Jugendhilfe zwischen Frühen Hilfen und Kinderschutz

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Transkript:

Jugendhilfe zwischen Frühen Hilfen und Kinderschutz Regensburger Fachtagung Frühe Hilfen Kooperativ Bindungen stärken und Kinder schützen 16. April 2015 Prof. Dr. Barbara Seidenstücker 1

Inhalte 1 2 3 4 Entwicklungen im Bereich der Gesetzgebung Daten und Fakten zum Kinderschutz Schutzauftrag der Jugendhilfe bei Kindeswohlgefährdung Was sind Frühe Hilfen? 5 6 Jugendhilfe zwischen Frühen Hilfen und Kinderschutz Ausblick 2

1 Entwicklungen im Bereich der Gesetzgebung 3

Zentrale gesetzliche Änderungen im Kinderschutz seit 1998 2008 Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen Änderung des 1666 BGB Richterliche Interventionen sollen vorverlagert werden Einführung eines Maßnahmenkatalogs 2009 Ersetzung des alten FGG durch das FamFG Beschleunigung von Verfahren über das Umgangs und Sorgerecht Neuregelung der Interessenvertretung von Kindern und Jugendlichen (Verfahrensbeistand) 2011/12 Gesetz zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts Verpflichtung der Vormünder, persönlichen Kontakt zu ihrem Mündel zu halten (1 mal monatlich) Reduzierung der Fallzahlen auf max. 50 4

2012 Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG) mit dem Gesetz zur Kommunikation und Information im Kinderschutz (KKG) Ziel: Informationsweiterleitung beim Umzug von Klienten, Verpflichtung zur Durchführung von Hausbesuchen, wenn dies nach fachl. Einschätzung erforderlich ist, Befugnis für Geheimnisträger, Informationen über Kindeswohlgefährdung weiterzuleiten, Bildung lokaler Netzwerke zum Kinderschutz, Förderung des Ausbaus früher Hilfen, Einführung von Familienhebammen. Prof. Dr. Seidenstücker 5

2 Daten und Fakten zum Kinderschutz 6

HzE Gesamt (1991 bis 2013) ( 27.2, 29-35 SGB VIII, beendete + Stichtag 31.12.) 457.446 404.423 410.225 400.000 300.000 252.875 276.936 200.000 189.009 217.893 100.000 0 1991 1995 2000 2005 2011 2012 2013 Quelle: Statistisches Bundesamt (2014): Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe. Hilfen zur Erziehung 1991 bis 2013, Wiesbaden 7

Anzeigen und Entzüge der elterlichen Sorge im Zeitraum 1991 bis 2011 16.252 15.000 14.906 15.274 15.924 13.000 12.752 12.164 12.771 12.723 11.000 9.000 8.759 9.160 9.129 9.518 8.969 8.413 10.516 8.985 8.888 10.764 9.834 9.572 10.769 7.000 6.998 7.288 8.477 7.733 8.163 7.717 7.505 8.099 8.104 8.773 5.000 Anzeigen zum Entzug der elterlichen Sorge Linear (Anzeigen zum Entzug der elterlichen Sorge) Gerichtliche Maßnahmen zum Entzug der elterlichen Sorge Quelle: Statistisches Bundesamt (2013): Statistik der Kinder- und Jugendhilfe. 8

Maßnahmen des Familiengerichts in den Jahren 2012 / 2013 Auferlegung der Inanspruchnahme von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe gem. 1666 Abs. 3 Nr. 1 BGB Aussprache von anderen Geboten oder Verboten gegenüber Personensorgeberechtigten oder Dritten gem. 1666 Abs. 2 bis 4 BGB Ersetzung von Erklärungen des/der Personensorgeberechtigten gem. 1666 Abs. 3 Nr. 5 BGB Teilweise oder vollständige Übertragung der elterlichen Sorge auf das Jugendamt oder einem Dritten als Vormund oder Pfleger gem. 1666 Abs. 3 Nr. 6 BGB 2012 2013 8.970 8.360 3.355 3.337 2.102 1.534 14.370 15.067 Quelle: Statistisches Bundesamt (2014): Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe. Pflegschaften, Vormundschaften, Beistandschaften 2013, Wiesbaden 9

n = 17.211 n = 39.217 n = 24.393 n = 37.848 Verfahren insgesamt: 115.687 Quelle: Statistisches Bundesamt (2014): Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe Gefährdungseinschätzungen nach 8a, Abs. 1 SGB VIII 2013, Wiesbaden 10

Bekannt machende Person/Institution einer vermuteten Kindeswohlgefährdung in % (2013) Polizei, Gericht, Staatsanwalt 19,5 Bekannte/Nachbarn 14 Anonyme Meldungen 11,3 Schule 8,6 medizinische Berufe PSB 7,4 7,3 Sonstige Verwandte ASD/JA 5,7 6,4 6,1 Einrichtungen der Erziehungshilfe 4,2 Kita/Tagespflege 3,5 Einrichtungen der Jugendarbeit 2,8 Minderjähriger 2,1 Beratungsstelle 1,1 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 Quelle: Statistisches Bundesamt (2014): Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe. Gefährdungseinschätzungen nach 8a, Abs. 1 SGB VIII 2013, Wiesbaden 11

3 Schutzauftrag der Jugendhilfe bei Kindeswohlgefährdung 12

4 Was sind Frühe Hilfen? 13

Frühe Hilfen bilden lokale und regionale Unterstützungssysteme mit koordinierten Hilfeangeboten für Eltern und Kinder ab Beginn der Schwangerschaft und in den ersten Lebensjahren mit einem Schwerpunkt auf der Altersgruppe der Null- bis Dreijährigen. Nationales Zentrum Frühe Hilfen, 2009

Was wollen/sollen Frühe Hilfen? 1 Schaffung von Zugängen zu Kindern und Familien mit dem Ziel frühzeitig riskante Entwicklungen zu erkennen und entgegenzuwirken Frühzeitig bezogen auf den Entstehungsprozess von Krisen Frühzeitig bezogen auf das Lebensalter/ Entwicklungsphasen von Kindern 2 Herstellen verbindlicher disziplinärer und interdisziplinärer Netzwerke 15

5 Jugendhilfe zwischen Frühen Hilfen und Kinderschutz 16

Jugendhilfe zwischen Frühen Hilfen und Kinderschutz FRÜHE HILFEN KINDERSCHUTZ Achtsamkeit gegenüber riskanten Lebenslangen, frühes Erkennen, offensives Werben um Inanspruchnahme Schutzauftrag durch Erkennen und Analysieren gewichtiger Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung 17

Leistungen und Maßnahmen der Jugendhilfe im Kontext des Kinderschutzes (Quelle: Jacob, 2006; Schone, 2011) 18

6 Ausblick 19

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