Ausbreitung von Minijobs: Sozialpolitische Ursachen und Folgen



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Transkript:

Ausbreitung von Minijobs: Sozialpolitische Ursachen und Folgen Veranstaltung: Minijobs: eine Beschäftigungsform mit Nebenwirkungen - Bestandsaufnahme und politische Handlungsoptionen IAQ/WSI am 01.03.2010 in Duisburg Prof. Dr. Gerhard Bäcker

Gliederung I. Grundlagen: Beschäftigungsverhältnisse und soziale Sicherung im deutschen Wohlfahrtsstaat - Sozialversicherung - Steuer-Transfer-Systeme - Einkommensbesteuerung - Arbeitsrechtliche Ansprüche II. Geringfügige Beschäftigung, soziale Leistungsansprüche und Steuerung des Arbeitsangebots - Anreizeffekte geringfügiger Nebenbeschäftigung - Anreizeffekte geringfügiger Hauptbeschäftigung III. Geringfügige Beschäftigung und Arbeitsnachfrage IV. Auswirkungen auf die Finanzlage der Sozialversicherungsträger V. Zusammenfassendes Ergebnis VI. Perspektiven

I. Grundlagen: Beschäftigungsverhältnisse und soziale Sicherung im deutschen Wohlfahrtsstaat (a) Sozialversicherung Standardrisiken: Krankheit, kurzfristige Arbeitslosigkeit, Alter, Erwerbsminderung, Pflegebedürftigkeit, Arbeitsunfälle > (Arbeitnehmer!)-Sozialversicherung Entscheidend für die Leistungsansprüche und (bei Geldleistungen) die Leistungshöhe ist - die Höhe des Bruttoarbeitnehmereinkommens bis zur Beitragsbemessungsgrenze - die (wöchentliche) Arbeitszeit Vollzeit/Teilzeit ist unerheblich. > Abgeleitete Ansprüche für nicht versicherungspflichtig erwerbstätige Ehepartner: Hinterbliebenenrente, Familienversicherung in der Kranken- und Pflegeversicherung.

Zentrale Ausnahme: Geringfügige Beschäftigung: Haupt- und Nebenbeschäftigung Allein eine sozialversicherungs- und steuerrechtliche Regelung > Wenn die Einkommensgrenze von 400 /Monat nicht überschritten wird: Steuer- und Beitragsfreiheit für Arbeitnehmer > Pauschalbeitrag für Arbeitgeber, derzeit etwa 30 % (15 % GRV; 13 % GKV, 2 % Steuer) > Keine eigenständigen Leistungsansprüche Midi-Jobs: > In der Zone zwischen 400 und 800 gleitende Anhebung der Arbeitnehmerbeiträge und Leistungsansprüche, reguläre Arbeitgeberbeiträge

Leistungsberechnung der Sozialversicherung Geldleistungen : Beitragsbelastung nach Höhe des Bruttoeinkommens (bis zu den jeweiligen Beitragsbemessungsgrenzen) = fester Prozentsatz auf das jeweilige Einkommen Leistungshöhe von Rente, Arbeitslosengeld, Krankengeld in Abhängigkeit von der Höhe des Einkommens und bei der Rente auch nach der Dauer der versicherungspflichtigen Beschäftigung > Dominanz des Äquivalenzprinzips, begrenzter Solidarausgleich

Sach- und Dienstleistungen Krankenversicherung, Pflegeversicherung, z. T: Arbeitsförderung : Beitragsbelastung nach Höhe des Bruttoeinkommens (bis zur Beitragsbemessungsgrenze) Leistungen nach Bedarf (Krankenversicherung) bzw. nach Leistungspauschalen (Pflegeversicherung) > Keine Gültigkeit des Äquivalenzprinzips, Hohe Bedeutung des Solidarausgleichs zu Gunsten niedriger Einkommen allerdings: nur bis zur Beitragsbemessungs- und Versicherungspflicht-grenze

(b)steuerfinanzierte Transfers ALGII/Sozialgeld, Wohngeld, Kinderzuschlag u.a. Leistungshöhe nach Bedarf (Pauschalen/Regelleistungen) Leistungsanspruch nach Maßgabe > des Haushaltseinkommens (bzw. Einkommen der Bedarfsgemeinschaft) Je niedriger das verfügbare Haushaltseinkommen desto höher die Leistung bzw. der Aufstockungsbetrag Die Höhe der individuellen Brutto- oder Netto Arbeitnehmereinkommen hat keine oder nur nachrangige Bedeutung Leistungsansprüche auch für Haushalte mit Erwerbseinkommen > insbesondere Aufstocker im SGB II (unterstützt durch Freibeträge bei der Einkommensanrechnung)

(c) Einkommensbesteuerung Steuerbelastung/Einkommensteuer: > Besteuerung erst oberhalb des Grundfreibetrags (8.400 /Jahr bzw. 16.800 /Verheiratete) Ehegattensteuersplitting im Verbindung mit dem Progressionstarif: Je höher das Einkommen des einen Partners/des Mannes, je niedriger das Einkommen des anderen Partners/der Frau > um so geringer die gemeinsame Steuerschuld Steuerklassenwahl für Ehepartner (III/V): > Niedrige Steuerbelastung für den Besserverdienenden, hohe Abzüge für die Niedrigverdienende

(d) Arbeitsrechtliche Ansprüche Grundsätzliche Geltung aller arbeits- und tarifrechtlichen Ansprüche für alle Beschäftigungsverhältnisse > unabhängig von der Höhe des Arbeitnehmereinkommens und der Arbeitszeit z.b. Entgeltfortzahlung, Feiertagsbezahlung, Urlaub, Kündigungsschutz

Zwischenergebnis: Der deutsche Wohlfahrtsstaat unterstützt - bei den Sach- und Dienstleistungen der Sozialversicherung (nicht bei den Geldleistungen!) niedrige Arbeitnehmereinkommen - bei den Steuer-Transfersystemen niedrige Haushaltseinkommen Die Ausgestaltung des Steuersystems und die abgeleiteten Ansprüche aus der Sozialversicherung setzen mehrfach Anreize für Ehefrauen > Erwerbstätigkeit und Erwerbseinkommen zu reduzieren > Festschreibung des Modells der (modifizierten) Versorgerehe Ausnahme: Die Neuregelung des Elterngeldes

II. Geringfügige Beschäftigung, soziale Leistungsansprüche und Steuerung des Arbeitsangebots Grundsatz: Pauschalbeitragszahlungen der Arbeitgeber, Steuer- und Beitragsfreiheit für die Beschäftigten, keine (eigenständigen) Leistungsansprüche, Möglichkeit der Aufstockung der Arbeitnehmerbeiträge zur Rentenversicherung auf den regulären Beitragssatz, dann mit vollwertigen Ansprüchen Geringfügig Nebenbeschäftigte: Keine zusätzlichen Ansprüche, aber keine direkten Nachteile: - voller Versicherungsschutz in der GKV/SPV - Leistungsansprüche auf Renten, Arbeitslosengeld, Krankengeld usw. nach Maßgabe des Verdienstes aus der Hauptbeschäftigung,

Geringfügig Hauptbeschäftigte: Verheirate Partner/Frauen: nur begrenzte und minimale Ansprüche aus der GRV, Arbeitgeberpauschale von 15 %: bei einem Jahr Beschäftigung 3,22 Rentenanspruch im Monat > hohes Risiko von individuellen Sicherungslücken im Alter, je nach Dauer der geringfügigen Beschäftigung, Empirische Befunde: ASID und AVID > Altersarmut aber nicht nur abhängig von der individuellen Rente sondern vom gesamten Alterseinkommen im Haushaltskontext > kaum Zahlung freiwilliger Arbeitnehmerbeiträge > aber: selbst volle Beitragszahlung im Bereich der Geringfügigkeit führt lediglich zu extrem niedrigen Anwartschaften: 1 Jahr Beschäftigung zu 400 = die Monatsrente erhöht sich um 4,28

Geringfügig Hauptbeschäftigte: Verheiratete Partner/Frauen: keine Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung aber: abgeleitete Rentenansprüche: Witwenrente abgeleitete Ansprüche aus der GKV: beitragsfreie Familienversicherung

Rentner: Keine zusätzlichen Leistungsanwartschaften Versicherung in der Krankenversicherung der Rentner Schüler/Studierende: Keine Leistungsanwartschaften Versicherung in der studentischen Krankenversicherung Arbeitslose (nur bis zu 15 Stunden): Keine Leistungsanwartschaften Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung Mini-Jobs und ALGII: von den 400 bleiben 160 anrechnungsfrei 57 Prozent der erwerbstätigen Aufstocker verdienen weniger als 400 /Monat

Zwischenergebnis: > Hohe Anreize zur Begrenzung der Erwerbstätigkeit auf Geringfügigkeit - für Nebenbeschäftigung, da im Unterschied zu Mehrarbeit/Überstunden Steuer- und Beitragsfreiheit - für Hauptbeschäftigung, da Steuer- und Beitragsfreiheit und anderweitige Kranken- /Pflegeversicherungsansprüche > Aufstockung durch ALGII: die relativ höchsten Einkommensfreibeträge bei Minijobs: 160 = 40 % des Einkommens bleiben anrechnungsfrei > Höheres Einkommen und längere Arbeitszeit unattraktiv: - bei 401 : nur noch Nettoeinkommen von 328 (Steuerklasse V) - erst bei einem Bruttoeinkommen von 550 (Steuerklasse V) wird wieder ein Nettoverdienst von 400 erreicht. noch - bei einem Einkommen von 800 bleiben in Steuerklasse V

III. Geringfügige Beschäftigung und Arbeitsnachfrage Interesse der Unternehmen an Einrichtung und Ausdehnung von Beschäftigungsverhältnissen im Minijob-Bereich? > Belastung durch Pauschalbeiträge höher als durch Arbeitgeberbeiträge oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze, dennoch werden durch den Einsatz Personalkosten reduziert Erklärungen aus dem betriebspraktischen Umgang mit Minijobbern: (1) Keine oder nur begrenzte Berücksichtigung der arbeitsrechtlichen Regelungen (2) Begrenzte Geltung tariflicher Standards (Entgelte, Sonderzahlungen, Zuschläge, Urlaub, betriebliche Altersversorgung usw.) (3) Orientierung der Bezahlung an den Netto-Größen: entsprechende Reduzierung der Brutto-Verdienste Rechtswidrig aber wo kein Kläger, da kein Richter.

IV. Auswirkungen auf die Finanzlage der Sozialversicherungsträger Grundsatzfrage: Handelt es sich bei den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen um (1) Zusätzliche Arbeitsplätze, die unter anderen, regulären Bedingungen nicht entstanden wären (2) Legalisierte Arbeitsverhältnisse die jetzt statt Schwarzarbeit ausgeübt werden (3) Verdrängungs-/Substitutionseffekte: Reguläre, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze werden durch Mini-Jobs ersetzt Ergebnisse der Evaluationsstudien zu den Hartz-Gesetzen: Mehrfache Hinweise auf Verdrängungseffekte, Legalisierungseffekte (bei Beschäftigung in Privathaushalten) gering

Fiskalische Auswirkungen > Zusätzliche und/oder legalisierte Arbeitsplätze: Mehreinnahmen der Sozialversicherungsträger durch die Arbeitgeberpauschalbeiträge ohne relevante Mehrausgaben > Verdrängungseffekte: Erhebliche Mindereinnahmen der Sozialversicherungsträger - Differenz reguläre Arbeitgeberbeiträge und Pauschalbeiträge - fehlende Arbeitnehmerbeiträge bei nahezu unveränderten Ausgaben in der Kranken- und Pflegeversicherung Die Mindereinnahmen der Sozialversicherungsträger führen zu: - Mehrbelastungen der Beitragszahler (Subventionierung!) - Mehrbelastungen der Steuerzahler

V. Zusammenfassendes Ergebnis Subventionierung des unteren (Niedriglohn)Beschäftigungssegments (vor allem) durch die Beitragszahler hohe Verdrängungseffekte zu Lasten versicherungspflichtiger Beschäftigung Festschreibung des Modells der Versorgerehe unzureichende soziale Absicherung Rahmen für mehrfache (rechtswidrige) Benachteiligungen geringfügig Beschäftigter in der betrieblichen Praxis

VI. Perspektiven Gesamtkonzept zur Stärkung gesicherter/zum Abbau prekärer Beschäftigung - beitragsrechtliche Gleichstellung oberhalb einer Bagatellgrenze - Einschränkung und Überwindung der Förderung der Versorgerehe: Übergang zum Individualprinzip * bei der Besteuerung und * bei den Ansprüchen auf Leistungen der Sozialversicherung - Zugang zu allen arbeits- und tarifrechtlichen Ansprüchen, Kontrolle der Rechtsnormen Probleme: - Beitragspflicht der Arbeitnehmer führt zu deutlichen Netto-Einbußen - Das Individualprinzip lässt sich nur schrittweise durchsetzen, Vertrauensschutz ist unabdingbar

Zwischenschritte -Eindämmung der geringfügigen Nebenbeschäftigung - Wiedereinführung der Begrenzung auf 15 Wochenstunden - gleitende Absenkung der Geringfügigkeitsgrenze auf 300 - Einführung von (gesetzlichen) Mindestlöhnen - Aufklärung der Betroffenen über die Rechtslage, Öffentlichkeitsarbeit - aktive Rolle von Gewerkschaften und Betriebsräten

Ein Nachtrag: Kopfpauschalen in der GKV würden den Übergang in eine versicherungspflichtige Beschäftigung noch unattraktiver machen: - Bei einer Pauschale von (geschätzt) 130 170 Euro werden Beschäftigte im unteren (versicherungspflichtigen) Einkommensbereich erheblich stärker als bislang belastet. - 150 Euro GKV-Arbeitnehmerbeitrag fallen derzeit erst bei einem Bruttoeinkommen von 1.900 an. - Ein Steuerzuschuss als Ausgleich wird sich, da ansonsten nicht zu finanzieren, allenfalls am Haushaltseinkommen bemessen, nicht am individuellen Bruttoeinkommen.

Neuere Diskussionen: Auswirkungen einer Kopfpauschale in der GKV (125 150 Euro) Flexibilisierung der Altersgrenzen