Verkehrsdynamik und -simulation SS 2017, Lösungsvorschläge zu Übung Nr. 8

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Transkript:

Verkehrsdynamik und -simulation SS 2017, Lösungsorschläge zu Übung Nr. 8 Lösungsorschlag zu Aufgabe 8.1: Faustregeln für Abstand und Bremsweg (a) Zunächst mal wächst der Abstand gemäß der Regel Abstand gleich halber Tacho proportional zur Geschwindigkeit. Damit ist der Quotient T = s/, also die gesuchte Folgezeit, unabhängig on der Geschwindigkeit! Den Zahlenwert erhält man durch einfaches Einsetzen, wobei man aber sorgfältig auf die Einheiten achten muss: Abstand in m = 1 ( ) Geschwindigkeit in km/h 2 s m = 1 ( ), 2 km/h also ( ) T = s 1 = 2 m km/h = 1 2 m km/h = 0.5h 1000 = 1800s 1000 = 1.8s. Bemerkung: Die entsprechende USA-Regel lautet übrigens: For eery ten miles per hour you drie faster, add a car length to your safety gap. Es ist nicht klar, wie lang das car sein soll. Wir nehmen mal einen USA-Straßenkreuzer mit l car = 5m an. Schließlich wurde diese Regel zu Zeiten billigen Öls formuliert. Also mit der üblichen Bezeichnung mph für Miles per hour : T = s = l car 10mph = 5m 10mph 1.6 km/h mph 1m/s 3.6 km/h = 5m 3.6s/m 16 = 18 16 s. Dies ist ein deutlich kürzerer Abstand. Erst bei Fahrzeuglängen on etwa 8 m würde die europäische Abstandsregel resultieren. Insgesamt hat der Modellparameter T (Folgezeit) plausible Werte zwischen T = 0.3s (extrem aggressier Fahrer) und T = 3 s ( Sonntagsfahrer ). (b) Die Faustformel Bremsweg gleich Quadrat der Geschwindigkeit durch 100 für den Bremsweg s in Abhängigkeit der Geschwindigkeit lautet unter Berücksichtigung der implizit (also unbewusst) orausgesetzten Einheiten m und km/h: ( ) s 2 m = 0.01 km/h www.mtreiber.de/vkmod Verkehrsdynamik, SS 2017 Lösungen zu Übung 8, Seite 1

Wir bestimmen den Bremsweg am einfachsten, indem wir den Bremsorgang im Gedanken rückwärts in der Zeit ablaufen lassen, also mit einem bei x = 0 stehenden Fahrzeug starten, welches ab dem Zeitpunkt t = 0 konstant mit b beschleunigt. Es gilt also x(0) = (0) = 0 und damit als Funktion der rückwärts laufenden Zeit: (t) = (0)+bt = bt, s(t) = s(0)+(0)t+ 1 2 bt2 = 1 2 bt2. Durch Eleminieren der Zeit aus der ersten Gleichung, t = /b, und Einsetzen in die zweite, erhält man die quadratische Abhängigkeit des Weges on : s = 2 2b. Lässt man diesen Vorgang rückwärts in der Zeit ablaufen, hat man den Bremsweg anstelle des Beschleunigungsweges. Nun Vergleich mit der Faustformel: Bremsweg (in m) = Quadrat der Geschwindigkeit (in km/h) durch 100 : b = 2 2s = 2 2m 0.01( km/h = 50 m (km/h)2 ) 2 = 50 3.6 2 m/s2 = 3.86 m/s 2. Zum Vergleich: Komfortable Verzögerungen liegen um 2 m/s 2, während eine Vollbremsung auf trockener Straße etwa 8 m/s 2 bis 10 m/s 2 entspricht. Auf feuchter Straße werden noch etwa 4 bis 6 m/s 2 erreicht. Mit der Bremswegregel liegt man also auch bei nasser Fahrbahn noch auf der sicheren Seite, nicht jedoch bei erschneiter oder ereister Fahrbahn! Lösungsorschlag zu Aufgabe 8.2: Bremsen or Lichtsignalanlagen Zwei Fälle werden unterschieden: (i) Passieren der Ampel während der Gelbphase ist bei uneränderter Geschwindigkeit möglich. Die Bedingung dafür lautet s < s 1 = g. (ii) Passieren der Ampel während der Gelbphase ist nicht möglich. In diesem Falle wird nach der Reaktionszeit T r mit konstanter Verzögerung b so gebremst, dass man gerade or der roten Ampel zum Stehen kommt: s = T r + 2 2b www.mtreiber.de/vkmod Verkehrsdynamik, SS 2017 Lösungen zu Übung 8, Seite 2

Der Worst Case für den Abstand s bei Gelbwerden der Ampel ist offensichtlich s = s 1, denn dann würde man bei der Entscheidung Weiterfahren die Ampel gerade beim Umschalten auf Rot passieren. Die resultierende Bremserzögerung erhält man durch Gleichsetzen: Nach Kürzen on erhält man damit b = g = T r + 2 2b. 2( g T r ) = 3.47m/s2. Diesisteine ganzordentliche Verzögerung,dieetwasunterhalbderVerzögerungon3.86m/s 2 gemäß der Bremswegregel Tacho 2 durch 100, aber oberhalb der komfortablen Verzögerung on etwa 2 m/s 2 liegt. Die Fahrschulregel und die Mindestgelbzeit sind also konsistent. Lösungsorschlag zu Aufgabe 8.3: Einfaches Modell für eine Notbremsung (a) Modellparameter: T r = Reaktionszeit, b max = maximal mögliche Bremserzögerung (Verzögerung bei Notbremsung). (b) Bremsweg s B () undanhalteweg s A () sindnach elementarer Integration derkonstanten Verzögerung gegeben durch und damit s B () = 2 2b, s A() = T r +s B () = 50 km/h: s B () = 12.1 m, s A () = 25.9 m, = 70 km/h: s B () = 23.6 m, s A () = 43.1 m. (c) Zunächst wird aus der Situation mit 1 = 50 km/h der anfängliche Abstand des Kindes ermittelt: s(0) = s A ( 1 ) = 25.95m. Am Ende der Reaktionszeit wäre bei der Situation mit 2 = 70 km/h das Kind nur noch on der Kühlerhaube entfernt. s(t r ) = s(0) 2 T r = 6.50m Nun bräuchte der Fahrer noch die Strecke s B ( 2 )=23.6 m zum Bremsen, hat aber nur s(t r ) = 6.5m zur Verfügung. Ohne Kollision würde das Fahrzeug also eine zusätzliche Strecke s = 17.13 m bis zum Stillstand benötigen. Daraus ergibt sich die Kollisionsgeschwindigkeit durch Umstellen der Bremswegsgleichung zu coll = 2b s = 16.56 m/s = 59.6 km/h www.mtreiber.de/vkmod Verkehrsdynamik, SS 2017 Lösungen zu Übung 8, Seite 3

Falls Sie den Führerschein machen: Dies ist aus der Fragesammlung für den theoretischen Teil der Prüfung. Die offizielle Antwort ist 60 km/h. Setzt man alle Zahlenwerte erst zum Schluss ein, bekommt man übrigens s(t r ) = 1 T r + 2 1 2b 2T r, s = 2 2 2b s(t r) = ( 2 1 ) ( 1 + 2 2b +T r ) und damit den allgemeinen Ausdruck coll = 2b s = ( 2 1 )( 2 + 1 +2bT r ). www.mtreiber.de/vkmod Verkehrsdynamik, SS 2017 Lösungen zu Übung 8, Seite 4

Lösungsorschlag zu Aufgabe 8.4: Beschleunigung auf freier Strecke Teilaufgabe (a) Die Gleichung für die Beschleunigung auf Wunschgeschwindigkeit lautet = d dt = 0. (1) (Bemerkung: Dieser Term ist analog dem Anpassungsterm bei den Makromodellen 2. Ordnung.) (a) Die Maximalbeschleunigung findet zur Zeit t = 0 statt (Zähler ist für (t) = 0 maximal): a max = 0 (0) = 0. Mit a max = 2m/s 2 und 0 = 120km/h ergibt sich eine Relaxationszeit on = 0 0 a max = 16.7s. (b) Allgemeine Lösung dieser gewöhnlichen Differenzialgleichung(DGL) z.b. durch Trennung bzw. Separation der Variablen: d 0 = dt ln( 0 ) = t +C 0 = e t e C =: Ae t = 0 +Ae t Die Integrationskonstante A wird aus den Anfangsbedingungen bestimmt, (0) = 0 +A = 0 A = 0, und damit lautet die Lösung der DGL (t) = 0 (1 e ). t Alternatie Lösungsmethode: Die Lösung der inhomogenen DGL ergibt sich aus der allgemeinen Lösung der homogenen Gleichung H (t) und einer speziellen Lösung der ollen inhomogenen Gleichung, z.b. der Konstantfahrt I (t) = 0. Die homogene Gleichung lautet d dt =. (2) www.mtreiber.de/vkmod Verkehrsdynamik, SS 2017 Lösungen zu Übung 8, Seite 5

Mit dem Exponentialansatz erhält man die homogene Lösung proportional zu e t/, also (t) = H (t)+ I (t) = Ae t + 0. Aus den Anfangsbedingungen (0) = 0 ergibt sich die Integrationskonstante zu A = 0 und damit wiederum die Lösung ) (t) = 0 (1 e t. Beschleunigungserlauf durch Ableiten der Geschwindigkeit: a(t) = d dt = 0 = 0 e t. (c) Die Zeit t 100 on 0 auf 100 = 100km/h ist bei bekannter Anpassungszeit = 16.67s und bekannter Wunschgeschwindigkeit 0 = 120km/h zu bestimmen. Die Bedingung lautet: ( ) (t 100 ) = 100 = 0 1 e t 100. (3) Damit ergibt sich: e t 100 = 1 100 t 100 0 ( = ln 1 ) ( ) 100 1 = ln 0 6 ( ) 1 t 100 = ln = ln6 = 29.9s. 6 www.mtreiber.de/vkmod Verkehrsdynamik, SS 2017 Lösungen zu Übung 8, Seite 6