Prof. Dr. H. Brenner Osnabrück WS 15/16 Analysis III Vorlesung 7 Korollar 7.1. Es sei (,A,µ) ein σ-endlicher aßraum und v: R n eine messbare Abbildung. Dann ist die Abbildung bijektiv und maßtreu. ϕ v : R n R n, (x,y) (x,y +v(x)), Beweis. Die Abbildung ϕ v ist messbar nach Lemma 64.11 und nach Lemma 68.3. Sie ist ferner bijektiv, die Umkehrabbildung ist ϕ v. Sei T messbar. Wir müssen zeigen. Für x ist (µ λ n )(T) = (µ λ n )(ϕ 1 v (T)) (ϕ 1 v (T))(x) = { y R n (x,y) ϕ 1 v (T) } = {y R n (x,y +v(x)) T}. Aufgrund der Translationsinvarianz des Borel-Lebesgue-aßes besitzt diese enge das gleiche aß wie {y +v(x) R n (x,y +v(x)) T} = {z R n (x,z) T} = T(x). Aufgrund der Integrationsversion des Cavalieri-Prinzips gilt also (µ λ n )(T) = λ n (T(x))dµ(x) = λ n(( ϕ 1 v (T) ) (x) ) dµ(x) = (µ λ n ) ( ϕ 1 v (T) ). 1
Einige Volumina Definition 7.. Zu einer Teilmenge T R R nennt man { (x,y cos α,y sin α) R 3 (x,y) T, α [,π] } die zugehörige Rotationsmenge (um die x-achse). Satz 7.3. Es sei f: [a,b] R, t f(t), eine nichtnegative messbare Funktion und sei K R 3 der Rotationskörper zum Subgraphen von f um die x-achse. Dann besitzt K das Volumen b λ 3 (K) = π (f(t)) dλ(t) = π (f(t)) dt, [a,b] wobei für die zweite Formel f als stetig vorausgesetzt sei. Beweis. ach dem Cavalieri-Prinzip und nach der Formel für den Flächeninhalt des Kreises ist (λ λ )(K) = λ (K(t))dλ(t) = π (f(t)) dλ(t). [a,b] [a,b] Für stetiges f ist dies nach Satz 7.5 gleich π b a (f(t)) dt. Den Oberflächeninhalt eines Rotationskörpers zu einer (differenzierbaren) Funktion werden wir in Satz 85.5 berechnen. a
Beispiel 7.4. Wir wollen das Volumen einer n-dimensionalen abgeschlossenen Kugel vom Radius r berechnen, also von B n (r) = {x R n x r}. Wegen Satz 67. gilt dabei λ n (B n (r)) = r n λ n (B n (1)), d.h. es geht im Wesentlichen darum, das Volumen der Einheitskugel auszurechnen. Ihr Volumen bezeichnen wir mit β n = λ n (B n ), zur Berechnung gehen wir induktiv vor (es ist β 1 = ). Wir betrachten B n R n 1 R. Für jedes fixierte h, 1 h 1, kann man den Querschnitt als B n (h) = { (x 1,...,x n 1 ) R n 1 (x 1,...,x n 1,h) B n } = { (x 1,...,x n 1 ) R n 1 x 1 + +x n 1 +h 1 } = { (x 1,...,x n 1 ) R n 1 x 1 + +x n 1 1 h } = B n 1 (, 1 h ) schreiben, d.h. als eine (n 1)-dimensionale Kugel vom Radius 1 h. Aufgrund des Cavalieri-Prinzips ist daher 1 β n = λ n (B n (1)) = ( λ n 1 λ 1) (B n (1)) = λ (B n 1 n 1 ( ) 1 h ) dλ 1 [ 1,1] ( ) n 1λ = 1 h n 1 (B n 1 (1)) dλ 1 [ 1,1] ( ) n 1 = λ n 1 (B n 1 (1)) 1 h dλ 1 [ 1,1] ( ) n 1 = β n 1 1 h dλ 1. [ 1,1] Dabei können wir das Integral rechts wegen Satz 7.5 und Korollar 4.7 über Stammfunktionen ausrechnen. Die Substitution h = sin t liefert 1 ( n 1 π π 1 h ) dh = cos n t dt = sin n t dt. π Im Beweis zu Korollar 5.4 wurden diese Integrale berechnet; mit a n = π sin n t dt gilt a n = { (n 1)(n 3) 3 1 n(n ) 4 (n 1)(n 3) 4 n(n ) 5 3 π bei n gerade, bei n ungerade. it diesen Formeln und der Rekursionsvorschrift β n = β n 1 a n kann man schließlich mit Hilfe der Fakultätsfunktion das Kugelvolumen als β n = π n/ Fak(n/) 3
4 schreiben. Diese Formel ergibt sich durch Induktion aus Satz 3.3. Speziell ergibt sich für die Fläche des Einheitskreises der Wert π, für das Volumen der Einheitskugel der Wert 4 π und für das vierdimensionale Volumen 3 der vierdimensionalen Standardkugel der Wert π. Definition 7.5. Es sei B R n = R n und P R n+1 ein Punkt. Dann nennt man die enge K B = {P +t(q P) Q B, t [,1]} den Kegel zur Basis B mit der Spitze P. Satz 7.6. Es sei B R n messbar, P R n+1 ein Punkt und K B der zugehörige Kegel. Es sei h = P n+1 die letzte Koordinate von P. Dann ist K B ebenfalls messbar, und es gilt λ n+1 (K B ) = 1 n+1 λn (B) h. Beweis. Bei h = liegt der gesamte Kegel in R n und sein λ n+1 -aß ist nach Lemma 66.11, sei also h. Der Durchschnitt von K = K B mit der durch x n+1 = t, t zwischen und h, gegebenen Hyperebene ist K(t) = {(x { 1,...,x n ) (x 1,...,x n,t) K B } = (x 1,...,x n ) (x 1,...,x n,t) = P + (h t) (Q P), Q B h Wegen der Translationsinvarianz und Korollar 67.3 ist dessen Volumen gleich n λ n (B). ach dem Cavalieri-Prinzip ist also (mit s = h t) h t h h λ n+1 (K B ) = λ n (K(s))ds h ( ) n s = λ n (B) ds h = λ n 1 h (B) h n s n ds = λ n 1 1 (B) h n n+1 h n+1 }.
5 = λ n (B) 1 n+1 h. Beispiel 7.7. Wir stellen eine falsche Berechnung der Kugeloberfläche an, die auf einem falsch interpretierten Cavalieri-Prinzip beruht. Wir betrachten die obere Einheitshalbkugel. Zu jeder Höhe h [,1] ist der Querschnitt der Kugeloberfläche mit der durch z = h definierten Ebene eine Kreislinie mit dem Radius 1 h. Der Kreisumfang eines solchen Kreises ist π 1 h. Wir wollen die Oberfläche der oberen Halbkugel berechnen, indem wir diese Umfänge über die Höhe aufintegrieren. Für die Kugeloberfläche würde sich dann (mit der Substitution h = sin s) A = = 4π = 4π 1 1 π π 1 h dh 1 h dh cos s ds = 4π 1 (s+ sin s cos s) π = π π = π. Der wahre Wert ist aber mit 4π deutlich größer. Der Satz von Fubini Es seien (,A,µ) und (,B,ν) zwei σ-endliche aßräume und sei f: R einemessbarefunktion.dersatzvonfubinibringtdasintegral f d(µ ν) mit dem Integral über der Funktion R, x f(x,y)dν(y), in Verbindung. Er erlaubt es, Integrale über einem höherdimensionalen Bereich auf eindimensionale Integrale zurückzuführen. Sein Beweis beruht auf dem Cavalieri-Prinzip, angewendet auf den Produktraum R, und ist prinzipiell nicht schwierig. Allerdings muss man bei einigen Details (ichtnegativität, Undefiniertheitsstellen, ullmengen) doch präzise sein, so dass wir einige vorbereitende Lemmata anführen. Eine Teilmenge Z eines aßraumes heißt ullmenge, wenn µ(z) = ist. Beispielsweise ist jede abzählbare enge in R n eine ullmenge. anchmal verwendet man diesen Begriff auch für nicht notwendigerweise messbare
6 Teilmengen Z, für die es eine messbare enge Z Z gibt mit µ(z ) =. Für eine Eigenschaft E, die für die Punkte eines aßraumes erklärt ist, sagt man, dass die Eigenschaft fast überall gilt, wenn die Ausnahmemenge {x E(x) gilt nicht} eine ullmenge ist. Insbesondere spricht man von fast überall definierten Funktionen. Da es bei Integralen nicht auf ullmengen des Definitionsbereiches ankommt, kann man häufig solche kleinen Undefiniertheitsstellen ignorieren. Lemma 7.8. Es seien (,A,µ) und (,B,ν) zwei σ-endliche aßräume und sei f: R eine nichtnegative messbare Funktion. Dann gelten folgende Aussagen. (1) Für jedes x sind die Funktionen R, y f(x,y), und für jedes y sind die Funktionen R, x f(x,y), messbar. () Die Funktion R, y und die Funktion R, x sind messbar. (3) Es gilt f d(µ ν) = = ( ( f(x,y)dµ(x), f(x,y)dν(y), ) f(x,y)dν(y) dµ(x) ) f(x,y)dµ(x) dν(y). Beweis. (1) folgt direkt aus der essbarkeit der Inklusionen, x (x,y), für jedes y. () folgt aus Lemma 71.4 angewendet auf S(f) = ( R), da (S(f))(x) der Subgraph von f(x, ) und f(x, )dν = ν λ1 (S(f)(x)) ist. (3). ach Satz 71.5, angewendet auf das Produkt ( R), ist f d(µ ν) = ( µ ν λ 1) (S(f))
= = ( ) ν λ 1 ((S(f))(x)) dµ ( ) f(x,y)dν dµ. Da man die Rollen von und vertauschen kann, ergibt sich auch die andere Darstellung. Lemma 7.9. Es seien (,A,µ) und (,B,ν) zwei σ-endliche aßräume und sei f: R eine messbare Funktion. Dann ist f genau dann integrierbar, wenn ( ) ( ) f(x,y) dν(y) dµ(x) oder f(x,y) dµ(x) dν(y) endlich ist. Beweis. Die Integrierbarkeit von f ist nach Lemma 69.5 äquivalent zur Integrierbarkeit der Betragsfunktion, was die Endlichkeit von f d(µ ν) bedeutet. Die Aussage folgt daher aus Lemma 7.8. Wir kommen nun zum Satz von Fubini. Satz 7.1. Es seien (, A, µ) und (, B, ν) zwei σ-endliche aßräume und sei f: R eine integrierbare Funktion. Dann sind die beiden Funktionen R, x f(x,y)dν(y), und R, y f(x,y)dµ(x), fast überall reellwertig und fast überall integrierbar, und es gilt ( ) f d(µ ν) = f(x,y)dν(y) dµ(x) ( ) = f(x,y)dµ(x) dν(y) Beweis. ach Voraussetzung und nach Lemma 7.9 ist die Funktion x f(x,y) dν(y) integrierbar. Dies bedeutet insbesondere, dass das Integral f(x,y) dν(y) fast überall einen endlichen Wert hat, dass es also eine ullmenge Z gibt mit f(x,y) dν(y) < für x Z. Daher sind nach Lemma 69.5 für x Z die Integrale f(x,y)dν(y) definiert und endlich, und dies gilt ebenso für die positiven und negativen Teile f + (x,y) und f (x,y). 7
8 Da sich Integrale nicht ändern, wenn man im Integrationsgebiet eine ullmenge weglässt, und da Z eine ullmenge in der Produktmenge ist, kann man durch \Z ersetzen. Wir schreiben f d(µ ν) = (f + f )d(µ ν) = f + d(µ ν) f d(µ ν) und wenden auf die beiden Summanden Lemma 7.8 an, so dass dies gleich ( ) ( ) = f + (x,y)dν(y) dµ(x) f (x,y)dν(y) dµ(x) ( ) = (f + (x,y) f (x,y))dν(y) dµ(x) ( ) = f(x,y)dν(y) dµ(x) ist.
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