1 Metrische Räume. In diesem Abschnitt wollen wir den Begriff des metrischen Raumes einführen und an einigen Beispielen illustrieren.

Ähnliche Dokumente
ε δ Definition der Stetigkeit.

4.1 Grundlegende Konstruktionen Stetigkeit von Funktionen Eigenschaften stetiger Funktionen... 92

Analysis I - Stetige Funktionen

Gleichmäßige Konvergenz und Funktionenräume

Wenn man eine Folge gegeben hat, so kann man auch versuchen, eine Summe. a 0 + a 1 + a 2 +

11. Folgen und Reihen.

Zahlen und metrische Räume

Topologische Räume und stetige Abbildungen Teil 2

Der Abschluss D ist die Menge, die durch Hinzunahme der Intervallränder entsteht, in den obigen Beispielen also

Wir beginnen mit der Definition eines metrischen Raumes, der in diesem Kapitel von zentraler Bedeutung ist. x, y, z X (Dreiecksungleichung).

Vorlesung. Funktionen/Abbildungen 1

Skript zur Analysis 1. Kapitel 3 Stetigkeit / Grenzwerte von Funktionen

Funktionsgrenzwerte, Stetigkeit

Einführung in die Analysis

Thema 4 Limiten und Stetigkeit von Funktionen

Stetige Funktionen. Definition. Seien (X, d) und (Y, ϱ) metrische Räume und f : X Y eine Abbildung. D(f) X sei der Definitionsbereich von f.

Stetigkeit. Kapitel 4. Stetigkeit. Peter Becker (H-BRS) Analysis Sommersemester / 543

Kapitel VI. Euklidische Geometrie

Stetigkeit von Funktionen

Vorlesungsmanuskript zu. Topologie. Werner Balser Institut für Angewandte Analysis. Wintersemester 2008/09

2 Stetige Abbildungen

8 Konvergenzkriterien und Häufungswerte von Folgen in R

2 Euklidische Vektorräume

n 1, n N \ {1}, 0 falls x = 0,

Vorlesung. Funktionen/Abbildungen

Konvergenz von Folgen

Funktionalanalysis. Prof. Dr. W. Timmermann. TU Dresden Fakultät Mathematik Institut Analysis. Francesco Kriegel SS 2008 & WS 2008/2009

Kapitel 5. Stetige Funktionen 5.1. Stetigkeit

Die Gamma-Funktion, das Produkt von Wallis und die Stirling sche Formel. dt = lim. = lim = Weiters erhalten wir durch partielle Integration, dass

2. Stetige lineare Funktionale

3. Zusammenhang. 22 Andreas Gathmann

Jeweils am Montag um 18:30 treffen sich Studenten in Seminarraum 3 zum gemeinsamen Lernen.

Definition 4.2. Die Menge Q der rationalen Zahlen ist definiert durch. Wir führen jetzt auf Z eine Addition und eine Multiplikation ein durch

Kapitel III. Stetige Funktionen. 14 Stetigkeit und Rechenregeln für stetige Funktionen. 15 Hauptsätze über stetige Funktionen

Surjektive, injektive und bijektive Funktionen.

Lineare Algebra II 9. Übungsblatt

3 Reihen. 3.1 Konvergenz und Divergenz. Die Eindeutigkeit nach Satz 13 ergibt schließlich (5). (6) folgt aus (2) und (1) wegen. 1 a +log ba.

Definition: Differenzierbare Funktionen

Mengensysteme, Wahrscheinlichkeitsmaße

Analysis II (FS 2015): Vektorfelder und Flüsse

Stetigkeit. Klaus-R. Loeffler. 1 Vorstellung, Definition und Folgerungen Stetigkeitscharakterisierung durch Folgen... 3

18 Höhere Ableitungen und Taylorformel

2 3 x3 17. x k dx = x k x k+1 k +1. Mit jeder weiteren partiellen Integration reduziert sich der Grad des Faktors x n, induktiv erhalten wir also

Taylor-Entwicklung der Exponentialfunktion.

Brückenkurs Mathematik

Mathematik II für Inf und WInf

lim Der Zwischenwertsatz besagt folgendes:

19 Folgen. Grenzwerte. Stetigkeit

λ(a n ) n 1 = (λa n ) n 1. Abbildung 1: Graph einer Folge. b n = arctan(n), f n = cos(nπ), g n = n 2, h n = ( 1) n n.

Mathematik II. Vorlesung 49. Der Banachsche Fixpunktsatz

von und deren Werte in liegen, dabei ist wie bisher immer entweder oder. Verallgemeinerungen, etwa auf Abbildungen

Die komplexen Zahlen und Skalarprodukte Kurze Wiederholung des Körpers der komplexen Zahlen C.

Mathematik I. Vorlesung 25. Der große Umordnungssatz

Übungen zur Vorlesung MATHEMATIK II

Mathematik III. Topologische Räume

4 Konvergenz von Folgen und Reihen

Analysis II. Prof. Dr. H. Brenner Osnabrück SS 2014

2.6 Stetigkeit und Grenzwerte

Absolute Stetigkeit von Maßen

Urs Wyder, 4057 Basel Funktionen. f x x x x 2

Lineare Algebra 1. Detlev W. Hoffmann. WS 2013/14, TU Dortmund

Kapitel 3. Natürliche Zahlen und vollständige Induktion

Inhalt. Vorwort Mittelwertsatz der Integralrechnung... 31

2.12 Potenzreihen. 1. Definitionen. 2. Berechnung POTENZREIHEN 207. Der wichtigste Spezialfall von Funktionenreihen sind Potenzreihen.

Lösungsvorschlag zu den Hausaufgaben der 8. Übung

Analysis I. Universität Stuttgart, WS 05/06 M. Griesemer

1. Einleitung wichtige Begriffe

Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler. gehalten von Claus Diem

(Man sagt dafür auch, dass die Teilmenge U bezüglich der Gruppenoperationen abgeschlossen sein muss.)

Brückenkurs Mathematik

Ergänzungen zur Analysis I

Vorbereitungskurs Mathematik zum Sommersemester 2015 Mengen und Relationen

Flüsse, Fixpunkte, Stabilität

2 Mengen und Abbildungen

Mathematik für Anwender I. Beispielklausur I mit Lösungen

4. DIE ABLEITUNG (DERIVATIVE)

11.3 Komplexe Potenzreihen und weitere komplexe Funktionen

Stetige Funktionen. Kapitel Grenzwerte von Funktionen

Stetigkeit. Im Bildungsplan bis 2004 verpflichtend, jetzt nicht mehr. - Soll Stetigkeit in der Schule behandelt werden? Warum?

Vorlesungen vom 5.Januar 2005

Ist die Funktion f : R R injektiv, hat den Definitionsbereich D und den Wertebereich W, so ist f : D W bijektiv. Dann heißt

Ableitung einer Betragsfunktion Differenzierbarkeit

Vorlesung: Nicht-kooperative Spieltheorie. Teil 1: Organisatorisches, Inhalte der Vorlesung und Nutzentheorie

Halbgruppen, Gruppen, Ringe

Im gesamten Kapitel sei Ω eine nichtleere Menge. Wir bezeichnen die Potenzmenge

Funktion; trigonometrische Reihen; trigonometrische Polynome; gliedweise Integration; Integration und Grenzübergang; Fourier-

14.3 Berechnung gekrümmter Flächen

4.7 Der Taylorsche Satz

1 Eingebettete Untermannigfaltigkeiten des R d

3. Relationen Erläuterungen und Schreibweisen

Anwendungen des Fréchet-Abstandes Das Constrained Free Space Diagram zur Analyse von Körperbewegungen

Ebene algebraische Kurven

Übungen zur Vorlesung Funktionentheorie Sommersemester Lösungshinweise zum Klausurvorbereitungsblatt. (z) i f. 2xe (x2 +y 2) i2ye (x2 +y 2 ) 2

entspricht der Länge des Vektorpfeils. Im R 2 : x =

Analysis I. 11. Beispielklausur mit Lösungen

35 Stetige lineare Abbildungen

u + v = v + u. u + (v + w) = (u + v) + w. 0 V + v = v + 0 V = v v + u = u + v = 0 V. t (u + v) = t u + t v, (t + s) u = t u + s u.

Stichpunkte zum Abschnitt Analysis der Höheren Mathematik für Ingenieure I

10. Grenzwerte von Funktionen, Stetigkeit, Differenzierbarkeit. Der bisher intuitiv verwendete Grenzwertbegriff soll im folgenden präzisiert werden.

Induktive Limiten. Arpad Pinter, Tobias Wöhrer. 30. Jänner 2010

Transkript:

1 Metrische Räume 1 Metrische Räume In diesem Abschnitt wollen wir den Begriff des metrischen Raumes einführen und an einigen Beispielen illustrieren. Definition und Beispiele (1.1) Definition (Metrischer Raum) Sei M eine Menge, M =, und d : M M [0, ) eine Abbildung. Das Paar (M, d) heißt metrischer Raum, falls d folgende Eigenschaften für alle x, y, z M erfüllt: (i) Positiv-Definitheit: d(x, y) 0 und d(x, y) = 0 x = y (ii) Symmetrie: d(x, y) = d(y, x) (iii) Dreiecksungleichung: d(x, z) d(x, y) + d(y, z) Die Funktion d nennt man Metrik auf M. Im Folgenden werden wir verkürzend statt (M, d) oft M als metrischen Raum bezeichnen. (1.2) Bemerkung Man muss in der Definition die Nichtnegativität nicht fordern, da diese bereits von (i) und (iii) impliziert wird. Es ist leicht einzusehen, dass die Teilmenge N eines metrischen Raumes M selbst ein metrischer Raum ist, wenn wir die Einschränkung d N N : N N [0, ) betrachten. Wir nennen dies einen Unterraum des metrischen Raumes M. (1.3) Beispiele 1. Auf R kann man durch eine Metrik definieren. : R R R, (x, y) x y 1

1 Metrische Räume 2. Sei m eine natürliche Zahl. Auf der Menge R m kann man durch d : R m R m R, (x, y) m k=1 (x k y k ) 2 eine Metrik definieren. Diese wird auch euklidische Metrik genannt nach Euklid von Alexandria. 3. Eine weitere Metrik auf dem R m ist durch d : R m R m R, (x, y) m x k y k k=1 gegeben. Man bezeichnet sie als Manhattan-Metrik, da sie im Spezialfall m = 2 wie ein Wohnblock in Manhattan visualisiert werden kann (hierbei beschreibt die orangefarbene Strecke die euklidische Metrik, die blaue/grüne Linie verkörpert zwei mögliche Wege der Manhattan-Metrik): 4. Man kann auf jeder Menge M eine Metrik durch { 1, für m = n, d : M M R, (m, n) 0, sonst. definieren. Diese bezeichnet man als diskrete Metrik. Folgen (1.4) Definition (Folgen) Sei M ein metrischer Raum und a : N M eine Abbildung von N in M. Dann bezeichnet man a als Folge in M. Statt das Bild von n N mit a(n) zu bezeichnen, ist die Notation a n verbreitet. 2

2 Stetigkeit (1.5) Definition (Teilfolgen einer Folge) Seien (a n ) n N und (b n ) n N Folgen in M. Falls eine streng monoton wachsende Abbildung c : N N existiert, so dass b n = a c(n) für alle n N gilt, nennt man (b n ) n N eine Teilfolge von (a n ) n N. Bei einer Teilfolge lässt man also einige Glieder der Ursprungsfolge aus. Der Begriff der Konvergenz einer Folge lässt sich ebenfalls problemlos auf den allgemeinen Fall einer Folge in einem metrischen Raum übertragen, wenn man von der Metrik gebrauch macht. (1.6) Definition (Konvergenz einer Folge) Sei (M, d) ein metrischer Raum und (a n ) n N eine Folge in M. Man sagt (a n ) n N konvergiert gegen a M, wenn zu jedem ε > 0 ein N N existiert, so dass für alle n N die Ungleichung d (a, a n ) < ε gilt. Man nennt a dann auch den Grenzwert oder Limes von (a n ) n N und schreibt dafür a n a für n. (1.7) Satz Der Grenzwert einer im metrischen Raum M konvergenten Folge ist eindeutig bestimmt. (1.8) Satz Sei (a n ) n N gegen a konvergent und (b n ) n N eine beliebige Teilfolge von (a n ) n N. Dann konvergiert auch (b n ) n N gegen a. 2 Stetigkeit Im ersten Semester beschränkten wir uns auf die Untersuchung von Abbildungen mit reellem (komplexem) Definitions- und Wertebereich. Wir wollen nun Abbildungen von einem metrischen Raum in einen anderen betrachten und das bekannte Konzept der Stetigkeit, das wir bereits bei reellen (komplexen) Funktionen kennengelernt haben, übertragen. (2.1) Definition (Stetigkeit) Seien (M, d 1 ), (N, d 2 ) metrische Räume und f : M N eine Abbildung. Wir sagen, dass f stetig im Punkt x 0 M ist, falls für jedes ε > 0 ein δ > 0 existiert, so dass für jedes x M mit d 1 (x, x 0 ) < δ die Ungleichung d 2 ( f (x), f (x 0 )) < ε folgt. Falls f in jedem Punkt aus M stetig ist, sagt man auch, dass f stetig auf M ist. (2.2) Bemerkung Falls M, N R und d 1 = d 2 = ist, stimmt diese Definition mit der aus dem reellen Fall bekannten überein. 3

(2.3) Satz (Charakterisierung der Stetigkeit durch Folgen) Seien (M, d 1 ), (N, d 2 ) metrische Räume und f : M N eine Abbildung von M nach N. Die Abbildung f ist genau dann im Punkt x 0 M stetig, wenn für jede Folge (a n ) n N, die gegen x 0 konvergiert, die Folge ( f (a n )) n N gegen f (x 0 ) konvergiert. (2.4) Satz (Verknüpfung stetiger Funktionen) Seien M, N, P metrische Räume und f : M N, g : N P stetige Abbildungen. Dann ist g f : M P stetig. (2.5) Beispiel Für jeden festen Punkt m eines metrischen Raumes (M, d) ist die Abbildung d M : M R, x d (m, x) stetig, wenn man R mit der Standardmetrik versieht. (2.6) Bemerkung Die Folgenbedingung liefert eine einfache Möglichkeit, zu entscheiden, ob eine konkrete Abbildung stetig ist oder nicht. In der Mathematik versucht man häufig, Objekte, die gewisse Eigenschaften gemeinsam haben oder unter manchen Gesichtspunkten übereinstimmen, in Klassen bzw. Mengen zusammenzufassen. So kennen wir aus dem 1. Semester bereits bijektive Abbildungen als Werkzeug, um zu entscheiden, welche Mengen wir als gleichmächtig betrachten wollen, und damit für uns unter dem Aspekt der Mächtigkeit ununterscheidbar sind. Des Weiteren haben wir für D R die stetigen Funktionen von D nach R in der Menge C 0 (D) wiedergefunden. Im Fall metrischer Räume werden uns stetige Abbildungen mit einigen zusätlichen Eigenschaften als zentrales Hilfsmittel bei der Untersuchung, welche Räume wir in einer Kategorie zusammenfassen wollen, dienen. (3.1) Definition (Homöomorphismus) Seien M, N metrische Räume. Eine bijektive Abbildung f : M N wird Homöomorphismus genannt, wenn f stetig ist und eine ebenfalls stetige Umkehrabbildung besitzt. Man sagt dann auch, dass die metrischen Räume homöomorph sind und schreibt dafür kurz X = Y. 4

(3.2) Satz In der Tat wird durch = eine Äquivalenzrelation auf der Menge der metrischen Räume definiert. (3.3) Bemerkung Die Äquivalenzklassen nennt man in diesem Fall auch Homöomorphieklassen. Anschaulich ist ein Homöomorphismus eine Abbildung zwischen metrischen Räumen, die durch Dehnen, Strecken oder andersartige Verformungen, ohne den Raum zu zerschneiden oder zerreißen, ineinander überführt werden können. (3.4) Beispiel An dem folgendem Bild kann man sehen, dass der Umfang des Kreises homöomorph zum Umfang des Dreiecks ist. Dasselbe gilt für Kreise und Rechtecke (im R 2 ): 5

Man könnte der Ansicht sein, dass die Stetigkeit der Umkehrfunktion durch die Stetigkeit der Abbildung impliziert wird. Dass dies nicht gilt, zeigt das folgende Gegenbeispiel. (3.5) Beispiel Wir betrachten I := [0, 2π) und die Funktion f : I S 1, x (cos x, sin x), wobei S 1 := { (x, y) R 2 : x 2 + y 2 = 1 } der Einheitskreis in der Ebene ist. (3.6) Bemerkung Wir haben die Unstetigkeit der Umkehrabbildung belegt. Damit ist nicht bewiesen, dass es überhaupt keine homöomorphe Abbildung von I nach S 1 gibt. Um dieses Ziel zu erreichen, führen wir zuerst einen weiteren Begriff ein. (3.7) Definition (Folgenkompaktheit) Eine Teilmenge A eines metrischen Raumes M ist folgenkompakt, wenn jede Folge (a n ) n N in A eine konvergente Teilfolge (a nk ) k N besitzt, die gegen einen Punkt x 0 A konvergiert. (3.8) Satz Das stetige Bild einer folgenkompakten Menge ist folgenkompakt. (3.9) Lemma (Folgenkompaktheit des Einheitsquadrates) Die Menge A = {(x, y) 1 x 1 1 y 1} versehen mit der euklidischen Metrik ist folgenkompakt. (3.10) Lemma Das Intervall [0, 2π) ist nicht folgenkompakt. (3.11) Satz S 1 und I sind nicht homöomorph. (3.12) Beispiel Als Beispiel zweier metrischer Räume, die zueinander homöomorph sind, führen wir R und das offene Intervall ( 1, 1) (jeweils mit der Standardmetrik versehen) an. 6

Literatur Literatur [1] C. C. Pugh: Real Mathematical Analysis, Springer Science+Business Media, Inc., USA, (2002), 51 59, 76. [2] R. Walter: Einführung in die Analysis, Band 1, Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 10785 Berlin, (2007), 271. [3] A. Krieg: Analysis I, RWTH Aachen, Aachen, (2007). [4] O. Forster: Analysis 2, Vieweg + Teubner, Wiesbaden, (2008), 18. 7