Prof. Dr. Ignacio Czeguhn Sommersemester Fall 1: Willkommen in Rheinland-Pfalz

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Transkript:

Sachverhalt Der Hamburger K ist gerade auf der Durchreise nach Frankreich und hat in Trier übernachtet. Im großen Saal seines Hotels findet eine Weinversteigerung statt. Aus Neugier setzt er sich in den Versteigerungssaal. Als er auf der anderen Seite des Raumes einen alten Freund entdeckt, hebt er zum Gruß die Hand. Der Versteigerer V fasst dies als Angebot des K auf. Er erteilt ihm den Zuschlag für das gerade zur Disposition stehende Fass Schweigener Sonnenberg Scheurebe. Auf einer Weinversteigerung in Trier bedeutet das Erheben der Hand die Abgabe eines Gebotes. V verlangt nun von K, das Fass Scheurebe abzunehmen und zu bezahlen. K trinkt zwar sehr gerne Wein, fühlt sich aber angesichts des großen Fasses etwas überfordert. Er habe doch nur seinem Freund winken und nicht ein Fass Wein ersteigern wollen. Deshalb lehnt er Zahlung und Abnahme ab. Was kann V von K verlangen? Lösungsvorschlag A. Anspruch des V gegen K auf Zahlung des Kaufpreises und Abnahme des Weinfasses aus Kaufvertrag gem. 433 II BGB V könnte gegen K einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises und Abnahme des Weinfasses aus Kaufvertrag gem. 433 II haben. Voraussetzung dafür ist, dass die Parteien einen wirksamen Kaufvertrag geschlossen haben. I. Zustandekommen des Kaufvertrages K und V müssten sich durch zwei übereinstimmende, mit Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen - Angebot und Annahme - gem. 145ff. geeinigt haben. 1. Angebot durch Heben der Hand Exkurs: Ein Angebot liegt nicht in der Erklärung des Auktionators, der den Wein auspreist. Dies ergibt sich bereits aus dem Gesetz: nach 156 I kommt bei privatrechtlichen Versteigerungen (wovon idr, d.h. mangels entgegenstehender Angaben im Sachverhalt, auszugehen ist) der Vertrag durch den Zuschlag des Versteigerers 1

zustande. D.h., das Gebot des Bieters stellt das Angebot dar und der Zuschlag die Annahme. Das Heben der Hand könnte ein Angebot darstellen. In diesem Verhalten des K müsste also eine Willenserklärung liegen. Dies ist der Fall, wenn das Verhalten des K eine private Willensäußerung darstellt, die auf die Herbeiführung einer bestimmten Rechtsfolge gerichtet ist. Objektiver und subjektiver (innerer) Erklärungstatbestand einer Willenserklärung müssten erfüllt sein. a) äußerer Erklärungstatbestand Der äußere Erklärungstatbestand ist gegeben, wenn sich das Verhalten des Erklärenden für einen objektiven Beobachter ( 133, 157) als die Äußerung eines Rechtsbindungswillens darstellt. Nach den örtlichen Gepflogenheiten in Trier bedeutet das Handheben im Rahmen einer Versteigerung die Abgabe eines Angebots. Vorliegend konnte V davon ausgehen, dass K durch sein Handzeichen ein solches Angebot abgeben wollte. Der äußere Erklärungstatbestand einer Willenserklärung ist gegeben. b) subjektiver Erklärungstatbestand Fraglich ist, ob auch der subjektive Tatbestand einer Willenserklärung vorliegt. Dann müssten die Elemente des inneren Tatbestandes, nämlich Handlungswille, Erklärungsbewusstsein und Geschäftswille, vorliegen. aa) Handlungswille Unter Handlungswillen ist ein vom Willen getragenes Verhalten zu verstehen. K hob vorliegend willentlich die Hand, so dass sein Handlungswille gegeben ist. bb) Erklärungsbewusstsein Ferner müsste K beim Heben der Hand Erklärungsbewusstsein gehabt haben. Unter Erklärungsbewusstsein ist das Bewusstsein zu verstehen, etwas rechtlich Erhebliches zu äußern. Vorliegend wollte K lediglich seinen Freund begrüßen, aber keine rechtlich erhebliche Erklärung abgeben. Das Erklärungsbewusstsein fehlte ihm. 2

Ob trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins eine Willenserklärung vorliegt, ist umstritten. (1) Man könnte der Ansicht sein, dass das Erklärungsbewusstsein stets im Zeitpunkt der Erklärung tatsächlich vorhanden sein muss. Nach dieser Auffassung ist das Erklärungsbewusstsein für das Vorliegen einer Willenserklärung unverzichtbar (konstitutives Erfordernis). Begründen ließe sich dies in erster Linie mit der Privatautonomie: Wenn man eine ohne Erklärungsbewusstsein abgegebene Willenserklärung als Willenserklärung bewertet, stellt dies eine Verletzung der Privatautonomie dar. Denn wenn jemand überhaupt nicht rechtsgeschäftlich tätig werden will, darf sein Verhalten nicht als Willenserklärung gewertet werden. Nach dieser Betrachtung (sog. Willenstheorie ), die eine rein subjektive Betrachtung vornimmt, liegt keine Willenserklärung des K vor, so dass ein Anspruch des V nach 433 II mangels eines Vertragsschlusses ausscheiden würde. (2) Dagegen spricht jedoch, dass der Grundsatz der Privatautonomie auch eine gewisse Selbstverantwortung beinhaltet. Das Vertrauen des Erklärungsempfängers muss geschützt werden. Ist aus einem Verhalten objektiv zu schließen, dass der Erklärende sich rechtlich binden wollte, ist demnach das Vorliegen einer Willenserklärung zu bejahen. Zudem ist 118, der die Nichtigkeit der Willenserklärung bei bewusstem Auseinanderfallen von Wille und Erklärung anordnet, nicht anwendbar, da dieser voraussetzt, dass der Erklärende überhaupt schon einen Willen gebildet hat. Dies ist im Falle des fehlenden Erklärungsbewusstseins nicht der Fall. Nach dieser Ansicht kommt es also allein auf das Vorliegen des äußeren Erklärungstatbestandes an. Eine Willenserklärung des K liegt nach dieser objektiven Theorie (auch Erklärungstheorie ) vor. (3) Beide vorgenannten Ansichten sind jedoch aus den folgenden Gründen nicht überzeugend: Bei der Frage, ob trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins eine Willenserklärung vorliegt, stehen sich die schützenswerten Interessen von Erklärendem und Erklärungsempfänger Privatautonomie und Vertrauensschutz gegenüber. Diese gilt es, sachgerecht auszugleichen. Dies kann nicht dadurch erreicht werden, indem man entweder den Schutz des Erklärenden (subj. Theorie, s.o.) oder den des Erklärungsempfängers (obj. Theorie, s.o.) überbewertet. 3

Vielmehr erscheint es interessengerecht, es für die Annahme einer Willenserklärung ausreichen zu lassen, dass der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass sein Verhalten als Willenserklärung gewertet wird (sog. potentielles Erklärungsbewusstsein). Denn in diesem Fall ist ein Eingriff in die Privatautonomie aufgrund des fahrlässigen Nicht-Erkennens des Erklärungswertes des Handelns gegenüber dem Vertrauen des Erklärungsempfängers nicht schützenswert. Konnte der Erklärende hingegen auch bei Beachtung aller Sorgfalt nach den konkreten Umständen nicht erkennen, dass seinem Verhalten von außen (objektiv) betrachtet ein rechtlich verbindlicher Erklärungswert zukommt, wäre die Annahme, es liegt eine Willenserklärung vor, im Hinblick auf die Privatautonomie nicht zu rechtfertigen. Vorzugswürdig (gegenüber der Willenstheorie) ist diese Betrachtung auch deshalb, weil sie der Sicherheit des Rechtsverkehrs Rechnung trägt. Bei Vorliegen des äußeren Erklärungstatbestandes ist nämlich nicht erkennbar, ob der Handelnde auch Erklärungsbewusstsein hat. Zudem vermag das Argument der Willenstheorie nicht zu überzeugen, die Privatautonomie werde beeinträchtigt. Dies kann dadurch umgangen werden, indem dem Erklärenden die Wahlfreiheit zwischen der Anfechtung des Vertrages ( 119 I) und der Erfüllung ( 362) eingeräumt wird. Überdies schützt das Recht der Willenserklärung nicht nur die Selbstbestimmung des Erklärenden, sondern auch das Vertrauen des Erklärungsempfängers ( vermittelnde Ansicht ; h.m.). (4) K hätte bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, dass er durch das Handheben den äußeren Erklärungstatbestand eines Angebots setzte. Er hätte auch erkennen können, dass V sein Verhalten so verstehen würde. Demnach liegt eine Willenserklärung vor. (5) Zwischenergebnis Trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins wird dem K das Handheben als seine Willenserklärung zugerechnet. cc) Geschäftswille K hatte zwar keinen Geschäftswillen. Dieser ist für eine Willenserklärung nach allgemeiner Ansicht aber nicht notwendig. Daher liegt ein wirksames Angebot des K vor. 4

Exkurs: Dass der Geschäftswille unstrittig nicht für das Vorliegen einer Willenserklärung notwendig ist, lässt sich folgendermaßen erklären: Hier ist sich der Erklärende bewusst, überhaupt eine rechtlich erhebliche (bindende) Erklärung abzugeben. Fehlt der Geschäftswille, so handelt es sich (nur) um einen Irrtum über den konkreten Inhalt der abgegebenen Erklärung (z.b. Wille zur Bestellung einer blauen Hose zu 30, aber verschreiben bei der Bestellnummer tatsächlich wird eine rote Hose zu 50 bestellt). Daher ist es hier interessengerecht, den Erklärenden die Folgen der Erklärung tragen zu lassen. Dem trägt auch 119 I Rechnung. Die Willenserklärung besteht trotz mangelnden Geschäftswillens, kann jedoch wegen Irrtums gem. 119 I angefochten werden. 2. Annahme Dieses Angebot wurde von V durch Zuschlag angenommen, 156 I. 3. Zwischenergebnis Zwischen K und V ist somit ein Kaufvertrag zustande gekommen. II. Wirksamkeit des Kaufvertrages Der Kaufvertrag müsste wirksam sein. In Betracht kommt die Unwirksamkeit des Vertrages aufgrund einer Anfechtung durch K gemäß 142 I, 119 I Fall 2 analog. Hinweis: Es kommt nur eine analoge Anwendung des 119 I Fall 2 in Betracht, da dieser eigentlich nur für Mängel bei der Willensäußerung gilt. Beim fehlenden Erklärungsbewusstsein liegt der Fehler aber bereits in der Willensbildung es wurde gar kein rechtsgeschäftlicher Wille gebildet. Der in 119 I Fall 2 geregelte Erklärungsirrtum regelt nämlich Fälle, in denen jemand eine Willenserklärung in einer Form abgibt, in der er sie nicht abgeben wollte; also den Irrtum im Erklärungsakt. Beim Erklärungsirrtum missglückt die praktische Umsetzung des vorhandenen Erklärungswillens in einen diesen Erklärungswillen kundgebende Äußerung durch Verschreiben, Versprechen oder Vergreifen. Es wird also ein anderes Erklärungszeichen als gewollt verwendet (z.b. schriftliche Bestellung einer Kaffeemaschine zu 40, aufgrund eines Verschreibens wird aber ein Mixer (zum gleichen Preis) geliefert). Nach der hier vertretenen Ansicht hat das fehlende Erklärungsbewusstsein zur Folge, dass die Willenserklärung durch Anfechtung rückgängig gemacht werden kann, s.o. Daher muss die Anfechtung hier auch geprüft werden. Zu beachten ist aber, dass K ein Wahlrecht hat. Er kann nach 119 I Fall 2 analog anfechten, muss dies aber nicht (dann gilt der Kaufvertrag). 5

Daher ist zuerst zu fragen, ob überhaupt eine Anfechtungserklärung vorliegt, bevor auf den Anfechtungsgrund eingegangen wird. 1. Anfechtungserklärung gegenüber Anfechtungsgegner Zunächst müsste K gem. 143 I die Anfechtung erklärt haben. Eine Anfechtungserklärung liegt vor, wenn K zum Ausdruck gebracht hat, dass er seine Willenserklärung wegen eines Willensmangels nicht gelten lassen will. Das Wort der Anfechtung muss dabei nicht gebraucht werden. K hat die Zahlung und Abnahme mit der Begründung abgelehnt, er habe das Weinfass doch gar nicht ersteigern wollen. Diese Erklärung ist nach verobjektiviertem Empfängerhorizont ( 133, 157) als Anfechtungserklärung auszulegen. Somit hat K die Anfechtung gegenüber V, der sein Vertragspartner ist, als richtigem Anfechtungsgegner gem. 143 die Anfechtung erklärt. 2. Anfechtungsgrund 119 I Fall 2 analog Des Weiteren müsste K einen Grund zur Anfechtung haben. In Betracht kommt hier die analoge Anwendung des 119 I Fall 2. Dann müsste K bei der Abgabe einem Erklärungsirrtum unterlegen haben. Dies ist zwar nicht der Fall, da es sich nicht um einen Irrtum bei der Willensäußerung des K handelt, jedoch fehlte dem K das Erklärungsbewusstsein. Er hatte also noch nicht einmal den Willen, überhaupt eine rechtliche Erklärung abzugeben. Bei einem solchen Irrtum über die Bedeutung seines Verhaltens, welches entgegen seinem Willen als Willenserklärung zu werten ist, ist ihm ein Anfechtungsrecht nach 119 I Fall 2 analog zuzubilligen. Ein Anfechtungsgrund ist somit gegeben. 3. Anfechtungsfrist K müsste die Anfechtung auch fristgerecht erklärt haben. Gemäß 121 I 1 muss die Anfechtung unverzüglich - laut Legaldefinition ohne schuldhaftes Zögern - ab Kenntnis des Anfechtungsgrundes erklärt werden. K hat sofort nach der Zuschlagserteilung und somit unverzüglich die Anfechtung erklärt und damit fristgerecht gehandelt. 6

4. Zwischenergebnis Somit hat K sein Angebot und damit den Kaufvertrag angefochten. Dieser ist von Anfang an (= ex tunc) nichtig gemäß 142 I. III. Ergebnis V hat keinen Anspruch gegen K auf Zahlung des Kaufpreises und Abnahme des Weinfasses aus Kaufvertrag gemäß 433 II. B. Anspruch des V gegen K auf Schadensersatz aus 122 Hinweis: Dem Sachverhalt ist nicht zu entnehmen, dass V durch die Anfechtung gegenüber K einen Schaden erlitten hat. Daher müsste im vorliegenden Fall nicht auf 122 eingegangen werden. Die hier angegebenen Hinweise sind daher kurz gehalten und sollen nur der Vollständigkeit und insbesondere dem Verständnis dienen. In einer Klausur muss 122 nicht angesprochen werden. I. Nichtigkeit gem. 119 I Fall 2 analog (+) II. Kein Ausschluss wegen Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis des V von der Nichtigkeit bzw. Anfechtbarkeit (hier): wohl (-) III. Rechtsfolge: Schadensersatz in Höhe des Vertrauensschadens (= sog. negative Interesse), begrenzt auf das Erfüllungsinteresse (Interesse an Vertragserfüllung, positives Interesse) Der V ist so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er sich nicht auf das Zustandekommen des Vertrags verlassen hätte, d.h. so, als hätte V von dem Gebot des K nichts gewusst und sich nicht auf dessen Gültigkeit verlassen (z.b. Vertragsabschlusskosten, Portokosten etc). V kann nicht so gestellt werden, wie er bei Gültigkeit der Willenserklärung stehen würde (= positives Interesse) Hier bedeutet dies: hätte K den Arm nicht gehoben, so hätte V den Zuschlag an den zuvor Meistbietenden erteilt; z.b.: K hat für 50 Euro ersteigert und wegen fehlendem Erklärungsbewusstsein angefochten, das letzte Angebot vor ihm belief sich auf 45 Euro: dann hätte V also für 45 Euro verkauft, wenn K nicht den Arm gehoben hätte; 7

V kann aber nicht die vollen 45 Euro von K ersetzt verlangen, sondern muss sich den objektiven Marktwert der Flasche anrechnen lassen, da diese noch in seinem Eigentum steht und er diese an einen Dritten verkaufen kann. Letzter Hinweis: Darüber hinaus kann auch ein Anspruch aus 280 I, 241 II, 311 II BGB in Betracht kommen. Nach h. M. ist dieser neben 122 BGB auch anwendbar. Er ist auf das positive Interesse gerichtet. Danach wird der V so gestellt, wie er bei Gültigkeit der Willenserklärung des K stünde. Wäre die Willenserklärung des K gültig, hätte V nach dem obigen Beispiel 50 Euro (minus objektiven Marktwert) erhalten. Nun könnte man sich fragen, warum dann über 122 BGB überhaupt gehen, wenn V dann weniger erhält als über 280 I, 241 II, 311 II BGB. Zum einen hängt dies vom Sachverhalt ab. Außerdem ist 122 BGB anders als 280 I, 241 II, 311 II BGB ein verschuldensunabhängiger Schadenersatzanspruch. Er hat damit geringere Voraussetzungen, ist daher einfacher (vor Gericht) zu beweisen und kann daher in bestimmten Fällen sinnvoller sein. (Alternativ): V kann das Weinfass an K mangels wirksamen Kaufvertrags (wegen Anfechtung) nicht im Rahmen der Versteigerung verkaufen, da kein anderes Gebot existiert. Er verkauft es aber später an einen Dritten (D) für 45 Euro. V kann von K nun 15 Euro Schadenersatz über 280 I, 241 II, 311 II BGB verlangen (NICHT über 122 BGB). 8