Zehn Thesen zu den Auswirkungen der Euro-Krise Presseseminar Lauf, 05.09.2012 Joachim Möller
Diagnose 2
Reallohnentwicklung nach Qualifikation (40-Jährige Vollzeitbeschäftigte in Westdeutschland) 3
Wettbewerbsfähigkeit Deutschland vs. Euro-Zone (Inverse effektive reale Wechselkurse auf der Basis von Lohnstückkosten) 4
Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss (rot) korreliert hoch mit der relativen Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der Euro-Zone (blau) 5
1. Die deutsche Wirtschaft ist im Kern gesund. Davon profitiert der Arbeitsmarkt. Hohe Konkurrenzfähigkeit, nicht zuletzt aufgrund von 15 Jahren Lohnmoderation. Traditionelle Stärke im exportorientierten verarbeitenden Gewerbe erweist sich als vorteilhaft. Spezialisierungsmuster/Angebotsprofil der deutschen Wirtschaft entspricht zurzeit passgenau den Schwerpunkten der Weltnachfrage ( Hunger nach Kapitalgütern, Ausrüstungen, Maschinen, Infrastruktur wie Energietechnik sowie hochwertige Konsumgüter wie Automobile). Kostensituation für die meisten Unternehmen günstig (hohe Rentabilität). Keine fundamentalen Strukturprobleme (wie etwa in Spanien der Bausektor oder in Irland die Banken). 6
2. Kurzfristig gewinnt Deutschland sogar in mancher Hinsicht durch die Krise. Die europäische Schuldenkrise schwächt den Euro zusätzliche Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft außerhalb der Euro-Zone. Deutschland ist Ziel von Fluchtkapital aus Krisenländern historisch niedriges Zinsniveau. Flucht in die Sachwerte, da mittelfristig ein Anstieg der Inflationsrate befürchtet wird Stärkung der Binnenkonjunktur. 7
3. Die fundamental gute Verfassung des Arbeitsmarktes erklärt sich aus dem Zusammenspiel von Arbeitsmarktreformen und hoher Wettbewerbsfähigkeit. Außerordentliche Robustheit des Arbeitsmarktes in der schweren Weltrezession 2008/09 (Halten der Arbeitskräfte). Massiver Rückgang der Arbeitslosigkeit und der Unterbeschäftigung seit 2005. Spürbarer Abbau der Sockel- und Langzeitarbeitslosigkeit auch aufgrund einer verbesserten Funktionsweise des Arbeitsmarktes nach den Reformen. 8
Ausblick 9
4. Mit etwas Zeitverzögerung wird die Krise der Partnerländer auch auf dem deutschen Arbeitsmarkt spürbar. Die europaweite Verunsicherung von Investoren und Konsumenten führt zu geringeren ökonomischen Aktivitäten. Zudem hat die Austeritätspolitik der Krisenländer kurz- und mittelfristig kontraktive Wirkungen. negative Wirkungen auf die deutschen Exporte und damit die deutsche Konjunktur. 10
5. Die Anpassungsprozesse in den Partnerländern sind schmerzhaft und langwierig. Wegen der strukturellen Probleme in wichtigen Ländern der Euro-Zone droht eine längere Phase schwachen Wachstums in Europa. Deutschland kann sich nicht gegen die Krise immunisieren. Im schlechtesten Fall kommt es zu einer importierten Strukturkrise. Schwer abzuschätzen ist, inwieweit Länder wie die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) den Nachfrageausfall aus den europäischen Krisenstaaten kompensieren können. 11
6. Die Genesung der Krisenländer geht mit geringeren deutschen Exporten dorthin einher. Unterscheidung zwischen der Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Länder nach innen zu den anderen Ländern der Euro-Zone und der Wettbewerbsfähigkeit nach außen also gegenüber dem Rest der Welt. Eine im Zuge des Anpassungsprozesses der Krisenländer erhöhte Wettbewerbsfähigkeit nach innen kann zu weniger Nachfrage nach deutschen Produkten führen. Derzeit gehen ca. 40 Prozent unser Exporte in die Eurozone, weitere knapp 20 Prozent in die anderen EU-Länder. 12
7. Ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone würde auch für den deutschen Arbeitsmarkt ein Fiasko bedeuten. Zu erwarten wären schwerste Turbulenzen, massiver als die Erschütterungen nach der Lehmann-Pleite im September 2008. Die Bürgschaften würden wirksam. Eine massive Aufwertung in den Nordstaaten führt zu einem drastischen Rückgang der Konkurrenzfähigkeit ( Schweizer Krankheit ). Es drohen dann Massenentlassungen und ein erheblicher Anstieg der Arbeitslosigkeit. Wie nach der Lehmann-Pleite wäre die Schockwelle der Krise weltweit zu spüren; dies führt zu weiteren Ausfällen in der Exportwirtschaft. 13
8. Falls es Politik und EZB gelingt, die Euro-Krise zu meistern, werden hingegen starke Auftriebskräfte mobilisiert. Weltweit hat die Euro-Krise die wirtschaftlichen Akteure verunsichert. Wenn sich der Investitionsstau auflöst, ist mit stark positiven Konjunkturimpulsen insbesondere auch für die deutschen Exporteure zu rechnen. Die Nachfragesteigerung von außerhalb der Euro-Zone könnte die unvermeidlichen Nachfrageausfälle aus den europäischen Krisenstaaten auffangen. Dies würde eine weitere starke Strukturverschiebung im deutschen Außenhandel erwarten lassen. Falls es den Zentralbanken nicht gelingt, die weltweit vagabundierende hohe Liquidität wieder abzuschöpfen, könnte es zu Überhitzungserscheinungen bei den Wachstumslokomotiven kommen. 14
9. Wenn sich die Euro-Krise nicht dramatisch zuspitzt, ist ein höheres Lohnwachstum in Deutschland wahrscheinlich. In den letzten 15 Jahren hat es eine sehr moderate Lohnentwicklung gegeben (verbunden mit Reallohnverlusten für Arbeitnehmer im unteren Segment der Lohnverteilung). Ein mittelfristig mögliches Anziehen der Inflationsrate könnte in Verbindung mit dem Wandel eines Teils des Arbeitsmarktes zu einem Arbeitnehmermarkt zu einer deutlich aggressiveren Lohnpolitik führen. Innerhalb gewisser Grenzen wären Lohnsteigerungen aber auch hilfreich für die Wiederherstellung eines Gleichgewichts in der Eurozone. 15
10. Die Wanderungsbewegungen in Europa dürften sich erheblich verstärken. Die langwierigen und schmerzhaften Anpassungen führen in den Krisenländern mittelfristig zu erhöhter Arbeitslosigkeit und Reallohnverlusten. Betroffen sind vor allem Jüngere, die als besonders mobil gelten. Die schlechten Aussichten in den Krisenstaaten führen zur verstärkten Abwanderung. Wenn es gelingt, qualifizierte Kräfte anzuziehen, sind die Wanderungsbewegungen grundsätzlich positiv zu sehen, da vorhandene oder zukünftig drohende Mangelsituationen in bestimmten Bereichen dadurch entschärft werden. 16
Fazit 17
Die absehbare weitere Entwicklung (1) Zurzeit verzeichnen wir eine Seitwärtsbewegung mit einer leichten Tendenz nach unten, verbunden mit einem Anstieg des Konjunkturpessimismus. Bisher jedoch keine dramatische Verschlechterung, weil sich in Deutschland positive und negative Tendenzen teilweise kompensieren (siehe Thesen 1 und 2). Solange die Euro-Zone nicht zerbricht, wäre selbst bei einem stärkeren Einbruch kaum mit Massenentlassungen auf breiter Front zu rechnen. Die Situation wäre nicht wesentlich anders als Ende 2008. 18
Die absehbare weitere Entwicklung (2) Im wahrscheinlichsten Szenario ist die Natur der Krise in Deutschland wiederum eine Nachfragekrise und damit temporär. Es wäre zu erwarten, dass sich die Unternehmen ähnlich wie in 2009 verhalten, also über interne Flexibilitätsmaßnahmen die Auswirkungen einer Krise abfedern. Negativ allerdings: Kriegskasse der BA ist leer Eine massive Gegensteuerung mit großzügigen Regelungen beim Kurzarbeitergeld müsste steuer- oder kreditfinanziert werden. 19
joachim.moeller@iab.de www.iab.de