aa) bb) Besondere Anforderungen Allgemeine Anforderungen - Verhältnismäßigkeitsgrundsatz - Wesensgehaltsgarantie (Art. 19 II GG) - Verbot des Einzelfallgesetzes (Art. 19 I 1 GG) - Zitiergebot (Art. 19 I 2 GG) - Bestimmtheitsgrundsatz

Prüfung von Freiheitsgrundrechten (Eingriff durch Einzelakt) Beispiele für Einzelakt: Urteil, Verwaltungsakt, Realakt Eine Grundrechtsverletzung liegt vor, wenn durch den Einzelakt in den Schutzbereich des Grundrechts eingegriffen wird, ohne dass dieser Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. I. Schutzbereich 1. Sachlicher Schutzbereich 2. Persönlicher Schutzbereich II. Eingriff (durch den Einzelakt) III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 1. Schranke (Einschränkbarkeit des Grundrechts) 2. Schranken-Schranken (Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Schranke) a) Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage (des Einzelaktes) aa) Formelle Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage bb) Materielle Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage (insbes. Verhältnismäßigkeit der Rechtsgrundlage) b) Verfassungsmäßigkeit des Einzelaktes Beachte: Das BVerfG ist keine Superrevisionsinstanz und prüft daher nicht vollständig die richtige Anwendung des einfachen Rechts sondern vielmehr nur die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts. aa) Formelle Verfassungsmäßigkeit des Einzelaktes bb) Materielle Verfassungsmäßigkeit des Einzelaktes (Verfassungsmäßiger Gebrauch der Rechtsgrundlage; insb. Verhältnismäßigkeit des Einzelaktes)