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Transkript:

Persönliche PDF-Datei für Christina Forstner, Stefan Hagel, Bettina Löffler, Florian Thalhammer, Mathias W. Pletz www.thieme.de Mit den besten Grüßen vom Georg Thieme Verlag Therapieoptionen bei Infektion durch nosokomiale multiresistente Erreger DOI 10.1055/s-0034-1391290 Krankenh hyg up2date 2014; 9: 301 316 Nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt. Keine kommerzielle Nutzung, keine Einstellung in Repositorien. Verlag und Copyright: 2014 by Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14 70469 Stuttgart ISSN 1862-5797 Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlags

Nosokomiale Infektionen 301 Therapieoptionen bei Infektion durch nosokomiale multiresistente Erreger Christina Forstner, Stefan Hagel, Bettina Löffler, Florian Thalhammer, Mathias W. Pletz Weltweit steigt die Zahl der Resistenzen bei bakteriellen Erregern gegen die vorhandenen Antibiotika. Grund zur Sorge bereitet der Anstieg multiresistenter gramnegativer Erreger. Denn zu den vorhandenen Therapieoptionen kommen kaum neue Wirkstoffe. Abkürzungen CA-MRSA Community-aquired MRSA CPK Kreatin-Phospokinase EARSS European Antimicrobial Resistance Surveillance System ECDC European Center for Disease Control ESBL Extended-Spectrum Beta-Laktamase FDA Food and Drug Administration HA-MRSA Healthcare-associated MRSA IDSA Infectious Diseases Society of America KISS Krankenhaus-Infektions-Surveillance- System KPC Klebsiella pneumoniae Carbapenemase MHK minimale Hemmkonzentration MRE multiresistente Erreger MRGN multiresistente gramnegative Stäbchen 2MRGN multiresistente gramnegative Stäbchen NeoPäd mit Resistenz gegen 2 der 4 Antibiotikagruppen (und zwar gegenüber Acylureidopenicilline und Cephalosporine der 3. und 4. Generation) bei neonatologischen und pädiatrischen Patienten 3MRGN multiresistente gramnegative Stäbchen mit Resistenz gegen 3 der 4 Antibiotikagruppen (Acylureidopenicilline, Cephalosporine 3. und 4.Generation, Carbapeneme, Fluorchinolone) 4MRGN multiresistente gram-negative Stäbchen mit Resistenz gegen 4 der 4 Antibiotikagruppen (Acylureidopenicilline, Cephalosporine 3. und 4.Generation, Carbapeneme, Fluorchinolone) MSSA Methicillin-sensitiver Staphylococcus aureus VAC Vacuum Assisted Closure Therapy VISA Vancomycin intermediär resistenter Staphylococcus aureus VRE Vancomycin-resistente Enterokokken Einleitung Resistenzentwicklung ist eine evolutionär optimierte bakterielle Überlebensstrategie. Bereits bei über 30 000 Jahre alten, aus Permafrost isolierten Bakterien, wurden Resistenzgene gegenüber unterschiedlichen Antibiotikaklassen Beta-Laktamen, Tetrazyklinen und Glykopeptiden nachgewiesen [1]. Insbesondere der übermäßige Gebrauch und Missbrauch von Antibiotika über alle Ökosysteme Humanmedizin, Tierzucht, Landwirtschaft sowie Probleme mit Maßnahmen der Infektionskontrolle haben zur raschen und andauernden Ausbreitung von multiresistenten bakteriellen Erregern geführt [2]. êdoi http://dx.doi.org/10.1055/s-0034-1391290 êvnr 2760512015147120931

302 Therapieoptionen bei Infektion durch nosokomiale multiresistente Erreger Der globalen Ausbreitung bakterieller Resistenzen steht eine von Jahr zu Jahr abnehmende Anzahl neuer antiinfektiver Substanzen gegenüber. So dauert die Entwicklung eines neuen Antibiotikums from bench to bedside 8 10 Jahre und die gleichzeitige Dynamik der Resistenzausbreitung lässt befürchten, dass in absehbarer Zeit die Wirksamkeit und die Anzahl der dem behandelnden Arzt zur Verfügung stehenden Antibiotika deutlich eingeschränkt sein werden. Es kommen immer weniger neue Antibiotika auf den Markt, die gegen resistente Erreger wirksam sind. Nach Angaben des European Center for Disease Control (ECDC) verursachen multiresistente Erreger (MRE) in Europa ca. 25000 Todesfälle pro Jahr. Sie führen zu einer Verlängerung der Hospitalisierungsdauer um 2,5 Millionen Tage und verursachen jährliche Zusatzkosten von über 1,5 Milliarden Euro [3]. MRE werden damit zu einem immer größeren Problem des Gesundheitswesens. Während in den 1990er-Jahren MRSA (Methicillinresistenter Staphylococcus aureus) als größte Herausforderung angesehen wurde, sind es mittlerweile multiresistente gramnegative Bakterien (MRGN) und Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE), bei denen unsere therapeutischen Möglichkeiten begrenzt sind. Das europäische Überwachungssystem für antimikrobielle Resistenz European Antimicrobial Resistance Surveillance System (EARSS) berichtet über einen generellen Anstieg der antimikrobiellen Resistenz gegenüber den gramnegativen Bakterien bei invasiven Infektionen im Zeitraum 2008 2011 und prognostiziert einen überproportionalen Anstieg in den nächsten Jahren [4]. Eine weitere Problematik besteht darin, dass gegenüber MRGN wenig neue Antibiotika zur Verfügung stehen, während für multiresistente grampositive Erreger wie Methicillin-resistentem Staphylococcus aureus (MRSA) und Vancomycin-resistenten Enterokokken (VRE) zumindest eine begrenzte Anzahl neuer Substanzen (Linezolid, Daptomycin, Ceftarolin nur MRSA) eingeführt werden konnte. Insbesondere gegen MRGN-Erreger gibt es wenige wirksame neue Antibiotika. Nachfolgend soll eine Übersicht über Therapieoptionen der häufigsten MRE gegeben werden. MRSA Weltweit gehen Infektionen mit MRSA in den letzten Jahren zurück oder stagnieren. Aktuelle Daten aus den USA berichten über einen Rückgang von 31% von invasiven MRSA-Infektionen zwischen 2005 und 2011 [5], in Großbritannien fiel der Rückgang mit 69% noch deutlicher aus. In einer aktuellen Studie analysierten Meyer et al. Daten aus dem Krankenhaus-Infektions- Surveillance-System (KISS) von 2007 2012 und konnten ebenfalls eine statistisch signifikante Abnahme von 33% auf 27% beim MRSA-Anteil an nosokomialen S.aureus Infektionen zeigen, nachdem 1997 2006 ein kontinuierlicher Anstieg zu verzeichnen war. Die Ursachen für diesen Rückgang sind nicht klar; sie sind möglicherweise das Ergebnis von Interventionen (Möglichkeit der Dekolonisation) und/oder liegen in der Biologie des Erregers begründet [6]. MRSA verursachen v. a. Haut- und Weichgewebsinfektionen (Wundinfektionen, Abszesse), Pneumonien und Bakteriämien, z. B. im Rahmen von Katheterinfektionen oder Endokarditiden. Zahlreiche Studien weisen darauf hin, dass Infektionen mit MRSA im Vergleich zu solchen durch MSSA mit einer erhöhten Sterblichkeit assoziiert sind. Es konnte beispielsweise in 2 Metaanalysen gezeigt werden, dass das Mortalitätsrisiko bei MRSA-Bakteriämie im Vergleich zu MSSA-Bakteriämie bei 1,93 bzw. 2,03 lag [7, 8]. Mögliche Ursachen sind u.a. der verzögerte Beginn einer adäquaten, wirksamen Antibiotikatherapie, unterschiedliche PK/PD- Eigenschaften (z.b. geringe Gewebepenetration von Glykopeptiden sowie die im Vergleich zu β-lactam-antibiotika fehlende oder geringere Bakterizidie), steigende minimale Hemmkonzentrationen des zur Behandlung von MRSA-Infektionen oft eingesetzten Antibiotikums Vancomycin und Einflüsse des Studiendesigns. Hinweise dafür, dass besondere Pathogenitäts- bzw. Virulenzeigenschaften von MRSA die Unterschiede in der Letalität bedingen, fehlen [8,9]. Neben Reserveantibiotika wie Daptomycin, Linezolid oder Tigecyclin, sind auch ältere Antibiotika wie Trimethoprim-sulfamethoxazol (TMP/SMX), Doxycyclin und Clindamycin, eine valide Therapiealternative bei noch vorhandener Empfindlichkeit (Tab. 1). Allerdings

Nosokomiale Infektionen 303 Tabelle 1 Aktuell verfügbare und zukünftige MRSA-wirksame Antibiotika (modifiziert nach Pletz et al. DMW, submitted). Antibiotikum Antibiotika- Klasse Indikationen Erregerspektrum Vancomycin Glykopeptid schwere Infektionen mit resistenten grampositiven Erregern oder bei Beta-Laktam-Allergie gram + inkl. MRSA Linezolid Oxazolidinon nosokomiale Pneumonie, cssti gram + inkl. MRSA, VRE Daptomycin Lipopeptid cssti, Bakteriämie, rechtsseitige infektiöse S.aureus-Endokarditis gram +inkl. MRSA, VRE (bei VRE höhere Dosierung erforderlich) Teicoplanin Glykopeptid schwerwiegende, grampositive Infektionen; nicht in USA zugelassen gram + inkl. MRSA Quinupristin/ Dalfopristin Streptogramin 2 cssti, nosokomiale Pneumonie und VRE-Infektionen, falls kein anderes Antibiotikum geeignet/verfügbar ist; in Deutschland nicht verfügbar gram + inkl. MRSA, VRE Telavancin Lipoglykopeptid in Europa für nosokomiale Pneumonie zugelassen; in USA und Kanada für cssti zugelassen Gram + inkl. MRSA Tigecyclin Glycylcyclin cssti und ciai; Breitspektrumantibiotikum zur Initialtherapie bei Verdacht auf MDR Erreger; in USA auch für CAP zugelassen gram + inkl. MRSA, VRE und Enterobacteriaceae inklusive (ESBL- und Carbapenemase-Bildner); Acinetobacter, (Resistenzentwicklung unter Therapie beschrieben) Ceftarolin Cephalosporin cssti und CAP Breitspektrumantibiotikum zur Initialtherapie Ceftobiprol Cephalosporin CAP und nosokomiale Pneumonie Breitspektrumantibiotikum zur Initialtherapie, noch nicht verfügbar USA: weitere Studien für FDA notwendig Dalbavancin Oritavancin Lipoglykopeptid Lipoglykopeptid im Zulassungsverfahren; cssti-phase-iii-sudie erfolgreich abgeschlossen; FDA-Zulassung für akute SSTI im Zulassungsverfahren; cssti-phase-iii-sudie erfolgreich abgeschlossen; FDA-Zulassung für akute SSTI gram + inkl. MRSA und Enterobacteriaceae (nicht ESBL und Carbapenemase-Bildner) gram + inkl. MRSA und Enterobacteriaceae (nicht ESBL und Carbapenemase-Bildner); Pseudomonas aeruginosa Gram + inkl. MRSA gram + inkl. MRSA Tedizolid Oxazolidinon cssti-phase-iii-sudie abgeschlossen; FDA-Zulassung für cssti Gram + inkl. MRSA, VRE Cotrimoxazol Trimethoprim/ Sulfonamid leichte Infektionen durch MRSA bzw. Umstellung von einer intravenösen auf eine orale Therapie gegen MRSA (bakterizide Wirksamkeit, sehr gute Bioverfügbarkeit, in Kombination mit Rifampicin verbesserte intrazelluläre Anti-Staphylokokken-Aktivität) Clindamycin Lincosamid Infektionen der oberen u. unteren Atemwege, Infektionen der Haut- und Weichteile, Osteomyelitis, septische Arthritis (hemmt Toxinproduktion, inkl. Panton-Valentine-Leukocidin (PVL); bakteriostatisch daher Anwendung bei MRSA-Bakteriämie nicht empfohlen; nach Ausschluss einer induzierbaren Clindamycin-Resistenz) Doxycyclin Tetrazyklin Infektionen der Atemwege, HNO-Bereich, Haut, Urogenitaltrakt (Erfahrung nur aus retrospektiven Beobachtungsstudien; bakteriostatisch Anwendung bei MRSA-Bakteriämie nicht empfohlen) gram+inkl.mrsa(wennempfindlich getestet) und gram inkl. Stenotrophomonas (wenn empfindlich getestet) Pneumocystis jiroveci, Toxoplasmose gram+inkl.mrsa(wennempfindlich getestet), Anaerobier gram+inkl.mrsa(wennempfindlich getestet) gram (wenn empfindlich getestet) Borrelien, atypische Erreger MRSA: Methicillin-resistente Staphylococcus aureus; VRE: Vancomycin-resistente Enterokokken; cssti: komplizierte Haut- und Weichgewebsinfektionen; ciai: komplizierte intraabdominelle Infektionen; CAP: ambulant erworbene Pneumonie

304 Therapieoptionen bei Infektion durch nosokomiale multiresistente Erreger sind die in Deutschland häufigeren Healthcare-associated MRSA (HA-MRSA), im Gegensatz zu den Community-aquired MRSA (CA-MRSA), häufig gegen diese Antibiotika resistent (z.b. Clindamycin ca. 60 vs. <10%) [10]. Grundlage für die Behandlung von MRSA-Infektionen mit älteren o. g. Substanzen sind nachgewiesene Empfindlichkeit und in Beobachtungstudien zusammengefasste klinische Erfahrung. Vor allem bei Knocheninfektionen mit oder ohne Endoprothese wird der Einsatz von Levofloxacin in Kombination mit Rifampicin empfohlen [11,12]. Kontrollierte Studien zur Therapie von MRSA-Infektionen mit diesen Substanzen liegen jedoch in den wenigsten Fällen vor [13]. Tipp für die Praxis Die Therapiedauer sollte bei unkomplizierten Fällen (d. h. Ausschluss einer Endokarditis, kein Fremdmaterial/Prothesen in situ, Verlaufsblutkulturen nach 2 4 Tagen negativ, Entfieberung innerhalb 72 Stunden, kein Anhalt für septische Absiedelungen) mindestens 14 Tage betragen, in allen anderen Fällen 4 6WochenabhängigvomInfektfokus[17]. In der nachfolgenden Übersicht werden Vancomycin sowie die neueren, in Deutschland bereits erhältlichen, MRSA wirksamen Substanzen dargestellt (Tigecyclin siehe Abschnitt 4MRGN). Kürzlich wurde von Harbarth et al. eine randomisiertkontrollierte Studie zur Therapie von MRSA-Infektionen, unabhängig von Infektionsfokus und Schwere der Erkrankung, mit TMP/SMX veröffentlicht. 150 Patienten wurden entweder mit TMP/SMX Hochdosis (960mg 3 tgl.) plus Rifampicin (600 mg 1 tgl.) oder Linezolid (600 mg 2 tgl.) behandelt. Die Dauer der Therapie richtete sich nach der Art des Fokus (Harnwegsinfektion, Weichteilinfektion: 7 10 Tage; Pneumonie, Bakteriämie: 14 Tage; Knochen-, Gelenk- und Protheseninfektionen Infektionen: 14 42 Tage). Unabhängig vom Infektfokus fand sich kein Unterschied im klinischen Therapieerfolg (78,7 vs. 74,7%, 95% KI 29,7 17,6 %) [14]. Eine universelle First-Line-Therapie für MRSA- Infektionen gibt es nicht. Je nach Resistenzprofil, Infektionsfokus und Krankheitsschwere ist eine individualisierte antimikrobielle Therapie angemessen [15]. Die IDSA (Infectious Diseases Society of America) empfiehlt in ihrer aktuellen Leitlinie zur Therapie von Weichteilinfektionen: für die Therapie einer leichten MRSA-Infektion TMP/SMX für schwere Infektionen (z.b. Patienten mit Zeichen einer systemischen Infektion, Organdysfunktion oder Immunsuppression) Vancomycin, Daptomycin, Linezolid, Telavancin oder Ceftarolin [16] bei einer MRSA-Bakteriämie eine Therapie mit Vancomycin oder Daptomycin Vancomycin Vancomycin wurde in Studien zu schweren MRSA- Infektionen wiederholt als Referenzsubstanz eingesetzt. Allerdings ist Vancomycin aufgrund der suboptimalen Gewebepenetration, Nephrotoxizät und der im Vergleich zu Beta-Laktam Antibiotika deutlich geringeren bakteriziden Wirkung ein suboptimales Antibiotikum [18]. Applikationsformen. Im Hinblick auf die PK/PD (Cmax/ MHK und AUC/MHK) von Vancomycin wurden Patienten mit Bakteriämie oder Pneumonie durch MRSA in 2 Dosierungsmodi untersucht [19]. Die kontinuierliche Infusion mit einem Zielspiegel von 20 25 mg/l ergab im Vergleich zur Intervallgabe alle 12 Stunden mit einem angestrebten Talspiegel von 10 15 mg/l gleiche klinische und mikrobiologische Erfolgsraten [20]. Das frühere Erreichen des Zielspiegels, geringere Schwankung in der Serumkinetik und die geringeren Kosten für Serumspiegelkontrollen und Medikamente können Argumente für die kontinuierliche Applikation sein [21]. Kombinationstherapie. Der Stellenwert einer Kombinationstherapie aus Vancomycin und Rifampicin wurde in einer randomisierten monozentrischen Studie bei nosokomialer MRSA-Pneumonie geprüft [22]. Sie ergab eine Überlegenheit bei der klinischen Erfolgsrate, weist allerdings Limitationen wie begrenzte Patientenzahl und inkonsistente Resultate bei verschiedenen Endpunkten auf. Fosfomycin (nur die intravenöse Applikation ist zur Therapie von systemischen Infektionen geeignet), ein bakterizides, die Zellwandsynthese hemmendes Epoxid-Antibiotikum, wird von verschiedenen Autoren als Kombinationspartner bei der Therapie von

Nosokomiale Infektionen 305 MRSA-Infektionen genannt. Hintergrund ist die sehr gute Biofilmgängigkeit und der nachgewiesene Synergismus mit z. B. Linezolid [23, 24]. Klinische Studien zur Therapie von MRSA-Infektionen mit Fosfomycin liegen jedoch nicht vor. Polyneuropathie (daher sollte Linezolid nicht länger als 28 Tage gegeben werden), die auch den N. opticus befallen kann, sowie das serotonerge Syndrom bei Interaktion mit Monoaminoxidase-Hemmern, hier wurden Todesfälle beschrieben. Teicoplanin Eine Resistenz gegen Linezolid ist noch sehr selten, wird aber bei VRE beschrieben. Als Alternative zu Vancomycin ist als weiteres Glykopeptid-Antibiotikum Teicoplanin im klinischen Einsatz. Aufgrund seiner langen Halbwertszeit von über 100 Stunden ist Teicoplanin insbesondere zur ambulanten parenteralen Therapie bei infektiöser Endokarditis sowie von Knochen- und Gelenksinfektionen bei klinischen stabilen Patienten geeignet. Nach entsprechender Aufsättigung (Startdosis: 12 15mg/kg i.v. alle 12 Stunden für 3 5 Gaben), ist im Anschluss lediglich eine Einmalgabe 3-mal pro Woche notwendig. Die Erhaltungsdosis sollte sich nach rezenter Aktualisierung der Fachinformation an einem Serumtalspiegel von >30mg/l (40 60mg/l für die Endokarditis) orientieren. Linezolid Linezolid ist das erste Oxazolidinon und wurde 2000 für Haut- und Weichteilinfektionen sowie für die (nosokomiale) Pneumonie zugelassen. Linezolid wirkt bakteriostatisch über die Hemmung der Proteinsynthese. Es wird bei oraler Gabe rasch und vollständig absorbiert, etwa 35% werden renal eliminiert. Die Dosis beträgt 2 600mg/d; eine Dosisanpassung bei eingeschränkter Nierenfunktion ist nicht notwendig. Linezolid reichert sich in der Alveolarflüssigkeit im Vergleich zur Plasmakonzentration etwa 4-fach an. Es wirkt gegen nahezu alle grampositiven Erreger, einschließlich MRSA und VRE. Linezolid ist eine der wenigen Therapieoptionen bei VRE-Infektionen, die Evidenzlage beschränkt sich hierbei jedoch auf retrospektive Arbeiten. Bei MRSA-Bakteriämie sollte die bakteriostatische Substanz nicht als Monotherapie eingesetzt werden. Therapiedauer. Eine Linezolid-Kurzzeittherapie ist generell gut verträglich. Problematisch ist eine reversible Myelotoxizität, die sich in Thrombopenie und Anämie äußern kann (Blutbildkontrollen empfohlen). Sehr seltene, aber schwere Nebenwirkungen sind eine Ob Linezolid aufgrund der besseren pulmonalen Penetration und niedrigeren Nephrotoxizität Vancyomcin bei der Behandlung der MRSA-Pneumonie überlegen ist, wurde aufgrund widersprüchlicher Ergebnisse in kleinen Studien und Metaanalysen kontrovers diskutiert und sollte in der Zephyr-Studie von Wunderink et al. endgültig geklärt werden [25, 26]. Diese Studie mit 448 Patienten ist die bislang größte prospektive Studie, die zur Behandlung der gesicherten MRSA-Pneumonie mit Linezolid versus Vancomycin durchgeführt wurde [26]. Die Heilungsrate (primärer Endpunkt) unter Linezolid war bei den per protocol behandelten Patienten signifikant höher als bei den mit Vancomycin behandelten Patienten (57,6 vs. 46,6%, p =0,042). In der 60-Tage-Letalität zeigte sich kein Unterschied (Linezolid, 15,7 %; Vancomycin, 17,0%). Eine Nephrotoxizität war häufiger unter Vancoymcin nachweisbar (18,2 vs. 8,4%). In der Subpopulationsanalyse profitierten v.a. Ältere mit noch erhaltener Nierenfunktion von Linezolid. Die Ergebnisse der Studie werden allerdings kontrovers diskutiert, da es sich um ein Nichtunterlegenheits- und nicht um ein Überlegenheitsdesign handelt und die Studie auch keinen Unterschied beim Überleben nachweisen konnte. Diesen formalistischen Argumenten ist jedoch entgegenzuhalten, dass ein Vorteil hinsichtlich Überleben bei nosokomialer Pneumonie schwer zu zeigen ist, da die attributive Letalität der nosokomialen Pneumonie nach verschiedenen Metaanalysen bei 13 17% liegt [27, 28]. Somit muss auch nach dieser Studie die Entscheidung Vancomycin oder Linezolid auf einer individuellen Ebene getroffen werden, wobei Patientenfaktoren (z.b. Nierenfunktion) berücksichtigt werden sollten [29]. Daptomycin Daptomycin ist der erste klinische Vertreter der neuen antimikrobiellen Wirkstoffklasse der zyklischen Lipopeptide. Daptomycin wirkt stark und schnell bakterizid ohne Freisetzung proinflammatorischer Zellwandtrümmer. Daptomycin ist nur intravenös verfügbar. Eine einmal tägliche Infusion ist ausreichend. Da Daptomycin in erster Linie renal (78%) eliminiert wird, ist eine Verlängerung des Dosisintervalls bei Patienten mit

306 Therapieoptionen bei Infektion durch nosokomiale multiresistente Erreger eingeschränkter Niereninsuffizienz erforderlich. Daptomycin ist zugelassen für komplizierte Haut- und Weichteilinfektionen durch empfindliche grampositive Erreger, für die Rechtsherzendokarditis und Bakteriämien durch Staphylococcus aureus. Des Weiteren wird Daptomycin auch off-label bei anderen schweren Infektionen durch multiresistente grampositive Erreger bei Linksherzendokarditis, Osteomyelitis, Endoprotheseninfektion und septischer Arthritis eingesetzt. zeigte keine relevanten Nebenwirkungen bei Dosierungen bis zu 12mg/kg über 14 Tage [34]. Daptomycin ist in der Regel gut verträglich. Eine typische, wenn auch seltene Nebenwirkung ist eine Erhöhung der Kreatin-Phospokinase (CPK), in sehr seltenen Fällen kann eine Rhabdomyolyse auftreten. Daher ist regelmäßiges Monitoring der CPK (zumindest einmal pro Woche) notwendig. Daptomycin wirkt gegen nahezu alle grampositiven Erreger, einschließlich MRSA und VRE, die MHK bei Enterokokken liegt allerdings deutlich höher als die bei Staphylokokken. Darüber hinaus wird es durch pulmonalen Surfactant inaktiviert und ist daher bei Pneumonie nicht wirksam. Daptomycin hat keine Wirkung im gramnegativen Bereich. Daptomycin sollte abgesetzt werden, wenn die CPK über den 5-fachen Normwert angestiegen ist. Des Weiteren kann es in sehr selten Fällen (<1/10 000) auch zum Auftreten einer eosinophilen Pneumonie kommen, wobei Daptomycin sofort abgesetzt und eine Therapie mit systemischen Kortikosteroiden eingeleitet werden muss. Ein Monitoring der Eosinophilen ist daher anzuraten. In den ersten Phase-III-Studien zu Haut- und Weichteilinfektionen zeigte Daptomycin das gleiche klinische und mikrobiologische Ansprechen wie die Standardsubstanzen für MRSA (Vancomycin) und MSSA (Isoxazolylpenicillin), obwohl die Dosierung von Daptomycin mit 4 mg/kg Körpergewicht niedrig gewählt war [30]. In den Zulassungsstudien zur Staphylococcus-aureus- Bakteriämie und Rechtsherzendokarditis wurde Daptomycin bereits in einer höheren Dosierung von 6 mg/kg Körpergewicht getestet. Als Vergleichssubstanzen dienten erneut Vancomycin oder Isoxazolylpenicillin in Kombination mit Gentamicin (für 4 Tage). Die Monotherapie mit Daptomycin war der Standard- Kombinationstherapie nicht unterlegen [31]. Tipp für die Praxis Insbesondere bei schwierig zu behandelnden Infektionen durch multiresistente grampositive Erreger scheint eine Erhöhung der Dosis von Daptomycin sowie eine Kombinationstherapie mit Beta-Laktamen, Gentamicin, Fosfomycin oder Rifampicin sinnvoll zu sein [32]. In einer retrospektiven Analyse demonstrierten Kullar et al. eine hohe klinische Erfolgsrate (>80%) und eine gute Verträglichkeit von hochdosiertem Daptomycin, in einer Dosierung von 8 10mg/kg Körpergewicht bei 250 Patienten mit komplizierten Infektionen (Bakteriämie, Endokarditis, Haut- und Wundinfektionen, Osteomyelitis und Gelenksinfektionen) durch MRSA und VRE [33]. Eine Studie an gesunden Freiwilligen Ceftarolin Ceftarolin ist ein neues Cephalosporin der 5.Generation, das rasch bakterizid wirkt. Es ist ein Breitspektrum-Antibiotikum mit erweitertem Spektrum im grampositiven Bereich inklusive MRSA, VISA (Vancomycin intermediär resistenten Staphylococcus aureus) und Penicillin-resistenten Streptococcus pneumoniae. Zusätzlich zeigt es gute Wirksamkeit im gramnegativen Bereich vergleichbar mit Cefotaxim mit Ausnahme von Extended spectrum Beta-Laktamase (ESBL)-bildenden Enterobacteriaceae und Non-Fermentern wie Pseudomonas aeruginosa. Aufgrund einer unzureichenden Resorption über den Magen-Darmtrakt, muss Ceftarolin intravenös appliziert werden. Derzeit wird eine 2-mal tägliche Infusion von 600 mg empfohlen. Tipp für die Praxis Da Ceftarolin hauptsächlich über die Niere (88%) und nur zu einem geringen Anteil über den Faeces (6 %) ausgeschieden wird, ist eine Dosisanpassung bei reduzierter Nierenfunktion notwendig. Ceftarolin ist zugelassen für komplizierte Haut- und Weichgewebeinfektionen durch sensitive Erreger einschließlich MRSA sowie für die ambulant erworbene

Nosokomiale Infektionen 307 Pneumonie, wobei es bisher jedoch nicht bei Patienten mit MRSA-Pneumonie geprüft wurde. In 2 Phase-III-Studien bei Patienten mit komplizierten Haut- und Weichgewebeinfektionen erreichte Ceftarolin (600 mg 2 täglich) vergleichbare Wirksamkeit wie die Standardkombination Vancomycin (1 g 2 täglich) plus Aztreonam (1 g 2 täglich) mit hohen Heilungsraten in beiden Behandlungsgruppen [35,36]. Die Therapiedauer variierte zwischen 5 und 14 Tagen. Retrospektiv wurde zusätzlich das frühe klinische Ansprechen, definiert als Fieberfreiheit und ausbleibende weitere Ausbreitung der Infektion am Tag 3 nach Einleitung der Therapie, analysiert [37]. Hierbei zeigte Ceftarolin eine höhere Ansprechrate von 74 vs. 66% unter der Standard-Kombinationstherapie. Das Nebenwirkungsprofil entspricht dem anderer Cephalosporine mit positivem Coombs-Test ohne Hämolyse, Kopfschmerzen, Hautreaktionen, Diarrhö, Übelkeit, Erbrechen und Transaminasenerhöhung. Im Vergleich zu anderen Cephalosporinen ist Ceftarolin in einer deutlich geringen Dosis zugelassen, sodass offlabel insbesondere zur Therapie einer Bakteriämie oder Endokarditis bereits deutlich höhere Dosierungen eingesetzt werden [38]. Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) Eine erworbene Vancomycin-Resistenz betrifft in Deutschland meist E. faecium und geht in der Regel mit einer kompletten Beta-Laktam-Resistenz einher. Daten aus dem EARS-Net 2012 (European Antimicrobial Resistance Surveillance Network) zeigen, dass Deutschland europaweit mit 16,2 % einen der höchsten Anteile an VRE hat (z.b. Österreich 3,2%, Frankreich 0,8%, Niederlande 0 %). Dies bestätigen die Ergebnisse einer Surveillance-Untersuchung auf 645 Intensivstationen und 681 chirurgischen Stationen. Die Ergebnisse zeigen einen signifikanten VRE-Anstieg bei chirurgischen Wundinfektionen und Blutstrominfektionen sowie einen nicht signifikanten Anstieg bei Harnwegsinfektionen zwischen 2007 und 2012 [39]. Die Ursachen der Zunahme von Infektionen mit Enterokokken sind u.a. der vermehrte Einsatz von Antibiotika mit einer sog. Enterokokkenlücke (Fluorchinolone und Cephalosporine), der zu einer selektiven intestinalen Anreicherung von Enterokokken führt [40]. Enterokokken haben eine niedrige Virulenz. Während die klinische Bedeutung eines Enterokokkennachweises aus sterilem Material (z.b. Blutkultur, Aszites) im Sinne einer Infektion eindeutig ist, wird in Leitlinien der Nachweis von Enterokokken in respiratorischem Material (Trachealsekret/BAL) als nicht therapierelevant gewertet. Der Stellenwert von Enterokokken bei Harnwegsinfektionen und intraabdominalen Infektionen wird ebenfalls kontrovers diskutiert [41]. Die beiden häufigsten Resistenztypen bei VRE sind VanA und VanB, wobei die VanB-vermittelte Resistenz nur Vancoymcin, nicht jedoch Teicoplanin betrifft. Unter Teicoplanin-Therapie kann es allerdings auch bei VanB zu einer Selektion Teicoplanin-resistenter Mutanten kommen. Daher wird eine Teicoplanin-Therapie bei in vitro empfindlichen VRE vom VanB-Typ kontrovers diskutiert [42]. Aufgrund der ausgeprägten intrinsischen und extrinsischen Resistenz von Enterokokken stehen zur Therapie von VRE-Infektionen in den meisten Fällen nur Linezolid, Daptomycin und Tigecyclin zur Verfügung. Das Streptogramin Quinopristin-Dalfopristin, das neben Vancomycin-resistenten E. faecium (nicht E. faecalis) auch MRSA erfasst, ist in Deutschland nicht erhältlich. Prospektive randomisierte klinische Studien über das optimale Management von VRE-Infektionen liegen nicht vor. Zwei rezente Metaanalysen untersuchten die klinische Heilungs- und Mortalitätsrate bei Patienten mit VRE-Bakteriämie und Therapie mit Linezolid versus Daptomycin. Die erste Metaanalyse von Whang et al. inkludierte 9 retrospektive Studien. Hierbei zeigte sich ein nicht signifikanter Trend in einer geringeren Gesamtmortalität zugunsten einer Linezolid-Therapie (p =0,054), die 30-Tage-Mortalität sowie die mikrobiologischen und klinischen Heilungsraten waren allerdings in beiden Gruppen gleich [43]. Im Unterschied dazu schlossen die Autoren Balli et al. 10 retrospektive Studien ein (8 der 9 Studien aus der Arbeit von Whang et al. und 2 weitere) und zeigten eine signifikant erhöhte Gesamt- (OR 1,41, 95% KI, 1,06 1,89) und 30-Tage-Letalität (OR 1,61, 95% KI, 1,08 2,40) in der Daptomycin-Gruppe [44]. Tipp für die Praxis Bei Empfindlichkeit von VRE gegenüber Ampicillin (gilt in der Regel nur für E. faecalis) stellt der Einsatz eines Aminopenicillins immer die beste Therapieoption dar.

308 Therapieoptionen bei Infektion durch nosokomiale multiresistente Erreger Antibiotikagruppe Leitsubstanz Enterobacteriaceae Pseudomonas aeruginosa Acinetobacter spp. 3MRGN 4MRGN 3MRGN 4MRGN 3MRGN 4MRGN Acylureidopeniciline Piperacillin/Tazobactam R R Nur eine der R R R Cephalosporine der 3./4. Generation Cefotaxim und/oder Ceftazidim R R vier Antibiotikagruppen R R R Carbapeneme Imipenem und/oder Meropenem R R wirksam R R R Fluorchinolone Ciprofloxacin R R (sensibel) R R R Tab. 1: Klassifizierung multiresistenter Stäbchen auf Basis ihrer phänotypischen Resistenzeigenschaften (R = resistent oder intermediär sensibel, S = sensibel) Quelle: RKI Epidemiologisches Bulletin, Definition der Multiresistenz gegenüber Antibiotika bei gramnegativen Stäbchen im Hinblick auf Maßnahmen zur Vermeidung der Weiterverbreitung 12. September 2011/Nr. 36 3 MRGN (Multiresistente gram-negative Stäbchen mit Resistenz gegen 3 der 4 Antibiotikagruppen) 4 MRGN (Multiresistente gram-negative Stäbchen mit Resistenz gegen 4 der 4 Antibiotikagruppen) Abb.1 KRINKO Einteilung für MRGN adaptiert (nach [45]). Serine-ß- Laktamasen TEM SHV CTX-M KPC GES SME Abb.2 Gramnegative Erreger Zur Klassifizierung von MRGN hat die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert-Koch-Institut (KRINKO) eine Definition auf Basis der phänotypischen Resistenzeigenschaften gegenüber den 4 Leitantibiotikaklassen veröffentlicht (Abb.1) [45]. Zu den wichtigsten Vertretern der MRGN gehören die Enterobacteriaceae mit den Hauptvertretern Escherichia coli, Klebsiella species, Proteus species, Enterobacter species und die Non-Fermenter Pseudomonas aeruginosa, und Acinetobacter species. Monotherapie. Die folgenden 4 Antibiotikaklassen und deren Leitsubstanzen Piperacillin/Tazobactam, Cefotaxim und Ceftazidim, Imipenem und Meropenem und Ciprofloxacin wurden ausgewählt, da diese aufgrund ihrer bakteriziden Wirksamkeit als Monotherapie bei schweren Infektionen durch gramnegative Bakterien eingesetzt werden können: Metallo-ß- Laktamasen Beta-Laktamasen mit erweitertem Wirkungsspektrum VIM IMP, NDM GOB, GIM Serine-ß- Laktamasen AmpC CMY, DHA MOX, FOX Carbapenemasen Serine-ß- Laktamasen Klasse A Klasse B Klasse C Klasse D Einteilung der Beta-Laktamasen. OXA-2, -9 OXA-48 OXA-23, -24, -58 Acylureidopenicilline Cephalosporine der 3./4. Generation Carbapeneme mit Pseudomonas-Wirksamkeit Fluorchinolone 3MRGN sind definitionsmäßig multiresistente gramnegative Stäbchen mit Resistenz gegen 3 der 4 Antibiotikagruppen. 4MRGN sind gegen alle 4 Antibiotikagruppen resistent und schließen die Panresistenz mit ein. Dabei sollen Ciprofloxacin-empfindliche aber Carbapenem-resistente Enterobakterien oder Acinetobacter sp.auch als 4MRGN eingestuft werden. Bei pädiatrischen Infektionen, wo Fluorchinolone bis zum Abschluss der Wachstumsphase nicht eingesetzt werden sollten, wurde auch der Begriff der 2MRGN NeoPäd. mit Resistenz gegenüber Acylureidopenicillinen und 3./4. Generationscephalosporinen eingeführt. MRGN können ihre Resistenz über 4 Hauptmechanismen, die unter Umständen auch kombiniert auftreten können, entwickeln: Produktion von Enzymen, welche die Integrität des Antibiotikums zerstören (Beta-Laktamasen mit erweitertem Wirkungsspektrum ESBL oder Carbapenemasen, Abb. 2) Mutationen an der Bindungsstelle Downregulation von Porinen der äußeren Membran, sodass der Eintritt des Antibiotikums verhindert wird Efflux-Pumpen, die effizient das Antibiotikum aus der Zelle entfernen [46,47]

Nosokomiale Infektionen 309 Therapieoptionen bei 3MRGN Der 3MRGN Phänotyp ist am häufigsten durch gleichzeitiges Vorliegen einer Resistenz gegen Fluorchinolone und Cephalosporine der 3.Generation bedingt. Als verbleibende Antibiotikaklasse zur Monotherapie systemischer Infektionen bei 3MRGN stehen in der Regel nur Carbapeneme zur Verfügung. Carbapeneme wirken gegen die meisten grampositiven und gramnegativen Bakterien inklusive Anaerobiern, wobei Ertapenem keine Wirksamkeit gegenüber Pseudomonas aeruginosa aufweist. Allerdings kann eine Therapie mit einem Carbapenem nicht nur zu einer Resistenzentwicklung zuvor empfindlicher Stämme (dies gilt v.a. für Stämme von Pseudomonas aeruginosa), sondern auch zur Selektion von Erregern führen, die nicht im Spektrum enthalten sind oder gegen die nur eine schwache Wirksamkeit besteht: Stenotrophomonas sp., Acinetobacter sp., MRSA, Enterococcus sp., Proteus sp., Clostridium difficile, und Pilze (insbesondere Candida sp.). Aus diesem Grund sind die rechtzeitige Deeskalation bei empirischer Gabe sowie der Einsatz von Alternativen für leichte Infektionen (wie z.b. bei einem unkomplizierten Harnwegsinfekt) von Bedeutung [48]. Tipp für die Praxis Da Extended-Beta-Laktamase-(ESBL) produzierende E. coli Harnisolate nach wie vor eine hohe Empfindlichkeit gegenüber Nitrofurantoin, Nitroxolin und Fosfomycin aufweisen [49], sollten diese Substanzen bei in vitro Empfindlichkeit und symptomatischem Harnwegsinfekt anstelle von Carbapenemen oral eingesetzt werden. Eine weitere Alternative bei in vitro Empfindlichkeit ist das Aminopenicillin Pivmecillinam, das in Österreich mit der einzigen Indikation unkomplizierter Harnwegsinfekt zugelassen ist. Auch Aminoglykoside können nach Austestung eingesetzt werden. Darüberhinaus hat eine Post-Hoc-Analyse von 6 prospektiven spanischen Kohorten bei Patienten mit Bakteriämie durch ESBL-positive E. coli gezeigt, dass bei entsprechender In-vitro-Sensibilität auch Amoxicillin/ Clavulansäure oder Piperacillin/Tazobactam zur Therapie eingesetzt werden können [50]. Allerdings muss bei dieser Strategie das klinische Ansprechen des Patienten streng überwacht werden. Es fällt auf, dass in den publizierten Studien kein Ampicillin/Sulbactam zur empirischen oder gezielten Therapie bei ESBL-Bakteriämie verwendet wurde. Dies begründen die Autoren mit der Tatsache, dass die meisten spanischen Isolate von ESBL-E. coli resistent gegenüber Ampicillin-Sulbactam waren, aber in über 60% empfindlich gegenüber Amoxicillin/Clavulansäure [51]. Clavulansäure hat im Vergleich zu Sulbactam eine deutlich höhere Beta-Laktamase-Inhibitor-Aktivität [52]. Temocillin. Eine weitere theoretische Alternative für ein Carbapenem-sparendes Regime zur Therapie von systemischen Infektionen durch 3MRGN Enterobacteriacae ist Temocillin [53], ein Schmalspektrum-Penicillin gegen gramnegative Erreger ohne Pseudomonas- Wirksamkeit, das aber stabil gegenüber ESBLs und AmpC Enzymen ist. In vitro zeigt Temocillin sogar Aktivität gegenüber Klebsiella-pneumoniae-Carbapenemase (KPC), aber nicht gegenüber OXA-48 oder Metallo-Beta-Laktamasen, klinische Daten fehlen. Temocillin ist im deutschsprachigen Raum nicht verfügbar. Therapieoptionen bei 4MRGN Die Therapie von Carbapenem-resistenten Enterobacteriaceae ist eine Herausforderung, da die meisten zur Verfügung stehenden Antibiotika unwirksam sind. Die entsprechenden Antibiotika werden in Tab. 2 einander gegenübergestellt. Die beste In-vitro-Empfindlichkeit zeigt in der Regel Colistin, gefolgt von Fosfomycin und Tigecyclin [54]. Colistin Colistin zählt zur alten Antibiotikaklasse der Polymyxine. Diese wurden 1947 eingeführt und aufgrund von Nephro- und Neurotoxizität 1980 zunächst aufgegeben. Als Last-Line -Antibiotika für MRGN wurde Colistin jetzt wieder eingeführt. Colistin wirkt bakterizid gegen extrazelluläre gramnegative Erreger wie Acinetobacter sp., Klebsiella sp., E. coli und Pseudomonas aeruginosa. Es hat keine Wirksamkeit bei anderen gramnegativen Problemkeimen wie Proteus sp., Burkholderia sp., Serratia sp., Morganella spp.oder Providencia sp.

310 Therapieoptionen bei Infektion durch nosokomiale multiresistente Erreger Tabelle 2 Therapieoptionen und Kombinationspartner bei 4MRGN [62]. Colistin Tigecyclin Fosfomycin Klasse Polymyxin Glycylcyclin Phosphonsäure- Derivat Mechanismus Zellmembran Proteinsynthese Zellwand Wirkung bakterizid bakteriostatisch bakterizid nicht wirksam Proteus, Burkholderia, Serratia, Morganella, Providencia Pseudomonas, Proteus, Morganella, Providencia Proteus (testen) Aufgrund seiner fehlenden Eiweißbindung und guten Gewebegängigkeit ist Fosfomycin ideal für Abszesse, schwere Haut- und Weichteilinfektionen geeignet. Fosfomycin hat ein breites antimikrobielles Spektrum und ist eine wichtige Therapieoption bei Infektionen durch MSSA, MRSA und MRGN [58]. Allerdings zeigen klinische Daten zumindest bei Patienten mit Harnwegsinfekt durch 4MRGN Klebsiella pneumoniae eine Diskrepanz zwischen hoher In-vitro- Empfindlichkeit (92%) und reduzierter mikrobiologischer Ansprechrate (46%) unter Therapie mit Fosfomycin [59]. Häufigste Nebenwirkungen unter i. v. Therapie sind Hypernatriämie und Hypokaliämie. Nebenwirkungen Nephrotoxizität, Neurotoxizität Übelkeit, Erbrechen Hypernatriämie, Hypokaliämie Tigecyclin Colistin wird als Prodrug (Colistimethat-Natrium) verabreicht und kann zusätzlich zur intravenösen Gabe für schwere Atemwegsinfektionen auch inhalativ verabreicht werden. Dosierung. Initial muss bei der systemischen Gabe eine Ladungsdosis von 9 12 Millionen Einheiten i.v. appliziert werden, da ansonsten ein wirksamer Colistinspiegel erst nach 2 3 Tagen erreicht wird [55]. Neuere pharmakokinetische Studien haben gezeigt, dass die alte Standarddosierung von 3 1 Mio. Einheiten unzureichend ist und schlagen eine Dosierung von 2 4,5 Mio. Einheiten vor, die entsprechend Körpergewicht und Kreatinin-Clearance zu adaptieren ist. Ein rezenter Review kommt zu dem Schluss, dass kritisch kranke Patienten, die auf der Intensivstation kontinuierlich hämofiltriert werden, sogar eine Colistin-Hochdosistherapie mit 3 4,5 Mio. IE ohne Toxizität tolerieren [56]. Fosfomycin Fosfomycin ist ein Phosphonsäure-Derivat, das bereits 1969 in Spanien entdeckt wurde. Es wirkt bakterizid, indem es den ersten Schritt der Zellwandsynthese von grampositiven und gramnegativen Bakterien blockiert [57]. Tipp für die Praxis Aufgrund der raschen Resistenzentwicklung bei Monotherapie ist die (einmalige) orale Gabe beim abreicht werden. Eine Ausnahme muss Fosfomycin bei intravenöser unkomplizierten Harnwegsinfekt. Gabe immer in Kombination ver- Tigecyclin ist der erste Vertreter der Glycylcycline, die sich von den Tetrazyklinen ableiten. Es hemmt die Proteinsynthese und wirkt bakteriostatisch. Tigecyclin hat ein breites antibakterielles Spektrum inklusive multiresistenten grampositiven und gramnegativen Erregern und Anaerobiern wie Clostridium difficile. Allerdings weist Tigecyclin keine Wirksamkeit gegenüber Pseudomonas sp., Proteus sp., Providencia sp. und Morganella sp.auf. Tigecyclin hat ein hohes Verteilungsvolumen und eine hohe Gewebepenetration. Die Verweildauer von Tigecyclin im Blut ist kurz, sodass es für Blutstrominfektionen nicht geeignet ist. Tigecyclin ist für komplizierte Haut- und Weichteilgewebsinfektionen und komplizierte intraabdominelle Infekte, aber nicht für die Pneumonie zugelassen. Eine multizentrische randomisiert kontrollierte Studie bei Patienten mit nosokomialer Pneumonie zeigte, dass Tigecyclin in der Standarddosierung (100 mg Ladungsdosis, und danach 50 mg 2 täglich) +/-Ceftazidim (Erfassung von Pseudomonas aeruginosa) im Vergleich zu Imipenem/Cilastatin (500mg bis 1 g 3 täglich) +/- Vancomycin (Erfassung von MRSA) in der Subgruppe der Patienten mit beatmungspflichtiger Pneumonie signifikant niedrigere Heilungsraten (47,9 vs. 70,1%) erzielte und somit unterlegen war [60]. Bereits 2010 warnte die US Food and Drug Administration (FDA), das der Einsatz von Tigecyclin mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko v.a. für die nosokomiale

Nosokomiale Infektionen 311 Pneumonie assoziiert ist. Rezente Daten einer Phase-II- Studie mit doppelter Tigecyclin-Dosierung (200 mg Ladungsdosis und 100 mg 2 täglich) deuten auf ein gutes Ansprechen in der entsprechenden Dosierung auch bei nosokomialer Pneumonie hin [61]. Allerdings waren die Patientenzahlen entsprechend der Phase-II- Studie gering, sodass weitere Studien in Zukunft notwendig sind. Überleben % 100 75 50 Kombinationstherapie bei 4MRGN 25 0 Aufgrund der limitierten Therapieoptionen mit der Gefahr der Resistenzentwicklung unter Monotherapie sollte für systemische Infektionen mit 4MRGN eine Kombinationstherapie mit 2 oder sogar 3 wirksamen Substanzen angestrebt werden. Als Kombinationspartner stehen bei entsprechender In-vitro-Empfindlichkeit die folgenden Substanzen zur Verfügung: Colistin Tigecyclin Fosfomycin Aminoglykoside in speziellen Fällen auch Aztreonam (bei Vorliegen einer Metallo-Beta-Laktamase ohne zusätzliche andere Beta-Laktamase mit erweitertem Wirkungsspektrum wie ESBL oder AmpC) Sulbactam (bei Nachweis von Acinetobacter baumannii) Paradoxerweise sollte jedoch als erster Kombinationspartner für Colistin zunächst an Carbapeneme gedacht werden, idealerweise als prolongierte oder kontinuierliche Infusion. Allerdings gibt es keine Evidenz für einen Nutzen einer Kombinationstherapie mit einem Carbapenem, wenn für den entsprechenden Erreger eine Carbapenem-MHK >8mg/l detektiert wird [62]. Klebsiella pneumoniae Carbapenemase. Eine italienische retrospektive multizentrische Kohortenstudie bei 125 Patienten mit Bakteriämie durch Klebsiella pneumoniae Carbapenemase (KPC)-produzierende Klebsiella pneumoniae, die zumindest die ersten 48 Stunden überlebt hatten, zeigte einen Vorteil der Kombinationstherapie versus der Monotherapie auf die 30-Tage-Mortalität (34 vs. 54%, p =0,02) (Abb.3). Patienten, die eine Dreifach-Kombination mit Tigecyclin-Colistin-Meropenem erhielten, hatten die niedrigste Letalität mit nur 12,5 % (2/16 Patienten) [63]. 0 10 20 Tage Kombinationstherapie Monotherapie Abb.3 Wirksamkeit der Kombinationstherapie versus Monotherapie bei KPC-Bakteriämie. Die Kaplan-Meier-Kurve zeigt den Vorteil der Kombinationstherapie (durchgehende Linie) versus Monotherapie (gestrichelte Linie) auf die 30-Tage-Mortalität bei Patienten mit KPCproduzierender K. pneumoniae und Blutstrominfektionen (aus [63]). Die Daten einer weiteren retrospektiven Beobachtungsstudie aus Griechenland ergaben bei 205 Patienten mit KPC-Bakteriämie ebenfalls einen Überlebensvorteil für die Kombinationstherapie gegenüber der Monotherapie (27 vs. 44% Letalität, p=0,018). Die niedrigste Letalität hatten die Patienten, die eine Kombinationstherapie mit einem Carbapenem erhielten (19,3%) [64]. Die Daten zur Kombinationstherapie mit Fosfomycin bei KPC sind begrenzt und etwas widersprüchlich. In einer prospektiven Studie bei griechischen Intensivpatienten mit nosokomialen KPC-Infektionen war eine Kombinationstherapie von Fosfomycin mit entweder Colistin, Gentamicin oder Piperacillin/Tazobactam gut verträglich und die Mortalitätrate war mit 18,2 % gering [65]. Allerdings berichteten Karageorgopoulos et al. von 3 immunsupprimierten Patienten mit KPC-Bakteriämie, die als Salvage-Therapie u.a. Fosfomycin erhielten und bei denen es rasch zur Resistenzentwicklung kam nicht nur gegenüber Fosfomycin, sondern auch gegen Colistin, Aminoglykoside und Meropenem. Alle 3 Patienten verstarben [66]. Cave: Fosfomycin als Monosubstanz darf nie für systemische Infektionen eingesetzt werden. Eine andere kürzlich vorgestellte Strategie ist die Kombination von Ertapenem mit einem weiteren Carbapenem bei Vorliegen einer panresistenten KPC, wobei Ertapenem mit seiner höheren Affinität zu KPC als Suizidinhibitor wirkt. Die Autoren Giamarellou et al. 30

312 Therapieoptionen bei Infektion durch nosokomiale multiresistente Erreger publizierten das Ansprechen von 2 Patienten mit einer panresistenten KPC-Bakteriämie und von 1 Patienten mit panresistenten KPC Harnwegsinfekt unter der Therapie mit Ertapenem (1g/24h) plus entweder Doripenem (2g/8 h) oder Meropenem (2 g/8h) [67]. Dieser in vitro belegbare Ansatz ist in größeren Studien noch nicht untersucht. Patienten mit der entsprechenden Kombinationstherapie aufzeigen [70]. Kombination i.v. und inhalativ. Ein weiterer Therapieansatz bei Patienten mit beatmungspflichtiger Pneumonie durch 4MRGN ist die intravenöse und inhalative Kombination von Colistin. Kernaussagen Daptomycin ist zur Behandlung von pulmonalen Infektionen nicht geeignet. Linezolid hat eine sehr gute orale Bioverfügbarkeit und kann daher frühzeitig oralisiert werden. Tigecyclin ist zur Monotherapie von schweren nosokomialen Infektionen insbesondere bei Bakteriämie nicht geeignet. Studien zur MRSA-Pneumonie mit Ceftarolin liegen nicht vor. Die Resistenzentwicklung bei gramnegativen Bakterien ist bedrohlich und wird in den nächsten Jahren weiter zu nehmen. Bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen durch 3- und 4MRGN können in der Regel 4MRGN Acinetobacter baumannii. Auch bei Infektionen durch 4MRGN Acinetobacter baumannii gibt es Hinweise für einen Vorteil der Kombinationstherapie. In einer türkischen, multizentrischen retrospektiven Kohortenstudie bei Patienten mit Blutstrominfektionen durch 4MRGN Acinetobacter baumannii war die Kombinationstherapie mit Colistin plus entweder Carbapenem, Sulbactam oder einer anderen Substanz (Tigecyclin/Aminoglykosid/Rifampicin/Piperacillin-Tazobactam) einer Colistin-Monotherapie überlegen (p = 0,03). Allerdings konnte kein signifikanter Benefit für eine spezielle Antibiotika-Kombination gefunden werden [68]. Da in vitro die Kombination von Colistin und Rifampicin gegenüber Acinetobacter baumannii synergistisch sein kann, stellt dies eine weitere mögliche therapeutische Option bei z. B. beatmungspflichtiger Pneumonie mit 4MRGN Acinetobacter baumannii dar [69]. Allerdings konnte die bisher einzige randomisiert kontrollierte Studie bei lebensgefährlichen Infektionen durch Extensively Drug-resistant (XDR) Acinetobacter baumannii zumindest keinen Überlebensvorteil für die Alternativen (Nitrofurantoin, Fosfomycin) eingesetzt werden, wenn sie empfindlich getestet sind. Bei schweren Infektionen durch 3MRGN ist eine Monotherapie der noch wirksamen Antibiotikagruppe, in der Regel eine Therapie mit einem Carbapenem unter Umständen auch Piperacillin-Tazobactam, ausreichend. Bei schweren Infektionen durch 4MRGN, insbesondere KPC scheint eine Kombinationstherapie(insbesondereeineDreifachkombination mit Colistin und Carbapenem mit Tigecyclin oder Fosfomycin) vorteilhaft zu sein. Ziel der inhalativen Gabe ist es, höhere Antibiotikakonzentrationen am Infektionsort zu erzielen und die toxischen Effekte von Colistin zu minimieren. Bereits 2010 publizierten Kofteridis et al. nichtsignifikante Ergebnisse zum klinischen Erfolg und Gesamtüberleben bei 86 Patienten mit beatmungspflichtiger Pneumonie und kombinierter Colistin-Gabe versus intravenöser Monotherapie [71]. In einer Studie aus Italien mit einer Anzahl von insgesamt 208 Intensivpatienten, die an einer beatmungspflichtigen Pneumonie durch ausschließlich Colistin-empfindlichen Acinetobacter baumannii, Pseudomonas aeruginosa oder Klebsiella pneumoniae litten, erzielte die kombinierte intravenöse und inhalative Colistin-Gabe im Vergleich zur intravenösen Monotherapie höhere Heilungsraten (69 vs. 55%, p =0,03) und die betroffenen Patienten konnten früher extubiert werden (Dauer der invasiven Beatmung 8 Tage versus 12 Tage, p =0,001). Die Mortalitätsrate, die Länge des Intensivaufenthalts und die Rate an akutem Nierenversagen waren in beiden Gruppen vergleichbar [72]. Randomisiert kontrollierte Studien zum Vergleich der intravenösen Monotherapie mit kombiniert intravenöser und inhalativer Gabe von Colistin stehen allerdings noch aus. In-vitro-Daten deuten einen möglichen Synergismus zwischen Colistin und Daptomycin gegenüber 4MRGN Acinetobacter baumannii an [73,74]. Die Wirksamkeit dieser unkonventionellen antimikrobiellen Kombination muss allerdings erst in vivo verifiziert werden. Avibactam. Als neue Therapieoption zur Kombinationstherapie für MRGN wird in Kürze Avibactam (früher NXL 104, AVE1330A) zur Verfügung stehen. Avibactam ist derzeit in Kombination mit Ceftazidim, Ceftarolin oder Aztreonam in klinischer Prüfung. Avibactam hemmt ESBL, AmpC und bestimmte Carbapenemasen (KPC, OXA) [75,76].

Nosokomiale Infektionen 313 Interessenkonflikt: Christina Forstner hat Vortragshonorare von Pfizer erhalten. Stefan Hagel hat Vortragshonorare von Pfizer, MSD, AstraZeneca erhalten. Florian Thalhammer hat an nationalen und internationalen Advisory Boards von Astellas, Cubist, Angelini CSC und MSD teilgenommen sowie Vortragshonorare von Pfizer, AstraZeneca, Astellas, Sandoz und MSD erhalten. Mathias W. Pletz hat an nationalen und internationalen Advisory Boards von Pfizer, Basilea, Astra Zeneca, Novartis und Cubist teilgenommen sowie Vortragshonorare von Pfizer, Astra Zeneca, Astellas und MSD erhalten. Die Autoren geben an, dass kein weiterer Interessenkonflikt besteht. Über die Autoren Christina Forstner Bettina Löffler Prof. Dr. med. Jahrgang 1972. Studium der Humanmedizin in München, Birmingham und Cincinnati. 1999 2000 Ärztin im Praktikum an der Medizinischen Klinik, Klinikum Innenstadt der LMU München; 2000 2002 PostDoc am Gaubius Labor, TNO, Leiden, Niederlande; 2002 2014 Ausbildung zur Fachärztin für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie sowie Aufbau und Leitung der Forschergruppe zu zellulärer Mikrobiologie am Institut für Medizinische Mikrobiologie, Universitätsklinikum Münster. Seit 2014 W3-Professur und Leitung des Instituts für Medizinische Mikrobiologie am Universitätsklinikum Jena. Florian Thalhammer Dr. med. univ. Jahrgang 1977. Studium der Medizin an der Universität Wien. Österreichischer Hygienepreis 2006. Seit 6/2012 Fachärztin für Innere Medizin. Seit 10/2012 Assistenzprofessorin an der Medizinischen Universität Wien, Universitätsklinik für Innere Medizin I, Klinische Abteilung für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin. Seit 3/2014 Forschungsaufenthalt am Universitätsklinikum Jena, Zentrum für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene. Stefan Hagel Dr.med.Jahrgang1978.Studiuman der FSU Jena. 2005 2008 Tätigkeit in der Medizinischen Klinik 4, Nephrologie und Hypertensiologie der Universität Erlangen-Nürnberg 2008 2010 Assistenzarzt in der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie der FSU Jena, 2010 2012 Studienleiter einer krankenhausweiten Studie zur Infektionsprävention (ALERTS), welche im Rahmen des durch das vom BMBF geförderten, seit August 2010 neu eingerichteten Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrum (IFB) Sepsis und Sepsisfolgen durchgeführt wird. Seit 2012 Oberarzt im Zentrum für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene des Universitätsklinikum Jena. Univ.-Prof. Dr. med. Jahrgang 1964. Studium der Humanmedizin in Wien. 1991 Promotion, 1998 Facharzt für Innere Medizin, 1999 Habilitation, 2000 DTMH, 2007 Additivfacharzt für Infektionen und Tropenmedizin. Seit 1991 am Allgemeinen Krankenhaus Wien, Universitätsklinik für Innere Medizin I, Klinische Abteilung f. Infektionen und Tropenmedizin, seit 10/2014 deren interimistischer Leiter. Autor der Antibiotika & Antiinfektiva-App (www.antibiotikaapp.eu). Mathias W. Pletz Prof. Dr. med. Jahrgang 1973. Studium der Medizin in Leipzig, Houston und Basel. 2001 2003 Arzt im Praktikum an der Lungenklinik Heckeshorn, Berlin. 2003 2005 Postdoc am CDC in Atlanta. 2005 2010 Assistenzarzt Klinik für Pneumologie, Medizinische Hochschule Hannover. Seit 2010 Facharzt Innere Medizin und Zusatzbezeichnung Infektiologie, seit 2011 Facharzt Pneumologie. Seit 2011 W2-Professor und Leiter der BMBF-Forschergruppe Klinische Infektiologie am Universitätsklinikum Jena. Seit 2013 Leiter des Zentrums für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene des Universitätsklinikums Jena und wissenschaftlicher Berater des Robert-Koch-Institutes.