Therapeutische milde Hypothermie nach Herz-Kreislaufstillstand Ein Vergleich zwischen Oberflächen- und endovaskulärer Kühlung

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Transkript:

Aus dem Universitäts-Notfallzentrum der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau Therapeutische milde Hypothermie nach Herz-Kreislaufstillstand Ein Vergleich zwischen Oberflächen- und endovaskulärer Kühlung INAUGURAL-DISSERTATION zur Erlangung des Medizinischen Doktorgrades der Medizinischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau Vorgelegt 2013 von Andreas Oswald geboren in Waldkirch

Dekan: Prof. Dr. Kerstin Krieglstein 1. Gutachter: Prof. Dr. med. Peter Strohm 2. Gutachter: PD. Dr. H.-J. Busch Jahr der Promotion: 2014

Inhaltsverzeichnis 1 Inhaltsverzeichnis 1 Inhaltsverzeichnis... 1 2 Einleitung... 1 2.1 Der Herz-Kreislaufstillstand... 2 2.1.1 Definition... 2 2.1.2 Ursachen... 3 2.1.3 Die ERC-Leitlinien... 3 2.1.4 Das Postreanimationssyndrom... 5 2.1.5 Outcome... 6 2.2 Therapeutische milde Hypothermie... 10 2.2.1 Klassifikation... 10 2.2.2 Temperaturregulationsmechanismen des Körpers... 10 2.2.3 Neuroprotektive Wirkung der milden Hypothermie... 11 2.2.4 Nebenwirkungen... 12 2.2.5 Kontraindikationen... 13 2.2.6 Kühlmethoden... 14 2.2.7 Praktische Durchführung... 16 2.2.8 Historische Entwicklung... 18 3 Material und Methodik... 21 3.1 Allgemein... 21 3.2 Patientenkollektiv... 21 3.3 Behandlungsprotokoll... 22 3.4 Datenerhebung... 23 3.4.1 Allgemein... 23 3.4.2 Quellen zur Datenerfassung... 23 3.4.3 Erfassung allgemeiner Daten... 26 3.4.4 Erfassung der Zeiten... 26 3.4.5 Erfassung der Labordaten... 27 3.4.6 Erfassung möglicher Nebenwirkungen... 27 3.5 Coolgard System... 28 3.6 Thermowrap System... 29 3.7 Glasgow Outcome Scale... 30 4 Ergebnisse... 31 4.1 Allgemeine Ergebnisse... 31 4.1.1 Anzahl, Alter und Geschlecht der Patienten... 31 4.1.2 Vergleichbarkeit der Gruppen... 32 4.2 Kühlungszeiten... 36 4.3 Überleben... 40 4.4 Neurologisches Outcome... 41 4.5 Temperaturen... 44 4.6 Intensivliegedauer... 46 4.7 Erfassung möglicher Nebenwirkungen... 47 4.7.1 Laborparameter... 47 4.7.2 Herz- Kreislaufparameter... 52 4.7.3 Gastrointestinales System... 54 4.8 Prognoseparameter... 55 4.8.1 Neuronenspezifische Enolase... 55 4.8.2 Astrogliaprotein S100... 56

Inhaltsverzeichnis 5 Diskussion... 57 5.1 Studiendesign... 58 5.2 Vergleichbarkeit der betrachteten Gruppen... 59 5.3 Überleben und Outcome... 62 5.4 Intensivliegedauer... 68 5.5 Nebenwirkungen... 68 5.5.1 Laborparameter... 68 5.5.2 Herz-Kreislaufparameter... 69 5.6 Prognostische Marker... 70 6 Zusammenfassung... 72 7 Anhang... 73 7.1 Literaturverzeichnis... 73 7.2 Abkürzungsverzeichnis... 81 7.3 Abbildungsverzeichnis... 82 7.4 Tabellenverzeichnis... 84 7.5 Danksagung... 85 7.6 Lebenslauf... 86

Einleitung 1 2 Einleitung Europaweit erleiden jährlich etwa 375.000 Menschen einen Herz-Kreislaufstillstand [82]. Allein in Deutschland werden pro Jahr zwischen 32.000 und 72.000 Patienten prähospital reanimiert [21]. Die primäre Erfolgsrate beträgt dabei 30%. Während des Krankenhausaufenthaltes verstirbt die Hälfte dieser Patienten und ein weiteres Drittel überlebt das Ereignis mit dauerhaften Behinderungen. Nur etwa 10-15% der geretteten Patienten überleben mit einem guten neurologischen Outcome [14, 15, 29, 63, 35, 85]. Die hypoxische Hirnschädigung stellt den Hauptfaktor für das so häufig schlechte Outcome der Patienten und die damit verbundenen dauerhaften Beeinträchtigungen dar. Von entscheidender Bedeutung ist daher, neben der raschen Normalisierung der Kreislaufverhältnisse, dauerhafte neurologische Defizite zu verhindern. Langzeitvergleichende Untersuchungen in den USA haben gezeigt, dass sich die Prognose nach einem Herz-Kreislaufstillstand in den letzten 30 Jahren trotz intensivmedizinischer und medizintechnischer Fortschritte kaum verändert hat. Nachdem mehrere große Studien eine neuroprotektive Wirkung von therapeutischer milder Hypothermie zeigen konnten [49, 9] hielt jene Behandlungsform 2002 Einzug in die internationalen Leitlinien [84]. Seither steht für die Behandlung des reanimierten Patienten in der Postreanimationsphase die erste wirkungsvolle und kostengünstige Therapieform zur Verfügung, die das Langzeitüberleben deutlich verbessert [48, 17, 33]. Verschiedenste Kühlungssysteme wurden hierzu entwickelt und nach der experimentellen Phase in den Kliniken an Patienten erfolgreich eingesetzt. Doch trotz des gemeinsamen Ziels den Patienten therapeutisch zu kühlen, unterscheiden sich die verschiedenen Kühlsysteme teils erheblich in der Art und Weise der Kälteapplikation, den benötigten Zeiten bis zu denen bestimmte Kühltemperaturen erreicht werden können und vielen weiteren kühlungsrelevanten Parametern, die letzten Endes das neurologische Outcome und Überleben des Patienten beeinflussen [23, 28, 20, 34, 66, 43, 17]. In dieser Dissertation wurde das Hauptaugenmerk auf den Vergleich solcher kühlungsrelevanter Parameter zwischen einem invasiven- und einem nichtinvasiven Kühlungssystem gelegt, um in Zukunft weitere Erkenntnisse über die möglichst effektivste Art der Kühlung von Patienten zu erhalten.

2 Einleitung 2.1 Der Herz-Kreislaufstillstand 2.1.1 Definition Als Herz-Kreislauf-Stillstand oder einfach Herzstillstand bezeichnet man ein Aussetzen der Herzfunktion, die zum Stillstand des Blutkreislaufs und damit zu einer Ischämie des gesamten Körpers führt. Anhand des initialen Befundes des Elektrokardiogramms (EKG) werden drei unterschiedliche Herzrhythmen unterschieden: 1. Tachykarder Herz-Kreislauf-Stillstand in Form von Kammerflimmern (VF) bzw. pulsloser Kammertachykardie (VT). Er ist durch unkoordinierte elektrische wie auch mechanische Herzaktionen gekennzeichnet. Mit 30-70 % stellt dieser initiale Befund die häufigste Dysrhythmie dar [5, 16]. 2. Bradysystoler Herz-Kreislauf-Stillstand: Im EKG als Asystolie definiert und sowohl durch ein Fehlen elektrischer Aktionen als auch durch nicht vorhandene Herzmuskelkontraktionen gekennzeichnet. 3. Pulslose elektrische Aktivität (PEA): Hier ist zwar eine elektrische Aktivität im EKG erkennbar, die allerdings nicht mit dem Herzmuskel gekoppelt ist. Somit findet kein Auswurf statt. Der bradysystole Herz-Kreislaufstillstand und die pulslose elektrische Aktivität haben in der Regel eine schlechtere Prognose als die tachykarden Herz-Kreislaufstillstände. Je länger der Herz-Kreislaufstillstand besteht, desto wahrscheinlicher ist ein Übergang von einem tachykarden in einen bradysystolen Herzrhythmus. Somit ist ein bradysystoler Rhythmus meist mit einer längeren Dauer des Herz-Kreislaufstillstandes verbunden und deshalb auch mit einer schlechteren Prognose behaftet [62]. Initialer Herzrhythmus Tachysystolischer Rhythmus Bradysystoler Rhythmus Pulslose Elektrische Aktivität - Kammerflimmern (VF) - Asystolie - PEA - Kammerflattern - Pulslose ventrikuläre Tachykardie (VT) - Torsades-de-Pointes Tachykardie Bessere Prognose Abbildung 1: Einteilung initialer Herzrhythmus Schlechtere Prognose

Einleitung 3 2.1.2 Ursachen Beim Herz-Kreislaufstillstand kann je nach zu Grunde liegender Ursache eine Einteilung in kardial oder nicht-kardial vorgenommen werden. Die kardialen Ursachen sind dabei mit 82,4% wesentlich häufiger als die nicht-kardialen [62]. In den westlichen Industrieländern ist der plötzliche Herztod die mit Abstand häufigste Todesursache und somit auch der häufigste Grund für einen außerklinischen Herz-Kreislaufstillstand. Laut Schätzungen erliegen in Deutschland etwa 70.000 bis 100.000 Menschen pro Jahr einem plötzlichen Herztod [62, 40]. Ursachen des Herz-Kreislaufstillstandes Kardial 82,4% Nicht-kardial 17,6% KHK 75-80% Kardiomyopathien Innere Erkrankungen Externe Ursachen Selten: - Aortenstenose - Long-QT-Syndrom Pulmonal Zerebrovaskulär Onkologisch Trauma Intoxikation Ertrinken Abbildung 2: Ursachen des Herz-Kreislaufstillstandes nach Pell et al 2003 [62] 2.1.3 Die ERC-Leitlinien Das European Resuscitation Counsil (ERC) befasst sich wissenschaftlich mit der Reanimation und gibt in ungefähr 5-jährigem Abstand die jeweils gültigen Reanimations-Leitlinien heraus. Die Empfehlungen betreffen hauptsächlich die Themen Basis- (BLS) und Erweiterte Lebenserhaltungsmaßnamen (ALS), Defibrillation und Maßnahmen in der Postreanimationsphase [25]. Die lebensrettenden Maßnamen sollten in Form einer Rettungskette ablaufen, um ein am Besten lückenloses, zeitliches Ineinandergreifen der einzelnen Maßnahmen zu erreichen.

4 Einleitung Abbildung3: Rettungskette [25] Neben dem frühen Erkennen und Hilferufen, dem frühen Beginn der kardiopulmonalen Reanimation und der frühen Defibrillation hat die anschließende Postreanimationsphase zunehmend an Bedeutung gewonnen [25]. Als 2002 mehrere klinische Studien den positiven Effekt auf das Outcome bei Anwendung der therapeutischen Hypothermie zeigten, folgte nach Prüfung aller verfügbaren Evidenzen erstmals 2002 eine Empfehlung des International Liaison Committee on Resuscitation (ILCOR) zur therapeutischen Kühlung. Im Jahre 2005 fand die Hypothermie-Behandlung dann auch erstmals den Einzug in die ERC-Guidelines. Der Beginn der Therapie soll hierbei bei komatösen Patienten nach präklinischem Herz-Kreislaufstillsand mit initialem Kammerflimmern so früh wie möglich induziert werden. Die Kühlung soll für 12-24h bei einer Körperkerntemperatur von 32-34 C erfolgen [55]. In den aktuellen Leitlinen (2010) wurde die Bedeutung der therapeutischen Hypothermie weiter gestärkt. Die Anwendung bei komatösen Überlebenden eines Kreislaufstillstandes mit defibrillierbarem sowie auch nicht-defibrilierbarem initialen Herzrhythmus wird empfohlen - auch wenn das Evidenzlevel für den Nutzen nach einem Kreislaufstillstand mit nichtdefibrilierbaren Herzrhythmen bisher niedrig ist [25].

Einleitung 5 2.1.4 Das Postreanimationssyndrom Durch den Stillstand des Herz-Kreilslaufsystems kommt es zum Erliegen der Blutversorgung im ganzen Körper und dadurch zu einer Ganzkörperischämie. Gerade Organe mit hohem Sauerstoffverbrauch wie dem Gehirn, werden besonders geschädigt. Kann durch eine CPR wieder ein Kreislauf hergestellt werden (ROSC), kommen durch die Reperfusion des Körpers weitere Schädigungsmechanismen zum Tragen [86, 60]. Diese zahlreichen Schädigungen durch Ganzkörperischämie und der anschließenden Reperfusion wurden erstmals 1972 von Dr. Vladimir Negovsky als Postreanimationssyndrom bezeichnet [51]. Das Postreanimationssyndrom ist eine sehr komplexe Kombination von verschiedenen pathologischen Prozessen. Dabei spielen die Schädigungen des Gehirns, die myokardiale Dysfunktion und verschiedene systemische Reaktionen des Körpers eine große Rolle [52]. Außerdem kommt meist die nicht-reversibel behandelbare und den Herz-Kreislaufstillstand auslösende Erkrankung erschwerend als ein weiterer Punkt hinzu [3, 56, 54]. 1. Schädigung des Gehirns Der Hauptgrund für die hohe Morbidität und Mortalität von erfolgreich reanimierten Patienten stellt die Schädigung des Gehirns dar [46, 56]. Dies liegt an der geringen Ischämietoleranz des Gehirns in der Ischämiephase. Schon nach wenigen Sekunden sind die Energiereserven von Neuronen aufgebraucht. Durch den Ausfall von energieabhängigen Ionenpumpen kann das Membranpotential nicht mehr aufrecht erhalten werden und Kalzium strömt in die Zellen, Mitochondrien werden geschädigt und exzitatorische Neurotransmitter wie Glutamat werden freigesetzt. Diese pathologischen Vorgänge führen zu akuter Nekrose und damit zum Untergang von Neuronen [52, 53]. Kann nach dieser ersten Phase ein Spontankreislauf erreicht werden, folgen in der anschließenden Reperfusionsphase weitere Schädigungen. Trotz ausreichenden zerebralen Perfusionsdrucks (CPP) kommt es aufgrund einer Aktivierung der Gerinnung zu Mikrozirkulationsstörungen und dadurch zu einem weiteren Untergang von Zellen [4]. Insgesamt ist der CPP in den ersten Minuten nach ROSC durch Störung der Autoregulation der hirnversorgenden Gefäße sogar erhöht, mündet danach aber in eine Phase der Hypoperfusion und weiteren Schädigung durch diese [79]. Auf Grund der Zellschäden entstehen freie Radikale, welche zu Schäden im umliegenden Gewebe führen. Des Weiteren führen freie Radikale zur Zerstörung wichtiger Enzymkaskaden und der

6 Einleitung Integrität der Blut-Hirn-Schranke. Ein im Verlauf entstehendes Hirnödem führt zur weiteren Verschlechterung des neurologischen Outcomes [50]. 2. Myokardiale Dysfunktion Die myokardiale Dysfunktion ist auch an den schlechten Überlebensraten beteiligt. Unmittelbar nach dem Einsetzen des Spontankreislaufs kommt es zu erheblichen Kreislaufschwankungen. Zunächst können reanimationsbedingt zugeführte Katecholamine bis zum Abfall ihrer Wirkspiegel zu Tachykardie und hypertonen Zuständen führen [71]. In einer Studie von Laurent konnte in der Koronarangiographie nach Herz- Kreislaufstillstand gezeigt werden, dass etwa die Hälfte der untersuchten Patienten eine kardiale Dysfunktion im Sinne einer Tachykardie und erhöhtem enddiastolischem Druck hatten, die nach etwa 6h in eine Hypotension mit vermindertem kardialen Auswurf überging [45]. Das Problem der myokardialen Dysfunktion ist reversibel und intensivmedizinisch beherrschbar [45, 56]. 3. Systemische Reaktionen Die Ganzkörperischämie und Reperfusionsphase nach Herz-Kreislaufstillstand führt zu einer generalisierten Aktivierung von immunulogischen und das Gerinnungssystem beeinflussenden Kaskaden, welche das Risiko für ein Multiorganversagen und multiple Infektionen erhöhen [24, 2]. Diese Konstellation hat viel mit dem Krankheitsbild der Sepsis gemeinsam, was zu dem Begriff Sepsis-like-Syndrome geführt hat[3]. 2.1.5 Outcome Definition Ein komplexes Ergebnis, dass durch eine präventive oder therapeutische Maßnahme erreicht wurde, wird als Outcome bezeichnet. Beim Herz-Kreislaufstillstand sind als wichtige Parameter der neurologische Funktionszustand und das Langzeitüberleben zu nennen. Einflussfaktoren Es gibt diverse Einflussfaktoren, die das Überleben und das Outcome des Patienten beeinflussen. Zu diesen Faktoren zählen nach [57, 21, 70, 20]:

Einleitung 7 Vorerkrankungen Ursache des Herz-Kreislauf-Stillstands Beobachteter vs. unbeobachteter Herzkreisklaufstillstand Initialer EKG-/Herz-Rhythmus (defibrillierbar vs. nicht-defibrilierbar) Frühe Defibrillation bei schockbarem initialem Rhythmus Dauer des Kreislaufstillstandes bis zum Beginn der Reanimation Reanimationsdauer bis ROSC Qualität und Quantität der Reanimationsmaßnahmen Schnelle Einleitung einer hypothermen Behandlung Besondere Wichtigkeit für die Prognose des Patienten mit prähospitalem Herz- Kreislaufstillstand stellen somit ein optimaler BLS (Basic Life Support), eine schnelle Notarztalarmierung, frühester Beginn und schnelles Durchführen einer ACLS (Advanced Cardiac Life Support) mit Defibrillation und Applikation vasoaktiver Substanzen, sowie die Postreanimationstherapie dar. Prognose-Scalen Zur Beurteilung des Outcomes von Patienten nach überlebtem Herzkreislaufstillstand werden oft das Kurzzeit-Überleben (Überlebensraten bei Entlassung aus dem Krankenhaus) und das Langzeit-Überleben (Überlebensraten nach Entlassung aus dem Krankenhaus) betrachtet. Anhand klinischer Beurteilung kann man verschiedene Scores erstellen, um eine objektive Vergleichbarkeit zu erzielen. Die gebräuchlichsten Skalen sind die Cerebral Performance Kategorien (CPC) oder die Glasgow-Outcome-Score (GOS).

8 Einleitung GOS Bedeutung 1 Verstorben 2 Apallisch, bleibender vegetativer Zustand 3 4 5 Schwer behindert, (geistig und/oder körperlich), auf dauernde Versorgung angewiesen, keine Erwerbsfähigkeit Mittelgradig behindert, weitgehend selbstständig, aber deutliche neurologische und/oder psychische Störungen, erhebliche Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit Nicht/leicht behindert, normale Lebensführung trotz eventuell geringer Ausfälle, nur geringe oder keine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit Abbildung 4: Glasgow-Outcome-Score (GOS) CPC Bezeichnung Beschreibung 1 2 3 4 Koma Gute zerebrale Leistungsfähigkeit Mäßige zerebrale Behinderung Schwere zerebrale Behinderung 5 Hirntod oder Tod Abbildung 5: Cerebral-Performance-Kategorien (CPC) wach, orientiert, normale Lebensführung, arbeitsfähig wach, aufmerksam, einzelne Hirnfunktionsstörungen, selbstständiges Leben möglich wach, eingeschränkte Wahrnehmung, schwer zerebral beeinträchtigt, hilfsbedürftig im täglichen Leben komatös, vegetative Zustandsbilder, keine Interaktion mit der Umwelt Apnoe, Areflexie, komatös, stilles EEG, mit oder ohne Herzschlag Die einzelnen Werte können dabei noch weiter zusammengefasst werden: CPC 1-2: CPC 3-4: CPC 5: Patient mit gutem Outcome/günstiger Prognose Patient mit schlechtem Outcome/schlechter Prognose Patient verstoben

Einleitung 9 Prädiktive Prognoseparameter Um bereits während des klinischen Aufenthaltes Aussagen über die Prognose treffen zu können, wurden verschiedene Parameter mit mehr oder weniger starker Aussagekraft gefunden. Dabei ist ein schlechtes neurologisches Outcome wahrscheinlich, wenn Korneal- und Pupillenreflexe nach 24h fehlen [69]. Des weiteren belegt ein bilateraler Verlust der frühkortikalen Reizantort auf Nervus-medianus-Stimulation in den somatosensibel evozierten Potentialen (SEP) eine sehr schlechte Prognose (CPC 4 oder 5) [76]. Im Labor gibt es verschiedene Serumproteine die zur Prognoseeinschätzung dienen. Allerdings ist ihre Wertigkeit noch umstritten und Gegenstand aktueller Forschung. Zu diesen Serumproteinen zählen: - Neurolenspezifische Enolase (NSE). Ein NSE-Wert >33ug/L soll in den ersten 24-48h nach Reanimation ein schlechtes Outcome vorhersagen [59, 11, 89]. Andere Studien widerlegen allerdings die prognostische Relevanz des Markers [10]. Auch für die Marker CK-BB und Protein S-100, beide stammen aus Astroglia und Schwann schen Zellen, gibt es aktuell nur uneinheitliche Daten [69]. In den aktuellen ERC Guidelines von 2010 wird erwähnt, dass viele der akzeptierten Prädiktoren eines schlechten Outcome bei komatösen Überlebenden eines Kreislaufstillstandes unzuverlässig sind, insbesondere wenn der Patient mithilfe der therapeutischen Hypothermie behandelt wurde.

10 Einleitung 2.2 Therapeutische milde Hypothermie 2.2.1 Klassifikation Unter Hypothermie versteht man eine Absenkung der Körperkerntemperatur unterhalb des Normwertes von 36,6 C +/- 0,38 C [73]. Weiter unterschieden wird zwischen akzidentellerund kontrollierter therapeutischer Hypothermie. Während die akzidentelle Hypothermie unbeabsichtigt und unkontrolliert verläuft, wird die Körperkerntemperatur bei der therapeutischen Hypothermie gezielt und kontrolliert durch verschiedene Kühlsysteme auf eine definierte Temperatur eingestellt. Je nach Tiefe der Temperatur der gemessenen akzidentellen oder therapeutischen Hypothermie kann weiter zwischen milder, moderater und tiefer Hypothermie unterschieden werden. Leider sind die entsprechenden Temperaturangaben in der Literatur nicht einheitlich. In der angloamerikanischen und angelsächsischen Literatur liegt eine milde therapeutische Hypothermie bei einem Temperaturbereich von 34-35,9 C vor. Zwischen 32-33,9 C wird von moderater Hypothermie gesprochen und Temperaturen unter 32 C werden zur tiefen Hypothermie gezählt [18]. In den ERC Guidlines von 2010 liegt die milde therapeutische Hypothermie im Bereich zwischen 35-32 C. Der Temperaturbereich zwischen 32-28 C wird der moderaten Hypothermie zugeordnet und unterhalb von 28 C spricht das ERC von schwerer Hypothermie. Auch diese Angaben haben sich im Vergleich zu den Richtlinien von 2005 etwas geändert. Siehe Abbildung 6. ERC Guidelines 2010 2005 Mild 35-32 C 35-32 C Moderat 32-28 C 32-30 C Schwer <28 C <30 C Abbildung 6: Einteilung der Hypothermie nach ERC 2.2.2 Temperaturregulationsmechanismen des Körpers Die Körperkerntemperatur wird durch körpereigene Regelkreise trotz leichter tageszeitlicher Schwankungen von 0,6-1 C konstant auf 36,6 +/- 0,38 C gehalten [18].

Einleitung 11 Wird versucht, von außen auf diese Temperatur einzuwirken, so wird durch verschiedene Stellglieder wie Hautdurchblutung, Kältezittern oder durch Verbrennung von braunem Fettgewebe versucht, wieder die Solltemperatur zu erreichen. Bei milder hypothermer Behandlung führt eine minimale Hautdurchblutung (Vasokonstriktion der Blutgefäße durch erhöhten Tonus des Sympathikus) und ein dickes subkutanes Fettgewebe zu einer starken Isolationskraft der Körperschale, so dass die Körperschale durch den externen Kälteeinfluss abkühlt, jedoch eine Temperatursenkung des Kerns weitgehend vermieden werden kann. Weitere Einflussmöglichkeiten des Körpers sind zusätzliche Wärmeproduktion durch Zittern und die Erhöhung der Stoffwechselrate. Das bedeutet, dass die Senkung der Körperkerntemperatur nur dann erfolgreich und mit wenigen Nebenwirkungen durchgeführt werden kann, wenn man die gegenregulatorischen Mechanismen des Körpers durch Sedierung und Muskelrelaxierung weitestgehend ausschaltet [65]. 2.2.3 Neuroprotektive Wirkung der milden Hypothermie Die Gesamtwirkungsweise der milden Hypothermie konnte bisher noch nicht vollständig geklärt werden. Es gibt vermutlich mehrere Einzelmechanismen, die die Gesamtwirkung ergeben. Folgende Punkte stehen mit der neuroprotektiven Wirkung in Verbindung [18, 31, 13, 65, 56]: Verminderter Sauerstoffverbrauch, Erniedrigte Metabolisierungsrate, Stabilisierung der Blut-Hirnschranke, die eine Leukozyteninfiltration in geschädigte Hirnareale vermeidet, Stabilisierende Wirkung auf die Membranfunktion und dadurch Verhinderung des schnellen Verlusts des trans-membranösen Ionengradienten, Verminderung von freien Radikalen und Mediatoren, Blockierung von Proteasen und Caspasen, Minimierung von mitochondrialen Dysfunktionen,

12 Einleitung Verminderung der Ausschüttung von exzitatorischen Neurotransmittern ( Glutamat und Aspartat) im synaptischen Spalt. Dies führt zu einer verminderten Kalziumausschüttung und verhindert somit eine intrazelluläre Kalziumüberladung Möglicherweise gerinnungshemmender Effekt durch eine Thrombopenie, eine Thrombozytopathie, einer verminderten enzymatischen Aktivität der Gerinnungsfaktoren und des Plasminogenaktivatorinhibitors. 2.2.4 Nebenwirkungen Da viele physiologische Prozesse temperaturabhängig sind, gibt es neben den erwünschten Effekten auch unerwünschte Wirkungen bei der Anwendung der milden Hypothermie [66]. Eine Vielzahl von kardialen Arrhythmien können durch Hypothermie ausgelöst werden. Gerade bradykarde Störungen sind typisch [36]. Hypothermie führt zu verstärkter Diurese und so zu einem Volumenmangel, welcher eine bereits bestehende hämodynamische Instabilität weiter verschlimmern kann. Zudem erhöht die verstärkte Diurese die Wahrscheinlichkeit für Elektrolytstörungen wie Hypophosphatämie, Hypokaliämie, Hypomagnesiämie und Hypokalziämie, welche ihrerseits zu Arrhythmien führen können [66]. Durch den Einfluss von Hypothermie auf die Thrombozyten und die Gerinnung kommt es zu einer verstärkten Blutungsneigung. Die Beeinflussung des Blutzuckerspiegels durch eine Erniedrigung der Insulinsensitivität kann zu Hyperglykämie führen [9]. Des weiteren führt Hypothermie zu einer Schwächung des Immunsystems und erhöht so die Infektionsrate. So kam es auch bei der HACA Studie häufiger zu einer Pneumonie in der Kühlungsgruppe. Allerdings war der Unterschied zur Kontrollgruppe gering und nicht signifikant [9]. Hypothermie verursacht eine verminderte Clearance von Sedativa, neuromuskulären Blockern und anderen Medikamenten, so dass es hierdurch zu unerwünschten Nebenwirkungen kommen kann [37].

Einleitung 13 Komplikation Hypothermie Normothermie Blutungen jeden Schweregrades 26 19 Thrombozytentransfusionen 1 0 Pneumonie 37 29 Sepsis 13 7 Pankreatitis 1 1 Nierenversagen 10 10 Hämodialyse 4 4 Lungenödem 7 4 Krampfanfälle 7 8 Vital bedrohliche Arrhythmien 36 32 Druckstellen 0 0 Abbildung 7: Nebenwirkungen in der Hypothermie- und Normothermiegruppe der HACA-Studie. Angaben in Prozent. Modifiziert nach [80] 2.2.5 Kontraindikationen Aufgrund der potenziellen Nebenwirkungen ergeben sich folgende relativen Kontraindikationen für die Anwendung der milden Hypothermie [64, 55, 74]: Schwangerschaft Schwere Sepsis Primäre Koagulopathie Nicht beherrschbare Blutung Hämodynamische Instabilität (therapieresistent) Lebensbedrohliche Arrhytmie Fortgeschrittene maligne Grunderkrankung

14 Einleitung 2.2.6 Kühlmethoden Zur Durchführung der therapeutischen milden Hypothermie gibt es vielfältige Möglichkeiten der praktischen Umsetzung. Ein großes Spektrum an verschiedenen Kühlsystemen, von einfachem Eis bis zu endovaskulären oder transnasalen Kühlgeräten, steht heute technisch zur Verfügung. Konvektion, Konduktion, Strahlung und Verdunstung sind die dabei zugrunde liegenden physikalischen Mechanismen [67]. Konvektion Konvektion ist ein Mechanismus des Wärmetransports über sich bewegende Teilchen von einem Ort zu einem anderen. Konduktion Die Konduktion beschreibt den Wärmefluss durch einen Körper vom Ort der größeren Temperatur zum Ort der niedrigeren Temperatur. Strahlung Als Strahlung bezeichnet man die Abgabe von thermischer Energie in Form einer elektromagnetischen Wellenstrahlung. Der Hauptteil dieser Strahlung liegt dabei im nichtsichtbaren, infraroten Bereich. Verdunstung Bei der Verdunstung geht ein Stoff von der flüssigen in die gasförmige Phase über. Die dazu benötigte Energie wird der flüssigen Phase entzogen. Sie kühlt sich ab. Bei den derzeit vorhandenen Kühlmethoden unterscheidet man invasive und nichtinvasive Verfahren. Die invasiven Verfahren können weiter in intravasal und extravasal unterteilt werden [67].

Einleitung 15 Kühlmethoden Nichtinvasiv Invasiv Intravasal Extravasal - Entkleidung - Kalte Infusionen (4 ) - Nasale Kühlung - Raumkühlung - Endovaskulärer Kühlkatheter - Peritoneale Spülung - Ventilatoren - Extrakorporale Zirkulation - Rektale Spülung - Eispackungen - Kältezelt - Kältematten - Kältehelm - Gekühlte Betten Abbildung 8: Einteilung invasiver- und nicht-invasiver Kühlmethoden [67] Vor- und Nachteile verschiedener Kühlmethoden Die optimale Kühlmethode erreicht die vorgegebene Zieltemperatur schnell, hält sie konstant während der Aufrechterhaltungsphase, erreicht eine kontrollierte Wiedererwärmung und ist möglichst wenig invasiv. Die intravasalen Verfahren haben eine hohe Effizienz, welche aber durch einen hohen Grad an Invasivität und deren möglichen Komplikationen erkauft werden muss. Dem Gegenüber stehen die nicht-invasiven Verfahren mit schlechteren Kühlungszeiten und schlechterer Kühlungsstabilität [34, 66, 43]. In der Praxis muss also der optimale Kompromiss zwischen Effizienz und Invasivität in der jeweiligen Situation gefunden werden. Abbildung 9 gibt einen Überblick über die derzeit verwendeten Kühlmethoden.

16 Einleitung Kühlmethode Vorteile Nachteile Max. Kühlrate [ C/h] Kaltluft Nicht-invasive Kühlmethoden einfach, kostengünstig, wenig Pflegeintensiv langsame Kühlung, erreichen der Zieltemperatur schwer möglich 0,4-0,8 Kältezelt schnell, gute Temperaturstabilität, gering Pflegeintensiv teuer, problematisch bei Transporten 1,5 Kältehelm günstig, einfache Handhabung pflegeintensiv 0,5-0,9 Kältematten günstig, einfache Handhabung schwierig bei Adipositas, schlechtere Temperaturstabilität und langsamer als invasive Verfahren 0,9 Eis günstig, einfache Handhabung, überall Verfügbar Pflegeintensiv, schlecht steuerbar, Gefahr lokaler Erfrierungen 0,9 Invasive Kühlmethoden Kalte Infusionen günstig, schnell, präklinisch gut einsetzbar, hämodynamisch stabilisierend Lungenödemrisiko, nur für Induktionsphase geeignet 3,2 Endovaskulärer Kühlkatheter Extrakorporale Zirkulation schnell, gut steuerbar, temperaturstabil, gering pflegeintensiv schnellstes Verfahren, gut steuerbar teuer, hohe Invasivität 4,7 teuer, hohe Invasivität 12 Abbildung 9: Vor und Nachteile verschiedener Kühlmethoden und deren Kühlungsraten [8, 66, 68, 76]. 2.2.7 Praktische Durchführung Bei der praktischen Umsetzung der therapeutischen milden Hypothermie kann man die gesamte Kühlungszeit in drei Phasen unterteilen [66]: 1. Induktionsphase In der Induktionsphase wird die Kühlung gestartet. Ziel ist das schnelle Erreichen der Zieltemperatur von 32-34 C. Sehr einfach, kostengünstig und auch präklinisch gut durchführbar sind auf 4 C gekühlte Infusionen (30mL/KgKG)[42, 8, 41]. Zusätzlich können präklinisch auch ice-packs verwendet werden, welche man in die Leiste, Achselhöhlen und um den Kopf- Halsbereich legen kann. Während der gesamten Kühlungsphase, und somit auch schon zu Beginn, sollten Muskelrelaxantien in Kombination mit einer Sedierung

Einleitung 17 verwendet werden, um Shivering zu vermeiden und den Sauerstoffverbrauch zu senken [47, 78]. 2. Aufrechterhaltungsphase: Ist die Zieltemperatur (32 34 C) erreicht, so beginnt die Aufrechterhaltungsphase. Hierzu sollten bevorzugt Kühlmethoden mit Temperaturrückkoppelungssystem angewendet werden, um so Temperaturschwankungen möglichst gering zu halten [66]. 3. Aufwärmphase: In der Aufwärmphase wird der Patient wieder langsam auf normale Körperkerntemperatur aufgewärmt. Während der Wiedererwärmung können sich die Konzentration der Plasmaelektrolyte, das effektive intravaskuläre Volumen und die Metabolisierungsrate rasch ändern. Daher sollte die Wiedererwärmung langsam erfolgen. Die optimale Wiedererwärmungsrate ist nicht bekannt, der allgemeine Konsens liegt aktuell bei 0,25 bis 0,5 C Erwärmung/h [66]. Abbildung 10: Beispielhafter Temperaturkurvenverlauf eines mit milder Hypothermie behandelten Patienten

18 Einleitung 2.2.8 Historische Entwicklung Die ersten Erkenntnisse über den therapeutischen Einsatz von Hypothermie wurden bereits in alten ägyptischen Überlieferungen gefunden. Auch im Corpus Hippocraticum von Hippokrates (460-377 v. Chr.) ist unter anderem die Erkenntnis überliefert, dass Eis und Schnee die Blutungsstärke bei Verwundeten reduziert. Abbildung 11: Hippokrates, [Quelle: Baumeister: Denkmäler des klassischen Altertums. 1885. Band I., Seite 694] Während der Zeit Napoleons machte ein Chirurg die Feststellung, dass verletzte Soldaten umso schneller starben, je näher sie an der Feuerstelle lagen und umso länger überlebten, je weiter entfernt sie lagen [44]. In der Zeit danach gab es vereinzelt immer wieder Berichte, wonach meist zufällig und ungewollt ein Herz-Kreislaufstillstand zusammen mit Hypothermie in Kombination auftrat. Oft konnten diese Patienten trotz langem klinischen Tod erfolgreich reanimiert werden und später ohne oder mit nur geringen neurologischen Folgeschäden entlassen werden [38, 77]. Von diesen Beobachtungen ermutigt, folgten tierexperimentelle Arbeiten, die einen Zusammenhang zwischen therapeutischer Hypothermie und einer Verringerung von Zellschädigungen infolge eines Herz-Kreislaufstillstandes nachweisen konnten [83, 26]. Unter der Annahme, dass die protektive Wirkung der Hypothermie allein durch die erniedrigte Metabolisierungsrate ihren Effekt ausübt (Stoffwechselrate sinkt pro C Temperaturabfall um ca. 6-10% [73]), wurde bei diesen und anderen Arbeiten fast ausschließlich tiefe Hypothermie angewandt. Die dabei auftretenden, schwer zu kontrollierenden Nebenwirkungen, führten dazu, dass man bereits Ende der 1960er-Jahre wieder davon abkam.

Einleitung 19 Ende der 80er-Jahre fand man heraus, dass mit milder bis moderater Hypothermie auch positive neurologische Effekte erreicht werden können, jedoch hierbei deutlich weniger schwerwiegende Nebenwirkungen auftraten, rückte die Therapieform wieder zunehmend in das Interesse der Forschung. Den klinischen Durchbruch gelang durch die beiden im Februar 2002 im New England Journal of Medicine veröffentlichten Studien von Bernard et al. und The Hypothermia after Cardiac Arrest Study Group [9, 80]. Die beiden randomisierten prospektiven Studien konnten eindeutig einen positiven Effekt der milden Hypothermie auf das neurologische Outcome nachweisen. In der australischen Studie von Bernard et al. wurden 77 Patienten nach kardio-pulmonaler Reanimation auf eine Zieltemperatur von 33 C für 12h gekühlt. Eine Entlassung nach Hause oder in ein rehabilitatorisches Zentrum wurde als gutes neurologisches Outcome gewertet. Das Versterben im Krankenhaus oder die Entlassung in ein Langzeitpflegeheim wurde hingegen als schlechtes Outcome gewertet. In der Hypothermiegruppe hatten 49% ein gutes Outcome hingegen in der Kontrollgruppe nur 26%. In der Mortalitätsrate zeichneten sich keine wesentlichen Unterschiede ab. In der größeren europäischen Multicenterstudie der HACA (The Hypothermia after Cardiac Arrest Group) wurden 273 Patienten untersucht. Nach initialem Kammerflimmern oder pulsloser Kammertachykardie und anschließendem Wiedererlangen des Spontankreislaufs wurden 137 Patienten mit einem Oberflächenkühlgerät behandelt und 137 Patienten blieben Normotherm. Verglichen wurde das Outcome nach 6 Monaten anhand der CPC (Glasgow- Pittsburgh Cerebral Performance Score). Ein gutes neurologisches Outcome (CPC 1-2) hatten 55% der Patienten in der Hypothermiegruppe vs. 39% in der Normothermiegruppe. Bei der Mortalität zeigte sich die Hypothermiegruppe mit 41% und bei der Normothermiegruppe mit 55%.

20 Einleitung Abbildung 12: Überleben zwischen Hypothermie und Normothermiegruppe, HACA Studie [80]

Material und Methodik 21 3 Material und Methodik 3.1 Allgemein Im Raum Freiburg im Breisgau. wurden 141 Patienten im Zeitraum 2002-2007 nach primär erfolgreicher kardio-pulmonaler Reanimation bei kardialem Herz-Kreislauf-Stillstand und anschließender Behandlung mit milder Hypothermie in der Universitätsklinik Freiburg retrospektiv untersucht. Die erfolgreiche kardiopulmonale Reanimation wurde als Wiederherstellung eines Spontankreislaufes bei Herzkreislaufstillstand definiert, wobei mindestens eine externe Thoraxkompressionen oder Defibrillation in Abwesenheit von Puls Anwendung finden musste. Alle Patienten waren aufgrund fehlender Schutzreflexe und fehlendem Wiedererlangen eines Bewusstseins intubiert und beatmet. Bei Ankunft im Herzkatheterlabor wurde einem Teil der Patienten 4 C kalte Infusionen zugeführt. Beim restlichen Anteil der Patienten wurden Infusionen mit Raumtemperatur verwendet. Anschließend erfolgte die Aufnahme auf die kardiologische Intensivstation Heilmeyer. Dort wurden die Patienten aus der Kühlungsgruppe unverzüglich mit einem der beiden Kühlsysteme versorgt und schnellstmöglich auf eine zentrale Zieltemperatur von 33 C gekühlt (Harnblasentemperatur). Die Entscheidung über die Verwendung des jeweiligen Systems lag bei den behandelnden Ärzten. Nach Erreichen der Zieltemperatur wurde diese über 24h aufrechterhalten, danach wurden die Patienten einer CT zugeführt. War kein Hirnödem sichtbar, wurde über das jeweilige Kühlsystem mit einer angestrebten Rate von 0,2 C pro Stunde wieder auf normale Körpertemperatur (36,5 C) erwärmt. Bei Diagnose eines Hirnödems wurde für weitere 24h gekühlt. Die Therapie wurde nach dem unten angeführten Behandlungsprotokoll der Uniklinik Freiburg durchgeführt. Temperaturwerte wurden während der gesamten Kühlungsphase stündlich dokumentiert. 3.2 Patientenkollektiv Von der Studie ausgeschlossen wurden Personen unter 18 Jahren, Tod innerhalb von 24h nach ROSC, bekannte neurologische Grunderkrankung, Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma, Unfall, Apoplex oder CPR vor weniger als sechs Monaten. Es wurden nur Patienten eingeschlossen, die bewusstlos, intubiert und beatmet waren.

22 Material und Methodik 3.3 Behandlungsprotokoll Abbildung 13: SOP zur milden Hypothermiebehandlung der internistischen Intensivstationen Heilmeyer [Busch, Schwab]

Material und Methodik 23 3.4 Datenerhebung 3.4.1 Allgemein Die Daten wurden mit einer selbst erstellten Eingabemaske über Microsoft Access eingegeben und später in Microsoft Excel exportiert und mit SPSS berechnet. Die Ergebnisse wurden mit dem Statistikprogramm SPSS statistisch ausgewertet. 3.4.2 Quellen zur Datenerfassung Notarztprotokoll Aus den jeweiligen Notarztprotokollen konnten reanimationsbedingte Daten erfasst werden. Die Protokolle enthalten die von der DIVI (Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin) erarbeiteten Datenfelder. Abbildung 14: DIVI Notarztprotokoll, Seite 1

24 Material und Methodik Kühlungszeiten und Temperaturerfassungsbogen der kardiologischen Intensivstation Heilmeyer Der zu Studienzwecken angefertigte Bogen wurde bereits bei Eintreffen des Patienten im Herzkatheterlabor angelegt und fortlaufend auf der Intensivstation weitergeführt, um eine möglichst lückenlose Zeit und Temperaturerfassung zu gewährleisten. Abbildung 15: Bogen zur Erfassung kühlungsrelevanter Parameter

Material und Methodik 25 Klinik-Informationssystem der Universitätsklinik Freiburg (KIS) Über das Klinik-Informationssystem konnten Laborwerte, Arztbriefe und Intensivprotokolle der Patienten eingesehen und die jeweiligen Daten erfasst werden. Abbildung 16: Intensivkurve der internistischen Intensivstationen Heilmeyer

26 Material und Methodik 3.4.3 Erfassung allgemeiner Daten Folgende allgemeine Daten wurden erfasst: - Alter - Geschlecht - Datum der Reanimation 3.4.4 Erfassung der Zeiten Die folgenden, unten aufgeführten und durch Pfeile symbolisierten Zeiten, wurden in den verschiedenen Gruppen ausgewertet: Abbildung 17: Ablaufschema der erfassten Zeiten - Hypoxiezeit - Dauer der Reanimation - ROSC bis Aufnahme im Herzkatheterlabor - Herzkatheterlabor bis Aufnahme Intensivstation - Aufnahme Intensivstation bis Beginn der spezifischen Kühlung - Beginn der spezifischen Kühlung bis zum Erreichen der Zieltemperatur - Erreichen der Zieltemperatur bis Ende der Kühlung - Aufenthaltstage auf Intensivstation bis zum Tod oder Entlassung

Material und Methodik 27 3.4.5 Erfassung der Labordaten Die Laborparameter wurden initial bei Aufnahme, am ersten, zweiten und dritten Tag nach Aufnahme bestimmt. Folgende Parameter i.s. wurden erfasst: - Leukozyten - Thrombozyten - Quickwert - Plasmathrombinzeit (PTT) - C-reaktives-Protein (CRP) - Neuronenspezifische Enolase - Astrogliaprotein S100 Aus der initial durchgeführten BGA wurde der Blut-pH-Wert bestimmt. Als initiale Werte wurden solche bezeichnet, die aus dem Labor bei der Aufnahme ermittelt wurden. Die Werte des ersten Tages sind diejenigen, die am folgenden Tag nach Aufnahme im Routinelabor bestimmt wurden. 3.4.6 Erfassung möglicher Nebenwirkungen Die folgenden Parameter wurden aus den Intensiv-Protokollen entnommen: - Maximale und minimale Herzfrequenz vor und nach Erreichen der Zieltemperatur - Maximaler und minimaler Blutdruck vor und nach Erreichen der Zieltemperatur - Maximaler Arterenolverbrauch - Maximaler Dobutaminverbrauch - Einsatz von GP2b3a Antagonisten - Tag des ersten Stuhlgangs - Enterale Ernährung - Magensondenanlage

28 Material und Methodik 3.5 Coolgard System Eine Gruppe wurde mit dem endovaskuären Kühlsysthem (Coolgard ) angeschlossen. Hierzu wurde ein 8,5 F Katheter von 38 cm länge (Icy Intravaskuläres-Wärmeaustauschkatheter- Kit) über einen zentralvenösen Zugang in der Leiste platziert. Der Katheter ist mit einem geschlossenen System ausgestattet, in dem die kalte, isotone, sterile Flüssigkeit zirkuliert, welche allerdings keinen direkten Kontakt zum Blut hat. Das System ist mit dem eigentlichen Kühlgerät verbunden, was die aktuelle Körpertemperatur aufnehmen und über ein computergestütztes System, durch Anpassung der Temperatur der zirkulierenden Lösung, diese auf die Zieltemperatur einregulieren kann. Abbildung 18: Coolgard System, [28]

Material und Methodik 29 3.6 Thermowrap System Die andere Gruppe wurde mit einem Oberflächenkühlsystem (ThermoWrap ) versorgt. Hierzu wurden die Extremitäten und der gesamte Rumpf der Patientin in zweilagige Umschläge eingepackt, in denen kalte Flüssigkeit zirkuliert, welche mittels Konvexion zu einer Kühlung der Hautoberfläche und einer folgenden Absenkung der Körpertemperatur erzeugt. Die Flüssigkeitszirkulation wird ebenfalls mit einer Pumpe angetrieben, welche mit einem Rückkopplungssystem das Erreichen der Zieltemperatur steuert. Abbildung 19: Termowrap System, [28]

30 Material und Methodik 3.7 Glasgow Outcome Scale Zur Bewertung des neurologischen Outcomes wurde die Glascow Outcome Scale (GOS) verwendet. Beurteilt wurde der Zustand des Patienten beim Verlassen der Klinik in die Rehabilitation oder nach Hause. GOS Bedeutung 1 Verstorben 2 Apallisch, bleibender vegetativer Zustand 3 4 5 Schwer behindert, (geistig und/oder körperlich), auf dauernde Versorgung angewiesen, keine Erwerbsfähigkeit Mittelgradig behindert, weitgehend selbstständig, aber deutliche neurologische und/oder psychische Störungen, erhebliche Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit Nicht/leicht behindert, normale Lebensführung trotz eventuell geringer Ausfälle, nur geringe oder keine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit Abbildung 20: Glasgow Outcome Scale

Ergebnisse 31 4 Ergebnisse 4.1 Allgemeine Ergebnisse 4.1.1 Anzahl, Alter und Geschlecht der Patienten Im Zeitraum zwischen 2002 und 2007 konnten insgesamt 141 primär erfolgreich reanimierte Patienten mit Indikation zur therapeutischen Kühlung in die Studie eingeschlossen werden. Von den 141 Patienten wurden 104 (73,7%) mit therapeutischer Hypothermie behandelt und 37 (26,2%) Patienten wurden nicht gekühlt. In der Hypothermiegruppe sind 65 (62,5%) der insgesamt 104 Patienten mit dem endovaskulären- und 39 Patienten (37,5%) mit dem Oberflächenkühlsystem versorgt worden. Patientenkollektiv Oberflächenkühlung n=39 28% Normothermie n=37 26% Endovaskuläre Kühlung n=65 46% Abbildung 21: Anteile der einzelnen Gruppen am Gesamtkollektiv

32 Ergebnisse Patienten [Anzahl] 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 2002 2003 2004 2005 2006 2007 Jahr Endovaskuläre Kühlung Oberflächenkühlung Normothermie Abbildung 22: Anteil der verschiedenen Gruppen nach Jahren 4.1.2 Vergleichbarkeit der Gruppen Alter Das durchschnittliche Alter der Patienten betrug in der Normothermiegruppe 70,42 ± 10,88 Jahre und in der Kühlungsgruppe 62,61 ± 14,82 Jahre. In der endovaskulären- und Oberflächenkühlgruppe errechnete sich das mittlere Alter auf 63.37 ± 15,19 Jahren vs. 60,76 ± 14,61 Jahren. Geschlecht In der Kontrollgruppe waren 21 (56,8%) Patienten männlichen und 16 (43,2%) Patienten weiblichen Geschlechts. Die 65 Patienten der endovaskulären Kühlungsgruppe waren zu 75,4% männlich und 39 (70,0%) in der Oberflächen-Kühlungsgruppe. Initialer Rhythmus Der initiale Rhythmus bei Eintreffen des Rettungsdienstes war in der Normothermie Gruppe zu 51,4% eine VT/VF, zu 21,6% eine Asystolie, zu 10,8% eine EMD und in 16,2% der Fälle retrospektiv nicht mehr zu ermitteln. Bei den endovaskulär gekühlten Patienten hatten 66,2% eine VT/VF, 24,6% eine Asystolie, 4,6% eine EMD und bei 3 Patienten lies sich der initiale

Ergebnisse 33 Rhythmus nicht mehr ermitteln. Bei den oberflächlich gekühlten Patienten zeigte sich zu 48,7% eine VT/VF, zu 33,3% eine Asystolie und bei 17,9% der Fälle eine EMD. Normothermie Endovaskuläre Kühlung Oberflächenkühlung n % n % n % VF / VT 19 51,4 43 66,2 19 48,7 Asystolie 8 21,6 16 24,6 13 33,3 EMD 4 10,8 3 4,6 7 17,9 Sonstige 6 16,2 3 4,6 0 0,0 n Gesamt 37 65 39 Tabelle 1: Initialer Herzrhythmus in den einzelnen Gruppen Initialer Herzrhythmus 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% VF / VT Asystolie EMD Sonstige Normothermie Endovaskuläre Kühlung Oberflächenkühlung Abbildung 23: Initialer Herzrhythmus in den einzelnen Gruppen Beobachteter Herz-Kreislauf-Stillstand Der Herz-Kreislauf-Stillstand wurde in 83% (n=35) der Fälle in der Normothermiegruppe und in 73% (n=103) der Fälle in der Kühlungsgruppe von außen stehenden Personen direkt beobachtet. Bei den endovaskulär gekühlten Patienten waren es 75% (n=64) gegenüber 65% (n=39) bei den oberflächlich gekühlten.

34 Ergebnisse Anteil beobachteter Herz-Kreislaufstillstände in den verschiedenen Gruppen 100% n=35 n=64 n=39 80% 60% 40% 20% 0% Normothermie Endovaskuläre Kühlung Oberflächenkühlung Nicht beobachtet Beobachtet Abbildung 24: Anteil beobachteter Herz-Kreislaufstillstände in den einzelnen Gruppen Laienreanimation Eine Laienreanimation fand in 49% (n=35) der Fälle in der Normothermiegruppe, in 63% (n=104) in der gesamten Kühlungsgruppe, in 63% (n=65) bei den endovaskulär gekühlten und in 62% (n=39) bei den oberflächlich gekühlten Patienten statt. Hypoxiezeit Die Hypoxiezeit der Patienten lag bei durchschnittlich 5,26 ± 5,09 min bei der Normothermieund bei 3,89 ± 5,30 min bei der Kühlungsgruppe. Sie lag bei den endovaskulär gekühlten bei 3,51 ± 4,40 min und bei den oberflächlich gekühlten Patienten bei 4,58 ± 6,68 min. Reanimationsdauer Die Dauer der Reanimation betrug 17,69 ± 10,8 min in der Normothermie- und 21,56 ± 17,5 min in der Kühlungsgruppe. Die Gruppe der endovskulär gekühlten wurden im Mittel 21,75 ± 18,5 min und die der oberflächlich gekühlten 21,28 ± 16,0 min reanimiert. Ein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen ergab sich nicht.

Ergebnisse 35 Dauer der Reanimation in [min] 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 n.s. n.s. Normothermie Endovaskuläre Kühlung Oberflächenkühlung Abbildung 25: Reanimationsdauer in den einzelnen Gruppen Anteil präklinisch durchgeführter Lysetherapien Der Anteil an Patienten die präklinisch eine Lysetherapie bekamen lag in der Normothermiegruppe bei 3% (n=36). Bei den endovaskulär gekühlten Patienten lag der Anteil bei 11% (n=65) und bei den oberflächlich gekühlten bei 26% (n=39). Initialer ph-wert Der in der Klinik initial gemessene ph-wert als ein Marker für den Schweregrad der Reanimationsfolgen war in allen Untergruppen nicht signifikant. Er betrug in der Normothermiegruppe 7,23 ± 0,16 und in der Kühlungsgruppe 7,24 ± 0,14. In den Gruppen endovaskuläre/oberflächliche Kühlung betrug der Wert 7,24 ± 0,15 und 7,25 ± 0,14. Versorgung im Herzkatheterlabor 84% (n=37) der Normothermiegruppe wurden initial im Herzkatheterlabor untersucht und ggf. behandelt. Bei den endovaskulär gekühlten Gruppe machte die Untersuchung 85% (n=65) und bei den oberflächlich gekühlten Patienten 79% (n=39) aus.

36 Ergebnisse Anteil der im Herzkatheterlabor behandelten Patienten 100% 90% n=37 n=65 n=39 n.s. n.s. 80% 70% 60% 50% Normothermie Endovaskuläre Kühlung Oberflächenkühlung Abbildung 26: Anteil der im Herzkatheterlabor behandelten Patienten Verabreichte Menge gekühlter Infusionen 79 der 104 hypotherm behandelten Patienten bekamen im Herzkatheterlabor zusätzlich im Mittel eine Menge von 1404 ± 728 ml 4 C kalte Infusionen zugeführt. In der endovaskulär gekühlten Gruppe waren es 1388 ± 731 ml und bei den oberflächlich Gekühlten waren es 1450 ± 745 ml. Der Unterschied war nicht signifikant. 4.2 Kühlungszeiten Die Zeitdauer zwischen Rückkehr des Spontankreislaufs (ROSC) bis zur Aufnahme im Herzkatheterlabor betrug im Schnitt 58,47 ± 51 min bei der Kühlungsgruppe und 43,24 ± 15 min bei der Normothermiegruppe. Von der Aufnahme im Herzkatheterlabor bis zur Aufnahme auf die Intensivstation vergingen in der Kühlungsgruppe 121,24 ± 55 min gegenüber 166,80 ± 68 min in der Normothermiegruppe. Bei den gekühlten Patienten dauerte es von der Aufnahme auf die Intensivstaion bis zum Beginn der Kühlungsmaßnahme durchschnittlich 88,24 ± 78 min. Bei den endovaskulär gekühlten Patienten dauerte es 77,52 ± 72 min und bei den oberflächlich gekühlten 104,61 ± 84 min. Bei den mit dem endovaskulären System versorgten Patienten dauerte es 139,56 ± 75 min vom Anschluss des Geräts bis zum Erreichen der Zieltemperatur. Dem Gegenüber benötigten

Ergebnisse 37 die mit dem Oberflächenkühlsystem versorgten Patienten 357,63 ± 240 min (p<0,00001). Die Differenz liegt demnach bei 218,07 min. Die durchschnittliche Kühlungszeit von Erreichen der Zieltemperatur bis zum Erreichen der Normaltemperatur betrug bei den gekühlten Patienten im Schnitt 2078 ± 652 min (34,6h). In der endovaskulären Gruppe waren es 2043 ± 524 min (34,1h) und in der Oberflächengruppe 2153 ± 834 min (35,9h). Zeiten [min] Endovaskuläre Kühlung Oberflächenkühlung ROSC - Aufnahme Herzkatheterlabor 44,88 ± 24,4 80,13 ± 71,8 p = 0,011 Aufnahme Herzkatheterlabor - Aufnahme Intensivstation 111,92 ± 47,0 140,04 ± 65,2 n.s. Intensivstation - Beginn Hypothermie 77,52 ± 72,2 106,22 ± 84,6 n.s. Beginn Hypothermie - Erreichen der Zieltemperatur 139,56 ± 75,6 351,08 ± 240,3 p = 0,00001 Zieltemperatur - Ende der Hypothermie 2043 ± 524 2137 ± 834 n.s. Tabelle 2: Zeiten der verschiedenen Gruppen

38 Ergebnisse Abbildung 27: Kühlungsbeginn bis zum Erreichen der Zieltemperatur Der Einfluss von gekühlten Infusionen Patienten, die bereits im Herzkatheterlabor 4 C kalte Infusionen zugeführt bekamen, erreichten die Zieltemperatur mit dem endovaskulären System in 136,0 ± 78 min und somit 24,65 min schneller als Patienten, die konventionell ohne gekühlte Infusionen (160,56 ± 51 min) behandelt wurden. Die gleiche Unterteilung bei den mit dem Oberflächensystem versorgten Patienten ergab 251,43 ± 123 min für die initial gekühlten gegenüber 481,88 ± 294 min bei den konventionell behandelten Patienten. Somit ergibt sich eine Differenz von 230,45 min. Bei der Betrachtung der gesamten Kühlgruppe erreichten Patienten die zusätzlich mit kalten Infusionen versorgt wurden die Zieltemperatur in 168,76 ± 105 min. Patienten, die diese Infusionen nicht erhielten erreichten, die Zieltemperatur nach Beginn der spezifischen Kühlung erst nach 366,20 ± 283 min (p<0,002). Daraus ergibt sich eine Differenz von 197,44 min.

Abbildung 28: Mittlere Kühlungsdauer mit und ohne kalten Infusionen Ergebnisse 39

40 Ergebnisse 4.3 Überleben Die mit milder Hypothermie behandelten Patienten konnten in 63,5% (n=66/104) der Fälle das Krankenhaus lebend verlassen. Dem Gegenüber überlebten in der Normothermiegruppe 35,1% (n = 13/37) der Patienten (p<0,003, U-Test). Überleben in der Normothermie und Hypothermiegruppe 100% 75% n=37 n=104 p<0,003 50% 25% 0% Normothermie Hypothermie Abbildung 29: Überleben in der Normothermie und Hypothermiegruppe Im Vergleich zwischen endovaskulärer und oberflächlicher Kühlung konnte ein leichter Vorteil des endovskulären Systems mit 64,6% (n= 42/65) vs. 61,5% (n= 24/39) Überlebenden nachgewiesen werden. Der Unterschied war nicht signifikant (p=0,754). Überleben bei endovaskulärer- und Oberflächenkühlung 100% 75% 50% n=65 n=39 n.s. 64,6% 61,5% 25% 0% Endovaskuläre Kühlung Oberflächenkühlung Abbildung 30: Überleben bei endovaskulärer- und Oberflächenkühlung

Ergebnisse 41 4.4 Neurologisches Outcome Der berechnete mittlere GOS-Wert als Maß für das neurologische Outcome der Patienten lag bei den gekühlten im Durchschnitt bei 2,98 vs. 2,22 bei den nichtgekühlten (p=0,024). Demnach hatten Patienten, die mit einem der beiden Kühlsystemen therapiert wurden, später ein besseres neurologisches Outcome. Mittlerer GOS-Wert unter Normothermie und Hypothermie 5 p = 0,024 Glasgow-Outcome-Scale 4 3 2 2,22 2,98 1 Normothermie Hypothermie Abbildung 31: Mittlerer GOS-Wert unter Normothermie und Hypothermie Neurologisches Outcome im Vergleich der beiden Kühlsysteme Die durchschnittliche GOS lag beim endovaskulären Kühlsystem mit 3,2 vs. 2,58 höher als bei den Patienten, die mit dem Oberflächenkühlsystem gekühlt wurden (p=0,099). Der Unterschied wird größer, wenn man die GOS der Überlebenden (GOS>1) vergleicht. Hier ergibt sich ein GOS-Wert von 4,54 bei den endovaskulär gekühlten- und 3,62 bei den oberflächlich gekühlten Patienten (p<0,002).