Miteinander leben von einander lernen Prof. Dr. Jürgen Friedrichs Universität zu Köln Immobilien-Dialog Köln kommt an! 23. Januar 2014
Gliederung 1. Definition 2. Zentrale These 3. Wie kommt es zu Gentrifcation? 4. Phasenmodell der Gentrification 5. Panelstudie: Gentrification in Köln 6. Folgerungen
Definition Ein Gentrification-Gebiet... ist ein innenstadtnahes Wohngebiet mit architektonisch reizvoller Bausubstanz steht unter Sanierungsverdacht hat deshalb niedrige Mieten weist eine ethnisch-soziale Mischung auf erfordert Toleranz aller Bewohner hat eine ungewisse Zukunft: städt. Planung, Investoren
Zentrale These Gentrification hat positive und negative Folgen. Positiv: 1.Keine weitere Verslummung 2.Erhalt der Gebäude 3.Viertel wird attraktivav 4.Vielfalt wird größer (zeitweise) Negativ: 1.Mietsteigerungen 2.Steigerungen des Bodenwertes 3.Verdrängung armer / alteingesessener Wohnbevölkerung
Wie kommt es zur Gentrification? Angebotsseite 1. Rent gap-theorie (Smith): Grundstück: Differenz von gegenwärtigem (niedrigen) und potentiell erzielbarem Preis 2. Value gap-theorie (Hamnett und Randolph): Wohngebäude: Differenz zwischen Kapitalrendite für Mietshaus zwischen Mieteinnahmen und Umwandlung in Eigentumswohnungen
Wie kommt es zur Gentrification? Nachfrageseite Mehrere gesellschaftliche Veränderungen: Steigende Bildungsqualifikation der Frauen, mehr akademische Ausbildungen Verwertung des Humankapitals: Erwerbstätigkeit, spätere (wenn überhaupt) Heirat, spätere (wenn überhaupt) Geburt des ersten Kindes Neue Haushalte: Singles, unverheiratet Zusammenlebende, Patchwork-Familien Fortsetzung des urbanen Lebensstils Unsicherheit der Beschäftigung (Dauer, Ort) gilt für beide Partner = doppelte Unsicherheit
Wie kommt es zur Gentrification? Nachfrageseite Reaktionen auf diese Entwicklung: 1. Unsicherheit, sich mit einem Eigenheim im Umland festzulegen (=sinkende Suburbanisierung) 2. Präferenz für Wohnen in der Innenstadt 3. Wenn Eigentum, dann eher Eigentumswohnung in der Innenstadt abhängig vom Vermögen / Erbschaft
Phasenmodell der Gentrification Dimensionen / Bereiche der Gentrification Wohnbevölkerung Grundstückspreise Mieten Infrastruktur, u. a. Geschäfte, Lokale Image / symbolische Bedeutung Investitionen
Phasenmodell der Gentrification P0: Niedergehendes Gebiet P1: Entdeckung P2: Weiterer Zuzug und Konflikte P3: Auszug und weitere Zuzüge P4: Gentrifiziertes Gebiet P5: Ultra-Gentrifizierung
Phasenmodell der Gentrification P1: Entdeckung Pioniere (u. a. Künstler, Schwule, Studenten) ziehen ein Erste neue Geschäfte, u. a. Galerien, Lokale Pioniere sind risikoreich Pioniere schätzen multi-ethnische Umgebung Keine Investoren Stadtplanung: Sanierungs(verdachts-)Gebiet
Phasenmodell der Gentrification P2: Weiterer Zuzug und Konflikte Mehr Pioniere ziehen ein Mieten steigen Lokale (und damit Gebiet) werden durch Medien attraktiv ( In-Viertel ) Gentrifier werden auf das Gebiet aufmerksam Evtl. incumbent upgrading (gewaltsame) Konflikte zwischen Pionieren und Gentrifiern Interesse von Maklern und Investoren für das Gebiet Verdrängung von Alteingessenen
Phasenmodell der Gentrification P3: Auszug und weitere Zuzüge (gewaltsame) Konflikte zwischen Pionieren und Gentrifiern Erste Pioniere ziehen aus Mehr Gentrifier ziehen ein Mieten steigen weiter Weitere neue Geschäfte und Lokale Bank-Kredite für Modernisierung und Wohnungskauf Erste Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen Überregionale Vermarktung der Wohnungen
Phasenmodell der Gentrification P4: Gentrifiziertes Gebiet Anteil der Pioniere sinkt weiter Anteil der Gentrifier steigt, G. sind Mehrheit Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen Grundstückspreise und Mieten steigen weiter Internationale Vermarktung des Gebiets Stadtplanung: schaut zu (?)
Phasenmodell der Gentrification P5: Ultra-Gentrifizierung Noch einkommensstärkere Haushalte ziehen ein Verdrängung der Pioniere z. T. Verdrängung der Gentrifier Neubauten mit Luxus-Eigentumswohnungen Internationale Investoren Luxus-Einzelhandel: Bulgari, Hermès, Vuitton
Panelstudie: Gentrification in Köln Untersuchungsgebiete: Mülheim und Deutz Laufzeit: 2010 bis 2015 Wohnungspanel: Befragungen 2010, 2011, 2013, 2014 2010: 1,000 Befragte Finanzierung: Deutsche Forschungsgemeinschaft Kooperationen: Stadt Köln, Amt für Wohnungswesen, Amt für Stadtentwicklung und Statistik
Panelstudie: Gentrification in Köln N (2010): 101 156 52 176 477 Pioniere frühe Gentrifier etablierte Gentrifier Ältere Andere Alter Schulbildung Haushaltsgröße bis 35 Jahre 12 Jahre jede bis 45 Jahre alle 2 Pers., max. 1 Kind bis 45 Jahre alle 2 Pers., max. 1 Kind alle Personen 65 Jahre alle Personen <65 Jahre, die keine Pioniere oder Gentrifier sind Kinder keine max. 1 Kind max. 1 Kind Einkommen* <1.500 1.500-2500 >2.500 *Haushalts-Äquivalenzeinkommen, nach OECD-Skala: erster Erwachsener=1.0, andere Personen 15 Jahre=0.3.
Panelstudie: Gentrification in Köln Pioniere, Gentrifier und Ältere/Andere in Mülheim und Deutz, 2010 und 2013
Panelstudie: Gentrification in Köln Wohnungsgröße und Mieten nach Periode des Einzugs Miete/m² 7.96 /m² 8.88 /m² 9.75 /m² 10.32 /m² 9.48 /m² iete/monat 720 700 680 660 640 620 600 580 560 540 685 697 651 666 593 bis 1991 1992-2001 2002-2006 2007-2011 Insgesamt
Mülheim 1.795 /m² Deutz 2.876 /m² Neustadt-Süd 3.260 /m²
2010 Folie: 21
2013 Folie: 22
Folie: 23
Panelstudie: Gentrification in Köln Verdrängung Bildung der Fortgezogenen, Gebliebenen und Zugezogenen der ersten, zweiten und dritten Welle
Folgerungen In beiden Gebieten hat ein Prozess der Gentrification eingesetzt, in Deutz früher als in Mülheim Die Mieten steigen in beiden Gebieten Neu Zuziehende haben einen höheren Status In beiden Gebieten nimmt die Zahl der Eigentümer und der Umwandlungen in Miet- in Eigentumswohnungen (Abgeschlossenheitserklärungen) zu Alle Hypothesen über den Verlauf des Prozesses und über die Unterschiede zwischen Deutz und Mülheim bewähren sich
Folgerungen Steigende Vermögens-Ungleichheit: Im Jahre 2007 konzentrierte sich 61,1 % der Nettovermögen bei den obersten 10 % der Einkommen; im Jahre 2002 waren es noch 57,9 %. Die untersten 50 % haben praktisch kein Vermögen (Frick und Grabka 2009). Das durchschnittliche Vermögen der Deutschen ist gestiegen: Ende 2012 betrug es 41.950-6.8 % mehr als im Vorjahr (Allianz 2013; SZ v. 25.9.2013). Die Stadt wächst, 2005-2011: +2,5 %. 2011: Zuzüge > Fortzüge, sogar Geburten > Sterbefälle Die Bevölkerung Kölns nimmt voraussichtlich zwischen 2013 bis 2030 von 1.017.000 auf 1.112.300 zu. Dies werden (JF) überwiegend Pionier- und Gentrifier- Haushalte sein.
Folgerungen Folgen: Der Druck auf Wohnungsmarkt wird steigen was er ohnehin in allen deutschen Großstädte nachweisbar ist. Folge: Steigende Nachfrage nach innerstädtischen Wohnungen in Altbauten und nach innenstädtischen Eigentumswohnungen. Die erheblichen (ererbten) Vermögen einerseits und die niedrigen Zinsen andererseits verschärfen diese Entwicklungen
VIELEN DANK! Folgerungen Was kann die Immobilienwirtschaft tun, um die Vielfalt, die in der Gentrification-Phase 3 (in der Abbildung in der Mitte) erreicht wird, zu erhalten und Verdrängung verhindern? Kann sie etwas tun?