Sektion CAMPUS INNENSTADT Med. Klinik und Poliklinik IV DER ÄLTERE PATIENT UNTER ANTIKOAGULATION Prof. Dr. Ulrich Hoffmann
Hintergrund 10 % der Patienten > 75 Jahre haben Vorhofflimmern (VHF) Lebenszeitrisiko eines Schlaganfalls bei VHF steigt mit dem Alter Patienten > 70 Jahre haben ein stark erhöhtes Risiko für eine venöse Thromboembolie (18 28-fach im Vergleich zu jüngeren Pat.) Patienten > 75 Jahre haben ein deutlich erhöhtes Risiko für schwere Blutungen unter Antikoagulation (bis zu 5 %/Jahr) Antikoagulantien sind eine der größten Risikofaktoren für unerwünschte, medikamentenassoziierte Ereignisse bei alten Patienten 2 Ng KH et al. Cardiol Ther.2013:2(2):135 Wolf PA et al. Stroke 1991;22(8):983 Stein PD et al. Arch Int Med 2004;164(20):2260 Pautas E et al Drugs Againg. 2006;23(1):13-25 Pengo V et al. Thromb Haemost. 2001;85/3):418 Hajjar ER et al. Am J Geriatr Pharmacother. 2003;1(2):82 Nieuwlaat R et al: Eur Heart J. 2006;27(24):3018
Der ältere Patient unter Antikoagulation 3
Ältere Patienten und Antikoagulation Häufige klinische Bedenken Eingeschränkte Kognition Sturzrisiko Schwierigkeiten in der INR Einstellung Ernährungszustand Komedikationen Komorbiditäten Lebenserwartung 4
Intrazerebrale Blutung unter Antikoagulation Die Wahrnehmung: Apoplex ist Schicksal Blutung ist Komplikation der Therapie 5
Ältere Patienten unter Antikoagulation Faktoren, die das Blutungsrisiko erhöhen Alter > 75 Jahre Unzureichende Informationen über Antikoagulation Komedikation mit ASS, Clopidogrel oder NSAR Niereninsuffizienz Polypharmazie INR > 3 Unkontrollierte Hypertonie Blutungsanamnese (zerebral, gastrointestinal) 6 Kagansky N et al. Arch Intern Med. 2004;164(18):2044.
Risikoscores bei Vorhofflimmern Adj. Schlaganfallrate nach CHA 2 DS 2 -VASc-Score CHA 2 DS 2 - VASc Score Patienten (N=7.329) Adjustierte Schlaganfallrate (%/Jahr) 0 1 0 1 422 1,3 2 1.230 2,2 3 1.730 3,2 4 1.718 4,0 5 1.159 6,7 6 679 9,8 7 294 9,6 8 82 6,7 9 14 15,2 Grundsätzlich ist der Benefit einer oralen Antikoagulation auch bei alten und sehr alten (> 85 J.) Patienten bei Weitem größer als das Blutungsrisiko 7 Patti et al. J Am Heart Assoc. 2017,6:e005657
Schlaganfälle durch ungenügende Antikoagulation Hochrisikogruppe mit Vorhofflimmern (n=597) Mittleres Alter 78 Jahre, keine Kontraindikationen für AK Medikation vor stationärer Aufnahme der Patienten wegen eines akuten ischämischen Schlaganfalls 29% VKA-Therapie unter Zielbereich 10% VKA-Therapie im Zielbereich 29% Keine Antithrombotika 2% Duale Plättchenhemmung 29% Ein Plättchenhemmer KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN 8 Gladstone DJ et al. Stroke 2009; 40: 235-240
Ist ASS oder Clopidogrel eine Alternative zur Schlaganfallprophylaxe bei alten Patienten mit Vorhofflimmern? Aktuelle ESC-Leitlinien: keine Empfehlung für Antiplättchentherapie (APT) als Alternative zu oralen Antikoagulantien Weit weniger effektiv zur Schlaganfallprävention Erhöhtes Blutungsrisko, bei dualer APT ähnlich wie VKA Besondere Situation: alter Patient ATP weit weniger effektiv zur Schlaganfallprävention als orale AK Blutungsrisiko unter APT Monotherapie scheint mit dem Alter zu deutlich zu steigen (BAFTA-Studie: 973 Pat., mit VHF, mittl. Alter 81 J. Follow-up: 2,7 Jahre) 9 Kirchhof et al European Heart Journal (2016) 37, 2893 2962 Mant et al. Lancet (2007) 370, 493 503
Altersspezifische Risiken, Schweregrad, zeitlicher Verlauf, und Folgen von Blutungen bei Langzeit-Antiplättchen-Behandlung nach vaskulären Ereignissen: eine populationsbasierte Cohortenstudie Die Oxford Vascular Study 3166 Pat. mit Z.n. vaskulärem Ereignis unter Antiplättchentherapie 10 Linxin L et al. Lancet 2017;390: 490-499
Orale Antikoagulantien Vitamin K Antagonisten Phenprocumom (Marcumar, Falithrom ) Warfarin (Coumadin ) Acenocumarol (Sintrom ) Direkte Faktor Xa Antagonisten Rivaroxaban (Xarelto ) Apixaban (Eliquis ) Edoxaban (Lixiana ) Direkte Thrombin Antagonisten Dabigatran (Pradaxa ) 11
NOAK bei nicht-valvulärem Vorhofflimmern Was sagen uns die Studien Im Vergleich zu Vitamin K Antagonist Bessere Wirksamkeit weniger hämorrhagische Schlaganfälle Senkung der Mortalität Höhere Sicherheit weniger intrakranielle Blutungen 12 Ruff et al. Lancet. 2014;383:955-62 (Metanalyse aller Phase III Studien).
NOAK s bei älteren Patienten In Metaanalysen der Phase III Studien (AF/VTE) konsistente Effekte auch bei älteren Patienten (n=30.655 Patienten > 75 Jahre) Patienten mit schweren Komorbiditäten und reduzierter Lebenserwartung waren in Zulassungsstudien ausgeschlossen Daten für gebrechliche, alte Patienten fehlen 13 Saldon AH and Tsakiris DA Swiss Med Wkly 2016 Sep 28;146
NOAK s bei alten Patienten- Empfehlungen für die Praxis Vorteile weites therapeutisches Fenster Vorhersagbarer therapeutischer Effekt Wenig Medikamenteninteraktionen Keine Gerinnungskontrollen Geringeres Risiko für IC-Blutungen Cave Unterschiedliche Dosierungen und Dosisanpassung nach Niereninsuffizienz / Körpergewicht / Alter Höhere Rate von GI-Blutungen (Anamnese, Komed. ASS, NSAR!) Komed. mit Inhibitoren von CYP3A4 und P-gp Kein Einsatz bei künstlichen Klappen! 14 Granziera et al. JAMDA 16 (2015) 358-364
NOAKs - zugelassene Dosierungen in der Behandlung des nichtvalvulären Vorhofflimmerns Empfohlene Dosis Reduzierte Dosis Kontraindiziert + / nicht empfohlen # Dabigatran (Pradaxa ) 2 x 150 mg 2 x 110 mg bei Alter 80 J., hohem Blutungsrisiko GFR < 30 ml/min + Rivaroxaban (Xarelto ) 1 x 20 mg 1 x 15 mg bei GFR 15 49 ml/min hohem Blutungsrisiko GFR < 15 ml/min # Apixaban (Eliquis ) 2 x 5 mg 2 x 2,5 mg bei Krea >1,5 mg/dl und Alter > 80 J. oder KG < 60 kg hohem Blutungsrisiko GFR < 15 ml/min # Edoxaban (Lixiana ) 1 x 60 mg 1 x 30 mg bei GFR 15 49 ml/min oder KG 60 kg hohem Blutungsrisiko GFR < 15 ml/min #
NOAC: Empfehlungen zur Überprüfung der Nierenfunktion Vor Beginn der Therapie mit NOAC immer Überprüfung der Nierenfunktion anhand von Creatinin-Clearance (CrCl), ggf. Dosis anpassen; Während der Behandlung CrCl regelmäßig prüfen bei Verschlechterung der Nierenfunktion (z.b. Hypovolämie, Dehydratation und bestimmten Komedikationen) 2-4x jährlich (?) bei Patienten > 75 Jahre und/oder bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion Vor elektiven invasiven Eingriffen Insbesondere bei alten, multimorbiden Patienten 16
NOAKS- zugelassene Dosierungen zur Behandlung der venösen Thromboembolie Einzelsubstanz Rivaroxaban (Xarelto ) 2 x 15 mg 3 Wochen 1 x 20 mg Rivaroxaban Apixaban (Eliquis ) 2x 10 mg 1 Wo. 2 x 5 mg Apixaban Vorbehandlung mit NMH Dabigatran (Pradaxa ) NMH 1 Wo. 2 x 150 mg Dabigatran Edoxaban (Lixiana ) NMH 1 Wo. 1 x 60 mg Edoxaban Patel MR et al. N Engl J Med 2011;365:883-91, Granger CB et al. N Engl J Med 2011;365:981 92, Connolly SJ et al. N Eng J Med 2009;361: 1139 51, Giugliano RP et al., N Engl J Med 2013;369:2093-104
Fazit - Der älterer Patient unter Antikoagulation Höheres Alter ist keine Kontraindikation gegen eine Antikoagulation APT ist eine weit wenige wirksame Alternative mit wahrscheinlich ähnlichem Blutungsrisiko wie VKA im hohen Alter Risikofaktoren für Blutungen, wenn möglich, eliminieren NSAR/ASS, unkontrollierte Hypertonie, Patient über AK informieren, Sturzrisiko minimieren NOAKS bieten Vorteile in der Handhabung bei geringerem Risiko für intrazerebrale Blutungen Richtige Dosierungen (VHF / VTE) und Dosisanpassung Eine Beendigung der AK sollte erwogen werden bei kurzer Lebenserwartung, fortgeschrittenes Tumorleiden, schwere Demenz, sehr hohem Blutungsrisiko, schlechter funktioneller Status/ Pflegebedürftigkeit, schlechte Compliance, Alkoholabusus 18
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Haben Sie Fragen? 20