Beurteilung Fortbildung Z-INA und plötzlich prüfe ich Rita Gübeli Mai/ Juni 2012
Beurteilung Ein Urteil über Personen setzt sich zusammen aus Wahrnehmungen, Beobachtungen, vorgefassten Meinungen und ist somit ein sekundärer Vorgang. Eine Beurteilungssituation ist geprägt durch: Macht-, Ohnmacht-Verhältnis Einstellung, Werte und Normen Vorgaben der Institution Beurteilungen 1. Qualifikation: Fällen eines Urteils Selektion ev. Sanktion ev. Ausschluss/Auflage 2. Standortbestimmung: Entwickeln von Lernempfehlungen, gemeinsames Planen von Massnahmen und weiteren Schritten 3. Feedback: Rückmeldung mit offener Möglichkeit zur Annahme oder Ablehnung Pädagogische Relevanz Die Verbesserung des Lernens unterstützt folgende Aspekte: Selbst- und Fremdeinschätzung Erkennen von Lerndefiziten Bestätigung erfolgreicher Lernschritte Motivation durch Hinweise auf Lernerfolge Steuerung nächster Lernschritte Verbesserung der Lernbedingungen Fragen zur Gestaltung von Beurteilungen Was für ein Beurteiltyp bin ich? Habe ich Erwartungen oder Vorurteile, bin ich voreingenommen? Ist mir die Studierende/der Studierende sympathisch oder unsympathisch? Erinnere ich mich an den ersten Eindruck? Ist er mir wichtig? Habe ich private oder persönliche Interessen gegenüber der/dem Studierenden? Können diese eine Rolle spielen, welche meine Beurteilung beeinflussen könnten? Beachte ich, dass sie Angst und Stress auslösen kann? Ist das Lernziel transparent? Stimmt die Aufgabe mit dem Lernziel überein? Beurteilung.doc Seite 2/6
Ist die Aufgabe verständlich und adressatenbezogen? Ist meine Beurteilung aufgrund ausreichender und sorgfältiger Beobachtung gefällt worden? Ist meine Beurteilung in sich schlüssig? Kann ich alles klar begründen? Haben mich Dritte beeinflusst? Habe ich mit jemanden über die/den Studierende/n gesprochen? Habe ich Schönfärberei betrieben, weil ich die/den Studierenden persönlich sehr gut mag? Habe ich Aspekte in die Beurteilung miteinbezogen, für die es keine vollständigen Beweise gibt? Wie habe ich mich gefühlt, als ich die Beurteilung geschrieben habe? Beurteilungsarten Summative Beurteilung (meist Fremdeinschätzung) Abschliessendes, zusammenfassendes Urteil im Sinne einer bilanzierenden Ergebnisorientierung Formen: Prüfungen, Tests, Lernkontrollen, Qualifikation Formative Beurteilung (Selbst- Fremdeinschätzung) Aufzeigen von Entwicklungsschritten im Sinne einer Prozessorientierung Formen: Lerntagebuch, Standortbestimmung, Feedback Diese Form ist auch von ihrer Mitteilungsform anstrengend und aufwändig. Meine eigene Wahrnehmungs-, Beobachtungs- und Dialogfähigkeit wird ebenso geprüft. Beurteilungsformen Beurteilungsgespräche: haben informierende, selbstoffenbarende, beziehungsklärende und zielsetzende (als Qualifikationsgespräche auch qualifizierende) Funktion (formativ und/ oder summativ) Evaluation (formativ) Lernerfolgskontrollen: schriftliche Berichte, Präsentationen (formativ und/ oder summativ) Prüfungen: schriftliche und praktische Examen (summativ) Portfolio: kontinuierliche Sammlung über den Lernprozess, Lehrperson und lernende dokumentieren diese in der Absicht der Bewertung (summativ und/oder formativ) Selbst- und Fremdeinschätzung Die Beurteilung ist traditionsgemäss eine summative Fremdbeurteilung. Bei der formativen ist es eine Interaktion/ ein Dialog. Beurteilung.doc Seite 3/6
Es geht nicht ohne Selbsteinschätzung der beurteilenden Person. Diese kann aber die Fremdbeurteilung nie ersetzen. Wenn die Selbst- und die Fremdeinschätzung stark voneinander abweicht, besteht im Suchen nach den Gründen eine beidseitige Lernchance. Dilemmata in der Beurteilung Selektion Gesellschaftliche Norm Summative Beurteilung Begleitung Individuelle Norm Formative Beurteilung Objektivität Subjektivität Fachkompetenz Selbst-/Sozialkompetenz Fremdbeurteilung Selbstbeurteilung Stofforientierung Zielorientierung Methodik Intuition Lenkung Unterstützung Forderung Förderung Qualifikation Beratung Der Teufels-/Engelkreis bezüglich Lern- und Verhaltensschwierigkeiten Aus systematischer Sicht sind Lernschwierigkeiten immer auch Beziehungsstörungen. In den folgenden Kreisschemata bedeuten: S: Selbstwertgefühl U: Umwelt (Lehrpersonen, Familie, Partner, Freunde, Chef) L: Leistungsbereich Beim Teufelskreis wiederholt sich schlechte Leistungen (L-) - also Misserfolg kontinuierlich. Beim Engelkreis (ist uns weniger bewusst) sind wir erfolgreich (L+) Der grosse Kreislauf wird unterteilt in drei kleinere zusammenhängende Kreisläufe: Pädagogischer Kreislauf Psychologischer Kreislauf Sozialer Kreislauf Beurteilung.doc Seite 4/6
Das Beurteilungsgespräch Gründe Studierende erhalten Hinweise bezüglich ihrer Stärken und Schwächen Studierende erhalten Feedback über ihr Verhalten Planung der weiteren gemeinsamen Schritte Einschätzung muss von der Beurteilungsperson begründet und vertreten werden Beurteilungsperson erhält Feedback über ihre Wirkung/ihr Verhalten Gespräch ist eine vertrauensbildende Massnahme Vorbereitung Ankündigung: Zeitpunkt, Ort, Zeitrahmen, anwesende Personen Transparenz bezüglich Kriterien, Ziele Vorbereitung der Studierenden klären: schriftliche Selbstbeurteilung Sammeln der Dokumentationen über den Lernprozesses der Studierenden/ des Studierenden Hinterfragen der eigene Rolle (siehe Fragen) Einstimmung auf die Studierende/ den Studierenden Beurteilung.doc Seite 5/6
Struktur Selbsteinschätzung der Studierenden/ des Studierenden Fremdeinschätzung Formulieren der Konsequenzen Feedback Gesprächsprotokoll Checkliste für die Beurteilungsperson Beschränke ich mich auf wenige Schwerpunkte? Lasse ich die Beurteilte/den Beurteilten zuerst ihre/seine eigenen Eindrücke schildern? Ist es sinnvoller mit einer Fremdeinschätzung zu beginnen? Erwähne ich zuerst die positiven Punkte? Wirkt mein Lob glaubwürdig? Kann ich die vorgebrachten kritischen Punkte genügend und aussagekräftig begründen? Zeige ich an konkreten Beispielen Alternativen auf, die zu Verbesserungen führen können? Gebe ich entsprechende Hilfeleistungen und Anregungen? Fasse ich am Schluss die Kernaussagen der Besprechung nochmals zusammen? Lasse ich die Beurteilte/den Beurteilten angemessen zu Wort kommen? Leite ich das Gespräch genügend klar? Wirken meine Bemerkungen weder verletzend noch belehrend, sondern ermutigend? Kann ich eine abweichende Meinung der/des Beurteilten akzeptieren? War dieses Gespräch ein Dialog? Habe ich als Beurteilende/ Beurteilender auch für mich einen Nutzen gezogen? Literatur: Thomann, G. (2003). Ausbildung der Ausbildenden. Bern/ Zürich: h.e.p. Beurteilung.doc Seite 6/6