Demokratie in der Außenpolitik: Eine Erfolgsgeschichte?

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Transkript:

Demokratie in der Außenpolitik: Eine Erfolgsgeschichte? Vortrag im Rahmen des Berufungsverfahrens für die W-3-Professur Internationale Politik, Universität der Bundeswehr München, Neubiberg, 28. Juni 2006

Die Unvereinbarkeitsthese Die Außenpolitik fordert kaum eine jener Qualitäten, die der Demokratie zu eigen sind, im Gegenteil, den perfekten Gebrauch beinahe aller jener, in denen sie ungenügend ist. Eine Demokratie kann nur mit großer Schwierigkeit die Einzelheiten eines wichtigen Unternehmens regulieren, sich an ein Ziel halten und trotz ernster Hindernisse seine Durchführung betreiben; sie kann ihre Maßnahmen nicht heimlich abstimmen oder ihre Konsequenzen mit Geduld abwarten. Alexis de Tocqueville, Über die Demokratie in Amerika, München, S. 263.

Gliederung 1. Einleitung 2. Die Unvereinbarkeit von Demokratie und Außenpolitik 3. Demokratischer Friede und die militärische Effektivität von Demokratien 4. Demokratien in Internationalen Organisationen und demokratische Entwicklungshilfe 5. Resümee

Die Unvereinbarkeitsthese Die Außenpolitik fordert kaum eine jener Qualitäten, die der Demokratie zu eigen sind, im Gegenteil, den perfekten Gebrauch beinahe aller jener, in denen sie ungenügend ist. Internationale Politik ist atypisch. Demokratie kann in anarchischem System nicht überleben. Eine Demokratie kann nur mit großer Schwierigkeit die Einzelheiten eines wichtigen Unternehmens regulieren, sich an ein Ziel halten und trotz ernster Hindernisse seine Durchführung betreiben; sie kann ihre Maßnahmen nicht heimlich abstimmen oder ihre Konsequenzen mit Geduld abwarten. Interne Struktur der Demokratie ist mit Außenpolitik unvereinbar. Demokratien sind langsam, unstet, zu transparent. Alexis de Tocqueville, Über die Demokratie in Amerika, München, S. 263.

Die binnenstaatliche Unvereinbarkeit zwischen Demokratie und Außenpolitik Die unglückselige Wahrheit ist, das die überwiegende öffentliche Meinung in den kritischen Augenblicken stets falsch geurteilt hat, und mit destruktiver Wirkung das Verkehrte wollte. Das Volk hat gegen die Urteile unterrichteter und verantwortungsbewusster Männer in amtlichen Stellungen immer wieder sein Veto eingelegt. Es hat die Regierungen, die gewöhnlich wussten, was vernünftig gewesen wäre gezwungen, mit Zuwenigem zu spät zu kommen oder mit Zuvielem fortzufahren, zu friedliebend im Frieden, zu kriegslüstern im Krieg zu sein. Die Meinung der Massen hat in unserem Jahrhundert steigende Macht erlangt. Und sie hat sich als Zwangsherrin bei den Entscheidungen erwiesen, bei denen es um Tod und Leben geht. Lippmann 1957: 29.

Demokratien passen ihr Außenverhalten den Umweltbedingungen an Wenn also zwei Demokratien in einen Interessenkonflikt geraten, sind sie in der Lage, demokratische Normen auf ihre Interaktion anzuwenden, und diese Normen verhindern, daß die meisten Konflikte zur Drohung oder Anwendung militärischer Gewalt führen. Wenn im Gegensatz dazu eine Demokratie in einen Konflikt mit einer Nicht-Demokratie gerät, wird sie nicht davon ausgehen, daß der undemokratische Staat an diese Normen gebunden ist. Sie mag sich gezwungen fühlen, sich an die härteren internationalen Umgangsformen des letzteren anzupassen, um nicht von dem undemokratischen Staat ausgebeutet oder eliminiert zu werden, der die inhärente Mäßigung von Demokratien ausnützt. Russett 1993: 33 zitiert nach Risse-Kappen 1994: 373.

Internationale Institutionalisierung und die Domestizierung exekutiver Außenpolitik Int. Kooperation Internationales Umfeld VÄ in der demokr. AP Exekutive Exekutive Zunahme exekutiver Handlungsautonomie VÄ Gewaltenteilung Veränderte demokratische Partizipation/Kontrolle Legislative/ Länder Legislative/ Länder gesellschaftliches Umfeld

Deutsche Konstitutionalisierungspolitik für die EU: Initiativen und Politikergebnisse Europäisierung GASP/ESVP Pro-Integration Elitenkonsens Domestizierungsforderungen der Bundesländer EUV-Amsterdam differenzierte Integration Grundrechte- Konvent AM Fischer EU-Initiativen 2000 Bundesländer Post-Nizza-Junktim Reform der Institutionen Subsidiaritätsschutz Grundrechtsverankerung MS: Herren d. Verträge Europäischer Verfassungsvertrag Konventsmethode Domestizierungsforderung des BVerfG 1993 1995/96 2000 2004

BSP-Anteil der Entwicklungshilfe in ausgewählten Industrieländern Quelle: OECD 2006

EU-Entwicklungshilfeprojekt: Hypothesenüberprüfung realistische/ liberale Motive nationale Wohlfahrtstaatskonstruktionen S 1 S 2 S 1 S 2 nationales EP-Profil nationales EP-Profil nationales EP-Profil nationales EP-Profil EG/ EU Entwicklungspolitik EG/ EU Entwicklungspolitik Nutzenkalkül? Solidarität? EG/ EU-Sonderbeziehungen gegenüber AKP-Staaten

Demokratie in der Außenpolitik: Eine Erfolgsgeschichte mit Hindernissen 1. Demokratien führen keine Kriege untereinander. 2. Demokratien gewinnen Kriege deutlich häufiger als Nicht- Demokratien, aber schnelle und leichte Interventionen können zu Interventionsinflation und langen Befriedungsmissionen führen. 3. Demokratien engagieren sich häufiger in internationalen Organisationen, - aber die Verlagerung von Kompetenzen und die starke Mitwirkung der Regierung führt zu Legitimationsproblemen (Demokratiedefizit der EU). 4. Demokratien vergeben mehr Entwicklungshilfe, - aber unterschiedliche nationale Begründungen und Vergabekriterien machen gemeinsame Entwicklungshilfe ineffizient.

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