PD Dr. Daniel Effer-Uhe. Recht für Wirtschaftswissenschaftler (privatrechtlicher Teil)

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Transkript:

PD Dr. Daniel Effer-Uhe Recht für Wirtschaftswissenschaftler (privatrechtlicher Teil)

Unmöglichkeit Unterscheidung anfängliche Unmöglichkeit (Leistungshindernis liegt schon bei Vertragsschluss vor) nachträgliche Unmöglichkeit (Leistungshindernis tritt erst nach Vertragsschluss ein) Unterscheidung subjektive Unmöglichkeit (die Leistung ist für jedermann unmöglich) Umöglichkeit nur für den Schuldner (subjektive Unmöglichkeit/Unvermögen) 2

Unmöglichkeit Faktische Unmöglichkeit nach 275 II: Die Leistung des Schuldners erfordert einen Aufwand, der in einem groben Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Gläubigers liegt. Das führt nicht zu einem automatischen Entfallen des Leistungsanspruchs, vielmehr muss sich der Schuldner darauf berufen. Beispiel: Der Goldschmied G von der Nordseeinsel Norderney fertigt für K, der auf dem Festland wohnt, eine Goldkette. Als G die Kette dem K bringen will, gerät sein Schiff in einen Sturm; die Goldkette geht über Bord, könnte aber unter erheblichen Kosten von Tauchern geborgen werden. Persönliche Unmöglichkeit nach 275 III: Dem Schuldner ist die Vornahme einer persönlich zu erbringenden Leistung unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zuzumuten. Beispiel: B bucht einen Auftritt des weltberühmten Gitarristen G für die Feier seines 50. Geburtstags. Am Abend der Feier teilt G dem B mit, er müsse kurzfristig absagen, weil sein Vater im Sterben liege. 3

Schicksal der Gegenleistung bei Unmöglichkeit der Hauptleistung Grundsatz: 326 I S. 1 BGB: Wenn der Schuldner seine Leistung nach 275 I-III BGB nicht erbringen muss, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung. Hat der Gläubiger seine Gegenleistung schon bewirkt, beispielsweise den Kaufpreis schon bezahlt, kann er sie nach 346 I, 326 IV BGB zurückfordern, ohne dafür noch eine Rücktrittserklärung abgeben zu müssen. Also: Der Schuldner trägt im Grundsatz die Gegenleistungsgefahr / Vergütungsgefahr / Preisgefahr. Davon gibt es allerdings Ausnahmen ( 326 II S. 1, III sowie besondere Gefahrtragungsregeln wie 446 f. BGB) 4

Recht für Wirtschaftswissenschaftler Der Abschluss eines Vertrags führt regelmäßig zur Entstehung von Ansprüche und Pflichten zwischen den Vertragsparteien. Solche Ansprüche bezeichnet man, wenn sie sich unmittelbar aus dem Vertrag ergeben, als Primäransprüche (bzw. aus Sicht des Verpflichteten Primärpflichten ). Wenn der Schuldner eine dieser Primärpflichten verletzt, können daraus weitere Ansprüche folgen, die sog. Sekundäransprüche. Beispiel: K und V schließen einen Kaufvertrag über einen Computer. Mit Vertragsschluss entstehen primäre Ansprüche: K kann nach 433 I BGB Lieferung und Übereignung des mangelfreien Computers verlangen, V nach 433 II BGB Zahlung des Kaufpreises. Falls V einen mangelhaften Computer liefert, kann K nun die sekundären Ansprüche bzw. Rechte gemäß 437 BGB geltend machen (Reparatur, Austausch, Rücktritt, Minderung, Schadensersatz). 5

Rechtsfolgen von Leistungsstörungen sind im sog. Leistungsstörungsrecht geregelt. Im Folgenden wird zunächst das Allgemeine Leistungsstörungsrecht besprochen, das immer dann zum Zuge kommt, wenn keine Spezialregelungen existieren. In manchen Bereichen ist das Leistungsstörungsrecht allerdings speziell geregelt, insbesondere im Kaufrecht (vgl. 437 BGB). Bei Folgeschäden aufgrund einer Pflichtverletzung ist ein Rücktritt für den Geschädigten nicht befriedigend, da er nur zur Rückabwicklung der Leistungen führt, nicht dagegen zum Ersatz eingetretener Schäden. Stattdessen ist zu prüfen, ob ein Schadensersatzanspruch besteht. 6

Recht für Wirtschaftswissenschaftler Grundtatbestand des vertraglichen Schadensersatzrechts: 280 I BGB Voraussetzungen: 1. Schuldverhältnis zwischen Geschädigtem (Gläubiger) und Schädiger (Schuldner) 2. Verletzung einer Pflicht aus diesem Schuldverhältnis durch den Schuldner 3. Vertretenmüssen der Pflichtverletzung durch den Schuldner. Bei bestimmten Schadensersatzansprüchen kommen noch weitere Voraussetzungen hinzu, vgl. 280 II, III BGB. Die Voraussetzungen der Schadensersatzansprüche gehen über die Voraussetzungen eines Rücktritts hinaus, insbesondere wird ein Vertretenmüssen (grundsätzlich Verschulden = Vorsatz oder Fahrlässigkeit, vgl. 276 BGB, aber Modifikationen möglich, z.b. 300 I BGB als Haftungsprivilegierung oder 287 S. 2 BGB als Haftungsverschärfung) vorausgesetzt. 7

Schuldverhältnisse i.s.d. 280 I BGB können in erster Linie durch einen Vertrag zwischen Gläubiger und Schuldner begründet werden. Ausnahmsweise können auch Dritte in die Schutzwirkung eines Schuldverhältnisses einbezogen sein. Voraussetzungen: 1. der Dritte soll bestimmungsgemäß mit der Leistung in Kontakt kommen, 2. der Gläubiger hat ein besonderes Interesse an der Einbeziehung des Dritten, 3. der Schuldner kann das bei Vertragsschluss erkennen. Beispiel: Die G-AG beauftragt den Bauunternehmer B mit der Erstellung eines großen Bürokomplexes. Da B versehentlich für die Fassade ein falsches Baumaterial verwendet hat, fallen nach einiger Zeit Fassadenstücke ab. A, Arbeitnehmer der G-AG, wird auf dem Weg zur Arbeit beim Betreten des Gebäudes von einem Fassadenstück getroffen und verletzt. 8

Ausnahmsweise kann ein Schuldverhältnis mit Schutz- und Rücksichtnahmepflichten schon im Vorfeld eines Vertrags zustande kommen ( vorvertragliches Schuldverhältnis, 311 II, 241 II BGB). Bei Verletzung dieser Pflichten kommt dann ein Schadensersatzanspruch aus 280 I BGB in Betracht ( culpa in contrahendo Verschulden bei Vertragsverhandlungen). Beispiel: K geht in das Geschäft des G, um die Wochenendeinkäufe zu erledigen. Schon kurz nach Betreten des Ladenlokals rutscht K auf einem am Boden liegenden Salatblatt aus, das G zwar gesehen, aber nicht entfernt hatte. 9

Eine Pflichtverletzung i.s.d. 280 I BGB ist jedes objektive Abweichen des Verhaltens oder der Leistung einer Partei vom geschuldeten Pflichtenprogramm. Das nach 280 I S. 2 erforderliche Vertretenmüssen lässt sich mit Verschulden (= Vorsatz oder Fahrlässigkeit, 276 BGB) umschreiben, allerdings sind Modifikationen möglich. Der Schuldner hat das fehlende Vertretenmüssen zu beweisen. Das ergibt sich aus der negativen Formulierung des 280 I S. 2 BGB ( dies gilt nicht, wenn ). Wenn sich der Schuldner zur Erbringung seiner Leistungspflichten anderer Personen bedient ( Erfüllungsgehilfen ), muss er sich deren Verschulden nach 278 BGB zurechnen lassen. 10

Beispiel: S betreibt ein Restaurant, in dem G ein Essen bestellt und ausdrücklich darauf hinweist, dass er allergisch gegen Erdnüsse ist. Der Kellner K behauptet aus Unkenntnis, das Gericht enthalte keine Erdnüsse, ohne in der Küche nachzufragen. Es kommt zu einer allergischen Reaktion, aufgrund derer G zwei Tage ins Krankenhaus muss. Anspruch G gegen S aus 280 I BGB? - Schuldverhältnis zwischen S und G (+) - Pflichtverletzung des S (+) - Vertretenmüssen des S (+) [kein eigenes Verschulden, aber Zurechnung des Verschuldens von K aufgrund von 278 BGB] => Schadensersatzanspruch G gegen S aus 280 I BGB (+) 11

Besondere zusätzliche Voraussetzungen bei Verzögerungsschäden ( 280 II, 286 BGB) und beim Schadensersatz statt der Leistung nach 280 III, 281-283 BGB Beim Verzögerungsschaden ist nach 286 BGB grundsätzlich eine Mahnung erforderlich: Der Schuldner kommt nach 286 I BGB in Verzug, wenn er eine fällige und durchsetzbare Leistung trotz Mahnung nicht erbringt (Kurzformel: Nichtleistung trotz Fälligkeit und Mahnung). Fälligkeit tritt nach 271 BGB grundsätzlich sofort ein, andere Absprachen zwischen den Parteien sind aber möglich. Die Mahnung ist eine rechtsgeschäftliche Handlung des Gläubigers, die dem Schuldner zugehen muss und die eindeutige und bestimmte Aufforderung zur Leistung enthält. 12

Nach 286 II BGB kann der Schuldner in bestimmten Konstellationen auch ohne Mahnung in Verzug geraten: - Nr. 1: wenn eine Leistungszeit nach dem Kalender bestimmt ist ( Lieferung morgen der Verzug tritt dann mit Ablauf des vereinbarten Tages ein) - Nr. 2: wenn sich die Leistungszeit vom Eintritt eines bestimmten Ereignisses an nach dem Kalender bestimmen lässt (Vereinbarung Zahlung innerhalb von 7 Tagen nach Erhalt der Ware Achtung: bloß einseitiger Hinweis auf der Rechnung genügt nicht, dann aber ggf. Verzugseintritt nach 286 III BGB) - Nr. 3: bei ernsthafter und endgültiger Leistungsverweigerung des Schuldners - Nr. 4: bei Vorliegen besonderer Umstände, die bei Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Verzugseintritt rechtfertigen 13

Beispiel: G betreibt eine Selbstbedienungstankstelle. S tankt dort für 80 EUR und fährt weg, ohne zu bezahlen. G gelingt es, mit Hilfe von Kameraaufnahmen den S zu ermitteln. Allerdings muss er zur Ermittlung des S Kosten in Höhe von weiteren 50 EUR aufwenden. S schuldet die 80 EUR Benzinkosten aus 433 II BGB. Bei den Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 50 EUR handelt es sich dagegen um einen Schaden. Erforderlich ist also ein Schadensersatzanspruch. Der Schaden ist hier wegen der verspäteten Zahlung eingetreten wäre S sofort zur Kasse gegangen und hätte gezahlt, wäre es nicht zu den Rechtsverfolgungskosten gekommen. Es müssen daher nicht nur die Voraussetzungen von 280 I BGB, sondern auch von 286 BGB vorliegen. Hier fehlt die Mahnung nach 286 I BGB. Sie ist allerdings nach 286 II Nr. 4 unter Abwägung der beiderseitigen Interessen entbehrlich. 14

Recht für Wirtschaftswissenschaftler Auch wenn die Mahnung nicht nach 286 II BGB entbehrlich ist, gerät der Schuldner einer Entgeltforderung nach 286 III BGB spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung in Verzug. Ein Verbraucher muss allerdings auf diese Folge hingewiesen worden sein. Der Verzugsschadensersatz erfasst alle Schadenspositionen, die allein auf der Verzögerung der Leistung beruhen und nach Eintritt des Verzugs entstanden sind. Die Kosten für die verzugsbegründende Erstmahnung sind also nicht ersatzfähig, da sie schon vor Verzugseintritt entstehen. Während des Verzugs besteht ein Zinsanspruch nach 288 I, II BGB (5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz = derzeit 4,12 %; im unternehmerischen Rechtsverkehr 9 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz = 8,12 %); der Ersatz höherer Schäden ist nach 288 IV BGB möglich. Zwischen Kaufleuten außerdem auch ohne Verzug 5 % Zinsen ab Fälligkeit ( 352, 353 HGB). Im unternehmerischen Rechtsverkehr pauschalierte Beitreibungskosten in Höhe von 40 EUR nach 288 V BGB. 15

Besondere Kategorie von Schadensersatzansprüchen nach 280 III BGB in Verbindung mit 281, 282 oder 283 BGB: Schadensersatzansprüche statt der Leistung Bei diesen Ersatzansprüchen reichen die Voraussetzungen von 280 I BGB nicht aus, vielmehr müssen weitere Voraussetzungen gegeben sein (z.b. nach 281 I BGB grundsätzlich eine Fristsetzung) Abgrenzung zwischen dem einfachen Schadensersatz nach 280 I BGB und dem Schadensersatz statt der Leistung nach 280 I, III, 281-283 BGB nach der Art des Schadens: Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung umfasst sämtliche Schadenspositionen, die durch die ordnungsgemäße Erbringung der geschuldeten Leistung im Zeitpunkt des Schadensersatzbegehrens noch hätten verhindert werden können. Schadensersatz statt der Leistung ist also mit anderen Worten etwas, was der Gläubiger anstelle der Leistung verlangt. 16

Wenn der Gläubiger Schadensersatz statt der Leistung verlangt, sind neben den allgemeinen Voraussetzungen des 280 I BGB zusätzlich die Anforderungen der 281, 282 oder 283 BGB zu prüfen. Welche Norm im konkreten Fall zu prüfen ist, richtet sich nach der Art der Pflichtverletzung: - Nichtleistung oder mangelhafte Leistung trotz Möglichkeit => 281 BGB - Unmöglichkeit der Leistung => 283 BGB - ausnahmsweise Schadensersatz statt der Leistung schon wegen Verletzung einer bloßen Nebenpflicht => 282 BGB 17

Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung wegen Nicht- oder Schlechtleistung nach 280 I, III, 281 BGB: 1. Schuldverhältnis ( 280 I BGB) 2. Pflichtverletzung ( 280 I S. 1 BGB) [= Nicht- oder Schlechtleistung] 3. Vertretenmüssen ( 280 I S. 2 BGB) [ Verschulden, 276 BGB] 4. Nichtleistung nach Fristsetzung und Ablauf einer angemessenen Frist ( 281 I S. 1 BGB) oder Entbehrlichkeit der Fristsetzung ( 281 II BGB) Rechtsfolge: Schadensersatz, im Fall der Schlecht- oder Teilleistung möglich als kleiner Schadensersatz (Gläubiger behält die Teilleistung und verlangt Schadensersatz wegen des ausstehenden Teils) oder großer Schadensersatz (Gläubiger gibt die Teilleistung zurück und verlangt Schadensersatz wegen der ganzen Leistung) Voraussetzung für den großen Schadensersatz - nach Teilleistung: kein Interesse an der Teilleistung ( 281 I S. 2 BGB) - nach Schlechtleistung: Pflichtverletzung nicht unerheblich ( 281 I S. 3 BGB) 18

Recht für Wirtschaftswissenschaftler Wenn die Leistung des Schuldners nach 275 I-III BGB unmöglich ist, hat der Gläubiger nach 280 I, III, 283 BGB einen Schadensersatzanspruch. Voraussetzung: 1. Unmöglichkeit nach 275 I BGB oder Leistungsverweigerung nach 275 II, III BGB ( 283 BGB) 2. Schuldverhältnis ( 280 I BGB) 3. Pflichtverletzung ( 280 I S. 1 BGB) 4. Vertretenmüssen ( 280 I S. 2 BGB) Fristsetzung ist nicht erforderlich sie wäre von vornherein sinnlos, weil der Schuldner ja nicht leisten kann oder nach 275 II, III BGB nicht leisten muss. Bsp.: K kauft von V am 01.07. einen Gebrauchtwagen im Wert von 4.400 EUR zu einem Preis von 4.000 EUR. Vereinbart wird, dass der V den Wagen noch für eine Urlaubsreise nutzen darf und am 15.07. übergibt. Auf der Rückfahrt kommt es allerdings zu einem von V selbst verschuldeten Unfall, bei dem das Auto vollständig zerstört wird. 19

Wenn die Leistung schon bei Abschluss des Vertrags unmöglich war (sog. anfängliche Unmöglichkeit ), bleibt der Vertrag wirksam ( 311a I BGB). Der Schadensersatzanspruch richtet sich dann nicht nach 280 I, III, 283 BGB, sondern nach der spezielleren Regelung in 311a II BGB. Grundlage der Schadensersatzpflicht ist nicht die Verletzung der Leistungspflicht (die ja wegen 275 I BGB nicht besteht), sondern die Nichterfüllung des nach 311a I BGB wirksamen Leistungsversprechens. Hinzukommen muss ein Vertretenmüssen des Schuldners. Es genügt, dass der Schuldner das Leistungshindernis bei Vertragsschluss kannte oder hätte kennen müssen. Bsp.: Wenn dem V wenige Minuten vor Vertragsschluss der verkaufte Gebrauchtwagen entwendet wird, wird man ihm die Unkenntnis in der Regel nicht vorwerfen können. Wenn dagegen das Auto schon anderthalb Wochen vorher gestohlen wurde und der V das tagelang nicht gemerkt hat, wird man ihm Fahrlässigkeit vorwerfen können, so dass K einen Schadensersatzanspruch 20 hätte.

Kaufmängelgewährleistung Bis jetzt haben wir uns mit dem Allgemeinen Leistungsstörungsrecht beschafft, also Regelungen, die sich im Allgemeinen Teil des Schuldrechts finden und damit grundsätzlich für alle Schuldverhältnisse gelten, soweit es keine spezielleren Regelungen gibt. Für einige Vertragstypen hat der Gesetzgeber aber besondere Regelungen geschaffen, die das allgemeine Leistungsstörungsrecht ergänzen oder teilweise ersetzen. Besonders wichtig ist das Kaufmängelgewährleistungsrecht, also das besondere Leistungsstörungsrecht für den Kaufvertrag ( 434 ff. BGB). Die zentrale Norm, die die Rechte des Käufers regelt, wenn der Verkäufer mangelhaft leistet, ist 437 BGB. 21

Kaufmängelgewährleistung 437 BGB ist die zentrale Weichenstellung für die weitere Prüfung der Kaufmängelgewährleistungsrechte: Ist die Sache mangelhaft, => Prüfung eines Mangels nach 434 f. BGB kann der Käufer, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften Vorliegen => Prüfung der einzelnen in Nr. 1 bis 3 genannten Grundvoraussetzung: Mangel, insbesondere Sachmangel (definiert in 434 BGB) Entscheidender Zeitpunkt, zu dem der Mangel vorliegen muss: Zeitpunkt des Gefahrübergangs ( 434 I S. 1 BGB), also regelmäßig der Übergabe ( 446 BGB) Ab dem Zeitpunkt des Gefahrübergangs richten sich die Rechte des Käufers bei einem Mangel nach 434 ff. BGB, also dem besonderen Kaufmängelgewährleistungsrecht. Vor der Übergabe findet noch das allgemeine Leistungsstörungsrecht der 280 ff., 323 ff. BGB Anwendung. 22

Kaufmängelgewährleistung - Sachmangelbegriff Mangelhaftigkeit der Kaufsache: Abweichung der Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit Bezugspunkt für Sollbeschaffenheit: grundsätzlich Parteivereinbarung (subjektiver Fehlerbegriff, 434 I S. 1 BGB); bei fehlender Vereinbarung objektiver Fehlerbegriff: Eignung für die vertragliche vorausgesetzte Verwendung ( 434 I S. 2 Nr. 1 BGB), hilfsweise (wenn keine besondere Verwendung vorausgesetzt ist): Eignung für die gewöhnliche Verwendung bei Beschaffenheit, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Außerdem 434 II BGB: Sachmangel auch dann, wenn vereinbarte Montage durch Verkäufer (oder dessen Erfüllungsgehilfen) unsachgemäß durchgeführt oder Montageanleitung mangelhaft (und Sache nicht trotzdem fehlerfrei montiert) [ IKEA-Klausel ]. 434 III BGB: Sachmangel auch bei Lieferung einer anderen Sache oder einer zu geringen Menge 23

Kaufmängelgewährleistung Besonderheiten beim Verbrauchsgüterkauf Entscheidender Zeitpunkt, in dem die Sache mangelhaft sein muss, ist wie schon gesagt der Zeitpunkt des Gefahrübergangs, also nach 446 S. 1 BGB in der Regel der Zeitpunkt der Übergabe an den Käufer. Bei späterer Verschlechterung hat der Käufer keine Sachmängelgewährleistungsansprüche. Allerdings Besonderheit im Bereich des Verbrauchsgüterkaufs (also wenn ein Verbraucher von einem Unternehmer eine bewegliche Sache kauft, 474 I BGB) nach 476 BGB: Wenn sich ein Sachmangel innerhalb der ersten sechs Monate nach Gefahrübergang zeigt, wird vermutet, dass die Sache schon bei Gefahrübergang mangelhaft war. Es muss also dann der Verkäufer diese Vermutung widerlegen. Bsp.: Verbraucher K kauft beim Elektronikfachhändler V eine Schutzhülle für sein Smartphone aus Hartplastik. Diese Hülle ist laut Verpackungsaufdruck genau für das Modell, das K benutzt, geeignet. Nach drei Wochen bricht eine Ecke der Schutzhülle über Nacht ohne erkennbaren Grund ab. 24