Populationspharmakokinetik, Allometrie und Skalierung von Modellparametern. Tillmann Utesch, Axel Rack, U. K., Max von Kleist

Ähnliche Dokumente
Hintergrund und Rationale des therapeutischen Drug Monitorings

Statistik II. Regressionsrechnung+ Regressionsanalyse. Statistik II

Pharmakokinetik-Grundlagen, Teil 2

Cox-Regression. Ausgangspunkt Ansätze zur Modellierung von Einflussgrößen Das Cox-Modell Eigenschaften des Cox-Modells

Laborchemische Referenzwerte in der klinischen Versorgung

Mixed Effects Models: Wachstumskurven

Kapitel 1: Pharmakokinetische Modelle 1

Statistik, Geostatistik

Pharmakokinetik - Modelle und Berechnungen

Geo 241 Modellierung von Systemen Modulverantwortlicher: Dr. Krause. Sommersemester 2009

Planung von Humanstudien Fallzahlberechnung

Einfache lineare Regression. Statistik (Biol./Pharm./HST) FS 2015

W09 p. 1. Prof. Dr. Christoph Kleinn Institut für Waldinventur und Waldwachstum Arbeitsbereich Waldinventur und Fernerkundung

Dr. Maike M. Burda. Welchen Einfluss hat die Körperhöhe auf das Körpergewicht? Eine Regressionsanalyse. HU Berlin, Econ Bootcamp 7.-9.

Arbeitszeit, Schlafdauer und Unfallrisiko Untersuchung direkter und indirekter Effekte mit Hilfe von Strukturgleichungsmodellen

Small Area Estimation auf Grundlage der Zensusergebnisse!?!

Teil XIII. Multiple lineare Regression. Woche 11: Multiple lineare Regression. Zusammenfassung Einfache lineare Regression.

Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik

4.3 Unterrichtsmaterialien

Pharmakokinetik: Mathematische Modelle und ihre Anwendung

Trim Size: 176mm x 240mm Lipow ftoc.tex V1 - March 9, :34 P.M. Page 11. Über die Übersetzerin 9. Einleitung 19

Adaptive Systeme. Prof. Dr.-Ing. Heinz-Georg Fehn Prof. Dr. rer. nat. Nikolaus Wulff

Pharmakokinetik: Mathematische Modelle und ihre Anwendung

Dr. Maike M. Burda. Welchen Einfluss hat die Körperhöhe auf das Körpergewicht? Eine Regressionsanalyse. HU Berlin, Econ Bootcamp

Logistische Regression

Probabilistische Analyse regionaler Klimasimulationen

Statistische Methoden der Datenanalyse

Statistik II. I. Einführung. Martin Huber

Seminar zur Energiewirtschaft:

Einführung in die ökologische Morphologie und Physiologie der Tiere SS 2015

Inhaltsverzeichnis Einführung und deskriptive Statistik Grundlagen der Inferenzstatistik 1: Zufallsvariablen

Biometrieübung 10 Lineare Regression. 2. Abhängigkeit der Körpergröße von der Schuhgröße bei Männern

Anleitung: Standardabweichung

Empirische Strategien

Murray, Fonseca & Westoby(1998) Stefan Petschner Ökoregionen/Makroökologie WS 09/10 Dozent: Dr. Holger Schulz

Neue Wege zur Generierung von Referenzwerten für Kinder. Metzler M

Statistische Nachweisführung für KMV-Störfälle unter Verwendung von Best-Estimate Plus Uncertainty (BEPU)-Analysen. Simone Palazzo, GRS Garching

Maligne Adipositas: Überlegungen zur Dosierung

Effektive Bandbreite selbstähnlicher Verkehrsströme

Einführung in die Statistischen Methoden und GRETL - Übung

6. Tutoriumsserie Statistik II

Allometrie der Kotpartikelgröße von pflanzenfressenden Säugern, Reptilien und Vögeln

Zusammenfassung 11. Sara dos Reis.

Seminar Stochastische Unternehmensmodelle Varianzreduzierende Techniken

Thrombosemanagement mit NMH Wichtiges worauf Sie achten sollten

Vergleich von Partial Cox Regression und Lasso zur Analyse von U berlebenszeiten bei hochdimensionalen Daten

Inferenzstatistik verstehen

Dosierung von Carboplatin

Vorlesung 4: Spezifikation der unabhängigen Variablen

Statistik für Ingenieure und Naturwissenschaftler

Prüfungsliteratur: Rudolf & Müller S

Methodenlehre. Vorlesung 10. Prof. Dr. Björn Rasch, Cognitive Biopsychology and Methods University of Fribourg

Querschnittsbereich Nr. 1: Epidemiologie, Medizinische Biometrie und Medizinische Informatik. Behandelt werden 4 Themenblöcke

Bewertung von Optimierungs- und Zuverlässigkeitsalgorithmen für die virtuelle Produktauslegung

Monte-Carlo Tests. Diplomarbeit. Wiebke Werft. Mathematisches Institut der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Pharmakokinetik, Teil 3

Gewöhnliche Autokorrelationsfunktion (ACF) eines stationären Prozesses {X t } t Z zum Lag h

Wie liest man Konfidenzintervalle? Teil II. Premiu m

Universitätsprofessor Dr. rer. nat. habil. Karl-Ernst Biebler und Dr. rer. nat. Bernd Jäger

o o o o o o o o o o o o

STATISTISCHE METHODEN

Prädiktive Gentests multifaktorieller Erkrankungen

Meta-Regression in klinischen. Studien. Hintergrund und Anwendung in SAS. Meike Hastert Mareike Herrmann

Statistik II Übung 1: Einfache lineare Regression

WISSENSCHAFTLICHE BEITRÄGE

Qualitätsmanagement im Praxisverbund Dialyse und Apherese Rostock (PDA) Auswertung der Einrichtungen 2004

Zeitreihenanalyse. Seminar Finanzmathematik. Andreas Dienst SS Einleitung - Begrüßung - Motivation - Inhaltsangabe. 2.

Kapitel 10. Multikollinearität. Exakte Multikollinearität Beinahe Multikollinearität

Teil XII. Einfache Lineare Regression. Woche 10: Lineare Regression. Lernziele. Zusammenfassung. Patric Müller

Konfidenzintervalle Grundlegendes Prinzip Erwartungswert Bekannte Varianz Unbekannte Varianz Anteilswert Differenzen von Erwartungswert Anteilswert

Oscar A. G. Treyer. Business Forecasting. Anwendungsorientierte Theorie quantitativer Prognoseverfahren. Haupt Verlag Bern Stuttgart - Wien

T-Test für unabhängige Stichproben

Regression und Korrelation

Kapitel 7. Regression und Korrelation. 7.1 Das Regressionsproblem

Teil: lineare Regression

Bei näherer Betrachtung des Diagramms Nr. 3 fällt folgendes auf:

Mathematische und statistische Methoden I

Modelle und Anwendungsgebiete der Demographie (Kurs 1)

Basis-Kurs Statistik und SPSS für Mediziner Lösungen. SPSS-Übung Überlebenszeitanalyse

Hodgkin Lymphom bei jungen Patienten

Statistik mit MATHCAD und MATLAB

Das Unmessbare messen Softsensoren zur Prozessanalyse und Qualitätskontrolle. Christoph Kugler, Thomas Hochrein 26. Mai 2011

Mathematik für Biologen

Statistik II Übung 1: Einfache lineare Regression

Numerische Methoden und Algorithmen in der Physik

3.4.1 Referenzwerte für das fetale Schätzgewicht in der SSW

Dynamische Modellierung der Fließgeschwindigkeit im globalen Wassermodell WaterGAP

Forschungsstatistik I

Vergleichende Untersuchungen zur Pharmakokinetik von Triaminopyridinen und Triaminobenzolen

Zeigen Sie mittles vollständiger Induktion, dass für jede natürliche Zahl n 1 gilt: k = n (n + 1) 2

Überblick und Ausblick

Permutationstests II.

AlgoBio WS 16/17 Differenzielle Genexpression. Annalisa Marsico

Biometrie im neuen Antragsverfahren

EGRESSIONSANALYSE AVID BUCHATZ NIVERSITÄT ZU KÖLN

If something has a 50% chance of happening, then 9 times out of 10 it will. Yogi Berra

Wie hängen Löhne von Bildung ab? - Eine Einführung in die statistische Analyse von Zusammenhängen. Axel Werwatz Technische Universität Berlin

Mathematik für Biologen

Modellgestützte Analyse und Optimierung eines komplexen, nichtlinearen bioverfahrenstechnischen Prozesses zur Produktion von Biotensiden

Transkript:

Populationspharmakokinetik, Allometrie und Skalierung von Modellparametern Tillmann Utesch, Axel Rack, U. K., Max von Kleist

Übersicht Einleitung Allometrie (Populations-)Pharmakokinetik Zusammenfassung

Was ist Populationspharmakokinetik? Was möchte man? Verteilungen pharmakokinetischer Größen Was braucht man? Verteilungen physiologischer Größen Wozu? Identifizierung von Unterschieden in Wirkstoffsicherheit und Effektivität in Subpopulationen

Populationspharmakokinetik: Motivation Individuen unterscheiden sich in ihrer Physiologie Sammeln relevanter Informationen Messen und Identifizieren von Variabilitäten in (Sub-)Populationen Ursachen der Variabilitäten finden Abschätzung der zufälligen Variabilität in Bevölkerungen

Relevante Informationen: physiologische Parameter Physiologische Parameter erhält man aus: 1) Umfassenden Studien, wie NHANES III : 3rd National Health and Nutrition Examination Survey (1988-94) (Durchführung in den USA) 2) Speziellen Studien, wie die Studie von de Simone et al.(1997) zum Herzzeitvolumen. Keiner der beiden Ansätze ist umfassend Ausweg:Extrapolation mit Hilfe von Allometrie

Was ist Allometrie? griech.: das fremdartige Maß αλλο µετρον (allo metron) Befunddarstellung statistischer Abhängigkeit zweier physiologischer Größen Näherungsweise Bestimmung einer physiologischen Größe durch eine andere

Formen der Allometrie Ontogenetisch Phylogenetisch Intraspezifisch Interspezifisch dynamisch statisch

Allometrie: Eine Frage der Skalierung Wie sind zwei biologische Größen X Y korreliert? Wie kann die Beziehung mathematisch beschrieben werden? Naiver Ansatz: X und Y proportional Y = a X Zu bestimmender Parameter bekannter Parameter

Allometrie: Korrelation physiologischer Größen Korrelation: Körpergröße-Gewicht für Männer (0-99 Jahre) aus NHANES III Studie Körpergröße 250 200 150 100 50 0 0 20 40 60 80 100 120 140 160 Gewicht Geringe lineare Korrelation zwischen Gewicht und Größe!

Allometrie: ein altes Konzept Eugène Dubois 1897: Beziehung zwischen Gehirngröße und Körpergewicht in Säugetieren 2 Faktoren: Grad der Cephalisierung Körpergröße e = c s r

Allometrie: ein altes Konzept Louis Lapicque 1898: Vergleich des relativen Gehirngewichts von Hunden mit Dubois Formel 1907: e log( e) = c log( s) logarithmisches Auftragen führt zu einer Geraden s r = log( c) + r

Allometrie: Das Potenzmodell Allgemeines allometrisches Potenzmodell: Y = a X b Potenz- Skalierungsfaktor Biolog. Größe Bekannte biolog. Größe Logarithmieren: lineare Beziehung log (Y) = log (a) + b log (X)

Allometrie: Korrelation physiologischer Größen Korrelation: Körpergröße-Gewicht für Männer (0-99 Jahre) aus NHANES III Studie log(körpergröße) 2,5 2,3 2,1 1,9 1,7 y = 0,3702x + 1,5406 R 2 = 0,9409 1,5 0,5 1 1,5 2 2,5 log(gewicht) Regression: Y = 10 1.5406 * X 0.3702 (R 2 = 0,9409)

Allometrie: Korrelation physiologischer Größen Korrelation: Körpergewicht-Größe Frauen (31-99 Jahre) aus NHANES III Studie 200 Körpergröße 180 160 140 120 y = 0,0971x + 155,14 R 2 = 0,0512 0 20 40 60 80 100 120 140 160 Gewicht

Allometrie: Korrelation physiologischer Größen Korrelation: log(körpergröße) - log(gewicht) bei Frauen (31+ Jahre) aus NHANES III Studie 2,28 log(körpergröße) 2,23 2,18 2,13 2,08 y = 0,0485x + 2,1203 R 2 = 0,0597 1,5 1,6 1,7 1,8 1,9 2 2,1 2,2 log(gewicht) Nicht immer sind Korrelationen in den Daten abzulesen!

Parameterskalierung in der Pharmakokinetik Vorhersage mit size models (Potenzmodell, pro Kilogramm Modell,...) Probleme: Interspeziesvergleiche vergleichende Stoffwechselphysiologie und Medizin Missverständnisse

Pharmakokinetische Mythen? Kinder haben eine höhere metabolische Clearance vieler analgetischer Medikamente aufgrund ihrer erhöhten relativen Lebergröße und/oder ihres erhöhten Leberblutflusses! Stimmt nicht! Die metabolische Clearance in Kindern ist geringer als in Erwachsenen! Artefakt des pro Kilogramm size models

Pharmakokinetische Mythen? Wirkstoffdosen für Kinder können mit size models geschätzt und als Anteil einer Erwachsenendosis berechnet werden! Stimmt nicht! Die Dosierung für ein Individuum hängt ab von: Clearance, Verteilungsvolumen, Pharmakodynamik Änderung mit dem Alter!

Allometrie: Skalierungsparameter Welche Daten stehen zur Verfügung? Anhand welcher Größen wird skaliert? Sind die Schätzungen zuverlässig? Für welche Personengruppen?

Beispiel: Herzzeitvolumen (CO) Katori (1979) Kinder (4-14J): CO (L/min) = 21.008 BH (m) 22.508 Erwachsene (14-78J): CO (L/min) = 31.847[surface area (m 2 )] 45.70 de Simone et al. (1997) Kinder (1-18J): CO (ml/min) = 3294[surface area (m 2 )] 0.53 Erwachsene (18-85J): CO (ml/min) = 2421[surface area (m 2 )] 1.15 Quelle: Modeling Interindividual Variation in Physiological Factors used in PBPK Models of Humans, Price et al. 2003

Ethanol total amount 18 Male 70 kg Female 70 kg Male 90 kg 16 14 12 Amount (g) 10 8 6 4 2 0 0 50 100 150 200 250 300 Time (min)

0.5 0.45 Average ethanol concentration in body fluids Male 70 kg Female 70 kg Male 90 kg 0.4 Mass per volume (g/l body water) 0.35 0.3 0.25 0.2 0.15 0.1 0.05 0 0 50 100 150 200 250 30 Time (min)

Ethanol concentration in vein 0.4 0.35 Male 70 kg Female 70 kg Male 90 kg 0.3 Concentration (g/l) 0.25 0.2 0.15 0.1 0.05 0 0 50 100 150 200 250 300 Time (min)

Was haben wir bis jetzt? Physiologische Parameter Pharmakokinetische Parameter Haben: Verteilungen über physiologische Größen Wollen: Verteilungen über pharmakokinetische Größen Populationspharmakokinetik

Übergang zur Populationspharmakokinetik Erstellung von Populationen aus Nhanes III (z.b. mit Monte Carlo -Methode). Für diese Populationen werden alle individuellen, relevanten Parameter (wie Lebervolumen, - clearance) berechnet (Referenz: 1) realistische Daten für das Pharmakokinetikprogram erlaubt Untersuchung von Populationen Variabilitäten pharmakokinetischer Grössen, Mittelwerte

Ähnliche Ansätze:Physiological Parameters for PBPK Modeling (P 3 M) Programm zur Parameterisierung für PBPK Modelle interindividueller Variation Parameterberechnung anhand von 1000 Datensätzen aus NHANES III Studie Ziehen aus der Datenbank mit zurücklegen erzeugt Populationen für die Simulation

Ethanol total amount 18 16 Female 78 kg Female 55 kg Male 71 kg Female 64 kg Female 45 kg Female 59 kg Male 81 kg 14 12 Amount (g) 10 8 6 4 2 0 0 50 100 150 200 250 300 Time (min)

0.7 0.6 Average ethanol concentration in body fluids Simulationen Female 78 kg Female 55 kg Male 71 kg Female 64 kg Female 45 kg Female 59 kg Male 81 kg Mass per volume (g/l body water) 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1 0 0 50 100 150 200 250 300 Time (min)

Ethanol concentration in vein 0.6 0.5 Female 78 kg Female 55 kg Male 71 kg Female 64 kg Female 45 kg Female 59 kg Male 81 kg 0.4 Concentration (g/l) 0.3 0.2 0.1 0 0 50 100 150 200 250 300 Time (min)

Zusammenfassung: Populationspharmakokinetik Was macht Populationspharmakokinetik? Analyse der Variabilitäten von Medikamentenwirkungen in (Teil-) Populationen Warum macht man Populationspharmakokinetik? Einteilung der Bevölkerung Risikoabschätzung Dosierungsvorschriften von Wirkstoffen für Individuen einer Teilpopulation.

Zusammenfassung Allometrie ist ein wichtiges Modell um physiologische Parameter zu schätzen Andere Ansätze: z.b. Künstliche Neuronale Netze Qualtität der Modelle steht und fällt mit den Daten

Noch Fragen?

Referenzen Price et al. Modeling Interindividual Variation in Physiological Factors used in PBPK Models of Humans. Critical Reviews in Toxicology 2003; 33(5):469-503 Anderson et al. Size, Myths and the Clinical Pharmacokinetics of Analgesia in Paediatric Patients. Clinical Pharmacokinetics 1997; 33(5):313-327 Gayon J. History of the Concept of Allometry. American Zoologist; 40: 748-758 Holford. A Size Standard for Pharmacokinetics. Clinical Pharmacokinetics 1996; 33(5):329-332 West et al. A General Model for the Origin of Allometric Scaling Laws in Biology. Science 1997; 276:122-126