Germanistik Claudia Ehrentraut Reflektiert Gerhart Hauptmann in seinem Werk Bahnwärter Thiel die veränderten Lebensbedingungen durch den technischen Fortschritt zur Zeit der Industrialisierung? Studienarbeit
Inhaltsverzeichnis Claudia Ehrentraut Fach-BA: Literatur-Kulturwissenschaften/Philosophie 1 Einleitung... 2 2 Folgen der Industrialisierung... 3 3 Anwendung auf Hauptmanns Bahnwärter Thiel... 4 3.1 Thiel Symbolfigur für die Anonymitäts- und Entfremdungserfahrung der Gesellschaft... 4 3.2 Darstellung der Natur und Technik als Spiegelbild der Psyche Thiels... 8 4 Epochale Einordnung des Werkes... 11 5 Schlussbemerkung... 13 LITERATURVERZEICHNIS... 15 1
Claudia Ehrentraut Fach-BA: Literatur-Kulturwissenschaften/Philosophie 1 Einleitung In dieser Seminararbeit soll der Fragestellung Reflektiert Gerhart Hauptmann in seinem Werk Bahnwärter Thiel die veränderten Lebensbedingungen durch den technischen Fortschritt zur Zeit der Industrialisierung? anhand von expliziten Beispielen nachgegangen werden. Anfänglich werde ich für ein besseres Verständnis die gesellschaftlichen Folgen der Industriellen Revolution skizzieren, bevor ich überprüfe, ob diese in der Novelle, die 1888 erschienen ist, thematisiert werden. Die Auseinandersetzung mit der psychischen Verfassung des Protagonisten Thiels sowie mit der Sprach-, Symbol- und Motivgestaltung des Textes stehen dabei im Mittelpunkt. Am Ende werde ich kurz den Bezug dessen zur epochalen Einordnung aufzeigen. Der hinterlassene Text von Gerhart Hauptmann besitzt ohne Frage bis heute einen besonderen Stilcharakter, der viele Rätsel aufgibt und den Lesern nicht gleich eine eindeutige Interpretationslenkung aushändigt. Spiegelt Hauptmann das Leben der Gesellschaft im ausgehenden 19.Jahrhundert durch das Medium der Literatur wider? Möchte er auf die Folgen einer fehlenden Technikphilosophie, die die Frage,Führen technologische Innovationen immer zu einem besseren Leben oder kann Technik auch gefährlich werden und uns beherrschen stellt, aufmerksam machen? Als wissenschaftliche Grundlage zur Klärung dieser Fragen dient primär Hauptmanns novellistische Studie Bahnwärter Thiel 1. Aber auch andere Autoren und ihre Arbeiten, unter anderem Lothar Wieses Gerhart Hauptmann 2, Markus Krauses Poesie & Maschine 3, Rolf Füllmanns Einführung in die Novelle 4, Silvia Nögers Technikbewertung und Technikbewältigung in der deutschsprachigen Literatur seit 1850 5 sowie Oswald Spenglers Der Mensch und die Technik 6 sollen zur Beantwortung der Fragestellung herangezogen werden, um Fachleute und deren Meinungen zu integrieren. 1 Gerhart Hauptmann: Bahnwärter Thiel. Stuttgart: Reclam 2005. 2 Lothar Wiese: Gerhart Hauptmann. Bahnwärter Thiel. In: Bogdal, Klaus-Michael; Clemens Kammler (Hrsg.): Oldenbourg Interpretationen 108. Oldenbourg: Oldenbourg Schulbuchverlag 2007. 3 Markus Krause: Poesie & Maschine. Die Technik in der deutschsprachigen Literatur. Köln: Kösler 1989. 4 Rolf Füllmann: Einführung in die Novelle. In: Bogdal, Klaus-Michael; Gunter E. Grimm (Hrsg.): Einführung Germanistik. Darmstadt: WBG 2010. 5 Silvia Nöger: Technikbewertung und Technikbewältigung in der deutschsprachigen Literatur seit 1850. Eine Motivanalyse anhand von ausgewählten Texten. Inauguraldissertation Frankfurt am Main 2003. 6 Oswald Spengler: Der Mensch und die Technik. online unter: http://www.vordenker.de/ggphilosophy/spengler_mensch-technik.pdf, Datum des Zugriffs: 20.02.2012. 2
Claudia Ehrentraut Fach-BA: Literatur-Kulturwissenschaften/Philosophie 2 Folgen der Industrialisierung Während der industriellen Revolution, in der eine konkrete Reflexion anhand einer Technikphilosophie fehlte, kam es zu einer Technologisierung des Alltags. Der Einsatz technischer Artefakte ermöglichte die Einführung von Massenanfertigungen, die die Produktionsstandards vereinheitlichten sowie den Ausbau der Infrastruktur anhand neuer Handelswege. Der Mensch war zu diesem Zeitpunkt kaum noch von der Natur abhängig. In Deutschland besaß der Eisenbahnbau eine Multiplikatorwirkung, denn mit dieser technischen Innovation stieg auch die Nachfrage nach Schienen sowie der Bedarf an Eisen, Stahl und Kohle. 7 Die höheren Ansprüche machten sich erst im Maschinenbauwesen, dann in der Elektronik bemerkbar. Die Erfindungen und Errungenschaften dieser Zeit bewirkten aber nicht nur Positives. Sie führten zur Urbanisierung, wälzten damit die Gesellschaft um und zogen nicht selten eine Desorientierung oder Überforderung der Bevölkerung nach sich. Der Aspekt, der sozioökologischen Einbettung des Homo sapiens, der zugleich auch als Homo Faber bezeichnet werden könnte, besaß eine zu niedrige Priorität. 8 Den Menschen fehlten Richtlinien, die ihnen die Anpassung an die rasante Technologisierung des Alltags ermöglichten und Halt gaben. Die technische Naturwissenschaft verlangte nach einer dichterischen Begleitreflexion 9,die meines Erachtens nach in Hauptmanns Werk umgesetzt wird. Harro Segeberg, dessen Meinung ich teile, macht in seinem Buch Literatur im Medienzeitalter 10 auf den technikhistorischen Horizont der Literatur aufmerksam und verdeutlicht, dass Schriftsteller sich auf die Wünsche, Ängste und Hoffnungen, mit denen die Menschen an der Entwicklung der Technik seit jeher teilnehmen, einlassen und diesen Wunsch-Angst-Maschinen, die in den Köpfen der Leser existieren beliebig umbauen können. 11 Ein Werk kann somit das Befinden der Gesellschaft und deren aktuelle politische Situation widerspiegeln, diese aber auch negativ oder positiv beeinflussen. Im Bahnwärter Thiel, geschieht dies schon im ersten Absatz. 7 Vgl. Dr. Hans Rößler: Die Industrialisierung. In: Friedrich Schultes (Hrsg.): Abitur Wissen. Augsburg: Weltbild 1991 (= Geschichte), S.180-186. 8 Vgl. Andreas Metzner: Probleme sozio-ökologischer Systemtheorie. Natur und Gesellschaft in der Soziologie Lumanns. online unter: http://sammelpunkt.philo.at:8080/1812/1/metznerproblemesoziokologischersystemtheorie.pdf, Datum des Zugriffs: 20.02.2012. 9 Vgl. Harro Segeberg: Technik und Literatur. Oder: Was ist und wozu taugt eine germanistische Technikgeschichte. online unter: http://www.akademienunion.de/_files/akademiejournal/2001-1/akj_2001-1-s-29-32_segeberg.pdf, Datum des Zugriffs: 20.02.2012. 10 Harro Segeberg: Literatur im Medienzeitalter. Literatur, Technik und Medien seit 1914. o. O.: WBG 2003. 11 Vgl. Segeberg: Technik und Literatur. Oder: Was ist und wozu taugt eine germanistische Technikgeschichte, S. 29-32, Datum des Zugriffs: 20.02.2012. 3