1.1. L Lernen. Einführung in das Verfassungsrecht. Kapitel 1: Der Begriff Verfassungsrecht

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Transkript:

1.1 Einführung in das Verfassungsrecht Kapitel 1: Der Begriff Verfassungsrecht L Lernen Verfassungsrecht im materiellen Sinn Verfassungsrecht im formellen Sinn Der Begriff Verfassungsrecht wird in unterschiedlicher Bedeutung verwendet: Verfassungsrecht im materiellen Sinn Zum einen um Regelungen mit einem bestimmten Inhalt zu umschreiben. Wir sprechen in diesem Zusammenhang genauer von Verfassungsrecht im materiellen Sinn. Verfassungsrecht im materiellen Sinn enthält Regelungen über den Aufbau, die Organisation, die Machtverteilung und die Rechtserzeugung in einem Staat. In welcher Rechtsform die Regelung erlassen wurde ob in Form eines Verfassungsgesetzes oder eines einfachen Gesetzes ist dabei irrelevant. 1 Abs 1 NRWO normiert: Der Nationalrat besteht aus 183 Mitgliedern, die nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gewählt werden. Diese Bestimmung ist Verfassungsrecht im materiellen Sinn, weil näher geregelt wird, wie sich das Gesetzgebungsorgan Nationalrat zusammensetzt; die Regelung betrifft damit die Organisation der Gesetzgebung. Verfassungsrecht im formellen Sinn Zum anderen spricht man von Verfassungsrecht im Zusammenhang mit Regelungen, die in einem bestimmten Rechtserzeugungsverfahren, einer bestimmten Form, erzeugt wurden (erhöhte Quoren im Nationalrat, Bezeichnung als Verfassungsgesetz bzw Verfassungsbestimmung Art 44 Abs 1 B-VG, siehe S 80). Wenn wir den Begriff Verfassungsrecht Perthold-Stoitzner 3

L Lernen Ü Üben W Wissen 1.1 Einführung in das Verfassungsrecht mit diesem Sinn verwenden, sprechen wir von Verfassungsrecht im formellen Sinn. Welchen Inhalt die Regelung hat, ist dabei irrelevant. So etwa die Verfassungsbestimmung des 103 Abs 2 letzter Satz KFG, in der im Zusammenhang mit der Verpflichtung des Zulassungsbesitzers zur Auskunftserteilung darüber, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt hat, normiert wird, dass gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, Rechte auf Auskunftsverweigerung zurücktreten. Vielfach wird Verfassungsrecht im materiellen Sinn durch Verfassungsrecht im formellen Sinn geregelt. So zum Beispiel die Bestimmungen im Zweiten Hauptstück des B-VG über die Gesetzgebung des Bundes (Art 24ff B-VG), in dem Regelungen über die Gesetzgebungsorgane und den Weg der Bundesgesetzgebung (also das Gesetzgebungsverfahren) getroffen werden. Die Verfassung selbst sieht jedoch auch einige Ausnahmen vor, in dem die Ermächtigung erteilt wird, Verfassungsrecht im materiellen Sinn in einfachgesetzlicher Form zu regeln. Etwa im Zusammenhang mit der Organisation der Gesetzgebung des Bundes und dem Gesetzgebungsverfahren des Bundes: Nach Art 26 Abs 8 B-VG werden die näheren Bestimmungen über die Wahl zum Nationalrat durch Bundesgesetz getroffen. Art 30 Abs 2 B-VG ermächtigt zur Erlassung eines Bundesgesetzes über die Geschäftsordnung des Nationalrats. Nach Art 41 Abs 3 B-VG sind die näheren Bestimmungen über das Verfahren für das Volksbegehren, mit dem ein Gesetzesantrag an den Nationalrat gestellt wird, durch Bundesgesetz zu treffen. Nach Art 46 Abs 3 B-VG sind die näheren Bestimmungen über das Verfahren für die Volksabstimmung (über einen Gesetzesbeschluss) durch Bundesgesetz zu treffen. Art 49 Abs 4 B-VG bestimmt, dass die näheren Bestimmungen über die Kundmachung im Bundesgesetzblatt durch Bundesgesetz getroffen werden. Rechtsüberleitung nach Bruch der Rechtskontinuität Verfassungsrecht ist ein politisch äußerst bedeutsamer Teil der Rechtsordnung. Nach politischen Umbrüchen wird die Verfassung eines Staates oft neu geregelt. Rechtsbruch Rechtsüberleitung Erfolgt diese Neuregelung nicht auf Grundlage der bisher geltenden Verfassungsregelungen also nicht kontinuierlich, sondern auf Grund eines revolutionären Aktes tritt die frühere Rechtsordnung insgesamt (die Verfassung und die aus ihr abgeleiteten Normen) außer Kraft; es kommt zu einem Bruch der Rechtsordnung (man spricht auch von einer Diskontinuität). Sollen abgeleitete Normen auch unter dem neuen Verfassungsregime gelten, müssen sie übergeleitet werden, indem man anordnet, dass die bisherigen Regelungen weiterhin gelten. Man spricht von Rechtsüberleitung. Dabei handelt es sich um eine Art vereinfachte Erlassung von Regelungen, deren Inhalt sich aus Regelungen einer früher geltenden Rechtsordnung ergibt. 4 Verfassungsrecht Perthold-Stoitzner

Kapitel 1: Der Begriff Verfassungsrecht So bestimmt das Verfassungsgesetz vom 1. Mai 1945 über die Wiederherstellung des Rechtslebens in Österreich (Rechts-Überleitungsgesetz R-ÜG), StGBl 1945/6 in 2: Alle übrigen Gesetze und Verordnungen [gemeint ist mit Ausnahme der in 1 genannten], die nach dem 13. März 1938 für die Republik Österreich oder ihre Teilbereiche erlassen wurden, werden bis zur Neugestaltung der einzelnen Rechtsgebiete als österreichische Rechtsvorschriften in vorläufige Geltung gesetzt. Wenn die Rechtsformen der neuen Verfassungsrechtsordnung nicht mit jenen der alten übereinstimmen, ist eine Einordnung in das neue Rechtssystem schwierig. Man kann sich in einem solchen Fall allenfalls daran orientieren, in welcher Form Regelungen dieses Inhalts nach der neuen Rechtsordnung erfolgen müssten. 1 Grundlagen Verfassungsrecht und Völkerrecht Staaten stehen aber auch mit anderen Staaten in Rechtsbeziehungen. Diese werden durch das Völkerrecht geregelt. Völkerrechtliche Regelungen beeinflussen daher auch das staatliche Recht und haben damit auch Einfluss auf das Verfassungsrecht eines Staates (siehe S 15ff). Dies kann zum einen unmittelbar geschehen: So bestimmt etwa Art 18 AEUV: Unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge ist in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten. Diese europarechtliche Regelung ist innerstaatlich unmittelbar anwendbar. Das bedeutet etwa, dass die Erwerbsfreiheit, die nach dem Wortlaut des Art 6 StGG jedem Staatsbürger gewährt wird, auch für alle Unionsbürger gilt. Zum anderen kann Völkerrecht in innerstaatliches Verfassungsrecht umgesetzt ( transformiert, siehe S 20f) werden: Österreich ist im Jahr 1958 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), einer völkerrechtlichen Vereinbarung, beigetreten. Im Jahr 1964 wurde die völkerrechtliche Vereinbarung rückwirkend als innerstaatliches Verfassungsrecht in Kraft gesetzt. Die österreichische Verfassung B-VG StGG 1867 Wenn man von der österreichischen Verfassung spricht, meint man das Bundes- Verfassungsgesetz (B-VG). Es wurde 1920 erlassen, 1925 und 1929 wesentlich novelliert, 1930 wiederverlautbart (weshalb als Stammfassung des Gesetzes BGBl 1930/1 angegeben wird), 1934 (nach einem Bruch der Rechtsordnung) außer Kraft gesetzt, 1945 wieder in Kraft gesetzt und ist seitdem ununterbrochen in Geltung, wenn auch häufig novelliert worden. Die Bestimmungen des B-VG werden durch andere Verfassungsnormen ergänzt; insb das Staatsgrundgesetz vom 21. December 1867, über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder (StGG; es regelt grundlegende Rechte der Bürger; auf Grund von Art 149 Abs 1 B-VG gilt es seit Inkrafttreten des B-VG als Bundesverfassungsgesetz) und Verfassungsrecht Perthold-Stoitzner 5

L Lernen Ü Üben W Wissen 1.1 Einführung in das Verfassungsrecht EMRK kein Inkorporationsgebot die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK oder EMRK), die allen Menschen bestimmte Rechte einräumt. Einfachgesetzliche Einschränkungen dieser Freiheiten sind nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt (etwa für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, siehe S 284f). Die österreichische Bundesverfassung kennt keine Verpflichtung, alle Verfassungsbestimmungen in einer Urkunde zu normieren also kein Inkorporationsgebot. Daher finden sich im österreichischen Recht sowohl andere Bundesverfassungsgesetze (BVG) als auch Verfassungsbestimmungen in einfachen Bundesgesetzen. Sie sind besonders als Verfassungsbestimmung gekennzeichnet und normieren in der Regel Ausnahmen von Bestimmungen des B-VG. 1 Abs 12 DMSG lautet: (Verfassungsbestimmung) Park- und Gartenanlagen, die in dem diesem Bundesgesetz angeschlossenen Anhang 2 aufgezählt werden, sind auch hinsichtlich jener Teile, die aus gestalteter Natur bestehen, Denkmale und somit Angelegenheiten des Denkmalschutzes im Sinne des Art 10 Abs 1 Z 13 B-VG. Die Regelung wurde deshalb als Verfassungsbestimmung erlassen, weil die Regelung über den Naturschutz, zu dem nach der Judikatur des VfGH auch Regelungen über Parkanlagen zählen, nach Art 15 Abs 1 B-VG in die Kompetenz der Länder fällt und im DMSG für bestimmte Parkanlagen eine Bundesgesetzgebungskompetenz begründet werden sollte. Kompetenzdeckungsklauseln Landesverfassungsrecht Derartige Verfassungsbestimmungen in einfachen Bundesgesetzen, mit denen die Regelungen des Gesetzes kompetenzrechtlich abgesichert werden sollen, werden als Kompetenzdeckungsklauseln bezeichnet. Neben dem Bundesverfassungsrecht gibt es in den Bundesländern Landesverfassungsrecht. Dieses darf dem Bundesverfassungsrecht nicht widersprechen (Art 99 Abs 1 B-VG; relative Verfassungsautonomie der Länder, siehe S 43), das B-VG lässt aber Freiräume, die durch die Landesverfassungen auszufüllen sind. So können die Länder in gewissem Rahmen die Legislaturperiode der Landtage selbstständig festlegen oder vorsehen, dass die zur Wahl des Gemeinderates Berechtigten den Bürgermeister direkt wählen (Art 117 Abs 6 B-VG). Stufenbaumodelle Der Umstand, dass man Normen nach inhaltlichen Kriterien (Erzeugungsnorm) und formalen Kriterien (Erzeugungsverfahren) betrachten kann, hat zur Entwicklung unterschiedlicher Gliederungsmodelle ( Stufenbaumodelle ) geführt: man unterscheidet 1. den Stufenbau nach der rechtlichen Bedingtheit und 2. den Stufenbau nach der derogatorischen Kraft. Stufenbau nach der rechtlichen Bedingtheit Im Stufenbaumodell nach der rechtlichen Bedingtheit wird der Erzeugungszusammenhang zwischen Normen dargestellt. Dieser ergibt sich (ausschließlich) aus einer inhaltlichen Betrachtung der Normen, da sich nur aus dem Inhalt einer Norm erkennen lässt, ob sie Erzeugungsnorm in Bezug auf eine andere Norm ist. In diesem Modell stehen Erzeugungsnormen über den erzeugten Normen. 6 Verfassungsrecht Perthold-Stoitzner

Kapitel 1: Der Begriff Verfassungsrecht So sind beispielsweise im Stufenbau nach der rechtlichen Bedingtheit die Regelungen des Art 26 B-VG, in dem Grundprinzipien der Wahl normiert werden und in Abs 8 zur Erlassung der NRWO ermächtigt wird, der NRWO übergeordnet. Die NRWO ihrerseits ist den vom Nationalrat erlassenen Bundesgesetzen (etwa dem Universitätsgesetz 2002 UG) übergeordnet, da sie regelt, wie der Nationalrat gewählt wird, sodass sie damit Teil der Erzeugungsnorm für einfache Bundesgesetze ist. Das Beispiel grafisch dargestellt: Stufenbau nach der rechtlichen Bedingtheit: 1 Grundlagen Art 26 B-VG NRWO UG In Bezug auf das Verfassungsrecht kann man also verallgemeinernd sagen: Normen, die Verfassungsrecht im materiellen Sinn sind, stehen im Stufenbau nach der rechtlichen Bedingtheit über den nach diesen Regeln erzeugten Normen. Stufenbau nach der derogatorischen Kraft Im Stufenbaumodell nach der derogatorischen Kraft werden die Derogationsbeziehungen von Normen dargestellt. Normen, die die rechtliche Kraft haben, andere Normen aufheben oder abändern zu können (derogatorische Kraft), von ihnen aber nicht aufgehoben oder abgeändert werden können, stehen über diesen Normen. Die derogatorische Kraft einer Norm kann man aus deren Form (der Art der Erzeugung) ableiten. Komplexer und damit in diesem Sinn schwieriger erzeugte Normen (zb Verfassungsrecht im formellen Sinn, das mit höheren Quoren im Nationalrat erzeugt wird, als einfachgesetzliche Bundesgesetze, siehe S 80) können einfacher (oder auch leichter ) erzeugte Normen (zb einfache Bundesgesetze) aufheben oder abändern, aber von ihnen letztlich nicht aufgehoben oder abgeändert werden (sonst hätte die Schwierigkeit der Erzeugung keinen Sinn). Daher stehen die schwieriger zu erzeugenden Normen im Stufenbaumodell nach der derogatorischen Kraft über leichter erzeugten Normen. Da Normen, die Bundesverfassungsrecht im formellen Sinn sind, im Stufenbaumodell nach der derogatorischen Kraft über einfachen Bundesgesetzen stehen, steht das B-VG (ein Bundesverfassungsgesetz) über der NRWO (einem einfachen Bundesgesetz). Das Beispiel grafisch dargestellt: Stufenbau nach der derogatorischen Kraft: Form BVG (zb B-VG) BG (zb NRWO) Verfassungsrecht Perthold-Stoitzner 7

L Lernen Ü Üben W Wissen 1.1 Einführung in das Verfassungsrecht Normen gleicher Form stehen im Stufenbaumodell nach der derogatorischen Kraft nebeneinander. So steht die Nationalratswahlordnung als einfaches Bundesgesetz auf gleicher Stufe, wie andere einfache Bundesgesetze (etwa das Universitätsgesetz 2002 UG). unterschiedliche Stellung Die Stellung einer Regelung kann also im Stufenbau nach der rechtlichen Bedingtheit und im Stufenbau nach der derogatorischen Kraft unterschiedlich sein, da die Gliederung nach unterschiedlichen Kriterien erfolgt: das eine Mal wird auf den Inhalt, das andere Mal auf die Form geachtet. Das BGBlG, ein einfaches Bundesgesetz, das nähere Regelung über die Kundmachung von Bundesgesetzen im Bundesgesetzblatt enthält, steht im Stufenbau nach der rechtlichen Bedingtheit über dem BDG, das nach den Regelungen des BGBlG im Bundesgesetzblatt kundgemacht wurde. Im Stufenbau nach der derogatorischen Kraft stehen BGBlG und BDG nebeneinander, das sie beide in derselben Form (einfaches Bundesgesetz) erlassen wurden. Das Beispiel grafisch dargestellt: rechtliche Bedingtheit Inhalt derogatorische Kraft Form Art 49 B-VG BVG BGBlG BG (BGBlG) BG (BDG) BDG Verfassungswidrige Gesetze und gesetzwidrige Verordnungen erlangen zwar zunächst Geltung, können aber auf Grund der Verfassungswidrigkeit bzw Gesetzwidrigkeit vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden. Deshalb sagt man auch, dass schwieriger erzeugten Normen letztlich von leichter erzeugten nicht aufgehoben oder abgeändert werden können. lex posterior lex specialis Zwischen auf gleicher Stufe stehenden Normen erfolgt die Derogation in der Regel nach der lex posterior Regel (die später erzeugte Norm hebt die früher erzeugte Norm auf) oder nach der lex specialis Regel (die speziellere Norm geht der generelleren Norm vor). So gehen etwa die spezielleren Regelungen über die Zulassung zu künstlerischen Universitäten den allgemeineren Regeln über die Zulassung zu Universitäten vor, dh soweit Abweichungen bestehen, sind für die Zulassung zu künstlerischen Universitäten nicht die allgemeinen Zulassungsregelungen anzuwenden, sondern die speziellen. 8 Verfassungsrecht Perthold-Stoitzner

Kapitel 1: Der Begriff Verfassungsrecht im Zweifel verfassungskonform Eine Rechtsordnung kann aber auch andere, speziellere Derogationsregeln normieren. So gibt es nach österreichischem Verfassungsrecht keine Derogationsbeziehungen zwischen einfachen Bundesgesetzen und einfachen Landesgesetzen. Die verfassungskonforme Interpretation Der einfache Gesetzgeber darf keine verfassungswidrigen Gesetze erlassen. Bestehen trotz Ausschöpfung aller Interpretationsmethoden Zweifel über den Inhalt einer Regelung und gibt es von mehreren Auslegungsmöglichkeiten eine Auslegungsmöglichkeit, die verfassungskonform ist, während die anderen zu einem verfassungswidrigen Auslegungsergebnis führen, so geht man davon aus, dass die verfassungskonforme Auslegungsvariante die richtige ist. Man interpretiert die Regelung verfassungskonform. Im Zweifel so die Überlegung ist nämlich nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber eine verfassungswidrige Regelung treffen wollte. 1 Grundlagen Ist etwa nicht eindeutig, ob sich eine Regelung auf Männer und Frauen bezieht, wäre aber die ausschließliche Erfassung einer Gruppe gleichheitswidrig und damit verfassungswidrig, so ist davon auszugehen, dass beide Gruppen Männer und Frauen erfasst werden. Unzulässig ist eine verfassungskonforme Interpretation, wenn der Wortlaut eindeutig ist. In einem solchen Fall müsste allenfalls der Verfassungsgerichtshof die verfassungswidrige Regelung aufheben (siehe S 240ff). Wird etwa eine Entschädigung vorgesehen, wenn durch eine Änderung des Flächenwidmungsplans Wertminderungen entstehen, jedoch nur, wenn das Grundstück entgeltlich erworben wurde, so ist diese Regelung unsachlich, weil die Wertminderung ja unabhängig davon eintritt, ob das Grundstück entgeltlich oder unentgeltlich erworben wurde. Die Regelung ist daher verfassungswidrig, weil sie dem Gleichheitssatz widerspricht. Eine verfassungskonforme Interpretation ist aber unzulässig, weil der Wortlaut eindeutig nur entgeltlich erworbene Grundstücke erfasst. andere Anwendungsfälle Diese Überlegungen einer historisch-systematischen Interpretation lassen sich auf alle Ebenen der Über- und Unterordnung übertragen. Demnach kennt man zb auch eine grundprinzipienkonforme, eine völkerrechtskonforme und eine europarechtskonforme Interpretation. U Üben Was versteht man unter Verfassungsrecht im materiellen Sinn? Was versteht man unter Verfassungsrecht im formellen Sinn? Geben Sie ein Beispiel für Verfassungsrecht im materiellen Sinn, das nicht Verfassungsrecht im formellen Sinn ist. Geben Sie ein Beispiel für Verfassungsrecht im formellen Sinn, das nicht Verfassungsrecht im materiellen Sinn ist. Geben Sie ein Beispiel für Verfassungsrecht im materiellen Sinn, das auch Verfassungsrecht im formellen Sinn ist. Verfassungsrecht Perthold-Stoitzner 9

L Lernen Ü Üben W Wissen 1.1 Einführung in das Verfassungsrecht Was versteht man unter Rechtsüberleitung? Warum ist Rechtsüberleitung notwendig? Welche Probleme stellen sich bei einer Rechtsüberleitung? Was ist die österreichische Verfassung? Was besagt das sog Inkorporationsgebot? Gilt es in Österreich? Welche Stufenbaumodelle können grundsätzlich unterschieden werden? Woraus ergibt sich die Stellung einer Norm im Stufenbau nach der rechtlichen Bedingtheit? Wieso ist das so? Wann ist eine Norm einer anderen übergeordnet? Woraus ergibt sich die Stellung einer Norm im Stufenbau nach der derogatorischen Kraft? Wieso ist das so? Wann ist eine Norm einer anderen übergeordnet? Gibt es eine Derogation zwischen Regelungen, die auf gleicher Stufe stehen? Warum ist die Nationalratswahlordnung anderen einfachen Bundesgesetzen das eine Mal übergeordnet, das andere Mal untergeordnet? Kann die Nationalratswahlordnung Bundesverfassungsgesetzen übergeordnet sein? Was versteht man unter verfassungskonformer Interpretation? Mit welchem Argument kann man ihre Zulässigkeit begründen? Unter welcher Voraussetzung ist sie zulässig? W Wissen derogatorische Kraft Inkorporationsgebot lex posterior Regel lex specialis Regel Rechtskontinuität Als derogatorische Kraft einer Norm bezeichnet man die rechtliche Fähigkeit einer Norm, eine andere aufzuheben oder abzuändern. Sie ergibt sich insb aus der Form einer Norm. Die Derogationsbeziehungen zwischen Normen kann man in einem Stufenbaumodell darstellen. Inkorporationsgebot ist die Verpflichtung, alle Normen des Verfassungsrechts im formellen Sinn im Rahmen einer Urkunde zu erlassen. In Österreich gilt dieses Gebot nicht. Daher finden sich im österreichischen Recht neben dem B-VG sowohl andere Bundesverfassungsgesetze (BVG) als auch Verfassungsbestimmungen in einfachen Bundesgesetzen. Sie sind besonders als Verfassungsgesetz bzw Verfassungsbestimmung zu kennzeichnen. Die lex posterior Regel ist eine Auslegungsmaxime, die besagt, dass Normen, die später erlassen wurden, Normen, die früher erlassen wurden, aufheben bzw abändern. Die lex specialis Regel ist eine Auslegungsmaxime, die besagt, dass spezielle Regelungen generellen Regelungen vorgehen. Rechtskontinuität besteht, wenn Rechtsnormen (verfassungsrechtliche, einfachgesetzliche oder andere) nach den Erzeugungsregeln bestehender (verfassungs-)gesetzlicher Regelungen geändert werden. Etabliert sich eine neue Rechtsordnung, die nicht auf Grund von bestehenden Erzeugungsregeln erzeugt wurde, so spricht man von Diskontinuität oder auch von einem Rechtsbruch. 10 Verfassungsrecht Perthold-Stoitzner

Kapitel 1: Der Begriff Verfassungsrecht Rechtsüberleitung Stufenbau nach der derogatorischen Kraft Eine Rechtsüberleitung wird durchgeführt, wenn sich eine neue Rechtsordnung etabliert, die nicht auf eine bisher geltende zurückgeführt werden kann und verschiedene Regelungen der bisher geltenden Rechtsordnung in das neue Rechtssystem übernommen werden sollen. Dann werden diese nicht einzeln neu erlassen, sondern pauschal in Kraft gesetzt. Der Stufenbau nach der derogatorischen Kraft ist ein rechtstheoretisches Modell, in dem die Derogationsbeziehungen von Normen dargestellt werden. Normen, die anderen Normen derogieren können, stehen über den Normen, denen sie derogieren können. Die derogatorische Kraft einer Norm wird dabei aus der Art der Erzeugung (= Form einer Norm) abgeleitet. Komplexer (= schwieriger ) erzeugte Normen können die einfacher ( leichter ) erzeugten Normen (zb einfache Bundesgesetze) aufheben oder abändern, aber von ihnen letztlich nicht aufgehoben oder abgeändert werden. Daher stehen schwieriger zu erzeugende Normen im Stufenbaumodell nach der derogatorischen Kraft über leichter erzeugten Normen. 1 Grundlagen Stufenbau nach der rechtlichen Bedingtheit verfassungskonforme Interpretation Verfassungsrecht im formellen Sinn Verfassungsrecht im materiellen Sinn Der Stufenbau nach der rechtlichen Bedingtheit ist ein rechtstheoretisches Modell, in dem die Beziehung von Normen auf Grund ihres Erzeugungszusammenhangs dargestellt wird. In diesem Modell stehen Erzeugungsnormen über den erzeugten Normen. Er ergibt sich aus einer inhaltlichen Betrachtung von Normen. Mit der verfassungskonformen Interpretation wird versucht, mit einer historisch-systematischen Überlegung bei mehreren möglichen Auslegungsvarianten zu einem eindeutigen Auslegungsergebnis zu kommen. Dies ist in jenen Fällen möglich, in denen eine Auslegung zu einem verfassungskonformen Verständnis einer Norm führt, die andere bzw die anderen zu einem verfassungswidrigen Verständnis. In diesem Fall ist so die verfassungskonforme Interpretation der Auslegungsvariante der Vorzug zu geben, die zu keinem verfassungswidrigen (also zu einem verfassungskonformen) Auslegungsergebnis führt. Dahinter steht die Überlegung, dass man im Zweifel davon ausgeht, dass der Gesetzgeber eine verfassungskonforme Regelung treffen wollte. Als Verfassungsrecht im formellen Sinn bezeichnet man Regelungen, die in einem bestimmten Rechtserzeugungsverfahren (erhöhte Quoren im Nationalrat Anwesenheit: mindestens die Hälfte der Abgeordneten; Zustimmung mindestens 2/3 der abgegebenen Stimmen, Bezeichnung als Verfassungsgesetz bzw Verfassungsbestimmung) erzeugt werden. Welchen Inhalt die Regelungen haben, ist dabei irrelevant. Verfassungsrecht im materiellen Sinn regelt den Aufbau, die Organisation, die Machtverteilung und die Rechtserzeugung in einem Staat. Die Form, in der die Regelung erzeugt wurde, ist dabei irrelevant. Verfassungsrecht Perthold-Stoitzner 11