Kapitel 2. Neoklassische Arbeitsmarkttheorie

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Transkript:

Kapitel 2 Neoklassische Arbeitsmarkttheorie Zusammenfassung In diesem Kapitel wollen wir das Standardmodell der Arbeitsmarktökonomik analysieren und einige Erweiterungen vorstellen. Das neoklassische Arbeitsmarktmodell ist dabei von einer ganzen Reihen von stark vereinfachenden Annahmen geprägt. Wie bei allen Modellen mit dem Label neoklassisch gehen wir auch hier davon aus, dass Märkte perfekt funktionieren, d.h. es keine Unvollkommenheiten wie Informationsasymmetrien, Marktmacht oder sonstige Friktionen gibt. Wie wir oben gesehen haben ist dies aber die denkbar schlechteste Beschreibung realtypischer Arbeitsmärkte, d.h. Politikempfehlungen sollte man auf Basis des neoklassischen Modells nicht getroffen werden. Warum aber beschäftigen wir uns überhaupt damit? Letztlich gibt es zwei Gründe dafür. Zum einen benötigt man am Anfang das denkbar einfachste Modell zur Charakterisierung des Arbeitsmarktes. Dies erlaubt es die Gedanken zu strukturieren und über verschieden Wirkungskanäle nachzudenken. Das Modell ohne Friktionen ist aber eben das einfachste Modell. Zum zweiten stellt das neoklassische Arbeitsmarktmodell so etwas wie den idealtypischen Arbeitsmarkt. Damit dient es aber als Benchmark für realtypische Arbeitsmärkte. Wichtig bei der Modellierung ist die Unterscheidung zwischen dem Gut (der Leistung) Arbeit und dem Institut des Jobs. Das Gut Arbeit wird von den Haushalten also von den Wirtschaftssubjekten der Ökonomie angeboten und von Firmen nachgefragt. Beim Gut Job bzw. Arbeitsplatz verhält es sich umgekehrt. Wir betrachten im folgenden immer den Markt für das Gut Arbeit. 10

KAPITEL 2. NEOKLASSISCHE ARBEITSMARKTTHEORIE 11 2.1 Das Arbeitsangebot der Haushalte 2.1.1 Die Entscheidung eines Wirtschaftssubjekts Um das Arbeitsangebot eines Wirtschaftssubjektes abzuleiten, d.h. um zu bestimmen wie viel Arbeit ein Individuum anbietet muss man sich fragen vor welcher Entscheidung das Individuum steht, welche Nutzenfunktion Grundlage für diese Entscheidung ist und welche Restriktionen es beachten muss. Nehmen wir an, dass das Individuum Nutzen aus zwei Gütern erhält. Einerseits aus dem Konsum von Freizeit F und andererseits aus dem Konsum von Gütern C. Die Nutzenfunktion kann man also schreiben als U(F, C), wobei wir annehmen, dass beide Güter einen positiven Grenznutzen haben, d.h. U, U > 0, dass aber der Grenznutzen immer kleiner wird 2 U, 2 U < 0. C F C 2 F 2 Dies sind übliche Annahmen bezüglich der Nutzenfunktion. Das Individuum wird nun C und F so wählen, dass der Nutzen (und damit die Nutzenfunktion) maximal wird. Jedoch ist es nicht frei in der Wahl dieser beiden Größen, sondern ein Trade-off muss beachtet werden. Das Konsumgut kann zum Preis P erworben werden. Um es zu erwerben muss das Individuum Einkommen haben, das durch Arbeit(szeit) generiert wird. Das Problem ist aber, dass der Haushalt kein unendlich großes Zeitbudget hat, sondern dies bei T fixiert ist. Arbeit führt somit direkt dazu, dass die Freizeit weniger wird und damit der Nutzen sinkt. Andererseits steigt jedoch der Konsum und somit der Nutzen. Bei der optimalen Wahl des Konsums und der Freizeit steht das Individuum vor dem Problem den Nutzenverzicht aus zusätzlicher Arbeit gegen den damit verbundenen Nutzengewinn abzuwägen. Bezeichnet L die Arbeitszeit und w den Lohn, so kann man das Problem des Haushaltes formal formulieren: s.t. s.t. max U(F, C) (2.1.1) C,F wl = P C (2.1.2) T = F + L (2.1.3) Das Individuum möchte durch die Wahl des Konsums und der Freizeit den Nutzen maximieren. Dabei muss es zwei Nebenbedingungen beachten (s.t. bedeutet subject to ). Zum einen dass die Konsumausgaben nur so groß wie das Einkommen sein dürfen. Zum zweiten dass die gesamte Zeit die als Arbeit

KAPITEL 2. NEOKLASSISCHE ARBEITSMARKTTHEORIE 12 und Freizeit verbracht wird nicht das (exogene) Zeitbudget überschreiten darf. Benutzt man die Restriktion dass F = T L ist und setzt dies in die Nutzenfunktion ein, so erhält man das modifizierte Problem des Haushaltes als: 1 s.t. max U((T L), C) (2.1.4) C,L wl = P C (2.1.5) Wie löst das Individuum dieses Maximierungsproblem? Da es sich um die Maximierung einer Funktion handelt wäre die erste Möglichkeit, dass die erste Ableitung der Nutzenfunktion nach beiden Wahlvariablen gebildet und Null gesetzt wird (vorausgesetzt die zweite Ableitung ist kleiner Null was auf ein Maximum schließen lässt). Leider ist das Problem des Haushaltes etwas komplexer, da dieser nicht frei in der optimalen Wahl ist sondern die Budgetrestriktion als bindende Nebenbedingung beachten muss. Somit muss man das Lagrange-Verfahren zur Lösung beschränkter Optimierungsprobleme anwenden (gute Lehrbücher die dieses ausführlich beschreiben sind Dixit (1990), Chiang (2005) oder Simon und Blume (1994) ). Durch die Einführung einer zusätzlichen endogenen Hilfsvariable verwandelt man das beschränkte Optimierungsproblem in ein Problem ohne Beschränkung. Zur Lösung dieses bildet man dann, wie üblich, die erste Ableitung und setzt diese Null. Ein Kochrezept zum Lagrange Verfahren. 1. Formulierung des Problems in der Form Zielfunktion s.t. Nebenbedingung(en). 2. Einführung der Hilfsvariable λ. 3. Aufstellung der Lagrangefunktion. Diese ist definiert als Zielfunktion+λ (Nebenbedingung in Nullform). 4. Ableitung der Lagrangefunktion und Nullsetzen. Damit erhält man die Bedingungen erster Ordnung, die die Wahlvariablen erfüllen müssen. 1 Durch das Einsetzten der Zeitrestriktion in die Nutzenfunktion beachtet man diese schon implizit, d.h. die explizite Beachtung ist nicht mehr notwendig.

KAPITEL 2. NEOKLASSISCHE ARBEITSMARKTTHEORIE 13 5. Die Lösung des Systems der Bedingungen erster Ordnung nach den (endogenen) Variablen stellt dann die Lösung des Optimierunsproblems dar. Die zum obigen Optimierungsproblem zugehörige Lagrangefunktion ist L(L, C, λ) = U((T L), C) + λ (wl P C). (2.1.6) }{{} =0 Wird dies nun nach den endogenen Wahlvariablen L, C und λ abgeleitet und Null gesetzt, so erhält man folgendes System Bedingungen erster Ordnung 2 Damit lautet das System der Bedingungen erster Ordnung L(L, C, λ) U((T L), C) = ( 1) + λw =! 0 L L (2.1.7) L(L, C, λ) U((T L), C) = + λ( 1)P =! 0 C C (2.1.8) L(L, C, λ) = (wl P C) =! 0, λ (2.1.9)! wobei = einfach nur bedeutet, dass die Ableitung gleich Null sein soll, aber natürlich nicht in jedem Fall ist (eben nur im Optimum). Die Gleichungen (2.1.7) bis (2.1.9) stellen ein Gleichungssystem in drei endogenen (unbekannten) Variablen dar. Eine Lösung beinhaltet die Gleichungen so zu kombinieren und umzuformen, dass eine endogene Variable nur noch als Funktion der exogenen Parameter dargestellt werden kann. Im Prinzip würde dies auch für unser Problem gelten. Jedoch kennen wir nicht die explizite funktionale Form der Nutzenfunktion. Somit kennen wir aber auch nicht die explizite Form der Ableitungen und können damit auch keine explizite Lösung herleiten. Dennoch können wir Bedingungen herleiten und analysieren, die die optimale Lösung charakterisieren. Lösen wir Gleichung (2.1.7) und (2.1.8) nach λ auf setzten dies gleich, so 2 Um genau zu sein müsste man für das Problem noch die zweiten Ableitungen (also die Bedingungen zweiter Ordnung bilden), um zu kontrollieren ob der Extremwert der gefunden wurde ein Maximum oder ein Minimum ist. Wir verzichten im folgenden darauf, da wir annehmen, dass die Funktionsform der Zielfunktion immer solchen Bedingungen genügt, die das Problem well-behaved machen. Der Extremwert des Maximierunsgproblems ist also tatsächlich ein Maximum. Für Details, siehe Sundaram (1996).

KAPITEL 2. NEOKLASSISCHE ARBEITSMARKTTHEORIE 14 erhalten wir U((T L), C) 1 U((T L), C) 1 = L w C P (2.1.10) U((T L), C) U((T L), C) w = L C P. (2.1.11) Wenn das Individuum die Arbeitszeit und den Konsum optimal gewählt hat, dann muss die Relation (2.1.11) erfüllt sein. Die linke Seite der Gleichung zeigt der Nutzenverlust der dem Individuum durch eine zusätzliche Einheit Arbeit entsteht. Auf der rechten Seite steht der zusätzliche Nutzen aus dieser Einheit Arbeit. Der Reallohn w zeigt wie viele Güter das Individuum durch P die zusätzliche Arbeit kaufen kann. Diese zusätzlichen Güter werden dann schließlich in Nutzeneinheiten bewertet. Hat das Individuum die Arbeitszeit optimal gewählt, so muss es gerade indifferent sein zwischen einer marginalen Einheit mehr oder weniger Arbeit. Was passiert wenn dem nicht so ist. Nehmen wir an, dass der Nutzenverlust aus zusätzlicher Arbeit kleiner (größer) ist als der Nutzengewinn. In diesem Fall lohnt es sich offensichtlich für das Individuum zusätzliche (weniger) Arbeit anzubieten. Ein wichtiges Ziel der Analyse der Arbeitsangebotsentscheidung des Individuum ist die Herleitung einer Arbeitsangebotsfunktion. Einer Funktion also, die den Zusammenhang zwischen dem Reallohn w auf der einen und der P Arbeit L auf der anderen Seite darstellt. Wie oben bereist gezeigt wissen wir das der Reallohn einen Effekt die Entscheidung des Individuums hat. Ohne explizite funktionale Form sind wir aber nicht in der Lage eine Angebotsfunktion herzuleiten. Deshalb sei im folgenden die Analyse dargestellt für den Fall einer expliziten Funktion, nämlich der Cobb-Douglas Nutzenfunktion. Diese lautet U((T L), C) = (T L) α C 1 α, (2.1.12) wobei der Parameter α die Wertschätzung des Individuums für die einzelnen Güter angibt. Ein hohes α bedeutet z.b. dass das Individuum eine hohe (relative) Wertschätzung für das Gut Freizeit (T L) aufweist. Das Problem des Individuums ist also in diesem Fall s.t. Damit ist die Lagrange-Funktion max C,L (T L)α C 1 α (2.1.13) wl = P C (2.1.14) L = (T L) α C 1 α + λ(wl P C) (2.1.15)

KAPITEL 2. NEOKLASSISCHE ARBEITSMARKTTHEORIE 15 und die Bedingungen erster Ordnung lauten L(L, C, λ) = α(t L) α 1 C 1 α ( 1) + λw =! 0 L (2.1.16) L(L, C, λ) = (1 α)(t L) α C α + λ( 1)P =! 0 C (2.1.17) L(L, C, λ) = (wl P C) =! 0. λ (2.1.18) Wiederum erhält man ein Gleichungssystem in drei endogenen Variablen. In diesem Fall ist aber eine explizite Lösung (dank der Cobb-Douglas Nutzenfunktion) möglich. Löst man (2.1.16) und (2.1.17) nach lambda auf und setzt diese gleich erhält man α(t L) α 1 C 1 α 1 w = 1 α)(t L)α C α 1 P α 1 α C 1 α C α (2.1.19) (T L) α (T L) α 1 (2.1.20) = w P α 1 α C = w (T L). (2.1.21) P Diese Gleichung zeigt die Relation die in einem Optimum zwischen dem Konsum und der Arbeit herrschen muss. Möchte man wissen wie viel Arbeit das Individuum im Optimum anbietet, so muss man die Beziehung zwischen C und L die im Optimum gilt in die Nebenbedingung einsetzten. Wird C ersetzt, dann erhält man wl w α (T L)1 P α P = 0 (2.1.22) wl(1 + 1 α α ) wt 1 α α = 0 (2.1.23) L S = (1 α)t. (2.1.24) Das Arbeitsangebot eines Individuums im Cobb-Douglas Fall (d.h. die optimale Arbeitswahl) ist ein exogener Bruchteil der Zeitausstattung. Der Bruchteil spiegelt dabei die relative Präferenz für Konsum wider. Ist diese groß steigt die Arbeitszeit und umgekehrt. Üblicherweise wird die Arbeitsangebotsfunktion in einem Reallohn-Arbeit- Diagramm dargestellt (analog zum Preis-Mengen-Diagramm im Fall des Gütermarktes). Die grafische Darstellung für den Cobb-Douglas Fall zeigt Grafik 2.1. Bemerkenswert an der Arbeitsangebotsfunktion ist, dass diese nicht vom (Real)Lohn abhängt. Lohnänderungen führen also bei Cobb-Douglas Präferenzen

KAPITEL 2. NEOKLASSISCHE ARBEITSMARKTTHEORIE 16 w P (1 α)t L Abbildung 2.1: Arbeitsangebotsfunktion bei Cobb-Douglas Präferenzen nicht dazu, dass sich die Entscheidung des Individuums bezüglich des Arbeitseinsatzes ändert. Wie kommt es zu diesem auf den ersten Blick kontraintuitivem Ergebnis? Grundsätzlich hat eine Lohnänderung immer zwei Effekte. Zum einen führt dies dazu, dass sich der relative Preis von Freizeit zu Konsum ändert (also der relative Preis zwischen den beiden nutzenstiftenden Gütern). Zum anderen ändert sich das Einkommen des Individuums. Was passiert bei einer Lohnerhöhung? Freizeit wird relativ zu Konsum teurer, d.h. der Haushalt wird weniger Freizeit konsumieren wollen und eben mehr Arbeit anbieten. Das ist der Effekt, den man erwartet und der sofort ins Auge springt. Dieser Effekt wird Substitutionseffekt genannt. Jedoch erhöht sich (selbst bei gleicher Freizeit) das Einkommen des Individuums. Wenn aber das Einkommen steigt, dann möchte das Individuum von beiden Gütern mehr konsumieren. Oder, etwas salopp gesagt, das Individuum kann ein höheres Einkommen selbst bei weniger Arbeitszeit realisieren. Dieser Einkommenseffekt wirkt dem Substitutionseffekt entgegen. Allgemein kann also nicht gesagt werden wie der Haushalt sich bei einer Lohnänderung verhält. Im speziellen Cobb-Douglas Fall ist es sogar so, dass sich Substitutionseffekt und Einkommenseffekt gerade ausgleichen. Damit hat aber eine Lohnänderung, wie gesehen, keinen Effekt auf die optimale Arbeitswahl des Haushaltes.

KAPITEL 2. NEOKLASSISCHE ARBEITSMARKTTHEORIE 17 Das theoretische Ergebnis, dass das Arbeitsangebot nicht von Lohnänderungen abhängt ist die eine Sache. Wie aber sieht es in der Wirklichkeit aus. Ist es tatsächlich so, dass Individuen nicht oder kaum auf Lohnänderungen reagieren? Die Beantwortung dieser Frage ist relativ schwierig, da z.b. die Unterscheidung ob man über Arbeitsstunden pro Tag, Woche, Jahr oder Leben wichtig für diese Einschätzung ist. Zudem muss unterschieden ob der Effekt gilt für Individuum, die schon Arbeit haben und nur noch ihre Stunden ausweiten (intensive margin) oder dieser für die Partizipationsentscheidung gilt (extensive margin). Schaut man sich die Literatur an, siehe den Überblick in Pencavel (1986) oder Pencavel (2001), so zeigt sich dass es wohl wirklich so ist, dass der Lohn entweder kaum Einfluss auf die gewählte Stundenzahl hat oder dieser Einfluss sogar noch negativ ist, d.h. das Arbeitsangebot sinkt wenn der Lohn steigt (sogenanntes backward bending des Angebotes). 3 Die genannten Ergebnisse gelten aber für eine ganz spezielle Gruppe von Individuen, nämlich für Männer bzw. prime age males also Männer zwischen 15 und 65 Jahren. Schaut man sich das Arbeitsangebotsverhalten von Frauen an, so ergibt sich ein deutlich unterschiedliches Bild. Vor allem bei weißen Frauen zwischen 30 und 45 Jahren, also solche die üblicherweise in einer klassischen Beziehung leben und deren Einkommen in der Regel nicht das Überleben der Familie sichert sind die Lohneffekte auf das Arbeitsangebot sehr hoch. Killingsworth und Heckmann (1986) zeigen dass einzelne Studien Arbeitsangebotselastizitäten bis zu 15 finden, d.h. eine Lohnsteigerung um 1% würde zu einer Erhöhung des Arbeitsangebotes um 15% führen. Schaut man sich hingegen junge, alleinerziehende oder farbige Frauen an, so ist deren Verhalten doch ähnlich wie das der Männer. Die Form der Arbeitsangebotsfunktion hängt also offensichtlich von den familiären und den sozialen Umständen der Individuen, die wir betrachten. Anscheinend greift somit die Analyse des individuellen Arbeitsangebotes zu kurz, wenn man realtypische Arbeitsmärkte verstehen möchte. Eine Modellerweiterung, die diese familiären Umstände berücksichtigt soll im nächsten Abschnitt vorgestellt werden. 2.1.2 Das Familienarbeitsangebot Im Jahr 2005 lebten in Deutschland mehr als 82% der Bevölkerung in Haushalten, die mehr als eine Person umfassen. Im gleichen Jahr gab es 20 Mio. Ehepaare und Lebensgemeinschaften, d.h. 40 Mio. Individuen leben in einem 3 Das Argument für dieses Verhalten ist, dass der Einkommenseffekt den Substitutionseffekt dominiert.