4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM

Ähnliche Dokumente
4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM

Merkblatt zur Funktionalanalysis

Finite Elemente Methode für elliptische Differentialgleichungen

Optimale Steuerung, Prof.Dr. L. Blank 1. II Linear-quadratische elliptische Steuerungsprobleme

8 1. GEOMETRIE DIFFERENZIERBARER MANNIGFALTIGKEITEN

Zusammenfassung Analysis 2

Zusammenfassung der Lebesgue-Integrationstheorie

Finite Elemente I 2. 1 Variationstheorie

30 Metriken und Normen

Einführung in die Mehrdimensionale Variationsrechnung (Vorlesungsskript)

6 Fourierreihen und die Fouriertransformation

Lebesgue-Integral und L p -Räume

Der n-dimensionale Raum

ist reelles lineares Funktional. x(t) ϕ(t) dt ist reelles lineares Funktional für alle ϕ L 2 (0, 1).

Schwache Lösungstheorie

9 Metrische und normierte Räume

ist ein n-dimensionaler, reeller Vektorraum (vgl. Lineare Algebra). Wir definieren auf diesem VR ein Skalarprodukt durch i y i i=1

Konvergenz im quadratischen Mittel - Hilberträume

9. Übung zur Maß- und Integrationstheorie, Lösungsskizze Aufgaben

Lösung zu den Übungsaufgaben zur Lebesgueschen Integrationstheorie. Tobias Ried

ÜBUNGSBLATT 11 LÖSUNGEN MAT121/MAT131 ANALYSIS II FRÜHJAHRSSEMESTER 2011 PROF. DR. CAMILLO DE LELLIS

2.6 Der Satz von Fubini

Musterlösung. Aufgabe 1 a) Die Aussage ist falsch. Ein Gegenbeispiel ist die Funktion f : [0, 1] R, die folgendermaßen definiert ist:

2. Dezember Lineare Algebra II. Christian Ebert & Fritz Hamm. Skalarprodukt, Norm, Metrik. Matrizen. Lineare Abbildungen

Mathematik für Anwender II

(c) (a) X ist abgeschlossen. X = A,wobeiderDurchschnittüberalleabgeschlossenenMengengebildet wird, die X enthalten. (d) (e)

72 Orthonormalbasen und Konvergenz im quadratischen Mittel

3 Vektorräume abstrakt

Übungen zu Einführung in die Numerische Mathematik (V2E2) Sommersemester 2016

x, y 2 f(x)g(x) dµ(x). Es ist leicht nachzuprüfen, dass die x 2 setzen. Dann liefert (5.1) n=1 x ny n bzw. f, g = Ω

Lösungen zu Übungsblatt 9

Konvergenz im quadratischen Mittel und die Parsevelsche Gleichung

Schwartz-Raum (Teil 1)

6 Räume integrierbarer Funktionen

2. Integration. {x : f(x) <a+ 1 n }

12 Der Gaußsche Integralsatz

Implizite Funktionen, der Umkehrsatz und Extrema unter Nebenbedingungen

43 Unitäre Vektorräume

4 Messbare Funktionen

FUNKTIONALANALYSIS. Carsten Schütt WS 2006/7

Übungen zur Funktionalanalysis Lösungshinweise Blatt 4

Ritz-Galerkin-Verfahren Courant Element

Kapitel 3. Konvergenz von Folgen und Reihen

Klausur zur Höheren Mathematik IV

Rechenoperationen mit Folgen. Rekursion und Iteration.

Analysis II. Vorlesung 47

Das heißt, Γ ist der Graph einer Funktion von d 1 Veränderlichen.

Übungsaufgaben zu Partielle Differentialgleichungen Blatt III vom

Kapitel 5. Vektorräume mit Skalarprodukt

12 Biholomorphe Abbildungen

Wiederholung von Linearer Algebra und Differentialrechnung im R n

$Id: hilbert.tex,v /06/21 13:11:01 hk Exp hk $

Meßbare Funktionen. bilden die Grundlage der Integrationstheorie. Definition 24.1 :

Ferienkurs Analysis 3. Ari Wugalter März 2011

Mathematik III. Vorlesung 74. Folgerungen aus dem Satz von Fubini. (( 1 3 x3 1 2 x2 y +2y 3 x) 1 2)dy. ( y +2y y +4y3 )dy

10 Hilberträume. (b) λx,y = λ x,y für x,y X, λ K. (c) x, y = y, x für x, y X (Komplexe Konjugation nur im Falle K = C)

2 Allgemeine Integrationstheorie

= ( n x j x j ) 1 / 2

22 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN. Um zu zeigen, dass diese Folge nicht konvergent ist, betrachten wir den punktweisen Limes und erhalten die Funktion

Differentialgleichungen und Hilberträume Sommersemester 2014 Übungsblatt 11

Fachbereich Mathematik/Informatik 16. Juni 2012 Prof. Dr. H. Brenner. Mathematik für Anwender II. Testklausur mit Lösungen

Lösungsvorschlag zur Übungsklausur zur Analysis I

3 Das n-dimensionale Integral

Orthogonalreihendarstellung eines zentrierten Gauß-Prozesses

Ferienkurs in Maß- und Integrationstheorie

Mathematische Grundlagen für die Vorlesung. Differentialgeometrie

Vektorräume und lineare Abbildungen

5 Die Picardschen Sätze

Definition Eine Metrik d auf der Menge X ist eine Abbildung d : X X IR

Eigenschaften kompakter Operatoren

Skript Einführung in Sobolevräume. Roland Griesse. TU Chemnitz

1.3 Differenzierbarkeit

2. Stetige lineare Funktionale

9 Vektorräume mit Skalarprodukt

Unter einem reellen inneren Produktraum verstehen wir einen Vektorraum V über

Partielle Differentialgleichungen Kapitel 11

Stetige Funktionen. Definition. Seien (X, d) und (Y, D) metrische Räume und f : X Y eine Abbildung. i) f heißt stetig in x 0 (x 0 D(f)), wenn

Von Skalarprodukten induzierte Normen

Funktionsgrenzwerte, Stetigkeit

12 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Aktuelle Themen aus der Stochastik Wintersemester 2017/2018 Abschnitt 3: Metrische und polnische Räume

1 Konvergenz im p ten Mittel

Kapitel II Konforme Finite Elemente

Inverse Fourier Transformation

Analysis I - Stetige Funktionen

Analysis 2. Contents. Torsten Wedhorn. June 12, Notation. Es bezeichne K immer den Körper R der reellen Zahlen oder den Körper C der komplexen

Analysis I. Guofang Wang Universität Freiburg

Optimale Steuerung partieller Differentialgleichungen Optimal Control of Partial Differential Equations

Analysis 2. Vorlesungsausarbeitung zum SS von Prof. Dr. Klaus Fritzsche. Inhaltsverzeichnis

Finite Elemente am Beispiel der Poissongleichung

42 Orthogonalität Motivation Definition: Orthogonalität Beispiel

Das Lebesgue-Maß im R p

10 Aus der Analysis. Themen: Konvergenz von Zahlenfolgen Unendliche Reihen Stetigkeit Differenzierbarkeit

Mathematik II. Vorlesung 46. Der Gradient

4.1 Motivation von Variationsmethoden Variationsmethoden im Sobolevraum Motivation von Variationsmethoden

D-MATH Funktionalanalysis II FS 2014 Prof. M. Struwe. Lösung 2

Ultrametrik. Christian Semrau Metrische Räume

Übungen zu Grundlagen der Mathematik 2 Lösungen Blatt 12 SS 14. Aufgabe 44. Bestimmen Sie die Taylor-Polynome der Funktion.

Konvergenz im quadratischen Mittel und Parsevalsche Gleichung

Das mehrdimensionale Riemann-Integral. 1. Volumenintegrale

Transkript:

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 153 Es sei V der Lösungsraum und V N V ein endlich dimensionaler Unterraum. Weiters sei u V die exakte Lösung und u N V N eine Näherungslösung berechnet mit der Methode der finiten Elemente. Fragen: Gilt u N u für N? u u N =? Dazu müssen wir wissen was V wirklich ist, ob darauf Folgen von u N konvergieren und was für eine Norm auf V definiert ist.

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 154 4.1 Skalarprodukt und Norm Skalarprodukt: Def: Es V ein Vektorraum. Eine Abbildung, : V V R : (u, v) u, v heißt Skalarprodukt, wenn für alle λ R, u, v, w V gilt 1. u, v = v, u 2. λu, v = λ u, v 3. u + w, v = u, v + w, v 4. u, u 0 und u 0 = u, u > 0 bzw. u, u = 0 = u = 0

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 155 Die Abbildung, ist eine positiv definite, symmetrische Bilinearform. Auch a(u, v) besitzt die obigen Eigenschaften und ist daher ein Skalarprodukt. Norm: Def: Es sei V ein Vektorraum. Eine Abbildung : V R : u u heißt Norm, wenn für alle λ R, u, v V gilt: 1. u 0, u = 0 = u = 0 2. λu = λ u 3. u + v u + v (Dreiecksungleichung)

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 156 Durch ein Skalarprodukt auf V V ist immer auch eine Norm auf V definiert: u 2 = u, u. Es gibt aber auch Normen, die nicht von einem Skalarprodukt stammen: u = max i=1,...,n u i, u R n. Mit Hilfe der Norm kann die Distanz zwischen zwei Elementen aus V angegeben werden: Bespiele: dist (u, v) = u v. 1. U = R N mit ξ, η = N i=1 ξ iη i = ξ T η.

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 157 2. W = Menge aller stetigen Funktionen auf dem Intervall [0, 1] mit innerem Produkt u, v = 1 0 u(x)v(x) dx. 3. V = Menge aller stetig differenzierbaren Funktionen auf einem beschränkten Bereich R 2 mit u, v = (u x v x + u y v y )dxdy + uv dx dy.

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 158 4. Die Bilinearform a(u, v) auf V 0 = {v V : v = 0 auf Γ u } mit V wie oben und Γ u : a(u, v) = µ (u x v x + u y v y )dxdy. (a(u, v) für Membran) Wir schreiben die zu a gehörige Norm (Energienorm) als u a = a(u, u).

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 159 Innenproduktraum, Hilbertraum Def: Ein Vektorraum V ausgestattet mit einem Skalarprodukt heißt Innenproduktraum. Ein Innenproduktraum heißt vollständig oder Hilbertraum, falls jede Cauchyfolge konvergiert. Eine Folge (u N ) N=1 von Elementen in V heißt Cauchyfolge, wenn es zu jedem ε > 0 einen Index N 0 = N 0 (ε) gibt, sodass für alle M, N > N 0 stets u M u N < ε gilt. Gilt für die Folge (u N ) N=1, dass lim u N u M = 0 M,N ist, so existiert ein u V (vollständig), sodass gilt: lim u u N = 0. N

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 160 Bemerkung: Mit Ausnahme des endlichdimensionalen Raumes U sind im Beispiel oben keine der Räume vollständig. Beispielsweise der Raum W der stetigen Funktionen auf dem Intervall [0, 1] mit dem angegebenen inneren Produkt. Sei 1 1 3, x 1 x N u N (x) = N 4/3 x, 0 x 1. N

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 161 2 u N (x) 1 0 1/4 1/2 3/4 1 x

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 162 2 u M (x) und u N (x) 1 0 1/4 1/2 3/4 1 x

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 163 Wir zeigen, dass (u N ) N=1 eine Cauchyfolge bildet. Für M > N ist u M u N 2 = = 1/M 0 1/M 0 = M für M, N. 1 0 u M (x) u N (x) 2 dx ( M 4/3 N 4/3) 2 x 2 dx + ( M 4/3 ) 2 x 2 dx + 8/3 x3 3 1/M 0 1/N 1/M + 3 x 1/3 1/M 1/N 1/N 1/M ( 1 3 x ) 2dx = 1 3 M 8/3 M 3 + 3 ( M 1/3 N 1/3) 0 ( 1 3 x N 4/3 x ) 2 dx

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 164 Die für x > 0 punktweise definierte Grenzfunktion u(x) = 1/ 3 x ist aber nicht stetig ergänzbar auf [0, 1], ergibt also kein Element aus W. Cauchy-Schwarz sche Ungleichung Satz: Es V ein Innenproduktraum. Dann gilt für die zugehörige Norm u 2 = u, u für alle u, v V: u, v u v. Insbesondere gilt dann auch für alle u, v V a(u, v) u a v a.

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 165 4.2 Der Raum der quadrat-integrierbaren Funktionen: Es sei R n offen. Der Raum der quadrat-integrierbaren Funktionen auf definiert als L 2 () = v : R, v(x) 2 dx <. Wir hätten gerne, dass L 2 () mit dem inneren Produkt u, v = u(x)v(x) dx (1) ein Hilbertraum ist.

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 166 Fragen: Welcher Integralbegriff ist gemeint? Was machen wir mit Funktionen, deren Quadratintegral v(x) 2 dx = 0 ist, die aber nicht identisch 0 sind? Def: Eine Teilmenge A heißt Nullmenge, wenn es abzählbare Überdeckungen von A beliebig kleinen Gesamtinhaltes gibt: Für alle ε > 0 existieren n-dimensionale Kugeln K j mit Vol(K j ) < ε und A K j. j=1 j=1

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 167 Hier wird der Lebesguesche Integralbegriff verwendet. Diese Integrationstheorie baut auf messbaren Funktionen auf. Eine messbare Funktion v : R heißt quadrat-integrierbar, wenn ihr Quadrat Lebesgue-integrierbar ist, also v(x) 2 dx als Lebesgue-Integral existiert. Es gilt nun v(x) 2 dx = 0 {x : v(x) 0} ist Nullmenge. Zwei messbare Funktionen sind äquivalent, wenn sie fast überall (f.ü.) übereinstimmen, das heißt überall, außer auf einer Nullmenge. Für fast überall gleiche Funktionen stimmen die Integrale überein.

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 168 Exakte Definition von L 2 (): L 2 () = { Äquivalenzklassen fast überall gleicher Funktionen, die messbar und Lebesgue-quadrat-integrierbar sind.} L 2 () ist ein Hilbertraum. Es gilt auch: L 2 () ist die Vervollständigung des Raumes C c () bzw. der kleinste Hilbertraum, der C c () enthält. Cc () ist die Menge aller beliebig oft differenzierbaren Funktionen auf mit kompaktem Träger, versehen mit dem inneren Produkt u, v = uv dx. Träger: supp(f) = Abschluss von {x : f(x) 0}.

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 169 Beispiele auf = ( 1, 1) (offen!): v(x) = 1 3 x L 2 ( 1, 1) ; v(x) = ln x L 2 ( 1, 1) ; v(x) = θ(x) L 2 ( 1, 1) ; v(x) = 1 x L 2 ( 1, 1). Dabei bezeichnet θ(x) die Heavisidefunktion { 1, x > 0, θ(x) = 0, x < 0.

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 170 4.3 Schwache Ableitungen von Funktionen und Funktionalen Beispiele für lineare Funktionale: 1. Jede stetige Funktion f : R definiert ein Funktional T f : ϕ f(x)ϕ(x) dx. (2) Falls T f (ϕ) = 0 ist für alle ϕ C c (), so ist nach dem Fundamentallemma der Variationsrechnung f 0. Die Zuordnung f T f ist injektiv; wir können daher f mit T f identifizieren.

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 171 2. Die Diracsche Deltafunktion im Punkte p ist das Funktional, das jedem ϕ C c () den Funktionswert an der Stelle p zuordnet: δ p : ϕ ϕ(p). Die Diracsche Deltafunktion ist keine Funktion, also nicht von der Form T f für eine integrierbare Funktion f. Wäre dem nämlich so, so könnten wir ϕ j Cc () nehmen mit ϕ j (p) = 1, 0 ϕ j (x) 1, aber Träger in immer kleiner werdenden Kugeln K j um p. Dann hätte man den Widerspruch 1 = δ p (ϕ j ) = f(x)ϕ j (x) dx f(x) dx 0 für j. K j

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 172 Die schwache Ableitung: Def: Die Ableitung eines Funktionals T nach x k ist definiert als das Funktional ( ) ( ) T (ϕ) = T ϕ, ϕ Cc (). x k x k Def: Eine auf integrierbare Funktion f hat eine schwache Ableitung g nach x k, falls g auf integrierbar ist und für alle ϕ Cc () f ϕ dx = gϕ dx x k gilt.

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 173 Beispiele: 1. Ableitung einer differenzierbaren Funktion f: Sei f eine differenzierbare Funktion auf = R. Dann ist die Ableitung als Funktional T f (ϕ) = T f (ϕ ) = f(x)ϕ (x) dx = f (x)ϕ(x) dx = T f (ϕ). Wir identifizieren wiederum f mit T f. Daher stimmt die schwache Ableitung mit der Ableitung als Funktion überein.

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 174 2. Die Ableitung der Heavisidefunktion θ: T θ(ϕ) = T θ (ϕ ) = θ(x)ϕ (x) dx = ϕ (x) dx = ϕ(x) 0 = ϕ(0) = δ 0 (ϕ). 0 Dies ist die Diracsche Deltafunktion im Ursprung.

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 175 Die Ableitung der Hutfunktion: Die Hutfunktion ist im klassischen Sinne nicht differenzierbar, d.h. in den drei Knicken ist sie nicht differenzierbar. Beispiel für eine Hutfunktion auf [0, 1]: Es sei 0 a < c < b 1 und 0 x [0, a], x a x [a, c], c a H(x) = b x x [c, b], b c 0 x [b, 1].

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 176 1 c b T H(ϕ) = T H (ϕ ) = Hϕ dx = Hϕ dx + Hϕ dx = 0 a c c b = Hϕ c a H ϕ dx + Hϕ b c H ϕ dx = a c c b = H ϕ dx H ϕ dx + H(c)ϕ(c) H(c)ϕ(c) = a c 1 = H ϕ dx = T H (ϕ). 0

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 177 Die schwache Ableitung H hat die (nicht eindeutige) Darstellung 0 x [0, a), 0 x [0, a], H 1/(c a) x [a, c), 1/(c a) x (a, c), (x) = = = 1/(b c) x [c, b), 1/(b c) x [c, b], 0 x [b, 1] 0 x (b, 1],

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 178 Sie ist in a, b und c nicht eindeutig bestimmt. Diese drei Punkte sind aber eine Nullmenge in [0, 1]. Das heißt die schwache Ableitung ist eindeutig f.ü. Alle Darstellungen erfüllen aber 1 1 Hϕ dx = H ϕ dx, 0 da die Ungenauigkeiten in a, b und c beim Integrieren geschluckt werden. 0

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 179 Ableitung einer stückweise stetig differenzierbaren Funktion: Eine Funktion f : R R heißt stückweise stetig, wenn es Punkte p 1,..., p s gibt, sodass f (,p1 ), f (p1,p 2 ),..., f (ps, ) stetig ist; f hat also möglicherweise bei den Punkten p 1,..., p s Sprungstellen. Ist f in den obigen Bereichen stetig differenzierbar, so spricht man von einer stückweise stetig differenzierbaren Funktion.

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 180 Die Ableitung einer stückweise stetig differenzierbaren Funktion f als Funktional ist T f (ϕ) = T f (ϕ ) = = p 1 p 1... f (x)ϕ(x) dx + +... + f(x)ϕ (x) dx p s p s 1 p 2 p 1 p s p 2 p 1 f(x)ϕ (x) dx f (x)ϕ(x) dx f (x)ϕ(x) dx f(x)ϕ (x) dx p s f(x)ϕ (x) dx f (x)ϕ(x) dx p s 1 p s

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 181 = f(x)ϕ(x) p 1 f(x)ϕ(x) p 2... f(x)ϕ(x) p 1 f (x)ϕ(x) dx + ( f(p 1 +) f(p 1 ) ) ϕ(p 1 ) +... + ( f(p s +) f(p s ) ) ϕ(p s ) = T f (ϕ) + [ f ] p 1 δ p1 (ϕ) +... + [ f ] p s δ ps (ϕ), wobei [ ] den Sprung der Funktion im jeweiligen Punkt bedeutet. Die Ableitung einer Funktion als Funktional wird also ermittelt, indem man die Funktion mittels Formel für partielle Integration auf die Ableitung einer Testfunktion anwendet; man spricht daher von der schwachen Ableitung. p s

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 182 4.4 Sobolevräume Def: Sobolevräume sind definiert als Räume quadrat-integrierbarer Funktionen, deren schwache Ableitungen wieder quadrat-integrierbar sind. Ist zum Beispiel u L 2 (), so können wir u mit dem Funktional T u identifizieren. Dass ist, heißt ausführlich: x 1 T u L 2 ()

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 183 Es existiert ein u 1 L 2 (), sodass x 1 T u = T u1 ist, oder: Es existiert ein u 1 L 2 (), sodass u(x) ϕ(x) dx = x 1 u 1 (x)ϕ(x) dx ist, für alle ϕ C c (). In diesem Fall schreiben wir x 1 u zu L 2 () gehört. x 1 T u = x 1 u und sagen, dass

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 184 Mit diesen Konventionen können wir nun die Sobolevräume definieren: H 1 () = { v L 2 () : Allgemeiner ist für k = 1, 2, 3,... v,..., v L 2 () }. x 1 x n H k () = {v L 2 () : alle Ableitungen bis zur Ordnung k sind in L 2 ()}. Beispiele: 1. Die Heavisidefunktion θ ist in L 2 ( 1, 1), aber nicht in H 1 ( 1, 1), da θ/ x = δ 0 nicht in L 2 ( 1, 1) liegt. 2. Die Hutfunktionen liegen in H 1 ().

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 185 Es gilt: L 2 () = H 0 () H 1 () H 2 () H 3 () 4.5 Normen auf den Sobolevräumen H k Def: Es sei V ein Vektorraum. Eine Abbildung : V R : u u heißt Seminorm, wenn für alle λ R, u, v V gilt: 1. λu = λ u 2. u + v u + v (Dreiecksungleichung) 3. aber im Gegensatz zur Norm: u u = 0.

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 186 Ableitungen: Es sei α = (α 1,..., α d ) mit α i {0, 1, 2,... }. Weiters sei α := d i=1 α i. Dann definieren wir eine α -te (schwache) Ableitung: α v α v := x α 1 1 x α 2 2 x α. d Beispiel: v : R 2 R, für α = (1, 2) ist dann d α v = 3 v. x 1 x 2 2

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 187 Normen und Skalarprodukte auf H k : Als Beispiele geben wir die Normen und Skalarprodukte für R 2 an. H 0 -Norm bzw. L 2 -Norm: u, v 0 := u, v = uv dx dy. v 2 := v 2 0 := v 2 L 2 () := v 2 dx dy.

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 188 H 1 -Seminorm: v 2 1 := α v 2 0. α =1 v 2 1 = (vx 2 + vy) 2 dx dy. H 1 -Norm: v 2 1 := α v 2 0 = v 2 0 + v 2 1. u, v 1 = α 1 uv dx dy + (u x v x + u y v y ) dx dy. v 2 1 = v 2 dx dy + (vx 2 + vy) 2 dx dy.

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 189 H 2 -Seminorm: H 2 -Norm: v 2 2 := v 2 2 := α v 2. α =2 v 2 2 = (vxx 2 + 2vxy 2 + vyy) 2 dx dy. α v 2 = v 2 1 + v 2 2 = v 2 0 + v 2 1 + v 2 2. α 2 u, v 2 = uv dx dy + (u x v x + u y v y ) dx dy + (u xx v xx + 2u xy v xy + u yy v yy ) dx dy v 2 2 = v 2 dx dy + (vx 2 + vy) 2 dx dy + (v 2 xx + 2v 2 xy + v 2 yy) dx dy.

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 190 H k -Seminorm: v 2 k := α v 2. α =k H k -Norm: v 2 k : = α v 2 = v 2 k 1 + v 2 k α k = v 2 0 + v 2 1 + + v 2 k. Daraus folgt eine neue Definition von H k : H k () = {v : v k < }

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 191 4.6 Äquivalenz von Normen Wir betrachten wieder als Beispiel das Membranproblem. Gegeben sei ein zweidimensionales Gebiet offen mit Rand Γ = Γ u Γ t. Γ u soll ein Maß (Länge) größer Null haben. Der Vektorraum V hat nun folgende Gestalt: V = {v H 1 () : v = 0 auf Γ u }.

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 192 Variationsproblem (V): Suche u V, sodass für alle v V a(u, v) F (v) = 0 (V) gilt mit symmetrischer, positiv definiter Bilinearform a und Linearform F a(u, v) = µ (u x v x + u y v y ) dx dy F (v) = fv dx dy + t (n) v ds. Γ t

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 193 Randwertproblem (D): µ u + f = 0 u = 0 auf auf Γ u µ u n = t(n) auf Γ t. Im folgenden sind zusätzliche Eigenschaften für (allgemeine) a und F erforderlich. a heißt V-elliptisch, falls gilt: Es gibt C L > 0 a(v, v) C L v 2 1 für alle v V. F heißt beschränkt, falls gilt: Es gibt C F > 0 F (v) C F v a für allev V.

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 194 Satz: (Ungleichung von Poincaré) Es gibt ein c > 0, sodass gilt: v 0 c v 1 für alle v H 1 0() := {v H 1 () : v = 0 auf Γ}. Dies gilt auch für alle v im oben definierten V. Beweis: Der allgemeine Beweis ist ziemlich anspruchsvoll (Duvaut-Lions, Theorem III.3.3 oder Raviart-Thomas, Theorem 2.3-1). Wir geben ihn nur für den Fall = 0 (a, b), Γ u = 0 {a}, also eines Rechtecks, dessen unterer Rand Γ u ist. Dann gilt:

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 195 (v(x, y)) 2 = v 2 0 = b a y a 1 v y (x, t) dt y v(x, y) = 0 + 2 0 (v(x, y)) 2 dx dy a y (y a) b a v y (x, t) dt, a 0 (y a) (b a) 2 0 ( vy (x, t) ) 2 dt, (C.S.) b a y a ( vy (x, t) ) 2 dt dx dy ( vy (x, t) ) 2 dt dx c 2 (vx 2 + vy) 2 dt dx = c 2 v 2 1.

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 196 Eine Norm ist zu einer Norm äquivalent, falls es Konstanten C L, C R > 0 gibt, sodass für alle v V gilt. C L v 2 v 2 C R v 2 Wir zeigen nun, dass die Energienorm a äquivalent zur H 1 -Norm 1 ist, also für alle v V gilt. C L v 2 1 v 2 a C R v 2 1 Achtung dies gilt nur für ein a das aus ersten Ableitungen besteht. Andere a sind gegebenfalls zu anderen H k -Normen äquivalent.

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 197 Beweis: In unserem Fall gilt v 2 a = µ v 2 1 µ ( v 2 1 + v 2 0) = µ v 2 1 für die rechte Ungleichung und somit C R = µ. Linke Ungleichung: v 2 1 = v 2 0 + v 2 1 (c 2 + 1) v 2 1 = c2 + 1 µ v 2 a. Daraus folgt C L = µ c 2 +1. Somit können wir auch schreiben: H 1 () = {v : a(v, v) < }. H 1 () ist versehen mit der Energienorm ein Hilbertraum.

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 198 4.7 Existenz und Eindeutigkeit der Lösung Wir betrachten nun obigen Hilbertraum V versehen mit a(u, v) als Skalarprodukt und Norm a. Eine Eigenschaft des Hilbertraums V ist, dass es orthnormale Elemente {ψ i } i=1 ( ψ i a = 1, a(ψ i, ψ j ) = δ ij ) gibt für die gilt: 1. Jedes v V lässt sich als in der Norm a konvergente Summe v = j=1 η jψ j schreiben. 2. Ist (η j ) j=1 eine Folge reeller Zahlen mit j=1 η j 2 <, so konvergiert die Reihe j=1 η jψ j in V und definiert ein w V. Ein endlichdimensionaler Unterraum V N soll nun durch die Orthonormalbasis {ψ 1, ψ 2,..., ψ N } aufgespannt werden.

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 199 Damit läßt sich leicht eine Näherungslösung u N durch Lösen von (V N ) a(u N, v) = F (v) berechnen: Es sei u N = N j=1 η jψ j die Lösung von (V N ). Die Koeffizienten η i erhalten wir durch setzen von v = ψ i. ( N ) a(u N, ψ i ) = a η j ψ j, ψ i = η i = F (ψ i ). j=1 a(u N, v) konvergiert gegen a(u, v), falls u N in der a gegen u konvergiert: a(u, v) a(u N, v) = a(u u N, v) u u N a v a 0. Wegen der Beschränktheit von F konvergiert F (v N ) gegen

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 200 F (v) für v N v V. F (v N ) F (v) = F (v N v) C F v N v a 0. Weiters ist (F (ψ i )) i=1 quadratsummierbar. Daher können wir den Grenzübergang aus dem endlichdimensionalen Fall machen und somit ist u = F (ψ i )ψ i i=1 Lösung von (V). Es existiert also eine Lösung von (V). Diese ist auch eindeutig. Wir nehmen an, dass es zwei verschiedene Lösungen u 1 und u 2 gibt:

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 201 Wir subtrahieren a(u 1, v) = F (v) und a(u 2, v) = F (v) und erhalten a(u 1 u 2, v) = 0 für alle v V. Speziell für v = u 1 u 2 folgt dann a(u 1 u 2, u 1 u 2 ) = 0 = u 1 = u 2 f.ü., da a positiv definit ist.

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 202 4.8 Das Lemma von Céa Satz: (Galerkin-Orthogonalität) Gegeben seien V, V N, Bilinearform a und Linearform F. Weiters sei u Lösung von (V) und u N Lösung von (V N ). Dann gilt: Beweis: a(u u N, v) = 0 für alle v V N. a(u, v) = F (v) v V (also auch v V N ) (V) a(u N, v) = F (v) v V N (V N ) Subtraktion: a(u, v) a(u N, v) = 0 v V N = a(u u N, v) = 0 v V N.

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 203 Lemma von Céa: Mit C > 0 gilt für beliebige endlichdimensionale Teilräume V N V: u u N a inf{ u w a : w V N }. u u N 1 C inf{ u w 1 : w V N }. Beweis: Es gilt nach obigem Satz a(u u N, u N ) = 0 und a(u u N, v) = 0 für v V N. u u N 2 a = a(u u N, u u N ) = a(u u N, u) a(u u N, u N ) = a(u u N, u) a(u u N, v) = a(u u N, u v) u u N a u v a.

4 Fehlerabschätzungen und Konvergenz der FEM 204 Division durch u u N a liefert den ersten Teil des Lemmas. Für 1 gilt dann: C L u u N 2 1 u u N 2 a u u N a u v a C R u u N 1 C R u v 1. Nun dividieren wir durch C L u u N 1 und erhalten den zweiten Teil mit C = C R C L. Satz: Es gilt u N a u a. Beweis: Dies folgt aus u N 2 a + u u N 2 a = u 2 a.