Zulassungsantrag der Unitel Film- und Fernsehproduktionsgesellschaft mbh & Co. für das Programm CLASSICA Aktenzeichen: KEK 045 Beschluß In der Rundfunkangelegenheit der Unitel Film- und Fernseh-Produktionsgesellschaft mbh & Co., vertreten durch ihre Geschäftsführer Dr. Leo Kirch und Herbert Schmidt, Robert-Bürkle-Straße 2, 85737 Ismaning, - Antragstellerin - Bevollmächtigte: xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx w e g e n Zulassung zur bundesweiten Veranstaltung eines digitalen Pay-TV-Spartenprogramms CLASSICA hat die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) auf Vorlage der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) aufgrund der Sitzung am 21. September 1999 unter Mitwirkung ihrer Mitglieder Prof. Dr. Dr. h.c. Jochimsen (Vorsitzender), Prof. Dr. Kübler, Prof. Dr. Lerche, Dr. Lübbert, Prof. Dr. Mailänder und Prof. Dr. Dr. h.c. Mestmäcker entschieden: Der von der Unitel Film- und Fernsehproduktionsgesellschaft mbh & Co. mit Schreiben an die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) vom 1. Juni 1999 beantragten Zulassung zur Veranstaltung eines bundesweit verbreiteten digitalen Pay-TV-Spartenprogramms CLASSICA stehen Gründe der Sicherung der Meinungsvielfalt im Fernsehen nicht entgegen. Unberührt bleibt die Verpflichtung zur Überprüfung der Einhaltung der Vorschriften zur Sicherung der Meinungsvielfalt bei künftigen Entwicklungen gemäß 35 Rundfunkstaatsvertrag (RStV).
2 Begründung I Sachverhalt 1 Gegenstand des Zulassungsantrags Gegenstand der Prüfung ist der Antrag der Unitel Film- und Fernsehproduktionsgesellschaft mbh & Co. auf bundesweite Zulassung eines Pay-TV-Spartenprogramms CLASSICA. Dieses Programm wurde bislang als Teil des DF1-Bouquets kraft einer von der BLM erteilten Versuchslizenz verbreitet. Nachdem der Antrag der DF 1 Digitales Fernsehen GmbH & Co. KG auf Zulassung eines bundesweiten Fernsehprogramms mit Schreiben vom 21. Mai 1999 gegenüber der BLM zurückgenommen worden ist, soll das Programm CLASSICA künftig über die digitale Pay-TV-Plattform von Premiere ausgestrahlt werden. 2 Programmstruktur CLASSICA ist ein Spartenprogramm ausschließlich für klassische Musik, das 24 Stunden am Tag angeboten wird. 3 Inhaber- und Beteiligungsverhältnisse 3.1 Beteiligungen an der Antragstellerin Die Unitel Film- und Fernsehproduktionsgesellschaft mbh & Co. ist eine Kommanditgesellschaft. Persönlich haftende Gesellschafterin ist die Unitel Film- und Fernsehproduktionsgesellschaft mbh, einziger Kommanditist ist Herr Dr. Leo Kirch mit einem Kommanditanteil von 5 Mio. DM. Die Anteile an der Unitel Film- und Fernsehproduktionsgesellschaft mbh & Co. werden gehalten von der Taurus Beteiligungs GmbH & Co. KG mit Sitz in Unterföhring; diese Gesellschaft steht im Alleineigentum von Dr. Leo Kirch.
3 3.2 Sonstige Beteiligungen der KirchGruppe Die KirchGruppe ist an den Anbietern der nachfolgend aufgeführten bundesweit verbreiteten Programme beteiligt: Veranstalter Beteiligung der KirchGruppe in Höhe von... Zuschaueranteil (06/98 bis 05/99) SAT.1 59 % 11,17 % DSF 100 % 1,15 % DF 1 100 % 0,1 % Premiere 95 % 0,70 % Insgesamt: 13,12 % 3.3 Zurechnung sonstiger Programme Gemäß der Entscheidung der KEK in Sachen ProSieben Media AG vom 26. Januar 1999 (Az.: KEK 007/029) sind die Programme der ProSieben-Gruppe der KirchGruppe zuzurechnen. Dabei handelt es sich um die folgenden Programme: Veranstalter Beteiligung der ProSieben Media AG in Höhe von... Zuschaueranteil (06/98 bis 05/99) ProSieben 100 % 8,67 % Kabel 1 100 % 4,83 % N 24 100 % - Insgesamt: 13,50 %
4 3.4 Sonstige Aktivitäten und Beteiligungen der KirchGruppe Die KirchGruppe ist auf mehreren fernsehnahen und sonstigen medienrelevanten Märkten aktiv. Sie verfügt über marktstarke Stellungen insbesondere auf den Märkten für Fernsehwerbung und für den Handel mit Film- und Fernsehrechten; dafür ist auf die Darlegungen in den Beschlüssen der KEK in Sachen Premiere (Az.: KEK 026, Abschnitt II.6, S. 28 ff., insbes. 32 ff.) und ProSieben (Az.: KEK 007/029, Abschnitt II.5, S. 24 ff.) zu verweisen. II Verfahren Die gemäß 21 Abs. 2 Nr. 5 RStV erforderliche Vollständigkeitserklärung liegt vor. Vor der Entscheidung der Kommission wurde einem Vertreter der BLM Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. III Medienkonzentrationsrechtliche Beurteilung 1 Bestätigungsvorbehalt der KEK Nach 20 Abs. 1 Satz 1 RStV bedürfen private Veranstalter einer Zulassung nach Landesrecht. Fragestellungen der Sicherung der Meinungsvielfalt werden von der KEK nach Vorlage durch die zuständige Landesmedienanstalt gemäß 37 Abs. 1 Satz 1 RStV beurteilt. 2 Zurechnung von Programmen und Zuschaueranteile Das Spartenprogramm, dessen Zulassung beantragt wird, hat derzeit keinen feststellbaren Zuschaueranteil. Die Antragstellerin ist aber ein Unternehmen, dessen Anteile - wie zu I.3.1 dargelegt - ausschließlich von Dr. Leo Kirch gehalten werden. Deshalb sind der Antragstellerin gemäß 28 Abs. 1 RStV die Zuschaueranteile der in I.3.2 aufgeführten Programme zuzurechnen. Zudem hat die KEK in ihrer Entscheidung in der Sache ProSieben (Az.: KEK 007/029) die Beziehungen zwischen Dr. Leo Kirch und
5 seinem Sohn Thomas Kirch in bezug auf die Unternehmen der KirchGruppe und der ProSieben-Gruppe geprüft und als Ergebnis festgestellt, daß gemäß 28 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 RStV die gegenseitige Zurechnung der von der KirchGruppe und der ProSieben-Gruppe veranstalteten Programme geboten ist (Beschluß der KEK vom 26. Januar 1999, Az.: KEK 007/029, Abschnitt II.3., S. 12 ff.). Der KEK sind keine Umstände vorgetragen worden oder in anderer Weise zur Kenntnis gelangt, aus denen sich Zweifel daran ergeben könnten, daß die gegenseitige Zurechnung weiterhin geboten ist. Deshalb sind der Antragstellerin auch die in I.3.3 aufgeführten Programme der ProSieben-Gruppe zuzurechnen; sie kommt damit für den maßgeblichen Zeitraum auf einen Zuschaueranteil von 26,62 %. 3 Vorherrschende Meinungsmacht Gemäß 26 Abs. 1 RStV darf ein Unternehmen selbst oder durch ihm zurechenbare Unternehmen bundesweit eine unbegrenzte Zahl von Fernsehprogrammen veranstalten, solange es keine vorherrschende Meinungsmacht erlangt. Vorherrschende Meinungsmacht wird gemäß 26 Abs. 2 RStV vermutet, wenn im Durchschnitt eines Jahres ein Zuschaueranteil von 30 % erreicht wird. 3.1 Prüfung nach 26 Abs. 2 RStV Da die 30%-Schwelle, die gemäß 26 Abs. 2 Satz 1 RStV die Vermutung vorherrschender Meinungsmacht auslöst, von der Antragstellerin auch nach Zurechnung der übrigen Programme der KirchGruppe und der Programme der ProSieben-Gruppe nicht erreicht wird, ist zu prüfen, ob vorherrschende Meinungsmacht deshalb zu vermuten ist, weil der zugrunde zu legende Zuschaueranteil die 30%-Schwelle nur geringfügig unterschreitet und die sonstigen Voraussetzungen des 26 Abs. 2 Satz 2 RStV gegeben sind. Die KEK hat in den Verfahren Premiere (Az.: KEK 026, Abschnitt II.6, S.28 ) und N 24 (Az.: KEK 038, Abschnitt II.3.1, S. 6 f.) für weitgehend gleiche Zuschaueranteile der Programme von KirchGruppe und ProSieben-Gruppe die Geringfügigkeit der Unterschreitung verneint. Es sind keine Umstände ersichtlich, die eine abweichende Beurteilung verlangen oder auch nur nahelegen. Deshalb ist vorherrschende Meinungsmacht derzeit auch nicht gemäß 26 Abs. 2 Satz 2 RStV zu vermuten.
6 3.2 Prüfung nach 26 Abs. 1 RStV Der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte sowie das Gebot der verfassungskonformen Auslegung des 26 RStV verlangen, die der KEK vorgelegten Anträge nicht nur an den Maßstäben des 26 Abs. 2 RStV, sondern auch an denen des 26 Abs. 1 RStV zu messen; es ist deshalb unabhängig von den Vermutungstatbeständen des 26 Abs. 2 RStV zu untersuchen, ob die Antragstellerin durch die Zulassung vorherrschende Meinungsmacht erlangt. In der Sache ProSieben hat die KEK festgestellt,... daß die ProSieben-Gruppe und die KirchGruppe gemeinsam über einen für die Meinungsbildung bedeutenden Zuschaueranteil verfügen. Das damit verbundene Einflußpotential wird erhöht durch die zusätzlich verstärkten Positionen auf den Märkten für Fernsehwerbung und für die Beschaffung von und die Belieferung mit Fictionprogrammen. Es läßt sich jedoch derzeit nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, daß von diesen Positionen eine Wirkung ausgeht, welche die Meinungsvielfalt im bundesweiten Fernsehen so beeinträchtigt, daß vorherrschende Meinungsmacht anzunehmen wäre (vgl. Az.: KEK 007/029, Abschnitt II.5, S. 28 f.). In der Sache N 24 hat die KEK festgestellt, daß sich die KirchGruppe und die ProSieben-Gruppe durch die Ausstrahlung eines neuen Informationsspartenprogramms der gemäß 26 Abs. 1 RStV maßgeblichen Grenzlinie der Beeinträchtigung der Meinungsvielfalt durch Erlangen vorherrschender Meinungsmacht weiter annähern, ohne sie indessen zu überschreiten (N 24, Az.: KEK 038, Abschnitt II.3.2.3, S. 10); für diese Beurteilung war vor allem der Umstand erheblich, daß N 24 erheblichem Wettbewerb durch vergleichbare Programme ausgesetzt sein wird; zugleich war zu berücksichtigen, daß ein beträchtliches Interesse an pluraler Informationsvermittlung durch möglichst viele Nachrichtenprogramme besteht (BVerfGE 97, 228, 258). Auch der zu entscheidende Antrag konfrontiert mit der Frage, ob eine Zulassung die Meinungsmacht der KirchGruppe und der ProSieben-Gruppe stärken wird. Das ist allenfalls in sehr geringem Maße der Fall. Das Musikspartenprogramm CLASSICA ist bislang schon aufgrund der für DF 1 durch die BLM erteilten Versuchslizenz verbreitet worden; seine eigenständige Zulassung für die Ausstrahlung auf der Plattform von Premiere bedeutet insoweit keine erhebliche Veränderung des Sachverhalts, von dem in der Sache N 24 auszugehen war. Zudem ist zu berücksichtigen, daß der Meinungseinfluß eines ausschließlich auf klassische Musik spezialisierten Spartenprogramms als vergleichsweise gering einzuschätzen ist. Zu bedenken ist freilich, daß das Spar-
7 tenprogramm der KirchGruppe andere und wesentlich weniger potente Anbieter davon abhalten könnte, mit vergleichbaren Angeboten in den Pay-TV-Markt zu gehen. Das ist indessen derzeit nicht ersichtlich. Es ist vielmehr nicht auszuschließen, daß die Nichtzulassung von CLASSICA das derzeit einzige Pay-TV-Spartenprogramm mit dem Schwerpunkt der klassischen Musik vom Markt fernhalten und damit die Vielfalt des Angebots im bundesweiten Fernsehen beeinträchtigen würde. Deshalb ist zusammenfassend festzustellen, daß der Zulassung von CLASSICA trotz des weiterhin erheblichen Meinungseinflusses der KirchGruppe und der ProSieben- Gruppe Gründe der Sicherung der Meinungsvielfalt derzeit nicht entgegenstehen. 4 Da die KirchGruppe, der die Anbieterin zuzurechnen ist, schon derzeit über erheblichen Einfluß auf die Meinungsbildung verfügt, ist an die sich aus 35 RStV ergebende Verpflichtung der zuständigen Landesmedienanstalt zu erinnern, die Einhaltung der für die privaten Veranstalter geltenden Bestimmungen zur Sicherung der Meinungsvielfalt kontinuierlich zu überprüfen und gegebenenfalls entsprechend tätig zu werden. (gez.) Jochimsen Kübler Lerche Lübbert Mailänder Mestmäcker