Notfallmedikamente sind Fehldosierungen vermeidbar? Dr. Jost Kaufmann

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Transkript:

Notfallmedikamente sind Fehldosierungen vermeidbar? Dr. Jost Kaufmann Kinderkrankenhaus Amsterdamerstraße, Kliniken der Stadt Köln ggmbh

Inzidenz allgemein USA 2005: Schätzung des Institute of Medicine 44.000-98.000 Todesfälle aufgrund von Medikamentenfehlern Institute of Medicine. Available at: http://iom.edu

Inzidenz bei Kindern 1.120 Kinder stationär in einem Kinderkrankenhaus 1 10.788 Verordnungen 1.1% potentiell bedrohliche Verordnungsfehler 3 x häufiger als bei Erwachsenen 2 1 - Kaushal R et al. Jama 2001;285:2114-20. 2 - Bates DW et al. J Gen Intern Med 1993;8:289-94.

Innerklinische Notfallsituationen Raschere zeitliche Abläufe Höhere Dichte an Verordnungen Höhere Fehlerrate Foresman-Capuzzi J. J Emerg Nurs 2011;37:194-9.

Innerklinische Notfallsituationen Simulierte Reanimationen, pädiatrische Notfallaufnahme, OA + zwei Assistenten 125 Anordnungen 17% keine exakte Angabe der Dosis 3,2% Fehler in 10er Potenz, alle aufgefallen vor der Verabreichung 58 Spritzen analysiert 16% Abweichung ± 20% 7% Abweichung ± 50% Kozer E et al. BMJ 2004;329(7478):1321

Präklinische Notfallsituationen Keine für Kinder optimierten Versorgungsstrukturen Höhere Rate an Fehlern als innerklinisch 1 Geringere Rate an Fehlerberichten 2 1 - Barata IA et al. Pediatr Emerg Care 2007;23:412-8. 2 - Cushman JT et al. Prehosp Emerg Care 2010;14:477-84.

Biarent et al. Resuscitation 2010;81:1364-88

Biarent et al. Resuscitation 2010;81:1364-88

Methode Pubmed-Recherche medication errors, pediatrics, emergency 55 Artikel (2000-2012) medication errors, prevention, pediatrics 33 Übersichts-Artikel und 7 Studien (kein Zeitlimit)

Methode Analyse des Verordnungs-Prozesses Einordnen der Literatur Interventionen mit vermutetem Effekt Interventionen mit bewiesener Evidenz

Verordnungsprozess 1. Indikation/Dosisempfehlung 2. Feststellung Gewicht 3. Errechnung Dosis und Zubereitung 4. Übermittlung der Verordnung 5. Vorbereitung und Verabreichung

1. Indikation/Dosisempfehlung Alternativen zur/der Therapie Altersgruppenspezifische Indikationen Altersgruppenspezifische Kontraindikationen Davey AL et al. Quality & safety in health care 2008;17:146-9. Gordon M et al. Arch Dis Child 2011;96:1191-4.

1. Dosisempfehlung Altersgruppenspezifische Dosierungsempfehlungen Beispiel: Propofol Primärversorgung FG 29-32 GW 1-1 mg/kg à schwere Kreislaufsuppression Kinder 5 10 Jahre 2-3 mg/kg + Remif. 2-3 µg/kg à Normotension 1 - Welzing L et al. Paediatric Anaesthesia 2010;20:605-11. 2 - Barate IA et al. Pediatr Emerg Care 2007;23:412-8.

1. Indikation/Dosisempfehlung Grundlegende Kenntnisse Vertiefung von Kenntnissen (Schulungen) Zusammenstellungen zur pädiatrischen Arzneimitteltherapie Experten-Konsultation Davey AL et al. Quality & safety in health care 2008;17:146-9. Gordon M et al. Arch Dis Child 2011;96:1191-4.

2. Feststellung des Gewicht Gewicht wird unterbewertet DIVI-Notarzt-Protokoll: 203 Parameter aber kein Feld für Gewicht Wiegen oft nicht möglich Dosierung ohne konkretes Gewicht Schlechtriemen T et al. Notfall & Rettungsmedizin 2001;4:76-89. Messelken M et al. Anaesth Intensivmed 2011;52:S738-S43.

2. Feststellung des Gewicht Eltern schätzen am Besten 78% d.f. innerhalb 10% Längenbezogene Schätzung 61% d.f. innerhalb 10%, Idealgewicht besser Altersbezogene Formeln schlecht APLS 34% d.f. innerhalb 10%, 6-jährige 19-30 kg Gewicht beachten Krieser D et al. Emerg Med J 2007;24:756-9.

3. Errechnung Dosis/Zubereitung Notwendigkeit zur Berechnung Unterschiedliche Packungsgrößen und Konzentrationen Keine Vertrautheit der Dosis Häufigste Fehlerart 1 Regelmäßig 10er Potenz-Fehler 2 1 - Neuspiel DR et al. Pediatrics 2011;128:e1608-13. 2 - Kozer E et al. N Engl J Med 2002;346:1175-6.

3. Errechnung Dosis/Zubereitung Reduktion kognitiver Anforderung 1 Elektronische Rechenhilfe 2 Tabelle, 523 Rettungsmediziner 3 Gegeben: Gewicht, Dosis, Konzentration Mit/Ohne Tabelle: 94%/65% korrekte Verordnung Pädiatrisches Notfalllineal 1 - Luten RC et al. Acad Emerg Med 2002;9:840-84 2 Merry AF et al.paediatric anaesthesia 2011;21:743-53. 3 - Bernius M et al. Prehosp Emerg Care 2008;12:486-94.

4. Übermittlung der Verordnung www.rippenspreizer.de

4. Übermittlung der Verordnung Kommunikationsfehler erheblichem Umfang 1 Simulierte Reanimation in einer pädiatrischen Notaufnahme 2-125 Verordnungen - 17% keine exakte Angabe 1 - Pruitt CM et al. Pediatric emergency care 2010;26:942-8 2 - Kozer E et al. BMJ 2004;329(7478):1321

4. Übermittlung der Verordnung www.lachhaft-cartoons.de

4. Übermittlung der Verordnung Vollständigkeit durch Sender Bestätigung durch Empfänger Standard-Schema für mündliche Verordnungen 1 Standard-Schema für schriftliche Verordnungen 2 1 - Pruitt CM et al. Pediatric emergency care 2010;26:942-8 2 - Larose G et al. Pediatr Emerg Care 2008;24:609-14.

5. Vorbereitung/Verabreichung Wenig verschiedene Konzentrationen Genaue Bezeichnung/Aufkleber 1 EU-Norm ISO 26825 2 - bisher kein Nachweis Effekt Fehlerrate - Reduktion Verwechslung Klassen Vorgefertigte Spritzen 3 - Qualitätskontrolle, teuer, Haltbarkeit 1 - Merry AF et al. Best practice & research 2011;25:145-59. 2 - Sybrecht GW et al. Dtsch Arztebl 2010;107:A-1031. 3 - Merry AF et al. Paediatric anaesthesia 2011;21:743-53.

Übergeordnete Ansätze CIRS-Systeme 1 - bisher kein Nachweis Effekt Fehlerrate - steigern aber Report-Rate Schulungen pädiatrische Verordn. 2,3 Elektronische Verordnungssysteme 4 Pädiatrisches Notfalllineal 5,6 1 - Neuspiel DR et al. Pediatrics 2011;128:e1608-13. 2 - Davey AL et al. Quality & safety in health care 2008;17:146-9. 3 - Gordon M et al. Arch Dis Child 2011;96:1191-4. 4 - Kaushal R et al. Arch Pediatr Adolesc Med 2001;155:1002-7. 5 - Kaji AH et al. Pediatrics 2006;118:1493-500. 6 - Kleinman ME et al. Pediatrics 2010;126:e1361-e99.

Pädiatrisches Notfalllineal www.notfalllineal.de

Pädiatrisches Notfalllineal (Broselow-Tape) Verbesserung der Dosierung 1 - z.b. präklinisch Adrenalin mit/ohne 67%/34% korrekte Dosierung Verbesserung Tubuswahl 2 PALS-Leitlinien (AHA) 3 1 - Kaji AH et al. Pediatrics 2006;118:1493-500. 2 - Hofer CK et al. British journal of anaesthesia 2002;88:283-5. 3 - Kleinman ME et al. Pediatrics 2010;126:e1361-e99.

Zusammenfassung Erhöhung von Vigilanz Verbesserung der Kompetenz Vorbereitung, Hilfsmittel Standardisierung von Abläufen Verminderung der kognitiven Anforderungen

DANKE. Dr. Jost Kaufmann Kinderkrankenhaus Amsterdamerstraße, Kliniken der Stadt Köln ggmbh